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Verkehrsunfall mit Pedelecfahrer – Schadensquotelung bei verspätetem Bremsen des Pedelecfahrers

Unfall zwischen Pkw und Pedelec: Gericht bestätigt 25%ige Mithaftung des Autofahrers

In einem aktuellen Fall entschied das OLG Hamm (Az.: I-9 U 187/21), dass ein Autofahrer 25 % Mithaftung an einem Verkehrsunfall mit einem Pedelec-Fahrer trägt. Trotz grob verkehrswidrigen Verhaltens des Pedelec-Fahrers sei die Betriebsgefahr des Autos nicht vollständig zurückgetreten.

Direkt zum Urteil: Az.: I-9 U 187/21 springen.

Der Unfallhergang

Der Kläger befuhr mit seinem Pkw die C-Straße, als der Beklagte mit seinem Pedelec zunächst auf dem Radweg fuhr und dann plötzlich auf die Fahrbahn abbog und diese querte. Dabei kam es zur Kollision der Fahrzeuge. Der Pkw des Klägers wurde beschädigt.

Das Landgerichtsurteil

Das Landgericht erließ ein Teilanerkenntnisurteil über 4.572,60 Euro und sprach dem Kläger weitere 440,71 Euro nebst Zinsen und Rechtsanwaltskosten zu. Nach durchgeführter Beweisaufnahme wurde dem Kläger ein Mitverschulden von 25 % angerechnet, da der Unfallhergang nicht genau aufklärbar war und der Kläger nicht bewiesen hatte, dass der Unfall für ihn unvermeidbar gewesen sei.

Die Berufung des Klägers

Der Kläger legte Berufung ein, um einen restlichen Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.396,86 Euro und restliche außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 66,30 Euro durchzusetzen. Er argumentierte, dass die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs aufgrund des grob verkehrswidrigen Verhaltens des Beklagten zurücktreten müsse. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass ein vollständiges Zurücktreten der Betriebsgefahr nur in Betracht käme, wenn der Kläger sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten hätte.

Entscheidung des Senats und Haftungsrecht

Der Senat entschied einstimmig, dass die Berufung des Klägers offensichtlich aussichtslos ist und keine grundsätzliche Bedeutung hat. Obwohl es anerkannt ist, dass die Betriebsgefahr eines unfallbeteiligten Pkw hinter einem groben Verschulden eines Fahrradfahrers haftungsrechtlich zurücktreten kann, verkennt der Kläger, dass es sich hierbei stets um die einfache, durch keine besonderen Umstände erhöhte Betriebsgefahr des Pkw handelt. Das Landgericht berücksichtigte jedoch ein Verschulden des Klägers an der Entstehung des Unfalls, was auf Basis des verkehrsanalytischen Sachverständigengutachtens zutreffend ist.

Unfallanalyse und Reaktionsverschulden

Der Sachverständige ermittelte verschiedene mögliche Unfallvarianten und stellte fest, dass der Kläger in allen realistischerweise in Betracht kommenden Fällen ein nicht zu vernachlässigendes Reaktionsverschulden aufwies. Die Parameter des Privatsachverständigen, die zu dem Ergebnis führten, der Unfall sei für den Kläger unvermeidbar gewesen, sind nicht mit den Feststellungen des Gerichtssachverständigen und den eigenen Angaben des Klägers vereinbar. Trotz des verkehrsgerechten Verhaltens des Klägers und der Verkehrsverstöße des Beklagten, betont der Sachverständige, dass der Kläger in der konkreten Situation versagt und zu spät gebremst hat. Daher kann die durch ein Verschulden erhöhte Betriebsgefahr nicht hinter dem gravierenden Verschulden des Beklagten zurücktreten. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

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Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-9 U 187/21 – Beschluss vom 08.03.2022

Die Berufung des Klägers gegen das am 22.10.2021 verkündete Schlussurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Münster ist nach dem einstimmigen Votum des Senats offensichtlich aussichtslos.

