Oberlandesgericht Schleswig, Az.: 11 U 166/14, Urteil vom 15.10.2015
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 04.11.2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages leistet.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 25.000,– € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten den Ersatz von Nichterfüllungsschäden aus einem Vertrag über die Errichtung einer Solaranlage.
Zwischen den Parteien fanden im Jahr 2010 Gespräche über die Lieferung und den Bau einer Solaranlage durch die Klägerin auf dem Dach des H.-Gymnasium in Kiel statt. Sodann kam es zu Schriftverkehr per Fax und Brief. Letztlich verweigerte der Beklagte die Vertragserfüllung und nahm von dem Vertrag Abstand. Die Anlage wurde durch die Klägerin nicht errichtet, der Beklagte zahlte kein Entgelt
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage auf Ersatz des entgangenen Gewinns abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Zwischen den Parteien sei kein Vertragsschluss erfolgt, so dass keine vertraglichen Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung nach §§ 280Abs. 3, 281 BGB bestünden. Erstmals mit Schreiben vom 13.12.2010 habe die Klägerin ein Angebot zum Vertragsschluss abgegeben. Das Antwortschreiben des Beklagten hierauf vom 16.12.2010 sei keine eindeutige Annahme dieses Angebotes. Die beiden Willenserklärungen stimmten nicht überein. Zwar erkläre der Beklagte, dass er das Angebot annehme, mache jedoch deutlich, dass die Solarstromanlage auf dem Dach des H.-Gymnasium zu erstellen und schlüsselfertig zum Preis von 550.000,00 € zzgl. Mehrwertsteuer zu liefern sei, die Anlage betriebsbereit und angeschlossen an das öffentliche Stromnetz sein müsse. Diese Punkte gingen aus dem Schreiben der Klägerin nicht hervor. Diese Lücke könne auch nicht dadurch geschlossen werden, dass nach den Behauptungen der Klägerin in einem Vorgespräch über die Installation auf dem H.-Gymnasium und den Anschluss an das öffentliche Stromnetz gesprochen worden sein solle. Wenn der Beklagte darauf bestanden habe, dass die Klägerin diese beiden Voraussetzungen noch einmal schriftlich bestätigte, so sei damit klargestellt, dass der Beklagte das Zustandekommen des Vertrages aus Beweissicherungsgründen davon abhängig machen wolle. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Beklagte auf den Inhalt mündlicher Gespräche verlassen wollte. Nach § 154 Abs. 1 BGB hätten sich die Parteien deshalb nicht geeinigt. Es komme nicht darauf an, ob es sich um einen objektiv gewichtigen Punkt handele. Entscheidend sei allein, dass eine der Parteien den Wunsch einer vertraglichen Regelung habe.
Nach § 150 Abs. 2 BGB gelte die Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen als Ablehnung, verbunden mit einem neuen Antrag. Dieses Angebot wiederum sei nicht durch das Antwortschreiben der Klägerin vom 21.12.2010 angenommen worden. In diesem Schreiben sei das H.-Gymnasium erwähnt. Die Position 004 sei aber gegenüber dem ursprünglichen Angebot unverändert geblieben. Davon, dass die Klägerin für den Anschluss an das öffentliche Stromnetz sorgen werde, sei nicht die Rede. Danach bestehe keine eindeutige Willensübereinstimmung.
Im Übrigen habe die Klägerin das Angebot vom 16.12.2010 auch nicht zeitgerecht angenommen. Nach § 147 Abs. 2 BGB könne der einem Abwesenden gegenüber gemachte Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten dürfe. Es seien zwischen dem Zugang des Faxes vom 16.12.2010 bis zum Zugang des Schreibens vom 21.12.2010 sechs Tage vergangen. Diese Frist erscheine als zu lang, da der Beklagte in seinem Fax vom 16.12.2010 um kurzfristige Auftragsannahme gebeten habe. Er habe den Vertrag noch im Jahr 2010 abschließen wollen, um in den Genuss einer Steuervergünstigung zu kommen.
