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Betreuung Kindertagesstätte – Anspruch von dreijährigen Kindern

OVG Lüneburg – Az.: 10 ME 170/21 – Beschluss vom 15.12.2021

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen – 2. Kammer – vom 29. Oktober 2021 geändert und der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller einen wohnortnahen Platz in einer Kindertageseinrichtung von montags bis freitags im Umfang von jeweils 6 Stunden bis zur Entscheidung über die Klage im Hauptsacheverfahren 2 A 206/21 zur Verfügung zu stellen.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte
Streit um den Anspruch eines Betreuungsplatzes in einer Kita Einrichtung für ein dreijähriges Kind (Symbolfoto: hotoMavenStock/Shutterstock.com)

Die Beschwerde des am F. geborenen Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Denn der Antragsteller hat gegenüber dem Antragsgegner einen Anspruch auf Zurverfügungstellung eines Platzes in einer Kindertagesstätte im Umfang von 6 Stunden täglich von montags bis freitags.

Das Verwaltungsgericht ist ebenso wie der Antragsgegner zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Anspruch des Antragstellers aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII durch den ihm im Jahr 2019 zur Verfügung gestellten Kindergartenplatz beim Beigeladenen trotz der durch diesen zum 15. September 2021 wegen angeblich aggressiven Verhaltens des Antragstellers gegenüber anderen Kindern ausgesprochenen Kündigung nach wie vor erfüllt und der Antragsteller zum Erhalt bzw. zur Wiedererlangung dieses Platzes auf den zivilrechtlichen Rechtsschutz gegenüber der Kündigung zu verweisen sei. Denn der Antragsteller hat nach dem Verlust seines Kindergartenplatzes beim Beigeladenen erneut einen Anspruch aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII gegenüber dem Antragsgegner auf Betreuung in einer Kindertagesstätte.

Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII hat ein Kind, das – wie der Antragsteller – das 3. Lebensjahr vollendet hat, bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Der Anspruch richtet sich gegen den die Gesamtverantwortung für die Erfüllung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nach § 79 SGB VIII tragenden Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 69 SGB VIII. Dies ist hier der Antragsgegner.

Der Anspruch des Antragstellers und die diesbezügliche Verantwortung des Antragsgegners entfallen nicht dadurch, dass der Beigeladene den Betreuungsvertrag mit den Eltern des Antragstellers gekündigt hat und der vom Antragsteller vormals belegte Platz inzwischen an ein anderes Kind vergeben worden ist, ohne dass die Eltern des Antragstellers hiergegen zivilrechtlich vorgegangen sind.

Folge der Belegung des Kindergartenplatzes durch ein anderes Kind ist, dass der Platz dem Antragsteller nicht mehr zur Verfügung steht. Denn selbst wenn die Eltern des Antragstellers ein zivilrechtliches Kündigungsschutzverfahren anstrengen würden und dieses erfolgreich wäre, könnte der nunmehr durch ein anderes Kind aufgrund des mit dessen Eltern abgeschlossenen Betreuungsvertrages belegte Platz nicht mehr an den Antragsteller (zurück) vergeben werden. Denn dazu müsste der das andere Kind betreffende Betreuungsvertrag gekündigt werden, wofür kein Grund ersichtlich ist. Auch haben die Eltern des Antragstellers selbst zivilrechtlich keinerlei Handhabe, das andere Kind von dem Kindergartenplatz zu verdrängen. Auch eine Überbelegung des Kindergartens ist keine rechtlich zulässige Alternative, da dies gegen die zwingenden landesrechtlichen Vorgaben zur Gruppengröße (vgl. § 2 der 1. DVO-KiTaG) verstoßen würde (siehe hierzu Senatsbeschluss vom 20.6.2019 – 10 ME 134/19 –, juris Rn. 6).

Nach dem mithin festzustellenden Verlust des Kindergartenplatzes des Antragstellers beim Beigeladenen trägt der Antragsgegner erneut die Verantwortung dafür, den (wieder) uneingeschränkt bestehenden Anspruch des Antragstellers aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII zu erfüllen. Insofern kann im vorliegenden Verfahren dahinstehen, ob dann, wenn die Kündigung auf ein rechtsmissbräuchliches, dem Antragsteller zuzurechnendes Verhalten seiner Eltern zurückzuführen wäre oder diese rechtsmissbräuchlich von ihren (zivilrechtlichen) Rechten gegenüber dem Beigeladenen keinen Gebrauch gemacht hätten, dies dem Anspruch des Antragstellers auf Förderung in einer Tageseinrichtung entgegengehalten werden könnte. Denn hier bestehen keine Anhaltspunkte für ein derartiges rechtsmissbräuchliches Verhalten der Eltern des Antragstellers. Allein der Umstand, dass die Eltern auf Rechtsmittel gegen die auch von ihnen als rechtswidrig angesehene Kündigung verzichtet haben, stellt keineswegs Rechtsmissbrauch dar. Denn es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Eltern gegen den Willen des Beigeladenen nicht eine weitere Betreuung ihres Kindes in dessen Einrichtung haben erzwingen wollen, da dies möglicherweise dem Wohl des Kindes widersprochen hätte.

