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Verkehrsunfall – Pflicht des Geschädigten zur Einsetzung der verbliebenen Arbeitskraft

Verletzter muss nach Verkehrsunfall aktiv Arbeitsplatz suchen

Im Fall Az.: 7 U 83/13 des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein wurde die Klage eines verletzten Klägers auf Verdienstausfallschaden teilweise abgewiesen, weil ihm ein Mitverschulden zugeschrieben wird, da er nicht ausreichend seine verbliebene Arbeitskraft zur Schadensminderung eingesetzt habe. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Kläger als Bürokaufmann arbeitsfähig wäre und verpflichtet ist, seine Arbeitskraft zu verwenden, um den Erwerbsschaden zu mindern.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 7 U 83/13 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein änderte das Urteil des Landgerichts Itzehoe, indem es die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Verdienstausfallschaden für den Zeitraum April 2009 bis Mai 2011 teilweise aufhob, aufgrund eines Mitverschuldens des Klägers.
  • Der Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall im Jahr 2002 schwere Verletzungen, die zu dauerhaften Beeinträchtigungen führten, einschließlich der Notwendigkeit einer Kniegelenksprothese.
  • Trotz Umschulung zum Bürokaufmann konnte der Kläger nicht wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden, was zur teilweisen Einstellung der Zahlungen durch die Beklagte führte.
  • Das Gericht bestätigte, dass der Kläger prinzipiell in der Lage ist, vollschichtig als Bürokaufmann zu arbeiten, vorausgesetzt, der Arbeitsplatz erlaubt Positionswechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen.
  • Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger einen auf seine Bedürfnisse zugeschnittenen Arbeitsplatz nachzuweisen; vielmehr muss der Kläger aktiv nach geeigneten Arbeitsplätzen suchen.
  • Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Kläger seine Schadensminderungspflicht nicht erfüllt hat, da seine Bemühungen, eine Anstellung zu finden, nicht den Anforderungen entsprachen.
  • Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass geeignete Arbeitsplätze für ihn gänzlich fehlen oder dass er aufgrund seiner Einschränkungen unvermittelbar wäre.

Schadensminderungspflicht bei Arbeitsunfähigkeit

Nach einem Verkehrsunfall können die Folgen für den Geschädigten weitreichend sein. Neben den gesundheitlichen Beeinträchtigungen droht häufig auch ein Verlust des Einkommens. In solchen Fällen ist der Schadensersatzanspruch des Geschädigten von zentraler Bedeutung.

Doch was viele nicht wissen: Der Geschädigte hat ebenfalls eine wichtige Obliegenheit zu erfüllen. Er muss seine verbliebene Arbeitskraft soweit wie möglich einsetzen, um den Schaden zu mindern. Dies gilt selbst dann, wenn er unfallbedingt seinen ursprünglichen Beruf nicht mehr ausüben kann. Von dieser Schadensminderungspflicht hängt letztendlich die Höhe des Schadensersatzes ab.

➜ Der Fall im Detail


Verkehrsunfall führt zu langjährigem Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche

Im Jahr 2002 erlitt der Kläger bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen, die zu dauerhaften körperlichen Beeinträchtigungen führten. Diese Umstände zwangen ihn, seinen Beruf als Elektroinstallateur aufzugeben.

Nach einer Umschulung zum Bürokaufmann konnte der Kläger trotz Bestnoten nicht wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. Die Beklagte, eine Versicherungsgesellschaft, stellte die Zahlung von Verdienstausfallschaden ab 2010 vollständig ein, da sie der Auffassung war, der Kläger verweigere die Arbeitssuche. Der Kläger bestritt dies und führte an, dass er aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nur schwer vermittelbar sei.

Urteil des Landgerichts Itzehoe und darauf folgende Berufung

Das Landgericht Itzehoe gab der Klage des Geschädigten zunächst überwiegend statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz sowie Schmerzensgeld. Die Beklagte legte jedoch Berufung ein und argumentierte, dass der Kläger nicht ausreichend seine verbliebene Arbeitskraft eingesetzt habe, um den Schaden zu mindern. Sie bezog sich dabei auf einen berufskundlichen Bericht, der die Arbeitsfähigkeit des Klägers trotz seiner Einschränkungen bestätigte.

Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein nahm die Berufung an und änderte das Urteil des Landgerichts teilweise ab. Es stellte fest, dass der Kläger ein weitgehendes Mitverschulden am Nichterzielen von Einkommen trägt, da er nachweislich nicht ausreichend Initiative gezeigt habe, einen seiner Qualifikation und seinen gesundheitlichen Einschränkungen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden. Trotz der Möglichkeit, zwischen Sitzen, Stehen und Gehen zu wechseln, und der festgestellten vollschichtigen Arbeitsfähigkeit als Bürokaufmann, habe der Kläger nicht genügend Eigeninitiative zur Jobsuche bewiesen.

Rechtliche Grundlagen der Entscheidung

Das Gericht berief sich auf § 254 BGB, der die Schadensminderungspflicht des Geschädigten betont. Es wurde festgestellt, dass der Kläger trotz der Umschulungsmaßnahmen und der theoretischen Möglichkeit, eine Beschäftigung aufzunehmen, seinen Pflichten nicht nachgekommen ist. Die Entscheidung des Gerichts legt die Verantwortung zur Schadensminderung deutlich in die Hände des Geschädigten, solange diesem zumutbare Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Auswirkungen und rechtliche Bewertung des Urteils

Die rechtliche Bewertung dieses Falles unterstreicht die Bedeutung der Mitwirkungspflicht von Schadensersatzberechtigten. In der deutschen Rechtsprechung wird erwartet, dass Geschädigte aktiv dazu beitragen, ihre Schäden so gering wie möglich zu halten. Das Urteil betont, dass Versicherungen und Schädiger nicht dafür verantwortlich sind, den Geschädigten Arbeitsplätze zu beschaffen, sondern dass diese eine eigene Verpflichtung zur aktiven Schadensminderung haben. Die rechtlichen Rahmenbedingungen und die daraus resultierenden Pflichten für die betroffenen Parteien sind dabei klar definiert und müssen von den Betroffenen sorgfältig beachtet werden.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was bedeutet die Schadensminderungspflicht nach einem Verkehrsunfall?

Die Schadensminderungspflicht bedeutet, dass Geschädigte nach einem Verkehrsunfall den entstandenen Schaden und weitere Folgen so gering wie möglich halten müssen. Sie dürfen den Schaden nicht unnötig in die Höhe treiben. Diese Pflicht ist in § 254 BGB verankert.

Konkret müssen Geschädigte beispielsweise ihr beschädigtes Fahrzeug in die nächstgelegene geeignete Werkstatt bringen, statt es unnötig weit abschleppen zu lassen. Bei Bagatellschäden sollten sie die kostengünstigere Smart-Repair-Methode wählen. Auch dürfen sie mit der Reparatur nicht warten, bis die gegnerische Versicherung die Kostenübernahme zugesagt hat, wenn sie die Kosten selbst vorstrecken können.

Die Schadensminderungspflicht gilt auch für Personenschäden. Verletzte müssen sich um die Wiederherstellung ihrer Erwerbsfähigkeit bemühen, soweit zumutbar. Werden sie jedoch vom Arbeitsamt für nicht mehr vermittelbar gehalten, kann keine weitere Eigeninitiative erwartet werden.

Kommen Geschädigte ihrer Schadensminderungspflicht nicht nach, kann dies als Mitverschulden gewertet werden. Die Versicherung darf ihre Leistung dann kürzen. Geschädigte müssen aber keine unzumutbaren Maßnahmen ergreifen. Die Pflicht dient dazu, die Interessen beider Seiten in Einklang zu bringen: Geschädigte sollen so gestellt werden, als wäre der Unfall nicht passiert, Schädiger aber auch nicht übermäßig belastet werden.

Welche Rolle spielt die berufliche Umschulung bei der Erfüllung der Schadensminderungspflicht?

Die berufliche Umschulung spielt im Rahmen der Schadensminderungspflicht des Geschädigten nach einem Unfall eine wichtige Rolle:

Wenn der Geschädigte aufgrund der Unfallfolgen seinen bisherigen Beruf nicht mehr oder nur noch eingeschränkt ausüben kann, ist er grundsätzlich verpflichtet, eine zumutbare Umschulung in einen anderen, seinen Fähigkeiten entsprechenden Beruf in Betracht zu ziehen. Dadurch soll die Erwerbsfähigkeit möglichst wiederhergestellt und der Verdienstausfallschaden begrenzt werden.

Die Kosten einer solchen Umschulung muss der Schädiger ersetzen, wenn sie bei verständiger Beurteilung der Erfolgsaussichten und im Verhältnis zur Schadenshöhe angemessen erscheint. Es kommt darauf an, ob die konkrete Art der Umschulung fachlich empfohlen wurde und Erfolg versprechend ist.

