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Verkehrsunfall – Verwertbarkeit Videoaufzeichnung eines Tankstellenbetreibers

Videoaufzeichnung als Beweismittel: Datenschutz trifft auf Rechtspflege

In einem kürzlich ergangenen Urteil wurde die Frage behandelt, ob eine Videoaufzeichnung eines Tankstellenbetreibers als Beweismittel in einem Verkehrsunfallfall verwertbar ist. Dabei kollidierten datenschutzrechtliche Bedenken mit dem Interesse an einer materiell-rechtlichen Entscheidung.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 C 273/19 (70) >>>

Datenschutz vs. Beweisinteresse

Verkehrsunfall - Verwertbarkeit Videoaufzeichnung eines Tankstellenbetreibers
Videoaufzeichnung als Beweismittel: Datenschutz und Rechtspflege kollidieren in Verkehrsunfallfall. (Symbolfoto: Julian Hopff /Shutterstock.com)

Der Kläger forderte Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall. Er argumentierte, dass die Beklagte den Unfall überwiegend verschuldet habe. Als Beweismittel führte er eine Videoaufzeichnung des Tankstellenbetreibers an. Er war der Meinung, dass seine Interessen an einer gerechten Entscheidung die datenschutzrechtlichen Bedenken überwiegen würden.

Rechtliche Bewertung der Videoaufzeichnung

Die ZPO regelt nicht ausdrücklich die Verwertung unzulässig erlangter Beweismittel. Auch das Bundesdatenschutzgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention bieten hierzu keine klaren Vorgaben. Das Gericht musste daher abwägen: Einerseits das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen und andererseits das Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und einer materiell richtigen Entscheidung.

Abwägung der Interessen

Das Gericht stellte fest, dass die Videoüberwachung mit Aufzeichnungsfunktion grundsätzlich in das Persönlichkeitsrecht eingreifen kann. Jedoch wurde in diesem Fall die Sozialsphäre der Beklagten betroffen, da der Unfall auf einem Tankstellengelände stattfand, auf das sie sich freiwillig begeben hatte. Zudem war zu berücksichtigen, dass Tankstellen häufig überwacht werden, um Tankbetrug zu verhindern. Unter diesen Umständen hielt das Gericht die Verwertung der Videoaufzeichnung für angebracht.

Ergebnis der Beweisaufnahme

Nach Auswertung aller Beweise und Zeugenaussagen kam das Gericht zu dem Schluss, dass der Kläger voll haftet. Es wurde festgestellt, dass der Lkw des Klägers bereits einige Zeit auf dem Tankstellengelände wartete. Die Zeugin, die den Unfall verursachte, hätte sich vergewissern müssen, dass sich vor ihrem Lkw keine Personen oder Fahrzeuge befanden, bevor sie losfuhr. Dieser Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht überwog deutlich die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten.

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Das vorliegende Urteil

AG Bad Schwalbach – Az.: 3 C 273/19 (70) – Urteil vom 16.01.2020

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit der Klage Zahlung von Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls vom 12.11…

Der Kläger ist Eigentümer des Lkw des Marke Scania R 580 mit dem amtlichen Kennzeichen:. Die Beklagte zu 1.) ist der Haftpflichtversicherer des von der Beklagten zu 2.) am Unfalltag gefahrenen Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen:…

Am 12.11.2018 gegen 13.30 Uhr fuhr die Ehefrau des Klägers, die Zeugin, mit dem Lkw auf das Tankstellengelände der in Bad Schwalbach, um zu tanken. Da die Zapfsäulen 1 und 2 belegt waren, musste die Zeugin zunächst warten. Nachdem die Zapfsäule vor ihr frei war, setzte sich die Zeugin mit dem Lkw in Bewegung, um an die Zapfsäule zu fahren. Zwischenzeitlich fuhr die Beklagte zu 2.) vor den Lkw des Klägers, um die Lücke zur Ausfahrt zu nutzen. Als die Zeugin … in Richtung der Zapfsäule anfuhr, kam es zum Zusammenstoß mit dem Pkw der Beklagten zu 2.).

Der Kläger ließ am 09.01.209 einen Kostenvoranschlag der Firma anfertigen (Bl. 8 – 10 der Akte).