Gegen die Klagabweisung wendet sich die Klägerin mit ihrem eingeschränkten Berufungsantrag unter Erweiterungsvorbehalt. Sie macht geltend:
Die Erwägungen des Landgerichts berücksichtigten den konkreten Inhalt des Angebotes vom 13.12.2010 und den Inhalt des Vorgespräches nicht. Punkte, die das Landgericht problematisiere, seien zwischen den Parteien unproblematisch und schon vor Abgabe des schriftlichen Angebotes vom 13.12.2010 abschließend geklärt. Sie hätten auch Niederschlag im schriftlichen Angebot vom 13.12.2010 gefunden. Eine zusätzliche Beweissicherung sei nicht geboten gewesen und stünde einem Vertragsschluss auch nicht entgegen. Über den Vertragsschluss hätten die Parteien am 12.10.2010 verhandelt. Dabei sei es um die Installation der Anlage auf dem Dach des H.-Gymnasium gegangen. Es sei weiter darum gegangen, dass die Anlage komplett montiert werden sollte, der Vertrag eine betriebsbereite Anlage mit dem Anschluss an das öffentliche Netz beinhalte. Dies sei von der Klägerin von Anfang an vorgetragen und unter Beweis gestellt, werde von dem Beklagten auch gar nicht bestritten. Das Angebot der Klägerin beschreibe die Solaranlage, die Dachmontage und die vollständige Verkabelung. Dies habe nur auf einem zur Verfügung gestellten Dach erfolgen können. Dies sei unstreitig das Dach des H.-Gymnasium. Das Angebot beinhalte ausdrücklich den gesamten Anschluss der Module, die Kabelverlegung, die gesamten Leistungen und den Komplettpreis.
Bei der Auslegung der Willenserklärung sei der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Der Inhalt des Rechtsgeschäfts sei von den Parteien schon vor dem Angebot abschließend festgelegt worden. Soweit habe sich nichts verändert. In seiner Annahme vom 16.12.2010 habe der Beklagte nur bestätigt, was von Anfang an besprochen worden sei. Die Parteien hätten auch noch vor der Annahmeerklärung des Beklagten nach Übermittlung des Angebots durch die Klägerin noch einmal miteinander telefoniert. Dabei seien die Punkte, die das Landgericht herausgegriffen habe, angesprochen worden und auch noch einmal eindeutig geklärt worden.
Nach der verbindlichen Annahme des Vertragsangebotes der Klägerin habe auch keine besondere Eilbedürftigkeit bestanden. Im Übrigen habe die Klägerin die Auftragsbestätigung kurzfristig übermittelt. Zwischen dem 16.12.2010 und dem 21.12.2010 liege ein Wochenende.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 25.000,– € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.01.2011 zu zahlen.
Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte bestreitet die Schadenshöhe. Die Klägerin habe nur kursorisch dargelegt, wie sich ihr Gewinn von 100.000,– € bei einer Investition von 550.000,– € errechne.
Die Klägerin habe die Anlage gar nicht liefern können, weil die zuständige Stadt Kiel die von der Klägerin behauptete Genehmigung für die Installation auf dem Dach des H.-Gymnasium nicht erteilt habe, noch nicht einmal eine Voranfrage sei positiv beschieden. Es sei unverständlich, dass die Klägerin nicht einmal mit dem Bau der Anlage begonnen und die hierfür vereinbarte erste Ratenzahlung abgerufen habe. Sie – die Klägerin – sei selbst davon ausgegangen, dass kein Vertrag zustande gekommen sei und mangels Genehmigung des Pachtvertrages durch die Stadt Kiel überhaupt nicht begonnen werden konnte. Das Dach sei überhaupt nicht für eine Photovoltaikanlage vorgesehen, weder 2010 noch heute.