Es ist daher beabsichtigt, diese durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 16.12.20## gegen (…. ) Uhr auf der C- Straße in H ereignete.

Der Kläger befuhr mit seinem Pkw (…) zum Unfallzeitpunkt die C- Straße aus Richtung H – Innenstadt kommend in Fahrtrichtung I. Der Beklagte fuhr mit seinem Pedelec in gleicher Fahrtrichtung zunächst auf dem auf der linken Seite verlaufenden, in beide Fahrtrichtungen freigegebenen Radweg. Sodann bog er nach rechts auf die Fahrbahn ab und querte diese, wodurch es zur Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen kam.

Der Pkw des Klägers wurde beschädigt. Erstinstanzlich hat er folgenden Schaden geltend gemacht:

  • Reparaturkosten netto: 5.262,47 Euro
  • merkantiler Minderwert lt. Gutachten: 300,00 Euro
  • Kosten des Sachverständigengutachtens netto:       822,70 Euro
  • allgemeine Kostenpauschale:   25,00 Euro
  • 6.410,17 Euro

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte den Unfall allein verursacht habe und ihn daher die volle Haftung treffe.

Der Beklagte hat die Klageforderung in Höhe eines Betrages von 4.572,60 Euro anerkannt. Er hat gleichzeitig die Auffassung vertreten, dass den Kläger eine Mithaftung in Höhe von 25 % treffe, da er den Fahrrad fahrenden Beklagten wahrgenommen habe und er sich dementsprechend auf ein nicht ganz ordnungsgemäßes Verhalten habe einstellen können und das Fahrrad mit so großem Abstand habe passieren müssen, dass auch ein etwaiges leichtes Fehlverhalten des Fahrradfahrers insbesondere für diesen ohne Gefahr ablaufe. Dies habe der Kläger offensichtlich nicht getan. Die Reparaturkosten seien nach einem vom Versicherer des Beklagten eingeholten Sachverständigengutachten nur mit 4.699,86 Euro zu beziffern, weil Kosten für die Beipolierung der Seitenwand, die Entsorgungs- und Verbringungskosten zum Lackierer ebenso wie UPE-Aufschläge nicht anfielen. Auch eine Kostenpauschale könne der Kläger nur bei einem Direktanspruch gegen eine Versicherung geltend machen, was hier nicht der Fall sei.

Das Landgericht hat ein Teilanerkenntnisurteil über einen Betrag in Höhe von 4.572,60 Euro erlassen, sodann den Kläger zum Unfallhergang angehört und ein verkehrsanalytisches Sachverständigengutachten mit der Fragestellung eingeholt, ob sich der Kläger wie ein Idealfahrer verhalten habe, für den der Unfall unvermeidbar gewesen sei.

Sodann hat es mit der angefochtenen Entscheidung dem Kläger unter Abweisung der Klage im Übrigen weitere 440,71 Euro nebst Zinsen auf den Gesamtbetrag von 5.013,31 Euro und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 480,29 Euro zugesprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger sei unstreitig ein Sachschaden in Höhe von 4.699,86 Euro sowie ein Minderwert an seinem Fahrzeug in Höhe von 300,00 Euro entstanden, wovon er unter Berücksichtigung seines Mitverschuldens 75 % verlangen könne. Dieser Schaden sei bereits ebenso wie die Sachverständigenkosten durch Teilanerkenntnisurteil tituliert.

Der Kläger habe weiterhin Anspruch auf Ersatz von 75 % der Beipolierungs-, Entsorgungs- und Verbringungskosten und der UPE-Aufschläge, da diese Kosten bei Reparatur eines Fahrzeuges in Fachwerkstätten der Umgebung anfielen, sowie auch der Kostenpauschale.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme sei der genaue Unfallhergang nicht zu klären. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen seien mehrere Geschehensabläufe denkbar. Der Kläger habe selbst in seiner persönlichen Anhörung angegeben, er habe den Fahrradfahrer wahrgenommen und dieser sei auf einmal, als ein abgesenkter Bordstein gekommen sei, quer über die Fahrbahn geschossen. Er selbst habe versucht, noch auszuweichen und eine Vollbremsung durchgeführt. Zuvor sei er mit einer Geschwindigkeit von 35 – 40 km/h gefahren.