Allerdings ist eine Umschulung nur geschuldet, wenn sie für den Geschädigten zumutbar ist. Das ist in der Regel nicht der Fall, wenn sie allen beruflichen Neigungen und Fertigkeiten des Geschädigten widerspricht. Vor einer Umschulung sollte genau geprüft werden, ob die angestrebte Tätigkeit den Fähigkeiten und Neigungen entspricht.

Verweigert der Geschädigte eine zumutbare Umschulung, kann dies als Verletzung seiner Schadensminderungspflicht gewertet werden. Der Schädiger bzw. Versicherer kann dann den Erwerbsschaden entsprechend kürzen. Umgekehrt muss sich ein durch die Umschulung erzielter höherer Verdienst nicht schadenmindernd auswirken.

Insgesamt dient die Umschulung als Maßnahme der Schadensbegrenzung sowohl den Interessen des Geschädigten an einer beruflichen Wiedereingliederung als auch denen des Schädigers an einer Minderung seiner Ersatzpflicht. Sie ist ein wichtiges Instrument, um die Folgen schwerer Unfälle für alle Beteiligten erträglicher zu gestalten.

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Wie wird die Zumutbarkeit einer Arbeitsstelle für Unfallopfer bewertet?

Die Zumutbarkeit einer Arbeitsstelle für Unfallopfer wird anhand verschiedener Kriterien bewertet:

Zunächst muss die Tätigkeit den körperlichen Fähigkeiten und dem Gesundheitszustand des Geschädigten entsprechen. Eine Arbeit ist nur zumutbar, wenn sie weder die Gesundheit noch die Sittlichkeit gefährdet. Unfallfolgen wie Bewegungseinschränkungen oder Schmerzen sind zu berücksichtigen.

Weiterhin muss die Stelle der Qualifikation und den Kenntnissen des Unfallopfers angemessen sein. Dabei ist eine vollständige Übereinstimmung mit dem Ausgangberuf nicht erforderlich, solange die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung entspricht. Eine Zahnarzthelferin kann beispielsweise auf eine Tätigkeit als Telefonistin in einer Patientenanlaufstelle verwiesen werden.

Auch die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes spielt eine Rolle. Als zumutbar gelten in der Regel Pendelzeiten von bis zu zweieinhalb Stunden täglich. Bei der Bewertung sind die individuellen Lebensumstände wie familiäre Verpflichtungen einzubeziehen.

Verweigert der Geschädigte eine unter Berücksichtigung dieser Kriterien zumutbare Arbeit, kann dies als Verletzung seiner Schadensminderungspflicht gewertet werden. Der Versicherer bzw. Schädiger kann dann seine Leistungen kürzen.

Insgesamt müssen bei der Zumutbarkeitsprüfung die Interessen beider Seiten gegeneinander abgewogen werden. Ziel ist es, dem Geschädigten eine angemessene berufliche Wiedereingliederung zu ermöglichen, ohne den Schädiger unangemessen zu belasten. Im Zweifel ist im Sinne des Geschädigten zu entscheiden.

Inwiefern beeinflusst die Eigeninitiative des Geschädigten die Höhe des Schadensersatzes?

Die Eigeninitiative des Geschädigten spielt im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht eine wichtige Rolle für die Höhe des Schadensersatzes:

Grundsätzlich muss sich der Geschädigte nach einem Unfall aktiv darum bemühen, den entstandenen Schaden möglichst gering zu halten. Dazu gehört insbesondere, dass er sich um eine neue Arbeitsstelle bemüht, wenn er aufgrund der Unfallfolgen nicht mehr in seinem bisherigen Beruf arbeiten kann. Auch eine zumutbare Umschulung in einen anderen, seinen Fähigkeiten entsprechenden Beruf muss er in Betracht ziehen.

Unternimmt der Geschädigte diese Anstrengungen nicht, kann ihm eine Verletzung seiner Schadensminderungspflicht vorgeworfen werden. Die Versicherung bzw. der Schädiger darf die Ersatzleistung dann entsprechend kürzen. Der Geschädigte muss sich also ein Mitverschulden anrechnen lassen, wenn er zumutbare Maßnahmen unterlässt, um wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und damit seinen Verdienstausfallschaden zu begrenzen.

Allerdings sind der Eigeninitiative des Geschädigten auch Grenzen gesetzt: Wird er beispielsweise vom Arbeitsamt aufgrund seines Gesundheitszustandes für nicht mehr vermittlungsfähig gehalten, kann grundsätzlich keine weitere Aktivität von ihm erwartet werden. Auch eine Umschulung ist nur geschuldet, wenn sie für den Geschädigten unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und Neigungen zumutbar ist.

