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Verkehrsunfall –  Reparaturkosten bei Nichteinhaltung der vorgegeben Inspektionsintervalle

LG Freiburg (Breisgau) – Az.: 9 S 6/17 – Urteil vom 09.05.2017

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Waldkirch vom 09.12.2016, Az. 1 C 106/16, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die beklagte Haftpflichtversicherung nach einem Verkehrsunfall vom 30.03.2016, bei dem sein am 20.05.2010 erstzugelassenes Fahrzeug Mercedes Benz C 220, T Modell, beschädigt wurde, auf Zahlung weiteren Schadenersatzes in Anspruch. Nachdem das Amtsgericht seine Klage abgewiesen hatte, verfolgt er in der Berufungsinstanz seine erstinstanzlichen Ziele weiter.

Der Kläger, der fiktiv auf Gutachtenbasis abrechet, meint, dass ihm weitere Nettoreparaturkosten auf Grundlage der Preise einer markengebundenen Fachwerkstatt zu erstatten seien. Nachdem er erstinstanzlich zwei Rechnungen der Mercedes-Benz Niederlassung Freiburg vom 27.07.2015 und vom 23.08.2016 über durchgeführte Servicearbeiten vorgelegt und hierzu ausgeführt hatte, dass weitere Inspektionen während seiner Besitzzeit nicht erforderlich gewesen seien, trägt er in der Berufungsinstanz ergänzend vor, dass er das Fahrzeug erst am 09.07.2013 gebraucht erworben habe und zuvor regelmäßige Wartungen in Mercedes-Benz-Niederlassungen am 16.05.2011, 23.05.2012 und am 29.03.2013 stattgefunden hätten. Insoweit wird auf die vorgelegte Anlage BK3 Bezug genommen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger sich auf die qualitativ gleichwertige, aber günstigere Reparatur in einer freien Fachwerkstatt verweisen lassen müsse. Sie bestreitet weiterhin, dass das Fahrzeug des Klägers regelmäßig und ausnahmslos in einer markengebundenen Werkstatt gewartet und repariert wurde.

Von einer weiteren Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet.

Das Amtsgericht hat richtig entschieden. Auf dessen Begründung, die sich die Kammer nach Prüfung zu eigen macht, kann daher zunächst verwiesen werden. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine andere Entscheidung.

Dem Kläger steht über die bezahlten € 1.989,19 hinaus kein Anspruch gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, 249 Abs. 1 BGB auf Erstattung weiterer fiktiver Nettoreparaturkosten gegen die Beklagte zu.

Zwar darf – wie das Amtsgericht zutreffend ausführt – auch derjenige Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, der Schadensberechnung gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen (BGH, Urt. v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09 -, Rn. 7, juris).

Dem Schädiger steht es jedoch offen, den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB auf eine günstigere Reparatur in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ zu verweisen, wenn er darlegt und beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt entspricht und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb einer markengebundenen Werkstatt unzumutbar machen würden (BGH, Urt. v. 28.04.2015 – VI ZR 267/14 -, juris).

Diese Voraussetzungen für eine Verweisung des Klägers auf die günstigere Reparaturmöglichkeit bei der Fa. … hat das Amtsgericht zu Recht bejaht:

Dass die kostengünstigere Reparatur bei der von der Beklagten benannten freien Fachwerkstatt Fa. … qualitativ gleichwertig und die Reparaturwerkstatt für den Kläger mühelos erreichbar ist, ist unstreitig. Dass es sich bei den von der Fa. … angebotenen Preisen um für jeden Kunden allgemein zugängliche Endverbraucherpreise handelt, ergibt sich aus der vom Kläger vorgelegten Anlage K2 und wurde von diesem auch nicht in Frage gestellt.

Verkehrsunfall: Reparaturkosten bei Nichteinhaltung Inspektionen
(Symbolfoto: Von sirtravelalot/Shutterstock.com)

Soweit der Kläger mutmaßt, dass vertragliche Beziehungen zwischen der Beklagten und der Fa. … bestünden, vermag dieser Umstand für sich genommen eine Verweisung nicht unzumutbar erscheinen lassen (BGH, Urt. v. 28.04.2015 – VI ZR 267/14 -, juris).