Es sei zutreffend, dass über das Investment von 550.000,00 € sehr eingehend und umfassend verhandelt worden sei. Dabei sei es dem Beklagten ganz besonders darauf angekommen, dass die Anlage auf dem Dach des H.-Gymnasium installiert werde. Diese Zusage habe das unterbreitete Angebot eben nicht enthalten. Deshalb habe er auf eine ausdrückliche Zusicherung der gewünschten Dachfläche bestanden. Die Stadt Kiel als Verpächterin des Daches verlange nur 3 % Einspeisevergütung, bei Privatleuten würden bis zu 5 und mehr Prozent verlangt. Es sei deshalb vereinbart worden, dass der Pachtvertrag mit der Stadt Kiel Zug um Zug mit der Auftragsbestätigung vorgelegt werden solle.
Im ersten Angebot sei die Betriebsbereitschaft und der Anschluss an das öffentliche Stromnetz nicht so angeboten worden, wie es mündlichen vorbesprochen worden sei.
Der Vertragsschluss sei eilbedürftig gewesen, weil er – der Beklagte – noch vor Ende 2010 die Vertragsunterschrift für die steuerlichen Vorteile habe nachweisen müssen. Dies sei der Klägerin auch bekannt gewesen.
Vorsorglich habe er mit Schreiben vom 23.12.2010 wegen arglistiger Täuschung den Vertrag angefochten. Der Klägerin sei die Durchführung wegen mangelhafter Genehmigung der Stadt Kiel von Anfang an unmöglich gewesen. Er sei darüber arglistig getäuscht worden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Die Klägerin hat keinen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten in Höhe von 25.000,– € wegen der Erfüllungsverweigerung aus einem Vertrag über die Errichtung einer Solaranlage.
Als Anspruchsgrundlage kommt gemäß §§ 280Abs. 1, 281 Abs. 2 BGB ein Schadensersatzanspruch wegen Erfüllungsverweigerung in Betracht. Die ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung begründet auch ohne Fristsetzung einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung, da der Schuldner durch sie seine Leistungstreuepflicht verletzt (vgl. Palandt/Grüneberg, 74. Aufl., § 280 BGB, Rn. 25). Die Erfüllungsverweigerung durch den Beklagten, zuerst mit Fax vom 21.02.2010, dann mit Anwaltsschreiben vom 23.12.2010 sowie mit weiterem Schreiben vom 21.01.2011, begründet aber deshalb keinen Schadensersatzanspruch, weil zwischen den Parteien kein Vertrag zustande gekommen ist.
In den Besprechungen der Parteien vor ihrem Schriftwechsel ist noch kein Vertrag über die Errichtung der Solaranlage geschlossen worden. Auch nach Auffassung der Klägerin handelte es sich lediglich um Vorgespräche, die ausdrücklich als solche bezeichnet werden. Ein erstes Angebot zum Vertragsschluss ist das Fax-Schreiben der Klägerin vom 13.12.2010. Die für ein Vertragsangebot erforderlichen Bestandteile liegen vor. Für den abzuschließenden Werkvertrag sind dies die Beschreibungen der Werkleistung, hier die Beschreibung der Photovoltaikanlage, die zu liefernden Mengen und der Preis.
Dieses Angebot hat der Beklagte aber nicht angenommen. Seine Antwort auf das Schreiben vom 13.12.2010 per Fax ist keine Annahmeerklärung. Damit es sich um eine Annahmeerklärung handelt, muss zum Ausdruck kommen, dass das vorangehende Angebot angenommen werden soll. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Der Wortlaut der Erklärung „hiermit nehme ich ihr Angebot …. verbindlich an“ spricht zwar für eine Annahme des ursprünglichen Angebots. Jedenfalls die im Angebotsschreiben genannten vertraglichen Bestimmungen sollten danach gelten. Etwas anderes ergibt sich aber daraus, dass zwei zusätzliche Details handschriftlich aufgenommen worden sind, nämlich die Bestimmung, dass die Anlage auf dem Dach des H.-Gymnasium stehen sollte und schlüsselfertig, d. h. betriebsbereit und angeschlossen an das öffentliche Stromnetz übergeben werden sollte.