Insgesamt gilt: Je mehr sich der Geschädigte im Rahmen seiner Möglichkeiten um eine Schadensminderung bemüht, desto weniger Anlass besteht für den Schädiger, die Ersatzleistung zu kürzen. Umgekehrt drohen Abzüge, wenn der Geschädigte untätig bleibt, obwohl er noch zu einer Erwerbstätigkeit in der Lage wäre. Die Eigeninitiative kann also erheblichen Einfluss auf die letztlich erzielte Entschädigungshöhe haben.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 254 BGB – Mitverschulden Regelt die Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten (Schadensminderungspflicht). Im vorliegenden Fall wird betont, dass der Kläger trotz seiner Unfallfolgen und Umschulung zu einem Bürokaufmann verpflichtet war, seine verbliebene Arbeitskraft einzusetzen, um seinen Erwerbsschaden zu mindern. Dieser Paragraph ist zentral, da er die Grundlage der Argumentation des Gerichts bildet, um die Schadensersatzansprüche des Klägers teilweise abzulehnen.
  • § 823 BGB – Schadensersatzpflicht Bestimmt die allgemeinen Voraussetzungen für Schadensersatz wegen einer unerlaubten Handlung. Im Kontext des Falles relevant, da es um die Ersatzpflicht für materielle und immaterielle Schäden geht, die aus einem Verkehrsunfall resultieren.
  • § 249 BGB – Art und Umfang des Schadensersatzes Legt fest, dass der Schädiger den Zustand wiederherstellen muss, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Hier relevant, da das Gericht über die Höhe des Schmerzensgeldes und weiterer materieller Schäden entscheidet.
  • ZPO § 513 – Berufung Definiert die Voraussetzungen und die Wirkung einer Berufung gegen Urteile erster Instanz. Dies ist entscheidend, weil das Oberlandesgericht auf Berufung der Beklagten hin das Urteil des Landgerichts abänderte.
  • SGB VII – Gesetzliche Unfallversicherung Könnte im Kontext des Falles relevant sein, da Unfallfolgen und die Übertragung von Ersatzansprüchen auf Sozialversicherungsträger thematisiert werden. Es befasst sich mit der Absicherung von Arbeitsunfällen, was für den Kläger als ehemaligen Elektroinstallateur zutreffen könnte.
  • Arbeitsrechtliche Grundsätze zur Beschäftigungspflicht Diese sind relevant, da der Kläger verpflichtet war, trotz seiner Einschränkungen einer angemessenen Tätigkeit nachzugehen. Diese Rechtsnormen regeln, unter welchen Bedingungen ein Arbeitnehmer trotz gesundheitlicher Einschränkungen arbeiten muss und welche Schutzmaßnahmen für ihn gelten.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 7 U 83/13 – Urteil vom 09.01.2014

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. April 2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.000 € (Schmerzensgeld) zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ursächlich auf dem Unfall vom 21. Juni 2002 beruhen, soweit die Ersatzansprüche des Klägers nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen sind.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagte zwei Drittel und der Kläger ein Drittel, die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von jeweils 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch um materielle Schadensersatzansprüche des Klägers – nämlich Verdienstausfallschaden für den Zeitraum April 2009 bis Mai 2011 – als Folge eines Verkehrsunfalles vom 21. Juni 2002, wobei die volle Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach unstreitig ist.

Bei diesem Unfall erlitt der Kläger – seinerzeit 30 Jahre alt – schwere Verletzungen insbesondere am linken Bein, nämlich einen sogenannten Knieverrenkungsbruch und einen Trümmerbruch des Schienbeinkopfes. Infolge dessen musste er seinen Beruf als Elektroinstallateur aufgeben; im Jahre 2007 erhielt der Kläger eine Kniegelenksprothese, mittlerweile ist er chronischer Schmerzpatient. Wegen der Einzelheiten des medizinischen Leidensweges des Klägers wird auf die Seiten 3-6 des angefochtenen Urteils verwiesen.