Der Sachverständige habe angesichts der Beschädigungen an beiden Fahrzeugen eine Geschwindigkeitsdifferenz im Zeitpunkt der Kollision von 10 – 15 km/h festgestellt. Dabei sei er unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers von einer Maximalgeschwindigkeit des Pkw von 40 km/h ausgegangen. Ebenfalls habe er eine Ausweichbewegung gegen den Bordstein und eine Vollbremsung zugrunde gelegt. Demgegenüber sei die Geschwindigkeit des vom Beklagten gefahrenen Pedelec nicht rekonstruierbar. Bei einer Geschwindigkeit von 15 km/h habe der Kläger eine Bremsreaktion einleiten können, als sich der Beklagte im Bereich der Gesamtfahrbahnmitte befunden habe. Dann sei für ihn der Unfall vermeidbar gewesen. Auch wenn der Beklagte mit einer höheren Geschwindigkeit von etwa 20 km/h gefahren sei, so wäre der Unfall für den Kläger ebenfalls vermeidbar gewesen, wobei bei dieser Betrachtung der Sachverständige jeweils die spätest mögliche Reaktion zugunsten des Klägers zugrunde gelegt habe. Danach habe der Kläger jedenfalls nicht bewiesen, dass der Unfall für ihn unvermeidbar gewesen sei und erst recht sei aus Sicht des Gerichts nicht bewiesen, dass der Kläger sich wie ein Idealfahrer verhalten habe, da ein solcher bereits früher auf den auf die Straße abbiegenden Radfahrer reagiert hätte. Das Gericht verkenne nicht, dass, wie im Privatgutachten T dargestellt, auch eine Situation darstellbar sei, in der der Unfall für den Kläger unvermeidbar gewesen sei. Jedoch lasse sich dies, wie der gerichtliche Sachverständige G überzeugend darstelle, mangels ausreichender Anknüpfungstatsachen nicht sicher feststellen. Auch der Privatsachverständige stelle dies lediglich als eine Möglichkeit dar. Insbesondere lege er eine geringere Bremsverzögerung zugrunde und begründe dies in seiner Stellungnahme damit, dass die Endstellung der Fahrzeuge fast längsachsenparallel auf der Buss pur gewesen sei. Aufgrund der unterschiedlichen Bodenbeläge von Fahrbahn und Busspur sei eine solche Endstellung bei einer Vollbremsung eher unwahrscheinlich. Zudem setze der Privatgutachter eine Reaktionszeit von 1,2 Sekunden an, wogegen der Sachverständige G überzeugend erklärt habe, dass gerade die linke Fahrbahnseite, auf welcher der Beklagte gefahren sei, beleuchtet gewesen sei, sodass von einer Reaktionszeit von 1 Sekunde auszugehen sei. Dabei habe der Sachverständige wiederum die Angaben des Klägers, er habe den Beklagten bereits wahrgenommen, als dieser auf dem Radweg gefahren sei, zugrunde gelegt. Wenn nun der Kläger unter Hinweis auf das Privatgutachten versuche, seinen eigenen Vortrag zu widerlegen, spreche dies erst recht dafür, dass der Unfallhergang nicht genau aufklärbar sei. Daher stehe auch nicht mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit fest, dass das Verschulden des Beklagten derart überwiege, dass die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Klägers dahinter zurückzutreten habe. Nach Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge sei dem Kläger ein Mitverschulden von 25 % anzulasten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er einen restlichen Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.396,86 Euro und restliche außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 66,30 Euro verfolgt.

