Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 7 U 18/18 – Beschluss vom 23.10.2018
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 22.12.2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Kiel ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.906,00 € festgesetzt.
Gründe
Die Berufung des Klägers gegen das angefochtene Urteil ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 24.09.2018 Bezug genommen. Darin ist ausgeführt:
Mit der Berufung kann nur geltend gemacht werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Das zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers zeigt weder das Vorliegen des einen noch des anderen Berufungsgrundes auf.
Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 7, 18 StVG, § 823 BGB, § 115 VVG zusteht.
Die ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen kann die Feststellung rechtfertigen, dass sich ein Unfall entweder überhaupt nicht ereignet hat oder aber es sich um ein manipuliertes Unfallgeschehen handelt. Beweisanzeichen können sich zum Beispiel ergeben aus dem Unfallhergang, der Art der Schäden, der Art der beteiligten Fahrzeuge, dem Anlass der Fahrt, fehlender Kompatibilität, den persönlichen Beziehungen oder wirtschaftlichen Verhältnissen (OLG Schleswig, Beschluss vom 23.09.2016 – 7 U 58/16).
Eine Haftung des Schädigers, des Halters des gegnerischen Fahrzeugs und des Haftpflichtversicherers entfällt dann, wenn in ausreichendem Maße Umstände vorliegen, die die Feststellung gestatten, dass es sich bei dem Schadensereignis um ein manipuliertes Geschehen gehandelt hat.
Diesen Nachweis hat grundsätzlich der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer zu führen, wobei allerdings der Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für unredliches Verhalten genügt. Die ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen kann eine solche Feststellung nach § 286 ZPO gestatten (BGH, Urteil vom 13.12.1977 – VI ZR 206/75, BGHZ 71, 339).
Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze drängen sich (auch) dem Senat gewichtige Indizien für die Annahme eines manipulierten Unfallgeschehens auf.
Auffällig ist zunächst die Fahrzeugkonstellation. Bei dem Klägerfahrzeug handelt es sich um ein Fahrzeug der Oberklasse (PKW BMW X5, Erstzulassung 06.11.2008, 138.755 km Laufleistung, Wiederbeschaffungswert 27.000,- €). Auf Schädigerseite war hingegen ein 13 Jahre alter Ford Mondeo, mit einem mehr als 2,5 m breiten Anhänger beteiligt.
Die Schadensabrechnung soll fiktiv auf Gutachtenbasis erfolgen. Eine derartige Konstellation ist bei manipulierten Unfällen häufig anzutreffen, weil bei hochwertigen Fahrzeugen hohe Reparaturkosten anfallen, während auf Schädigerseite nur sehr geringe finanzielle Einbußen drohen, insbesondere bei Verwendung eines Anhängers, bei dem es regelmäßig auf Kratzer und kleinere Beschädigungen nicht ankommt.
Das Schadensbild – überwiegend Streifschäden – ist ein typisches Indiz für eine Unfallmanipulation. Solche Schäden können meist wesentlich kostengünstiger in Privat-, Niedrigpreiswerkstätten oder in Eigenregie repariert werden, als dies im Gutachten unter Annahme einer Reparatur in einer Fachwerkstatt kalkuliert wird. So können letztlich hohe Gewinne erzielt werden. Dazu passt auch, dass der Kläger durch den Zeugen F, mit dem dieser nach eigenen Angaben freundschaftlich verbunden ist, als „Bastler“ bezeichnet worden ist.
Die Unfallkonstellation ist häufig bei gestellten Unfällen anzutreffen, geparkter PKW des Klägers auf der einen, der Beklagte alleine im Fahrzeug auf der anderen Seite, so dass Personenschäden nicht zu erwarten sind und zudem, aufgrund der geringen Geschwindigkeiten, Schäden dosiert beigebracht werden können, so dass sich das Risiko für die Beteiligten deutlich minimiert. Dazu passt auch die Verwendung eines Anhängers, da insoweit regelmäßig Personenschäden ausgeschlossen werden können.
Auch ist das Präsentieren einer vermeintlich klaren Haftungslage – hier die Beschädigung eines parkenden PKW -, um eine schnelle und vollständige Regulierung zu erreichen, typisch bei manipulierten Unfällen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 21.12.2017 – 4 U 124/16).
Die Vermögensverhältnisse des Beklagten sprechen ebenfalls für eine Unfallmanipulation. Denn dieser ist arbeitslos, sodass er mit einem Rückgriff grundsätzlich nicht rechnen musste. Auch hat er nach eigenen Angaben eine kriminelle Vergangenheit.
Ebenso auffällig sind die Hintergründe, die zu dem Geschehen geführt haben. So hat der Beklagte zu 2) in der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe ein Fahrzeug erwerben wollen und habe dazu einen Anhänger angemietet, ohne sich jedoch das zu erwerbende Fahrzeug reservieren zu lassen. Für den Fall, dass dieses bestimmte Fahrzeug bereits verkauft gewesen sei, hätte er einfach ein anderes gekauft. Diese Angaben erscheinen wenig nachvollziehbar und lebensfremd, insbesondere vor dem Hintergrund des doch eher begrenzten Budgets eines Arbeitslosen; zu dem Erwerb eines Fahrzeuges ist es dann auch gar nicht gekommen.
Außerdem hat der Beklagte zu 2) angegeben, allein im Jahr 2013 vier „Unfälle“ verursacht zu haben und im Jahr 2014 sogar fünfmal in „Unfälle“ verwickelt gewesen zu sein. Auch dieses Phänomen ist vielfach bei Unfallmanipulationen anzutreffen, dass einer der Beteiligten ungewöhnlich häufig in Unfälle verwickelt ist.
Der Unfallhergang selbst ist ungewöhnlich. So will der Beklagte zu 2) das klägerische Fahrzeug zunächst gestreift haben, um dann mit mehreren Rangiermanövern die übrigen Schäden verursacht zu haben. Nach dem Gutachten des Sachverständigen H vom 03.05.2016 ist es dabei zu mindestens drei Anstößen gekommen, die jeweils nur durch getrennte Fahrmanöver, gegebenenfalls mit anstoßlosen Zwischenmanövern, zu erklären sind. Dafür gibt es keine plausible Erklärung. Die mehrfachen Anstöße deuten vielmehr auf ein vorsätzliches Verhalten hin. Auch die Erklärungen des Beklagten, er habe einfach jedes Mal falsch eingeschlagen, erscheinen allein aufgrund der Anzahl der Anstöße lebensfremd. Dies gilt insbesondere hier, vor dem Hintergrund, dass der Beklagte zu 2) nach seinen Angaben früher Sattelzüge gefahren ist. In diesem Zusammenhang ist überdies auffällig, dass sich der Beklagte zu 2) nur an zwei, nicht jedoch an drei Anstöße erinnern konnte.
Dass einzelne Beweisanzeichen regelmäßig für sich genommen unverdächtig erscheinen können, ist unerheblich. Insoweit verkennt die Berufung, dass es auf eine Gesamtschau aller Beweisanzeichen ankommt, die hier nur den Schluss auf ein manipuliertes Geschehen zulässt. Für den Nachweis unredlichen Verhaltens genügt eine „erhebliche Wahrscheinlichkeit“.
Der Kläger hat dazu binnen nachgelassener Frist keine Stellung genommen.
Seine Berufung ist im Beschlusswege zurückzuweisen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 713 ZPO.