Die Aufnahme dieser Punkte ist – wie auch das Landgericht zutreffend ausführt – eine Annahme unter Erweiterungen, die nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung des Angebotes verbunden mit einem neuen Antrag gilt. Ob eine Annahme inhaltlich dem vorangegangenen Angebot entspricht, ist anhand des Wortlauts der Erklärung im Wege der Auslegung nach dem objektiv zu ermittelnden Erklärungswert zu entscheiden. Dabei ist darauf abzustellen, wie ein alle Umstände Kennender die Annahmeerklärung aus der Sicht des das Angebot Abgebenden verstehen durfte (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 17.12.1998, 5 O 485/98, Juris). Zwar hatten sich die Parteien bereits zuvor über die wesentlichen Umstände, hier die Errichtung der Anlage auf dem betreffenden Gymnasium und den Anschluss an das öffentliche Stromnetz mündlich verständigt. Der Beklagte hatte – dies war für die Klägerin auch deutlich erkennbar – aber ein Interesse daran, zusätzliche Regelungen ausdrücklich in den Vertrag aufzunehmen, um Unklarheiten und späteren Streit zu vermeiden. Für den Beklagten war schließlich nicht ersichtlich, ob auch die Klägerin von einer Einigung und einem entsprechenden Willen, die Anlage auf diesem Dach zu erbauen ausging, wenn sie diese nicht erwähnte. Dies gilt auch deshalb, weil der Beklagte nach dem unbestrittenen vorangehenden E-Mail-Verkehr ausdrücklich eine Kopie des Pachtvertrages über die Dachfläche erhalten wollte, der bislang nicht vorlag.
Zudem bittet der Beklagte in den handschriftlichen Zusätzen um wörtlich „kurzfristige Auftragsannahme“. Auch darin wird deutlich, dass der Beklagte seine handschriftlichen Zusätze als eine zusätzliche vertragswesentliche Regelung ansah, die in dem ursprünglichen Faxschreiben nicht enthalten war. Eine solche zusätzliche ausdrückliche Annahme durch die Klägerin wäre überflüssig gewesen, wenn bereits vertraglich bindende Erklärungen beider Vertragspartner vorgelegen hätten.
Eine anderweitige Auslegung der Erklärung hätte zudem zur Folge, dass einer besonders sorgfältigen Partei, der an einer ausdrücklichen Regelung möglichst vieler Punkte gelegen ist, die Möglichkeit zu einer schriftlichen Fixierung genommen würde.
Das neue Angebot des Beklagten hat die Klägerin nicht angenommen. Als Annahmeerklärung kommt allein das Schreiben der Klägerin vom 21.12.2010 infrage. Darin war zwar nunmehr ausdrücklich als Standort das H.-Gymnasium aufgeführt, gleichwohl fehlt aber eine ausdrückliche Erklärung zum Anschluss an das öffentliche Stromnetz. Die Formulierung in der unverändert gebliebenen Position 4 des Schreibens „Montage der Module und Wechselrichter auf vorhandenem Untergrund und Übergabekasten inkl. Stringkabel Verlegung, Leitungen WR zum Übergabekasten und Befestigungsmaterial wie Kanäle etc. Anschlüsse der Module“ lässt nicht klar erkennen, ob damit die Voraussetzungen für den Anschluss an das öffentliche Stromnetz vorliegen. Hier ist insbesondere vorstellbar, dass es zu weiteren Aufwendungen kommen kann, wenn Anschlüsse im Hause unterdimensioniert sind. Dazu hat der Beklagte auch vorgetragen. Dass die Klägerin sich nicht schriftlich ausdrücklich zum Anschluss an das öffentliche Stromnetz verpflichten wollte, war für den Beklagten so zu verstehen, dass sie hierzu eben keine verbindliche Regelung in den Vertrag aufnehmen wollte. Der Inhalt seines Angebots weicht deshalb von der Annahmeerklärung der Klägerin ab, so dass es an einer Einigung fehlt.
Auf die Frage der Rechtzeitigkeit der Annahme kommt es damit nicht mehr an.
Vorvertragliche Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Pflichten bei Vertragsanbahnung durch den Beklagten sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf §§ 708Nr. 10, 711 ZPO.