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Ausgleichsanspruch bei Flugannullierung aufgrund einer defekten Warnleuchte

AG Frankfurt – Az.: 31 C 2052/18 (15) – Urteil vom 31.10.2018

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 807,57 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 30.04.2018 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger macht aus eigenem und abgetretenem Recht gegen die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen Ausgleichs- und Schadensersatzansprüche wegen Flugannullierung geltend.

Der Kläger und Herr … buchten zum Zwecke eines Kurzurlaubs bei der Beklagten einen Flug von Frankfurt am Main nach Marseille, Flugnummer …, für den 03.04.2018, Abflug 16:15 Uhr UTC (18:15 Uhr Ortszeit), Ankunft 17:55 Uhr UTC, sowie einen Rückflug für den 07.04.2018. Sie hatten in Marseille eine Unterkunft gebucht. Ausführendes Luftfahrtunternehmen war jeweils die Beklagte.

Nach dem Einchecken und Boarden zum Hinflug teilte der Kapitän im Flugzeug mit, dass es technische Probleme gebe. Es leuchtete nämlich eine Warnanzeige auf, die auf Feuer im Fahrwerksschacht hindeutete. Eine technische Untersuchung ergab, dass es sich tatsächlich aber nicht um ein Feuer, sondern um einen Fehler der Anzeige gehandelt hatte.

In der Folge annullierte die Beklagte den Flug. Die Beklagte rechnete aber aufgrund des Rückstaus mit weiteren verspäteten Slotzuteilungen. Die Beklagte ging deshalb davon aus, dass das von ihr für den streitgegenständlichen Flug vorgesehene Fluggerät nicht vor Einsetzen des Nachtflugverbots in Frankfurt – ihrer Basis – nach Durchführung des Umlaufs Frankfurt – Marseille dorthin werde zurückkehren und am nächsten Tag für andere Passagiere zur Verfügung werde stehen können. Die Beklagte hatte auf die Möglichkeit einer Umbuchung auf einen Flug am Folgetag hingewiesen. Dort gab es aber nur 50 freie Plätze, und diese waren vergeben, bevor der Kläger und Herr … an der Reihe zur Umbuchung waren. Der Kläger und Herr … mussten daraufhin den Urlaub absagen und ihre Unterkunft stornieren. Letzteres verursachte Stornokosten in Höhe von 307,57 Euro.

Der Kläger macht nach Abtretung aller Ansprüche aus der Flugreise durch Herrn … im eigenen Namen klageweise geltend:

– 500,00 Euro (2 x 250,00 Euro) Ausgleichsleistung für den annullierten Hinflug

– 307,57 Euro Stornokosten für die Unterkunft

Die Flugkosten hat die Beklagte zurück erstattet. Die streitgegenständlichen Ansprüche wies die Beklagte unter dem 30.04.2018 zurück.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 807,57 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit dem 30.04.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, durch den technischen Fehler der Warnanzeige sei der Abflug des streitgegenständlichen Fluges nur um zwei Stunden und 12 Minuten verspätet worden; dies habe nicht zur Annullierung geführt. Vielmehr sei ein weiterer Umstand dazugetreten: Denn am 03.94.2018 habe es einen Systemausfall bei Eurocontrol gegeben, im Rahmen dessen die im System von Eurocontrol gespeicherten Flugpläne verloren gegangen seien. Dies habe zu einem großen Rückstau an Flugzeugen im gesamten europäischen Flugsicherungsgebiet geführt. Die Beklagte sei um 18:49 Uhr (Ortszeit) von Eurocontrol informiert worden, dass voraussichtlich ab 20:00 Uhr (Ortszeit) wieder von einem „normalen“ Betrieb ausgegangen werden könne.

Die Beklagte ist der Meinung, sie sei nach Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 nicht zur Zahlung verpflichtet.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die jeweiligen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die internationale und örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt am Main ergibt sich vorliegend nach den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1215/2012 (im Folgenden: EuGVVO). Die EuGVVO ist sachlich und zeitlich anwendbar, denn es handelt sich um eine Zivilsache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 EuGVVO, beide Parteien haben ihren Wohn- bzw. Firmensitz in der EU und das Streitverfahren mit grenzüberschreitendem Sachverhalt wurde nach dem 10.1.2015 eingeleitet. Einschlägig ist hier Art. 7 Nr. 1 b) EuGVVO. Frankfurt als planmäßiger Abflugsort ist hier der maßgebliche Erfüllungsort (vgl. EuGH in der Entscheidung Rehder/Air Baltic (NJW 2009, 2801).