Zur Begründung führt er aus, das Landgericht habe zu Unrecht die vom Klägerfahrzeug ausgehende Betriebsgefahr anspruchsmindernd berücksichtigt. Zutreffend sei zwar, dass sich der Beklagte als Radfahrer keinen Haftungsausschluss nach § 17 Abs. 3 StVG entgegenhalten lassen müsse. Insoweit überrasche die Formulierung des erstinstanzlichen Beweisbeschlusses. Die Haftung des Klägers entfalle allerdings angesichts des grob verkehrswidrigen Verhaltens des Beklagten. Unter Berücksichtigung der im Urteil nachfolgend zitierten Inhalte des Sachverständigengutachtens wie auch des klägerischen Privatgutachtens entstehe der Eindruck, dass das Landgericht davon ausgegangen sei, dass nur bei einem feststellbaren Verhalten des Klägers gleich einem Idealfahrer i. S. d. § 17 Abs. 3 StVG ein vollständiges Zurücktreten der Betriebsgefahr in Betracht komme. Diese unzutreffende Beurteilung äußere sich auch in dem Hinweis des erstinstanzlichen Gerichts im Protokoll vom 14.08.2020 und es werde dort auch ausgeführt, dass der Kläger beweisbelastet sei, sich wie ein Idealfahrer verhalten zu haben, wobei nur in einem solchen Fall ein Verschulden des Beklagten so überwiegend sein dürfte, dass die anzurechnende Betriebsgefahr hinter dem Verschulden zurücktrete. Auf Seiten des Beklagten seien Verstöße gegen §§ 8 Abs. 1, 10 S. 1 und 9 Abs. 1 StVO zu berücksichtigen. Feststehe, dass der Beklagte im Bereich einer Bordsteinabsenkung kurz vor dem Kollisionsort plötzlich auf die Fahrbahn gefahren sei, es sodann im Bereich der Fahrspur des Klägers zur Kollision der Parteien gekommen sei, wobei der Kläger eine Vollbremsung vollzogen und zwecks Ausweichens seinen Pkw gegen einen rechts neben der Fahrbahn befindlichen Bordstein gelenkt habe. Unter Berücksichtigung der unstreitigen bzw. bewiesenen unfallursächlichen Umstände sei davon auszugehen, dass der Beklagte sich damals ohne jede Rückabsicherung, mithin blindlings, ggf. sogar unter bewusster Missachtung des sich auf der Fahrspur befindlichen Verkehrs zum Kreuzen der Fahrbahn entschlossen habe. Auf Seiten des Klägers sei bei der gebotenen Abwägung kein schuldhafter Verstoß feststellbar. In der Rechtsprechung werde in einer solchen Unfallkonstellation ein Zurücktreten der Betriebsgefahr des betroffenen Pkw hinter dem groben Verschulden des Radfahrers angenommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist nach dem einstimmigen Votum des Senats offensichtlich aussichtslos. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats durch Urteil, insbesondere nicht aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch aus sonstigen Gründen nicht geboten erscheint, § 522 Abs. 2 S.1 Nr. 1 – 4 ZPO.

Der Senat schließt sich nach eigener Sachprüfung den in allen Punkten zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung an. Diese werden durch das Berufungsvorbringen nicht erschüttert. Zwar trifft es zu, dass in der Rechtsprechung, so auch der des Senats, anerkannt ist, dass die Betriebsgefahr eines unfallbeteiligten Pkw hinter einem groben Verschulden eines Fahrradfahrers haftungsrechtlich zurücktreten kann. Es ist in der Tat dazu nicht erforderlich, dass der Pkw-Fahrer nachweist, sich wie ein Idealfahrer verhalten zu haben.

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Der Kläger verkennt allerdings, dass es auch nach der von ihm zitierten Rechtsprechung stets die einfache, d. h. durch keine besonderen Umstände, insbesondere ein Verschulden, erhöhte Betriebsgefahr des Pkw ist, die insoweit zurücktreten kann. Das Landgericht hat jedoch auf Seiten des Klägers nicht lediglich die einfache von seinem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr berücksichtigt, sondern ein Verschulden des Klägers an der Entstehung des Unfalls. Dies ist auf der Basis des vorliegenden verkehrsanalytischen Sachverständigengutachtens auch zutreffend.

