AG Lüdenscheid – Az.: 96 C 341/20 – Urteil vom 11.03.2021
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 263,45 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 227,11 ab dem 13.01.2021 und aus EUR 36,34 ab dem 02.03.2021 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber der Gebührenforderung der Rechtsanwälte … in Höhe von EUR 81,43 freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Ohne Tatbestand (gemäß §§ 313a Abs. 1, 495a ZPO).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer Reparaturkosten in Höhe von EUR 263,45 aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4 VVG, 249 BGB.
Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte dem Kläger in vollem Umfang zum Ersatz der von ihm bei dem streitgegenständlichen Unfall erlittenen Schäden verpflichtet ist.
Es kann dahinstehen, ob die Reparaturwerkstatt dem Kläger für die Fahrzeugreparatur Positionen in Rechnung gestellt hat, die für eine sach- und fachgerechte Reparatur nicht erforderlich waren. Denn bei der Instandsetzung eines beschädigten Kraftfahrzeugs schuldet der Schädiger als Herstellungsaufwand nach § 249 S. 2 BGB grundsätzlich auch die Mehrkosten, die ohne eigene Schuld des Geschädigten die von ihm beauftragte Werkstatt infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen verursacht hat; die Werkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten. Der erforderliche Herstellungsaufwand wird nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens, die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt, so auch durch seine Abhängigkeit von Fachleuten, die er zur Instandsetzung des Unfallfahrzeugs heranziehen muss. In diesem Sinne ist der Schaden nicht normativ zu bestimmen, sondern subjektbezogen. Diese nach mit zu berücksichtigenden Umstände schlagen sich unter anderem in Umfang und Verlauf der Instandsetzungsarbeiten sowie in den Reparaturkosten nieder, die dem Geschädigten von der Werkstatt berechnet werden. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Unfallfahrzeug in die Hände von Fachleuten übergeben hat; auch diese Grenzen bestimmen das mit, was erforderlich ist. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 S. 2 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten, wohl auch nicht vom Schädiger kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Hier wirkt sich aus, dass sich der Geschädigte der Werkstatt in erster Linie nicht in Erfüllung von Obliegenheiten zur Schadensminderung, sondern kraft seiner Befugnis zur Herstellung des beschädigten Fahrzeugs bedient und das Gesetz die Kosten hierfür dem Schädiger auferlegt. Eine andere Betrachtung würde das Recht des Geschädigten, die Schadensbeseitigung selbst statt vom Schädiger vornehmen zu lassen, dem Sinn des Gesetzes zuwider verkürzen. Weist der Geschädigte nach, dass er die Instandsetzungsarbeiten unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze veranlasst hat, so können deshalb die tatsächlichen Reparaturkosten regelmäßig auch dann für die Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes herangezogen werden, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise im Vergleich zu dem, was für eine solche Reparatur sonst üblich ist, unangemessen sind (vgl. BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az.: VI ZR 42/73).
Die Voraussetzungen, unter ein Schädiger einem Geschädigten hiernach auch objektiv nicht erforderliche Reparaturkosten zu ersetzen hat, liegen vor: Anhaltspunkte dafür, dass die Durchführung nicht erforderlicher Reparaturarbeiten durch die Reparaturwerkstatt auf einem vorwerfbaren Verhalten des Klägers beruhen, bestehen nicht. Der Kläger hat die restlichen Reparaturkosten, wie sich aus dem als Anlage zum Schriftsatz vom 16.02.2021 vorgelegten Überweisungsträger (Bl. 83 d.A.) ergibt, auch an die Reparaturfirma gezahlt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt hier gerade ein Fall des sog. „Werkstattrisikos“ vor. So hält sie dem Kläger entgegen, dass die ihrer Ansicht nach nicht erforderlichen Reparaturkosten auf einer von der Reparaturwerkstatt vorgenommenen, fehlerhaften Berechnung des eingesetzten Lackmaterials beruhen. Bei dieser Berechnung handelt es sich aber gerade um eine Frage des Umfangs und des Verlaufs der Instandsetzungsarbeiten, die den Erkenntnismöglichkeiten des Klägers, hinsichtlich dessen keine Anhaltspunkts dafür vorliegen, dass es sich bei ihm selbst um einen Fahrzeuglackierer handelt, der dementsprechende Fachkenntnisse zur ordnungsgemäßen Berechnung des Lackmaterials besäße, entzogen ist.
Das Urteil des OLG Köln vom 02.06.2010, Az.: 26 U 30/08, führt zu keiner anderen Entscheidung. Soweit das Urteil dahingehend zu verstehen ist, dass der Geschädigte in jedem Fall der In Rechnung Stellung von zur sach- und fachgerechten Reparatur nicht erforderlichen Kosten auf einen möglichen Schadensersatzanspruch gegen die Reparaturwerkstatt zu verweisen sein soll, widerspräche dies der herrschenden und gefestigten Rechtsprechung zum Werkstattrisiko, weshalb das erkennende Gericht sich dies ausdrücklich nicht zu eigen macht. Die Sachverhaltskonstellationen sind aber auch insoweit nicht vergleichbar als dass in dem der Entscheidung des OLG Köln zugrundeliegenden Sachverhalt eine Reparatur an einem nicht unfallbeschädigten Bauteil vorgenommen wurde, wohingegen es vorliegend um die möglicherweise überhöhte Abrechnung von Materialkosten im Rahmen einer tatsächlich unfallbedingt erforderlichen Reparatur geht.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
Der Kläger hat darüber hinaus einen Anspruch gegen die Beklagte auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von EUR 81,43 aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4 VVG, 249 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Der Streitwert wird folgendermaßen festgesetzt:
auf 227,11 EUR bis zum 02.03.2021 und
auf 263,45 EUR ab diesem Zeitpunkt.