Die Klage ist auch begründet.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus eigenem sowie aus abgetretenem Recht des Herrn … ein Ausgleichsanspruch in Höhe von je 250,00 Euro nach Art. 7 Abs. 1 a), 5 Abs. 1 c) VO (EG) Nr. 261/2004, § 398 BGB, insgesamt also 500,00 Euro zu.

Ausgleichsanspruch bei Flugannullierung aufgrund einer defekten Warnleuchte
(Symbolfoto: Von Skycolors/Shutterstock.com)

Der Anwendungsbereich der Verordnung ist nach deren Art. 3 Abs. 1 a), Abs. 2 VO (EG) 261/2004 eröffnet, da es sich bei dem streitgegenständlichen Flug von Frankfurt am Main nach Marseille um einen Flug handelt, der auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats der EG angetreten wurde und für den sich der Kläger und Herr … unstreitig unter den Bedingungen nach Art. 3 Abs. 2 VO (EG) 261/2004 zur Abfertigung eingefunden haben. Der streitgegenständliche Flug wurde unstreitig annulliert und die Kläger erhielten kein Angebot zur anderweiten Beförderung nach Art. 5 Abs. 1 c) iii) VO (EG) 261/2004.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Befreiung von der Ausgleichszahlungspflicht nach Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 261/2004 berufen. Denn es war vorliegend kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne dieser Vorschrift gegeben. Der Defekt der Warnleuchte bildet nach dem vorliegenden Sachverhalt keinen solchen Umstand. Vielmehr ist mangels anderweitigen Vortrags davon auszugehen, dass der – Material- oder Wartungs- Fehler der betrieblichen Sphäre der Beklagten zuzurechnen ist. Aber auch auf den von der Beklagten behaupteten Ausfall bei Eurocontrol kann sich die Beklagte nicht berufen. Denn nach ihrem eigenen Vortrag wäre hiervon die (verspätete) Durchführung des streitgegenständlichen Fluges nicht gefährdet worden; der Flug hätte nach dem unstreitigen Sachverhalt am selben Tag noch durchgeführt werden können. Die Annullierung wurde seitens der Beklagten unstreitig vielmehr verfügt, weil die Beklagte nicht mehr mit der Durchführbarkeit des Folgefluges vor Eintritt des Nachtflugverbots rechnete und somit Verzögerungen im weiteren Flugablauf am Folgetag zu erwarten gewesen wären. Solche Erwägungen betriebsinterner Art haben aber bei der Beurteilung der auf den streitgegenständlichen Flug wirkenden Umstände außer Betracht zu bleiben und können die Beklagte nicht exkulpieren.

2. Des Weiteren hat der Kläger gegen die Beklagte aus dem Beförderungsvertrag in Verbindung mit §§ 281, 280 Abs. 1 BGB und § 398 BGB einen Anspruch auf Erstattung der Stornokosten für das Hotel in Höhe von 307,57 Euro. Ein solcher Schadensersatzanspruch nach nationalem Recht kommt ohne weiteres neben den Ansprüchen aus der VO (EG) 261/2004 in Betracht (BGH Urteil vom 25.3.2010 – Xa ZR 96/09 -; EuGH Urteil vom 13.10.2011 – C-83/10- beide zit. n. Juris). Dies folgt aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 261/2004, der, ohne selbst Anspruchsgrundlage zu sein, weiter gehende Ansprüche des Fluggastes nicht ausschließt. Die VO (EG) 261/2004 stellt insoweit lediglich eine Mindestregelung in ihrem Anwendungsbereich dar.

Die Beklagte hat den klägerseits gebuchten Flug annulliert und somit pflichtwidrig die Beförderung verweigert. Diesbezüglich vermochte sie sich nicht zu entlasten. Auf die Ausführungen zum Fehlen eines außergewöhnlichen Umstandes wird verwiesen. Einer gemäß § 281 Abs. 1 BGB grundsätzlich erforderlichen Fristsetzung bedurfte es vorliegend gemäß § 281 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht. Denn es lagen besondere Umstände vor, die die sofortige Geltendmachung des Schadenersatzanspruches rechtfertigten. Unstreitig war die allein von der Beklagten angebotene Umbuchungsmöglichkeit für den Kläger und Herrn … nach Vergabe aller verfügbaren Plätze an andere Fluggäste nicht mehr zugänglich. Dass die beiden Reisenden noch andere Flüge für den Folgetag hätten erlangen können, hat die Beklagte nicht dargetan. Unter diesen Voraussetzungen bedurfte es keiner Fristsetzung an die Beklagte.

3. Die Zinsforderung folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, 2 Nr. 3 BGB. Denn die Beklagte befand sich aufgrund ihrer vorgerichtlichen Ablehnung der streitgegenständlichen Forderungen im Schreiben vom 30.04.2018 im Verzug.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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