Schließlich steht der Zumutbarkeit der Verweisung nicht entgegen, dass der Kläger sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hätte warten und reparieren lassen. In einem solchen Fall kann es für den Geschädigten zwar unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen, da auch bei älteren Fahrzeugen die Frage, wo das Fahrzeug regelmäßig gewartet und ob es scheckheftgepflegt ist, insbesondere im Falle eines Weiterverkaufs von Bedeutung sein kann (BGH, Urt. v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09 -, Rn. 15). Hiervon ist aber auch unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags nicht auszugehen. Zwar trifft die Darlegungs- und Beweislast im Anwendungsbereich des § 254 BGB grundsätzlich den Schädiger. Dass ihm die Verweisung auf eine freie Werkstatt unzumutbar ist, hat aber im Rahmen der ihm insoweit obliegenden sekundären Darlegungslast der Geschädigte konkret darzulegen (BGH, Urt. v. 20.10.2009 – VI ZR 53/09 -, Rn. 15). Die Darlegungen des Klägers lassen den Rückschluss auf eine vorausgehende regelmäßige Wartung in markengebundenen Fachwerkstätten aber gerade nicht zu:

Erstinstanzlich hat der Kläger lediglich die Durchführung zweier Inspektionen, am 15.07.2015 und am 23.08.2016, in Mercedes-Benz-Niederlassungen dargelegt. Dass weitere Inspektionen nicht erforderlich gewesen seien, hat er nur pauschal und ohne Darlegung der vorgesehenen Inspektionsintervalle behauptet.

Aber auch unter Zugrundelegung seines zweitinstanzlichen Vortrags ergibt sich nicht, dass sein Fahrzeug bisher stets in markengebundenen Fachwerkstätten gewartet wurde. Da der BGH in seiner o.g. Entscheidung vom 20.10.2009 ausdrücklich auf die Bedeutung einer regelmäßigen Wartung im Sinne einer Scheckheftpflege abstellt, erfordert die stete Wartung nicht nur, dass das Fahrzeug ausschließlich in Markenwerkstätten gewartet wurde, sondern auch, dass alle zur Scheckheftpflege erforderlichen Inspektionen dort durchgeführt wurden (in diesem Sinne s. zuletzt BGH, Urt. v. 07.02.2017 – VI ZR 182/16 – juris). Das ist hier aber nicht der Fall.

Es ist allgemein bekannt und somit offenkundig im Sinne von § 291 ZPO und ergibt sich im Übrigen auch aus der vom Kläger vorgelegten Anlage BK3, dass Inspektionen bei Mercedes jeweils, je nachdem, welche Vorgabe früher erfüllt ist, nach Ablauf von 12 Monaten bzw. alle gefahrenen 25.000 km durchzuführen sind. Bei Nichteinhaltung diese Inspektionsintervalle kann das Fahrzeug nicht mehr als „scheckheftgepflegt“ weiterveräußert werden. Ein Interesse am Erhalt der Scheckheftpflege besteht  in einem solchen Fall nicht mehr.

Aus der vom Kläger vorgelegten Historie der Serviceberichte (Anlage BK3) ergibt sich, dass das Fahrzeug vor und in seiner Besitzzeit (ab 09.07.2013) am 16.05.2011, am 23.05.2012, am 29.05.2013, am 15.07.2015 und am 26.07.2016 in Mercedeswerkstätten gewartet wurde. Im Jahr 2014 fand hingegen keine Wartung statt, obgleich dies wegen der seit der vorausgehenden Wartung am 29.05.2013 vergangenen 12 Monate erforderlich gewesen wäre. Entsprechend ergibt sich auch aus dem Servicebericht 4 vom 15.07.2015 eine Restlaufzeit von -410 Tagen, was bedeutet, dass der vorgesehene Wartungszeitpunkt um 410 Tage, also um mehr als ein Jahr, überschritten wurde. Somit hat der Kläger das Fahrzeug nach Inbesitznahme gerade nicht mehr regelmäßig gewartet, sondern trotz des Erwerbs eines zuvor scheckheftgepflegten Fahrzeugs dieses erst nach Ablauf von zwei Jahren anlässlich der anstehenden Hauptuntersuchung (s. Anlage K6) wieder zur Inspektion vorgestellt. Unter diesen Umständen ist es ihm zuzumuten, sich auf die Reparatur in einer freien Werkstatt verweisen zu lassen. Die hierfür erforderlichen Nettoreparaturkosten hat die Beklagte bereits bezahlt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen  zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

 

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