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Verkehrsunfall – fiktive Abrechnung

Landgericht Düsseldorf

Az: 21 S 30/10

Urteil vom 23.12.2010


Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.1.2009 verkündete Urteil des Amtsge-richts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.753,92 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.1.2009 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe: I. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 6.11.2008 in Düsseldorf geltend. Die Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers gem. § 115 VVG mit einer Quote von 100 % ist unstreitig. Streitig ist allein die Schadenshöhe. Beschädigt worden ist eine Taxe der Klägerin. Unter Berücksichtigung des Alters und der Fahrleistung der Taxe lag ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Die Beklagte hat der Klägerin einen Teil der geltend gemachten Schadensposten ersetzt, und zwar offenbar den Wiederbeschaffungswert in Höhe von 2.150 €, Sachverständigenkosten und Abmeldekosten. Mit der Klage verlangt die Klägerin, ausdrücklich auf der Basis einer sog. fiktiven Abrechnung, Kosten in Höhe von 1.753,92 € für den „Umbau“ der taxispezifischen Sonderausstattung in ein Ersatzfahrzeug. Durch Urteil vom 10.12.2010 hat das Amtsgericht Düsseldorf der Klage lediglich in Höhe eines Teilbetrages von 713,63 € stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Bei dem Betrag von 713,63 € handelt es sich um die Gesamtsumme von Schadensposten, die die Klägerin im Hinblick auf die „Umbaukosten“ hilfsweise konkret vorgetragen und belegt hat. Eine fiktive Abrechnung von Umbaukosten hat das AG als unzulässig angesehen. Im Übrigen wird auf das amtsgerichtliche Urteil vom 10.12.2009 zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen. Das angefochtene Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 28.12.2009 zugestellt worden. Die Berufungsschrift vom 21.1.2010 ist am 22.1.2010 , die Berufungsbegründung vom 22.2.2010 ist am 22.2.2010 beim Landgericht Düsseldorf eingegangen. Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Düsseldorf vom 10.12.2009 die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere EUR 1.040,29 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.1.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Aus dem Unfallereignis steht ihr gegenüber der Beklagten gem. § 3 StVG , § 115 Abs.1 VVG, § 249 BGB ein weiterer Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.040,29 € zu. Wenn, wie hier, der Geschädigte auf Totalschadensbasis abrechnet, steht ihm für das beschädigte Fahrzeug der Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes zu, und zwar unabhängig davon, ob der eine Ersatzanschaffung tätigt oder nicht. Dies ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Der insoweit errechnete Schadensbetrag ist von der Beklagten bereits ausgeglichen worden. Ob dem Geschädigten darüber hinaus in einer Fallkonstellation wie der hier vorliegenden , nämlich bei einem Totalschaden an einem gewerblich genutzten Fahrzeug mit einer Sonderlackierung oder einer Sonderausstattung, daneben auch ein Anspruch auf – fiktive – Umlackierungs- oder Umrüstkosten zusteht, wird in der veröffentlichten Rechtsprechung unterschiedlich bewertet. 1. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass derartige Umrüstkosten nur dann ersetzt werden können, wenn sie tatsächlich entstanden sind. Derartige zusätzliche Schadenspositionen könnten nicht fiktiv beansprucht werden. (vgl. OLG Frankfurt, VersR 1987, 1043; AG Jülich, Urteil vom 5.12.2005, veröffentlicht in BeckRS 2009, 14169; AG Rendsburg, Schaden-Praxis 2003, 312) Der Wiederbeschaffungswert könne nicht um fiktive Umbau- oder Umlackierungskosten erhöht werden, da diese vom Begriff der Wiederbeschaffung nicht umfasst seien. Für die Zuerkennung zusätzlicher Schadenspositionen wie Umbau- oder Umlackierungskosten sei jedoch eine konkrete Schadensberechnung nötig, wenn nicht die Grundsätze des Schadensrechtes verletzt werden sollen. Eine Entschädigung dürfe nicht zu einer den billigen Ausgleich überschreitenden Vermögensmehrung beim Geschädigten führen. (vgl. OLG Frankfurt, aaO) Im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf sind noch weitere amtsgerichtliche Entscheidungen aufgelistet, die so oder ähnlich entschieden haben. 