Richtig ist, dass sich der Unfallhergang nicht vollständig aufklären lässt, weil unklar ist, mit welcher Geschwindigkeit das Pedelec vor dem Unfall fuhr und wo es exakt den Gehsteig verlassen hat, nämlich zu Beginn, in der Mitte oder am Ende der Bordsteinabsenkung im Bereich des Hauses Nr. (..). Der Sachverständige hat allerdings den Unfallhergang aufgrund zu ermittelnder Parameter insoweit eingekreist, dass er mehrere mögliche Varianten darstellen konnte. Im Hinblick auf die an beiden Fahrzeugen festgestellten Beschädigungen und die Position des Pkw nach dem Unfall ließ sich eine Differenzgeschwindigkeit zwischen beiden Fahrzeugen von 10 – 15 km/h ermitteln. Zugunsten des Klägers wurde seine eigene Angabe bewertet, dass er an der Unfallstelle, an der eine Geschwindigkeit von 50 km/h gestattet war, nur 40 km/h gefahren sei. Die Kollisionsgeschwindigkeit war sodann mit 30 km/h nachvollziehbar. Der Sachverständige hat, insoweit auch durch das Privatgutachten des Klägers und die Berufung nicht angegriffen, für das Pedelec des Beklagten eine Geschwindigkeit von 15 – 20 km/h angenommen, obwohl dieses eine Maximalgeschwindigkeit von 25 km/h fahren kann. Dies sieht auch der Senat im Hinblick auf die Sichtverhältnisse, das Alter des Beklagten im Unfallzeitpunkt von über 70 Jahren und den Umstand, dass er vom Bordstein auf die Straße gefahren ist, als zutreffend an.

Der Sachverständige hat nun verschiedene Zeit-Wege-Betrachtungen unter Berücksichtigung verschiedener Geschwindigkeiten des Pedelec und verschiedener Auffahrorte angestellt. Dabei hat er detektiert, dass dann, wenn das Pedelec mit einer Geschwindigkeit von 15 – 20 km/h erst am Ende der Bordsteinabsenkung aufgefahren wäre, also bei einer Betrachtung zugunsten des Klägers, dessen Bremsreaktion 1,5 Sekunden vor der Kollision und damit zu spät eingesetzt hätte, da unter Berücksichtigung der Licht- und Straßenverhältnisse, insbesondere des Umstandes, dass der Kläger den Beklagten nach eigenen Angaben schon frühzeitig auf der linken Seite auf dem Fahrradweg hatte fahren sehen, von einer Reaktionszeit von 1 Sekunde auszugehen sei. Habe der Beklagte hingegen den Fahrradweg bereits zu Beginn der Bordsteinabsenkung verlassen, so habe der Kläger zum spätesten Reaktionszeitpunkt, als das Pedelec unmittelbar vor der gedachten Fahrbahnmitte gewesen sei, bei Annahme einer Geschwindigkeit des Pedelec von nur 15 km/h, 2,5 Sekunden vor der Kollision und bei Annahme einer Geschwindigkeit des Pedelec von 20 km/h, 1,9 Sekunden vor der Kollision reagieren können. Im ersteren Fall hätte er sein Fahrzeug 6,4 m vor der Kollision zum Stillstand gebracht, im zweiten Fall zwar erst 0,3 m hinter dem Kollisionsort, den der Pedelec-Fahrer dann aber bereits verlassen gehabt hätte.

Damit hat der Sachverständige bei allen realistischerweise in Betracht kommenden Fallvarianten, insbesondere aber bei den beiden Varianten, die zugunsten des Klägers von einem späten Auffahren des Beklagten auf die Fahrbahn ausgegangen sind, ein nicht zu vernachlässigendes Reaktionsverschulden des Klägers festgestellt.