Die Beklagte blieb indes nicht untätig, vielmehr versuchte sie, den Kläger mithilfe der R-GmbH – eines medizinisch-berufskundlichen Beratungs- und Reintegrationsdienstes – wieder in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Unter anderem durchlief der Kläger eine Umschulungsmaßnahme zum Bürokaufmann, die er im Jahre 2005 mit Bestnoten abschloss. Gleichwohl gelang es in der Folgezeit nicht, den Kläger beruflich wieder zu integrieren. Ab April 2009 stellte die Beklagte, da sie den Eindruck hatte, der Kläger verweigere sich einer Arbeit, die Zahlung von Verdienstausfallschaden erst teilweise, ab Februar 2010 sodann vollständig ein. Bis dahin hatte sie monatlich die Differenz zwischen seinem (fiktiven) Einkommen als Elektroinstallateur und den tatsächlich gezahlten Lohnersatzleistungen ausgeglichen. Diese Leistungseinstellung der Beklagten beruhte unter anderem auch darauf, dass eine Einstellung des Klägers als Bürokaufmann im Jahre 2008 daran gescheitert war, dass er seinem potentiellen Arbeitgeber zu verstehen gegeben hatte, nicht sicher zu sein, ob er den Anforderungen genügen würde.

Der Kläger hat vorgetragen, dass er trotz Bemühungen keinen geeigneten Arbeitsplatz, der seinen Bedürfnissen entspreche, erhalten könne. Die Beklagte habe ihm einen solchen auch nicht nachweisen können. Aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei er insgesamt bestenfalls schwer vermittelbar.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 26.698,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn Schmerzensgeld in Höhe von 9.000 € sowie einen darüber hinausgehenden, in das Ermessen des Gerichts gestellten Abschlag auf das Schmerzensgeld zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für alle in Zukunft entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aufzukommen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat – insbesondere vor dem Hintergrund des berufskundlichen Abschlussberichts der R-GmbH vom 9. Juni 2009 (Bl. 63 ff. d. A.) – die Auffassung vertreten, dass der Kläger letztlich überhaupt nicht arbeiten wolle; ihn treffe an seinem Verdienstausfallschaden ein überwiegendes Mitverschulden, so dass sie insoweit nicht mehr schadensersatzpflichtig sei.

Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme (Einholung eines unfallchirurgischen sowie eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens sowie mündliche Erläuterung durch die Sachverständigen) ganz überwiegend stattgegeben, die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Verdienstausfallschaden in Höhe von 26.692,94 € nebst Zinsen, sowie (weitere) 14.000 € Schmerzensgeld zu zahlen; auch dem umfassenden Feststellungsbegehren hat das Landgericht stattgegeben. Zur Begründung hinsichtlich des zuerkannten Verdienstausfallschadens hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei für ein Mitverschulden des Klägers darlegungs- und beweisbelastet. Dem habe sie nicht genügt; sie hätte darlegen können und müssen, dass es für den Kläger in zumutbarer Entfernung geeignete Arbeitsplätze gebe. Er, der Kläger, habe hinreichend zu seinen Bemühungen um einen Arbeitsplatz vorgetragen. Dass er damit keinen Erfolg gehabt habe, liege nicht in seiner Sphäre.

Mit der Berufung rügt die Beklagte unter anderem, das Landgericht habe Beweisantritte hinsichtlich der Arbeitsunwilligkeit des Klägers übergangen, zudem die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des Mitverschuldens verkannt.

Die Beklagte beantragt, unter teilweiser Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit sie verurteilt worden ist, an den Kläger 26.692,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. Juni 2011 zu zahlen.

Der Kläger trägt unter Verteidigung des angefochtenen Urteils auf Zurückweisung der Berufung an.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil nebst darin enthaltener Verweisungen Bezug genommen, wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtzug auf die zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet.

Das angefochtene Urteil weist – soweit es mit der Berufung angefochten ist – Rechtsfehler auf, die zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz seines Verdienstausfallschadens für den in Rede stehenden Zeitraum – April 2009 bis Mai 2011 – nicht zu, denn ihn trifft ein weitgehendes Mitverschulden am Entstehen dieses Schadens. Zutreffend hat die Beklagte für diesen Zeitraum die geltend gemachten Ansprüche teilweise bzw. vollständig unreguliert gelassen.

Aufgrund der erstinstanzlich eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. A (Unfallchirurgie) und Prof. Dr. B (Psychiatrie) steht fest, dass der Kläger in der Lage ist, in seinem Beruf als Bürokaufmann vollschichtig zu arbeiten, wobei ihm allerdings die Möglichkeit zur Entlastung seines geschädigten Knies gegeben sein muss. Der Arbeitsplatz muss die Möglichkeit bieten, zwischen Sitzen, Gehen und Stehen zu wechseln. Die vollschichtige Arbeitsfähigkeit besteht trotz einer psychiatrisch attestierten leicht unfallbedingten Anpassungsstörung sowie einer MdE, die der Gutachter Dr. A mit 30% eingeschätzt hat. Diese Feststellungen sind zweitinstanzlich unangegriffen.

