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Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss – Leistungskürzung

Kammergericht Berlin

Az: 6 U 87/10

Beschluss vom 28.09.2010


Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass nach Vorberatung der Sache eine Verfahrensweise gemäß § 522 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht kommt.

Gründe

Denn eine Zurückweisung der Berufung setzt nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO voraus, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Denn die grundsätzliche Berechtigung des Versicherers zu einer vollständigen Kürzung der Leistung (also um 100 % auf 0 %) bei grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers (vgl. § 28 Abs. 2 VVG und § 81 Abs. 2 VVG vorliegend in Verbindung mit A. 2.9.1 der vereinbarten AKB) wird zwar überwiegend bejaht (vgl. Landgericht Münster RUS 2010, 321-323; Landgericht Dortmund, Urteil vom 15. Juli 2010 – 2 O 8/10 -, zitiert nach juris, Rdnr. 32; Burmann/Heß, Versicherungsrecht im Straßenverkehr, 2. Aufl. 2010, Rdnr. 373 f; Heiss in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 28 Rdnr. 195; Wandt in MüKo, VVG, § 28 Rdnr. 240; Felsch, Spektrum für Versicherungsrecht 2007, 65, 73; a. A. Prölss in Prölls/Martin, VVG, 28. Aufl., § 28 Rdnr. 136), ist bislang aber höchstrichterlich noch nicht entschieden, so dass nach § 543 Abs. 2 ZPO auch im Falle einer Zurückweisung der Berufung durch Urteil die Zulassung der Revision durch den Senat veranlasst wäre.

Aber auch sofern der Senat unter Berücksichtigung aller nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ersichtlichen Umstände des vorliegenden Einzelfalles sowie zu Gunsten und zu Lasten des Klägers sprechender Abwägungsfaktoren zu einer nur teilweisen Leistungskürzung gelangen sollte, käme eine Verfahrensweise nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht, da dann die Berufung jedenfalls zum – wenn auch nur geringen – Teil Erfolg hätte, womit die Voraussetzung des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht erfüllt wäre; die Zulassung der Revision wäre in diesem Falle allerdings nicht veranlasst.

Andererseits hat der Senat keinen Zweifel daran, dass das Landgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Kläger den Unfall in grob fahrlässiger Weise durch alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit herbeigeführt hat; insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen auf Seite 4 bis 7 des angefochtenen Urteils verwiesen werden, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden. Dass die bei dem Unfall Geschädigte in dem Moment, als der Kläger den Spurwechsel einleitete, „völlig unerwartet Gas gegeben habe“, hat der Kläger in erster Instanz weder konkret behauptet noch unter Beweis gestellt. Vielmehr hatte er in der Klageschrift vorgetragen, dass die Geschädigte die Mittelspur mit überhöhter Geschwindigkeit befahren habe, so dass er beim Spurwechsel nicht mit ihr habe rechnen können, während er in dem Strafverfahren mit Schriftsatz vom 27. Januar 2009 vorgetragen hatte, es sei die Geschädigte gewesen, die mit ihrem Fahrzeug von rechts auf die mittlere Spur zugefahren sei. Nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Berlin hat der Kläger sodann mit Schriftsatz vom 7. Mai 2010 vorgetragen, die Geschädigte sei „sehr wahrscheinlich in der korrekten Geschwindigkeit“ gefahren und habe „möglicherweise …. im letzten Moment noch Gas gegeben“, was lediglich eine Vermutung darstellt, die in Widerspruch zu den vorangegangenen Behauptungen steht. Schon deshalb musste das Landgericht diesem Vorbringen nicht weiter nachgehen. Darüber hinaus hat er für diese bloße Vermutung auch keinen Beweis angetreten. Das Landgericht ist somit ohne Fehler in der Würdigung des eigenen Vorbringens des Klägers dazu gelangt, dass er Abstand und Geschwindigkeit falsch eingeschätzt hat, was ein typisches alkoholbedingtes Fehlverhalten darstellt.

In welcher Höhe vorliegend eine Leistungskürzung zu erfolgen hat und ob entsprechend den Ausführungen des Landgerichts auch eine vollständige Leistungskürzung in Betracht kommt, hat der Senat noch nicht abschließend beraten. Hierbei wird einerseits zu berücksichtigen sein, dass sich die festgestellte Blutalkoholkonzentration von 1,05 %o nur marginal unterhalb der Grenze zur absoluten Fahruntauglichkeit bewegt und dass der Unfallhergang – wie ausgeführt – für eine alkoholbedingte Ausfallerscheinung spricht (vgl. hierzu auch Beschluss der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin vom 5. März 2009 – 504 Qs 32/09 -), weswegen der Kläger auch durch Strafbefehl vom 7. Mai 2009 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist. Auf der anderen Seite hält es der Senat mit der Intention des Gesetzes, das Maß der Kürzung an die Schwere des Verschuldens zu knüpfen, für nicht vereinbar, pauschal ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 %o die Leistung vollständig zu kürzen (so auch Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrversicherung, 18. Aufl. 2010, AKB D Rdnr. 23). Hierbei würde außer acht gelassen, das ein höheres Maß an Alkoholisierung auch ein höheres Maß an Schuld nach sich zieht. Bei Würdigung aller zu Gunsten und zu Lasten des Klägers sprechenden Faktoren erscheint nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand der einer Leistungskürzung von 80 % entsprechende Vergleichsvorschlag des Landgerichts angemessen.

In Anbetracht dessen unterbreitet der Senat den Parteien vor Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung gemäß § 278 ZPO zwecks gütlicher Streitbeilegung, zur Abkürzung des weiteren Verfahrens und zur Vermeidung der mit einer Fortführung des Rechtsstreits verbundenen Kosten und Unwägbarkeiten folgenden Vergleichsvorschlag:

1. Die Beklagte zahlt an den Kläger zum Ausgleich der Klageforderung einen Betrag in Höhe von 3.545,00 EUR.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits einschließlich derer des Vergleichs tragen der Kläger 4/5 und die Beklagte 1/5.

Um Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen wird gebeten; im Falle der Annahme des Vergleichsvorschlags durch beide Parteien könnte nach § 278 Abs. 6 ZPO verfahren werden.

 

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