Gemäß der in Bezug genommenen Aufstellung in der Klageschrift (Bl. 5 u. 6 der Akte) begehrt der Kläger mit der Klage Zahlung von 75 % des von ihm errechneten Schadens.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.02.2019 wurde der Beklagten zu 1.) der Schaden gemeldet und beziffert.

Mit Schreiben der Beklagten zu 1.) vom 13.03.2019 wurde mitgeteilt, dass Schadensersatzansprüche zurückgewiesen werden.

Der Kläger behauptet, nachdem der sich vor dem Lkw befindliche weiße Lieferwagen die Zapfsäule freigemacht habe, habe die Beklagte zu 2.) die Möglichkeit genutzt und sich für die Zeugin … nicht erkennbar und einsehbar direkt hinter den weißen Lieferwagen gedrängt und habe das Tankstellengelände verlassen wollen, als die Zeugin … angefahren sei, um zu der nun freigewordenen Zapfsäule einzufahren.

Die Kosten zur Schadensbeseitigung des durch den Unfall entstandenen Schadens am klägerischen Lkw seien gemäß dem Kostenvoranschlag der Firma mit 6.263,47 € netto zu beziffern.

Der Kläger ist der Auffassung, da offensichtlich die Beklagte zu 2.) den klägerischen Lkw nicht weiter beachtet habe, liege das überwiegende Verschulden an der Verursachung des Verkehrsunfalls bei der Beklagten zu 2.).

Weiter vertritt der Kläger die Auffassung, die Videoaufzeichnung des Tankstellenbetreibers sei als Beweismittel verwertbar, da die Güterabwägung im Hinblick auf seine berechtigten Interessen an einer materiell-rechtlichen Entscheidung die Interessen der datenschutzrechtlich Betroffenen überwiegen würden.

Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 4.716,35 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13.03.2019 zu zahlen sowie ihn gegenüber der Rechtsanwaltskanzlei wegen außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 415,90 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, die Beklagte zu 2.) habe beabsichtigt, in die Bahnhofstraße einzufahren und habe demgemäß im Bereich der Ausfahrt der Tankstelle gestanden. Die Zeugin … sei in diesem Augenblick in die Tankstelle eingefahren, habe das Fahrzeug der Beklagten zu 2.) übersehen und sei gegen das stehende Beklagtenfahrzeug gefahren.

Die Beklagten sind der Auffassung, die Verwertung der Videoaufzeichnung des Tankstellenbetreibers verstoße gegen Persönlichkeitsrechte und die Datenschutz-Grundverordnung. Ein Rechtsfertigungsgrund sei nicht gegeben.

Weiter vertreten die Beklagten die Auffassung, die Zeugin habe den Unfall alleine dadurch verschuldet, dass sie – wohl ohne zu schauen – angefahren sei.

Es ist gemäß Beschluss vom 21.08.2019 Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeugin Die Videoaufzeichnung des Tankstellenbetreibers wurde in der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2019 in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.11.2019 (Bl. 90 ff der Akte) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gelangten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere auf die unter Angabe der Blattzahl aufgeführten Schriftstücke verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen des Verkehrsunfalls vom 2018 gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 BGB in Verbindung mit § 115 VVG.

Zwar steht einem Anspruch des Klägers nicht § 7 Abs. 2 StVG entgegen. Denn ein Ausschluss der Haftung nach dieser Vorschrift kommt nur beim Vorliegen höherer Gewalt sowie bei einem unabwendbaren Ereignis in Betracht. Höhere Gewalt liegt offensichtlich nicht vor. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeuges jede nach den Umständen des Falles gebotenen Sorgfalt beobachtet haben. Die Einhaltung dieser besonders hohen Sorgfalt haben die Beklagten nicht bewiesen, da jedenfalls auch eine den Anforderungen dieser Vorschrift entsprechenden Fahrweise der Beklagten zu 2.) denkbar unmöglich gewesen wäre, die den Unfall vermieden hätte.