Die Parameter, aufgrund derer der Privatsachverständige T zu dem Ergebnis gelangt ist, der Unfall könne für den Kläger unvermeidbar gewesen sein, sind weder mit den Feststellungen des Gerichtssachverständigen noch mit den eigenen Angaben des Klägers vereinbar. Der Gerichtssachverständige hat ausgeführt, dass bei einer Vollbremsung, wie sie der Kläger selbst angegeben hat, eine Bremsverzögerung von 6 m/s² und nicht von 3,5 m/s² zugrunde zu legen sei. Auch sei es unrichtig, die Reaktionszeit mit 1,2 Sekunden zu bemessen. Denn eine solche Reaktionszeit berücksichtige nicht, dass die linke Fahrbahn komplett ausgeleuchtet gewesen sei, mithin sich die Dunkelheit zum Unfallzeitpunkt nicht gravierend ausgewirkt habe, außerdem auch der Kläger den Fahrradfahrer zuvor bereits gesehen habe. Bei der von dem Privatsachverständigen angenommenen Geschwindigkeitsdifferenz zwischen beiden Fahrzeugen von 20 – 25 km/h ergebe sich aus dem entsprechenden Zeit-Weg-Diagramm, dass sich der Pedelec-Fahrer 1,8 Sekunden vor der Kollision an der gedachten Mittellinie der Straße befunden habe, sodass auch hier eine Vollbremsung den Unfall hätte vermeiden können.

Selbst wenn dem Kläger zuzubilligen ist, dass er sich mit Einhaltung einer Geschwindigkeit von 40 km/h und Beobachtung des neben ihm fahrenden Pedelecs durchaus verkehrsgerecht verhalten hat und dem Beklagten tatsächlich in mehrfacher Hinsicht ein Verkehrsverstoß vorzuwerfen ist, so lässt sich doch nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht darüber hinwegsehen, dass der nach eigener Auskunft beobachtende und bremsbereite Kläger letztendlich in der konkreten Situation versagt und zu spät gebremst hat, was ihm zum Verschulden gereicht, da er den Unfall nach den Feststellungen des Sachverständigen bei rechtzeitiger Reaktion sicher hätte vermeiden können. In einer solchen Situation kann jedoch die durch ein Verschulden erhöhte Betriebsgefahr nicht hinter dem gravierenden Verschulden des Beklagten zurücktreten.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Verkehrsrecht: Das Verkehrsrecht regelt die Teilnahme am Straßenverkehr und ist in diesem Fall besonders relevant, da der Unfall zwischen einem Pkw und einem Pedelec stattfand. Die Entscheidung des Gerichts hängt davon ab, ob der Autofahrer (Kläger) gegen Verkehrsvorschriften verstoßen hat oder ob der Pedelec-Fahrer (Beklagter) grob verkehrswidrig gehandelt hat. Das Gericht entschied, dass der Autofahrer 25% Mithaftung tragen muss, weil er nicht bewiesen hat, dass der Unfall für ihn unvermeidbar gewesen sei.
  2. Haftungsrecht: Das Haftungsrecht befasst sich mit der Frage, wer für einen Schaden verantwortlich ist und in welchem Umfang. In diesem Fall wurde dem Kläger ein Mitverschulden von 25% angerechnet, weil er nicht nachweisen konnte, dass der Unfall für ihn unvermeidbar war. Das Gericht entschied, dass die Betriebsgefahr des Pkw nicht vollständig hinter dem groben Verschulden des Pedelec-Fahrers zurücktritt, da auch der Autofahrer ein Reaktionsverschulden aufwies.
  3. Schadensersatzrecht: Im Schadensersatzrecht geht es darum, inwieweit jemand für einen Schaden aufkommen muss, den er verursacht hat. Der Kläger verlangte Schadensersatz für den Schaden an seinem Pkw und legte Berufung ein, um einen restlichen Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.396,86 Euro und restliche außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 66,30 Euro durchzusetzen. Das Gericht wies die Berufung jedoch als offensichtlich aussichtslos zurück.

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