2. Demgegenüber vertreten die meisten Oberlandesgerichte und Landgerichte, soweit ersichtlich, die Auffassung, dass neben dem Wiederbeschaffungswert auch fiktive Umrüstkosten vom Schädiger zu erstatten sind. (LG Kiel, Urteil vom 17.4.2001, veröffentlicht bei BeckRS 2007, 06738; OLG Karlsruhe, NZV 1994,393; OLG Hamm, NZV 1996, 113; OLG Düsseldorf, NZV 1997, 355; KG, Urteil vom 26.7.2001, AZ 12 U 1529/00 ) 3. Die Kammer schließt sich dieser zweiten Auffassung an. Bei einem Totalschaden, wie hier, ist es nicht sachgerecht, mit dem Begriff der „fiktiven Umrüstungskosten“ zu operieren. Eine Reparatur scheidet nämlich von vornherein aus und kann daher auch nicht als Orientierungsmaßstab für den Schaden dienen. Im Rahmen des § 251 BGB ist vielmehr auf das Wert- oder Summeninteresse abzustellen. Zu ersetzen ist die Differenz zwischen dem Wert des Vermögens, wie er sich ohne das schädigende Ereignis darstellen würde und dem durch den Unfall tatsächlich verminderten Wert. In diesem Sinne sind auch die Umrüstkosten im Rahmen der Wiederbeschaffung auszugleichende Vermögensnachteile. Da es keinen Gebrauchtwagenmarkt für gebrauchte Taxifahrzeuge gibt – dies hat die Klägerin in diesem Rechtsstreit unwidersprochen vorgetragen – wären die Umbaukosten auf jeden Fall entstanden, wenn sich die Klägerin ein entsprechendes Ersatzfahrzeug beschafft hätte. Diese Kosten sind folglich nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadensrechtes auszugleichen. Es kann insbesondere nicht davon gesprochen werden, dass es zu einer den billigen Ausgleich überschreitenden Vermögensmehrung bei der Klägerin kommt. (vgl. OLG Karlsruhe, aaO) Ob die Klägerin , wie vorgetragen, tatsächlich ein gebrauchtes Ersatzfahrzeug angeschafft hat oder nicht, spielt nach Auffassung der Kammer keine Rolle. 4. Die Höhe der durch ein Privatgutachten ermittelten Umbaukosten für die taxispezifische Ausrüstung des klägerischen Kraftfahrzeuges von 1.753,92 € netto ist von der Beklagten in erster Instanz nicht in erheblicher Weise bestritten worden. Im Schriftsatz vom 18.9.2009 werden lediglich einzelne Kostenpunkte aus dem Gutachten des Sachverständigen D. vom 10.11.2008 angesprochen – es wird Bezug genommen auf die Anlageseite des Gutachtens „Umbaukosten Taxi“ – und insoweit ausgeführt, dass die Klägerin die entsprechenden Nachweise vorzulegen habe. Nicht bestritten wird aber die Höhe der insoweit vom Sachverständigen angesetzten Kosten. Auf dieses Bestreiten der Beklagten im Schriftsatz vom 18.9.2009 hat die Klägerin sodann Rechnungen des Eichamtes und der E. vorgelegt, die vom Amtsgericht als konkret nachgewiesene Schadensposten sodann der Klägerin zugesprochen wurden. Bestritten wird die Kostenkalkulation des vorprozessual eingeschalteten Sachverständigen konkret erstmals im Schriftsatz vom 27.4.2010, also in der Berufungsinstanz. Dies ist gem. § 531 Abs.2 ZPO nicht zu berücksichtigen; Entschuldigungsgründe nach dieser Vorschrift werden nicht vorgetragen.

Da das Amtsgericht der Klägerin bereits einen Betrag von 713,63 €, wenn auch auf der Basis mehrerer konkret vorliegender Rechnungen , zugesprochen hat, geht es nun nur noch um den Restbetrag auf der Basis der Kalkulation des Sachverständigen D.. Dies sind noch 1.040,29 €.

Die Entscheidung über die zuerkannten Zinsen beruht auf §§ 280, 286, 288 Abs.1 ZPO,

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in den §§ 91 Abs.1, 708 Nr.11, 711 ZPO.

Vorliegend wird die Revision gem. § 543 Abs.2 ZPO zugelassen. Wie dargestellt ist die veröffentlichte Rechtsprechung zur Frage der Zuerkennung fiktiver Umbau- oder Umrüstkosten neben einer Abrechnung auf Totalschadensbasis uneinheitlich. Eine diesbezügliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes liegt, soweit ersichtlich, bislang nicht vor. Eine Entscheidung des Revisionsgerichtes ist daher zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 1.040, 29 €

 

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