Die demnach gemäß § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Unfallverursachungsanteile führt aber gleichwohl zu einer vollständigen Haftung zu Lasten der Klägerseite. Nach § 17 Abs. 1 StVG hängt im Verhältnis der Halter untereinander die Haftung davon ab, in welchem Ausmaß das einzelne Fahrzeug für das Schadensereignis ursächlich geworden ist. Der Haftungsanteil ergibt sich dabei aus einer Gesamtbetrachtung der aus § 7 Abs. 1 StVG folgenden, grundsätzlich bestehenden Betriebsgefahren sowie aus gefahrerhöhenden Umständen, die sich der Kfz-Halter im konkreten Fall zurechnen lassen muss. Hierbei bildet er eine Haftungseinheit mit dem Fahrer seines Fahrzeugs das heißt, er muss sich dessen (Fehl-) Verhalten zurechnen lassen. Nach ständiger Rechtsprechung sind dabei nur unstreitige, zugestandene oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen, die sich als unfallursächlich ausgewirkt haben (BGH NJW 2000, 3069).

Das Gericht hatte keine Bedenken, zur Aufklärung des Hergangs des Verkehrsunfalls auf Antrag des Klägers eine Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnung der Überwachungskamera der Tankstelle vorzunehmen.

Zwar mag die Weitergabe der Videoaufzeichnung durch den Tankstellenbetreiber an den Kläger gegen die Bestimmungen nach Artikel 3 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) verstoßen. Unter Berücksichtigung der vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze in dem Urteil vom 15.05.2018 (Az.: VI ZR 233/17) hält das Gericht die Verwertung der Aufzeichnung als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess dennoch für zulässig.

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Die Verwertung unzulässig erlangter Beweismittel ist in der ZPO nicht ausdrücklich geregelt. Diese kennt selbst für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein ausdrückliches prozessuales Verwendungs- oder Verwertungsverbot. Auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention sind keine entsprechenden Regeln enthalten. Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes konkretisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel im Zivilprozess vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürfen (BGH aaO.) Nach Auffassung des Gerichts gelten die Grundsätze in dem Urteil auch für die nach dem Urteil in Kraft getretene Daten-Grundverordnung, sodass die Abwägungsgrundsätze auch nach Inkrafttretung dieser gelten. Denn insoweit hat sich jedenfalls hinsichtlich dem Schutz der Persönlichkeitsrechte nichts Wesentliches in der DS-GVO geändert.

Gemäß den Ausführungen des BGH in dem voranstehend genannten Urteil führt die Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung nicht ohne Weiteres zu einem Verwertungsverbot. Ob ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners durch die Verwertung von Beweismitteln gerechtfertigt ist, richtet sich nach dem Ergebnis der Abwägung zwischen dem gegen die Verwertung streitenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht, hier in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung, auf der einen und für den die Verwertung sprechenden rechtlich geschützten Interessen auf der anderen Seite. Im Zivilprozess, in dem über Rechte und Rechtspositionen der Parteien innerhalb eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses gestritten wird, sind die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls. Um die Wahrheit zu ermitteln, sind die Gerichte grundsätzlich gehalten, von den Parteien angebotene Beweismittel zu berücksichtigen, wenn und soweit eine Tatsachenbehauptung erheblich und beweisbedürftig ist. Es besteht insoweit folglich die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen.

Das Gericht folgt der in der Entscheidung des BGH entwickelten Grundsätzen, dass zwar eine Videoüberwachung mit Aufzeichnungsfunktion in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen kann. Allerdings hat die Rechtsprechung Abwägungskriterien unter anderem nach Maßgabe einer abgestuften Schutzwürdigkeit bestimmter Sphären, in denen sich die Persönlichkeit verwirklicht, herausgearbeitet. Danach genießen besonderes hohen Schutz die sogenannten sensitiven Daten, die der Intim- und Geheimsphäre zuzuordnen sind. Geschützt ist aber auch das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten, die lediglich zur Sozial- und Privatsphäre gehören. Bei Eingriffen innerhalb dieser Sphäre ist über die Spannungslage zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit der Person zu entscheiden.

Vorliegend ist die Sozialsphäre der Beklagten zu 2.) betroffen. Denn aufgezeichnet wurde ein Unfallgeschehen unter Beteiligung eines Kraftfahrzeugs. Das Geschehen ereignete sich auf einem Tankstellengelände, auf das sich die Beklagte zu 2.) freiwillig begeben hat. Sie hat sich durch die Teilnahme am Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt.