Ist der Kläger mithin – wenn auch mit den genannten Einschränkungen – vollschichtig arbeitsfähig, ist er in diesem Rahmen verpflichtet, seine Arbeitskraft zur Minderung des Erwerbsschadens zu verwenden (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 254 Rn. 39 m. w. N.).

Die Beklagte hat dem Kläger, nachdem er unfallbedingt nicht mehr in der Lage war, seinen erlernten Beruf als Elektroinstallateur auszuüben, mit der Umschulung die Möglichkeit eröffnet, seine verbliebene Arbeitskraft einzusetzen. Der Kläger seinerseits war gehalten, alles Zumutbare zu unternehmen, um einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden, mithin seine verbliebene Arbeitskraft zu verwerten und gewinnbringend einzusetzen. Dafür, dass er Entsprechendes unternommen ist, ist der Geschädigte im Streitfalle darlegungs- und ggf. beweisbelastet. Hingegen ist es nicht Aufgabe des Schädigers – bzw. des Haftpflichtversicherers – dem Geschädigten einen auf seine Bedürfnisse zugeschnittenen Arbeitsplatz nachzuweisen.

Soweit vorgetragen und ersichtlich, gab es im Zeitraum von 2005 bis April 2009 aber konkret nur das eine Vorstellungsgespräch vom 04.02.2008; darüber hinaus will sich der Kläger – wofür allerdings jegliche Nachweise fehlen – im Zeitraum von Ende 2007 bis einschließlich Januar 2008 rund 20 Mal beworben haben, davon „mehr als 10 Mal“ schriftlich.

Ein derartiges Bewerbungsverhalten – die Richtigkeit des Vorbringens des Klägers unterstellt – genügt den Anforderungen, die an die Schadensminderungspflicht des Klägers zu stellen sind, nicht; vielmehr wäre der Kläger gehalten gewesen, sich permanent und unter Ausnutzung zumindest der Stellenanzeigen in der örtlichen Presse im Raum … um Stellen als Bürokaufmann zu bewerben. Dies hat er ganz offensichtlich nicht getan; auch auf Nachfrage des Senats im Rahmen der mündlichen Verhandlung hin konnte der Kläger nichts Näheres zu seinen Bemühungen um einen Arbeitsplatz als Bürokaufmann vortragen.

Mit seiner geringfügigen Tätigkeit beim Kreisjugendring mit Einkünften von allenfalls 300 € pro Monat genügt der Kläger seiner Schadensminderungspflicht jedenfalls nicht.

Einzig, wenn es einen seinen Bedürfnissen angepassten Arbeitsplatz (in zumutbarer Entfernung) überhaupt nicht gäbe oder der Kläger aufgrund seiner unfallbedingten Einschränkungen gänzlich unvermittelbar wäre (vgl. BGH VI ZR 291/89, Urteil vom 09.10.1990), läge kein Verstoß des Klägers gegen seine Erwerbsobliegenheit vor.

Indes steht weder das eine noch das andere fest.

Dass es für Bürokaufleute keinen Arbeitsplatz geben sollte, in dem zwischen sitzender, stehender und gehender Tätigkeit gewechselt werden kann, ist ausgeschlossen. Es entspricht heutigem Bürostandard – der sogar schon in Gerichten Einzug gehalten hat -, dass beispielsweise Schreibtische ohne weiteres höhenverstellbar sind, so dass an ihnen sowohl sitzend als auch stehend gearbeitet werden kann. Dabei kann selbstverständlich auch phasenweise gegangen werden, und sei es in Büroräumen selber. Bescheinigungen der Bundesagentur für Arbeit darüber, dass der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen gänzlich unvermittelbar wäre, gibt es ebenfalls nicht. Der sozialmedizinische Dienst der Bundesagentur für Arbeit hat unter dem 17.03.2010 (Anlage K7) lediglich bestätigt, dass der Kläger für einen Zeitraum von sechs Monaten vollständig arbeitsunfähig – und damit wohl auch vermittlungsunfähig – war. Dies reicht indes nicht aus, um seinen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht auszuräumen, denn diese setzte bereits unmittelbar nach Abschluss seiner Umschulung zum Bürokaufmann ein.

Die mit dem Erfolg der Berufung der Beklagten verbundenen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 709 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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