OLG Düsseldorf, Az.: 9 U 128/93, Urteil vom 24.11.1993
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien sind Brüder und Eigentümer benachbarter Grundstücke in W.-B.. In den mit der Stadt W. abgeschlossenen Erwerberverträgen haben sich die Parteien verpflichtet, die Gestaltung der Häuser und der Grundstücke in ihrem Wesen zu erhalten und verändernde Maßnahmen zu unterlassen. Ende Juli 1992 hat der Beklagte auf seinem Grundstück unmittelbar neben die Grenze im Gartenbereich eine Mauer aus Hohlblocksteinen gesetzt.
Der Kläger hat geltend gemacht: Der Beklagte sei verpflichtet, die eigenmächtig von ihm errichtete Anlage zu beseitigen. Die einschließlich des Sockels 1,70 m hohe Mauer sei als Einfriedigung nicht ortsüblich und biete einen häßlichen Anblick.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die neben der Grenze auf seinem Grundstück errichtete Mauer einschließlich des darunter befindlichen Sockels zu beseitigen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat eingewandt: Er habe die Mauer als Sichtschutz angebracht, weil der Kläger sein Grundstück habe verkommen lassen. Die Mauer habe – vom gewachsenen Boden aus gemessen – eine Höhe von 1,25 m. Ortsübliche Einfriedungen gebe es in dem Siedlungsgebiet überhaupt nicht.
Randnummer 8
Das Landgericht hat nach Durchführung einer Ortsbesichtigung der Klage stattgegeben. Auf das Urteil vom 23. April 1993 wird Bezug genommen.
Der Beklagte hat Berufung eingelegt, mit der er seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt. Der Kläger bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels und stellt einen Hilfsantrag.
Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr früheres Vorbringen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat Erfolg.
Der vom Kläger mit seinem Haupt- und Hilfsantrag verfolgte Beseitigungsanspruch ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt:
1. Ob in dem Erwerbervertrag, den der Beklagte mit der Stadt W. abgeschlossen hat, überhaupt ein Anspruch zu Gunsten des Klägers (§ 328 BGB) gegen den Beklagten begründet worden ist, läßt sich aus dem von den Parteien mitgeteilten Inhalt des Vertrages nicht ableiten. Im übrigen dürfte die Errichtung der Mauer nicht als ein Verstoß gegen die Verpflichtung zu werten sein, die Gestaltung der Häuser und der Grundstücke „in ihrem Wesen“ nicht zu verändern.
2. Der Beklagte ist auch nicht nach 1004 Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit §§ 50, 32 NachbG NW zur Beseitigung der Mauer verpflichtet. Er hat durch die Maßnahme nicht unmittelbar in das Eigentum des Klägers eingegriffen; denn er hat die Anlage auf seinem Grundstück errichtet, und der Grundstückseigentümer kann gemäß § 903 BGB grundsätzlich nach seinem Belieben mit dem Grundstück verfahren. Der Beklagte könnte aber durch die Errichtung der Mauer einen aus dem Eigentum abgeleiteten Anspruch des Klägers nach § 32 NachbG NW auf Mitwirkung bei der Herstellung einer ortsüblichen Einfriedigung auf der Grenze beeinträchtigt haben, wenn nämlich wegen der auf den Grundstück des Beklagten vorhandenen Mauer die Errichtung einer gesetzmäßigen Einfriedigung auf der Grenze aus technischen Gründen unmöglich wäre oder eine gesetzmäßige Einfriedigung infolge der vorhandenen Mauer in ihrem ortsüblichen Erscheinungsbild völlig verändert würde (vgl. BGH NJW 1979, 1408; 1409). Voraussetzung für einen sich daraus ergebenden Beseitigungsanspruch ist aber jedenfalls, daß die auf dem Grundstück errichtete Grenzeinrichtung als Einfriedigung nicht ortsüblich und nicht gesetzmäßig ist. Denn es ist anerkannt, daß der Eigentümer dann, wenn der Nachbar auf seinem Grundstück bereits eine solche Anlage errichtet hat, nicht allein deshalb deren Beseitigung verlangen kann, weil der Nachbar sie nicht nach vorheriger Absprache und nicht auf der Grenze errichtet hat (vgl. BGH NJW 1992, 2569, 2570). Mit Rücksicht darauf ist auch der geltend gemachte Beseitigungsanspruch des Klägers ausgeschlossen. Zwar dürfte die vom Beklagten errichtete Mauer nicht als Einfriedigung ortsüblich sein. Nach der vom Landgericht bei der Ortsbesichtigung durchgeführten Beobachtung kommt eine Mauer der vom Beklagten ausgeführten Art in dem Vergleichsgebiet nicht häufig vor. Den Beklagten trifft aber deshalb keine Beseitigungspflicht, weil es in dem zum Vergleich heranzuziehenden Gebiet ortsübliche Einfriedigungen überhaupt nicht gibt und die vorhandene Mauer den Erfordernissen des § 35 Abs. 1 S. 2 NachbG NW entspricht, somit eine gesetzmäßige Einfriedigung ist: Das Landgericht hat bei der Augenscheinsannahme eine Vielzahl von Einfriedigungen in dem hier interessierenden Gebiet beobachtet. Es befinden sich dort zwar überwiegend Hecken und Zäune; diese sind aber von unterschiedlicher Beschaffenheit: Die Hecken bestehen zum Teil aus Rotdorn, zum Teil aus Ilex und sind etwa 0,50 m, 0,70 m bzw. 1,50 m hoch. Die Zäune bestehen aus Maschendraht, Holzlamellen, Holzbalken (Jägerzäune) oder aus Holzflechtwerk und sind zum Teil 0,80 m, zum Teil aber auch etwa 2 m hoch. Darüberhinaus hat das Landgericht ein verzinktes Eisengitter und eine Betonmauer als Grenzanlage vorgefunden. Bei solcher Sachlage kann nicht gesagt werden, daß eine oder mehrere Einfriedigungen in dem zum Vergleich heranzuziehenden Gebiet häufiger vorkommen, also ortsüblich sind. In einem solchen Fall greift § 35 Abs. 1 S. 2 NachbG NW ein, der vor schreibt, daß, wenn sich eine ortsübliche Einfriedigung nicht feststellen läßt, eine etwa 1,20 m hohe Einfriedigung zu errichten ist. Diesem Erfordernis entspricht die vom Beklagten hergestellte Mauer. Nach den vom Landgericht durchgeführten Messungen hat die Mauer eine maximale Höhe von 1,28 m. Wie sich aus den zu den Akten gereichten Fotografien ergibt, liegt der Stützsockel ganz im Erdreich; er ist daher in die Abmessung der Höhe der Mauer nicht einzubeziehen. Aus dem Vorstehenden folgt, daß das Beseitigungsverlangen des Klägers unbegründet ist. Ebensowenig wie der Eigentümer Beseitigung einer vom Nachbarn auf dessen Grundstück errichteten ortsüblichen Grenzeinrichtung verlangen kann, hat er einen Anspruch darauf, daß der Nachbar eine zwar nicht ortsübliche, aber den Erfordernissen des § 35 Abs. 1 S. 2 NachbG NW entsprechende Einfriedigung beseitigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708Nr. 10, 713 ZPO.
Beschwer des Klägers: Unter 60.000 DM