OVG Lüneburg – Az.: 13 MN 92/20 – Beschluss vom 23.04.2020
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gegen Regelungen der Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie betreffend das Verbot des Betriebs von Restaurants.
Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, handelnd durch die Ministerin, erließ am 7. April 2020 die (3.) Niedersächsische Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Diese Verordnung wurde im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt vom 7. April 2020, S. 63 ff., verkündet und trat am 8. April 2020 in Kraft. Die Verordnung sah unter anderem folgende Regelungen vor:
§ 6
(1) Restaurationsbetriebe, insbesondere Restaurants, Gaststätten, Imbisse, Cafés, allein oder in Verbindung mit anderen Einrichtungen, Mensen und Kantinen dürfen nicht betrieben werden. 2Auch der Besuch dieser Einrichtungen ist verboten. 3Abweichend von Satz 1 sind die Belieferung mit Speisen und Getränken sowie der Außer-Haus-Verkauf durch Restaurants, Gaststätten, Imbisse, Mensen, Cafés und Kantinen zulässig, wenn die zum Schutz vor Infektionen erforderlichen Anforderungen nach Absatz 2 eingehalten werden.
(2) Betreiberinnen und Betreiber von Restaurationsbetrieben, die einen Außer-Haus-Verkauf anbieten, sind verpflichtet, einen Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den Kundinnen und Kunden sicherzustellen.
(3) Der Verzehr von Speisen und Getränken ist innerhalb eines Umkreises von 50 Metern zu den Betrieben nach Absatz 2 untersagt. 2Aus hygienischen Gründen sollte eine bargeldlose Bezahlung erfolgen.
(4) Für gastronomische Lieferdienste gelten Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 entsprechend.
(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 dürfen nicht öffentliche Betriebskantinen zur Versorgung ausschließlich der Beschäftigten betrieben werden, wenn die erforderlichen Vorkehrungen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts, zur Vermeidung von Warteschlangen und zur Gewährleistung eines Mindestabstands von 1,5 Metern gewährleistet sind.
§ 13
(1) Diese Verordnung tritt am 8. April 2020 in Kraft und mit Ablauf des 19. April 2020 außer Kraft.
Die Antragstellerin hat am Freitag, den 17. April 2020, um 17.21 Uhr bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einen Antrag auf Durchführung des Normenkontrollverfahrens (13 KN 91/20) und einen darauf bezogenen Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung (13 MN 92/20) gestellt. Sie hat beantragt, durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO die Schließungsanordnung in § 6 Absatz 1 Satz 1 der „Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie“ des Antragsgegners vom 7. April 2020 in der Fassung vom 9. April 2020 bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag der Antragstellerin vom 17. April 2020 außer Vollzug zu setzen.
Der Senatsvorsitzende hat die Antragstellerin mit Verfügung vom 20. April 2020 darauf hingewiesen, dass an einer einstweiligen Außervollzugsetzung des § 6 Abs. 1 Satz 1 der (3.) Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 7. April 2020 ein Rechtsschutzbedürfnis nicht (mehr) bestehen dürfte, da die Verordnung gemäß deren § 13 Abs. 1 mit Ablauf des 19. April 2020 außer Kraft getreten sei, und die Möglichkeit zur Stellungnahme bis zum 22. April 2020 (Eingang bei dem Oberverwaltungsgericht) eröffnet. Die Antragstellerin hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Normenkontrolleilantrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des § 6 Abs. 1 Satz 1 der (3.) Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 7. April 2020 bleibt ohne Erfolg.
Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 – 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.
Der Antrag ist bereits unzulässig.
Wie jedes gerichtliche Verfahren erfordert auch die Zulässigkeit eines Verfahrens vorläufigen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 6 VwGO, dass im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag ein schutzwürdiges Rechtsschutzinteresse besteht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.4.2010 – BVerwG 4 VR 2.09 -, juris Rn. 3). Ein Rechtsschutzinteresse ergibt sich bei Gestaltungs- und Leistungsklagen in der Regel schon aus der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes zur Durchsetzung eines behaupteten Gestaltungs- oder Leistungsbegehrens (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.1989 – BVerwG 9 C 44.87 -, BVerwGE 81, 164, 165 – juris Rn. 9). Ausnahmsweise fehlt das Rechtsschutzinteresse aber, wenn der Rechtsschutzsuchende seine Rechtsstellung mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung derzeit nicht verbessern kann. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Antrag, selbst wenn er ansonsten zulässig und begründet wäre, dem Rechtsschutzsuchenden keinen Nutzen bringen könnte. Das Rechtsschutzinteresse fehlt ferner dann, wenn es einen anderen, einfacheren Weg zu dem erstrebten Ziel gibt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.8.1987 – BVerwG 4 N 3.86 -, BVerwGE 78, 85, 91 f., insoweit nur unvollkommen in juris Rn. 19; Beschl. v. 23.1.1992 – BVerwG 4 NB 2.90 -, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 61 – juris Rn. 12; Senatsurt. v. 20.12.2017 – 13 KN 67/14 -, juris Rn. 68 m.w.N.). In Anwendung dieses Maßstabes ist das grundsätzlich gegebene Rechtsschutzbedürfnis ausnahmsweise entfallen, da die Regelung in § 6 Abs. 1 der (3.) Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie des Antragsgegners vom 7. April 2020 in der Fassung vom 9. April 2020 gemäß deren § 13 Abs. 1 mit Ablauf des 19. April 2020 außer Kraft getreten ist, so dass eine Außervollzugsetzung dieser Regelung der Antragstellerin keinen Vorteil mehr vermitteln könnte. Auf die Änderung der prozessualen Situation hat die Antragstellerin trotz richterlichen Hinweises nicht reagiert.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 – 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. – juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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