Darüber hinaus war die häufige besondere Beweisnot zu beachten, die der Schnelligkeit des Verkehrsgeschehens geschuldet ist. Wenn überhaupt Zeugen vorhanden sind, ist der Beweis für ihre Aussagen angesichts der Flüchtigkeit des Unfallgeschehens und der Gefahr von Rekonstruktionen- und Solidarisierungstendenzen regelmäßig gering.

Insbesondere ist auch vorliegend zu berücksichtigen, dass eine geringere Gewichtung des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht erfolgen muss, wenn es sich um die Kenntnisnahme von Verhalten handelt, das ohnehin in der Öffentlichkeit stattfindet, wie hier zum Beispiel auf einer Tankstelle. Darüber hinaus konnte die Beklagte zu 2.) davon ausgehen, dass Tankstellen zur Vermeidung von Tankbetrug überwacht werden.

Unter Berücksichtigung dieser sämtlichen Umstände hielt das Gericht die Verwertung der Videoaufzeichnung des Tankstellenbetreibers durch Inaugenscheinnahme für angebracht.

Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Unfall dergestalt ereignete, dass der klägerische Lkw bereits 5 bis 10 Minuten auf dem Tankstellengelände wartete, um eine Zapfsäule anzufahren. Vor dem Lkw stand ein weißer Lieferwagen. Dieser rangierte und verließ das Tankstellengelände. Sodann fuhr die Beklagte zu 2.) vor den Lkw der Klägerin und hielt dort an. Nachdem sie dann losgefahren war, fuhr auch der Lkw an und in die linke Fahrzeugseite des Beklagten-Pkw. Zwar hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, wie von den Beklagten jedenfalls ursprünglich vorgetragen, dass die Zeugin in das stehende Fahrzeug der Beklagten zu 2.) gefahren ist. Gleichwohl kommt das Gericht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, insbesondere auch der Aussage der Zeugin und den Ausführungen der Beklagten zu 2.) anlässlich ihrer informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2019 zu dem Ergebnis, dass von einer vollen Haftung der Klägerseite auszugehen ist.

Denn der Zeugin ist ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO anzulasten. Die Rücksichtspflicht wurde von der Zeugin verletzt. Die Zeugin hätte sich nämlich, als sie sich entschlossen hatte, anzufahren, unter Anwendung des Rücksichtsnahmegebotes vergewissern müssen, dass dies gefahrlos möglich war. Soweit die Zeugin bekundet hat, dass sie von der Fahrerkabine ein Fahrzeug, das sich 5 bis 10 cm vor dem Lkw befindet, nicht sehen kann, hätte sie sich auf andere Art und Weise vergewissern müssen, dass der Bereich vor dem Lkw, den sie von der Fahrerkabine aus nicht unmittelbar sehen kann, frei ist. Soweit der Lkw des Klägers offensichtlich keine technischen Einrichtungen besitzt, etwa einen Spiegel über der Fahrerkabine oder akustische Warnsignale, wie bei Pkw üblich, kann dies nicht dazu führen, dass – wie die Zeugin bekundete – das Risiko immer mitfährt. Dies kann eine Lkw-Fahrerin oder einen Lkw-Fahrer nicht entlasten, denn es hätte durchaus auch die Möglichkeit bestanden, dass etwa ein Kind sich vor den Lkw begeben hätte. Wenn bei dem Lkw keine technischen Vorrichtungen vorhanden waren, die die Beobachtung des unmittelbar vor dem Lkw befindlichen Raum ermöglichen, hätte die Zeugin sich auf andere Art und Weise vergewissern müssen, dass sich kein Fahrzeug oder gar Personen vor dem Lkw befinden, gegebenenfalls durch Einweisenlassen oder unmittelbares Aussteigen aus der Fahrerkabine und Vergewisserung, auch wenn dies umständlich erscheint. Denn es ist nach Auffassung des Gerichts ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO, wenn ein Lkw anfährt, ohne dass die Fahrerin oder der Fahrer sicher ist, dass sich unmittelbar vor dem Lkw keine Personen oder andere Fahrzeuge befinden.

Zwar ist die Beklagte zu 2.) unmittelbar vor den Lkw des Klägers gefahren und hat offensichtlich versucht, die Lücke zur Ausfahrt zu nutzen, die dadurch entstanden ist, dass der weiße Lieferwagen weggefahren war. Demnach war der Unfall für die Beklagte zu 2.) nicht unvermeidbar. Allerdings musste sie nicht damit rechnen, dass der Lkw gerade in dem Moment anfahren würde, nachdem er längere Zeit gestanden hatte. Insbesondere hat die Beklagte zu 2.) dazu nachvollziehbar ausgeführt, dass der Motor des Lkw in dem Moment angelassen wurde, als sie vor dem Lkw stand und sie habe dann noch versucht, den Gefahrenbereich zu verlassen, als der Lkw den Motor anließ. Insoweit folgt das Gericht der Schilderung der Beklagten zu 2.), denn sie steht im Einklang mit der Videoaufzeichnung. Auch in dieser ist zu sehen, dass die Beklagte zu 2.) zunächst vor dem Lkw anhielt und dann plötzlich losfuhr. Da der Lkw bereits längere Zeit stand und offensichtlich der Motor nicht in Betrieb war, musste die Beklagte zu 2.) nicht damit rechnen, dass der Lkw gerade in dem Moment anfahren würde, in dem sie sich vor dem Lkw befand, nachdem er längere Zeit gestanden hatte. Demnach liegt kein Verschuldensanteil der Beklagten zu 2.) am Zustandekommen des Unfalls vor. Die von dem Fahrzeug der Beklagten zu 2.) ausgehende Betriebsgefahr ist aufgrund des Geschehensverlaufs und der ohnehin erhöhten Betriebsgefahr eines Lkw derart geringfügig, dass die Verletzung der Sorgfaltspflicht der Zeugin deutlich überwiegt, und die Betriebsgefahr des Beklagten-Pkw gänzlich zurücktritt.

Da dem Kläger kein Hauptanspruch zusteht, hat er auch keinen Anspruch auf Freistellung bezüglich der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.

Als unterliegende Partei hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist den §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2 ZPO entnommen.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Verkehrsrecht
    • Das Verkehrsrecht regelt die Teilnahme von Personen und Fahrzeugen am öffentlichen Straßenverkehr. Es umfasst sowohl straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Aspekte als auch zivilrechtliche Regelungen, insbesondere bei Verkehrsunfällen.
    • Im vorliegenden Fall geht es um einen Verkehrsunfall, bei dem die Haftungsfrage zwischen den beteiligten Parteien geklärt werden muss. Hierbei sind insbesondere Regelungen wie der § 1 Abs. 2 StVO relevant, der die allgemeine Rücksichtnahme im Straßenverkehr vorschreibt.
  2. Datenschutzrecht
    • Das Datenschutzrecht schützt das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung. In Deutschland ist dies insbesondere durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geregelt.
    • Im vorliegenden Fall wird die Verwertbarkeit einer Videoaufzeichnung eines Tankstellenbetreibers diskutiert. Die Beklagten argumentieren, dass die Verwertung der Videoaufzeichnung gegen Persönlichkeitsrechte und die DSGVO verstößt.
  3. Zivilprozessrecht
    • Das Zivilprozessrecht regelt die Durchführung von zivilrechtlichen Streitigkeiten vor den Gerichten. Es ist insbesondere im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) und in der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt.
    • Im vorliegenden Fall wird auf die ZPO Bezug genommen, insbesondere in Bezug auf die Verwertung von Beweismitteln. Es wird klargestellt, dass die ZPO kein ausdrückliches Verwertungsverbot für rechtswidrig erlangte Beweismittel kennt.
  4. Persönlichkeitsrecht
    • Das Persönlichkeitsrecht schützt die Persönlichkeit eines Menschen vor Eingriffen in seine Privatsphäre und seine Ehre. Es ist im Grundgesetz verankert und wird durch verschiedene Gesetze und die Rechtsprechung konkretisiert.
    • Im vorliegenden Fall wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Bezug auf die Verwertung der Videoaufzeichnung diskutiert. Es wird eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht und anderen rechtlich geschützten Interessen vorgenommen.

…fertig.

 

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