Gegen eine (dem Anspruch entgegenstehende) Berücksichtigung des Verhaltens der Eltern des Antragstellers spricht hier zudem, dass der Antragsgegner von den ihm selbst zur Abwehr einer rechtswidrigen Kündigung eines Betreuungsvertrags durch die Kindertagesstätte zur Verfügung stehenden Einwirkungsmöglichkeiten keinen Gebrauch gemacht hat. Der Antragsgegner bedient sich des beigeladenen Kindertagesstätten-Verbands zur Erfüllung seiner Aufgaben aus § 24 SGB VIII. Er hat insoweit im Rahmen seiner Gesamtverantwortung nach § 79 SGB VIII sicherzustellen, dass die Kindergärten die sich aus dem SGB VIII ergebenden Vorgaben erfüllen, notfalls durch die Herausnahme eines sich rechtswidrig verhaltenden Kindergartens aus dem Kindergartenbedarfsplan nach § 80 SGB VIII. Da der Antragsgegner von seinen Einwirkungsmöglichkeiten gegenüber dem Beigeladenen ersichtlich keinen Gebrauch gemacht hat, kann er seinerseits dem Anspruch des Antragstellers unter dem hier allenfalls in Betracht kommenden Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs nicht die Untätigkeit seiner Eltern im Hinblick auf die Abwehr der vom Beigeladenen ausgesprochenen Kündigung entgegengehalten.

Dem Anspruch des Antragstellers auf Nachweis eines Betreuungsplatzes in einer wohnortnahen Kindertagesstätte steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Antragsgegner nach seinen Angaben im Beschwerdeverfahren dem Antragsteller bis Frühjahr 2022 keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stellen kann. Denn der Anspruch steht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 21.11.2017 – 2 BvR 2177.16 –, juris Rn. 134 zu den Ansprüchen aus § 24 Abs. 2 und 3 SGB VIII), des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 26.10.2017 – 5 C 19.16 –, juris Rn. 34 und 35 zu § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) und der (zeitlich nachfolgenden) obergerichtlichen Rechtsprechung (OVG B-Stadt-Brandenburg, Beschluss vom 22.3.2018 – OVG 6 S 2.18 –, juris 1. Leitsatz und Rn. 11, zu § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, und Beschluss vom 12.12.2018 – OVG 6 S 55.18 –, juris Rn. 11, zu § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII; Sächsisches OVG, Beschluss vom 7.6.2017 – 4 B 112/17 –, juris 2. Leitsatz und Rn. 7, zu § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) sowie der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 20.6.2019 – 10 ME 134/19 –, juris Rn. 5) nicht unter einem Kapazitätsvorbehalt und wird daher durch die von dem Antragsgegner behauptete Kapazitätserschöpfung nicht berührt. Der Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung aus § 24 Abs. 3 SGB VIII besteht nämlich nicht nur im Rahmen vorhandener Kapazitäten, sondern verpflichtet den Jugendhilfeträger dazu, eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte bereitzustellen. Es handelt sich insoweit um eine unbedingte Bereitstellungs- bzw. Gewährleistungspflicht (BVerfG, Urteil vom 21.11.2017 – 2 BvR 2177/16 –, juris Rn. 134), der der Jugendhilfeträger nicht mit dem Einwand der Unmöglichkeit begegnen kann (Sächsisches OVG, Beschluss vom 7.6.2017 – 4 B 112/17 –, juris Rn. 7), weil der Anspruch nicht auf den vorhandenen Vorrat an Plätzen begrenzt, sondern – sofern diese Plätze nicht ausreichend sind – auf die Schaffung neuer Plätze, also auf die Erweiterung der vorhandenen Kapazitäten gerichtet ist bis ein dem Bedarf in qualitativer und quantitativer Hinsicht gerecht werdendes Angebot besteht (BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 – 5 C 19.16 –, juris Rn. 35). Ein Kapazitätsvorbehalt würde dagegen den vom Gesetzgeber ausdrücklich als zwingenden Rechtsanspruch ausgestalteten § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII leerlaufen lassen (ebenso zu § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII Sächsisches OVG, Beschluss vom 7.6.2017 – 4 B 112/17 –, juris Rn. 8), da die Jugendhilfeträger sich dann durch den bloßen Hinweis auf ausgeschöpfte Kapazitäten ihrer gesetzlichen Verpflichtung entziehen könnten. Fachkräftemangel, räumliche Probleme oder andere Schwierigkeiten entbinden den Jugendhilfeträger daher nicht von dieser unbedingten gesetzlichen Verpflichtung (OVG B-Stadt-Brandenburg, Beschluss vom 12.12.2018 – OVG 6 S 55.18 –, juris Rn. 11; Senatsbeschluss vom 20.6.2019 – 10 ME 134/19 –, juris Rn. 5).

Zum erforderlichen Umfang der Betreuung enthält § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII keine Vorgaben. Nach § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe allerdings darauf hinzuwirken, dass für die Altersgruppe der über drei Jahre alten Kinder ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Aus dem Wortlaut des § 24 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB VIII ergibt sich eindeutig kein Anspruch auf eine ganztägige Förderung (Senatsbeschluss vom 19.12.2018 – 10 ME 395/18 –, juris Rn. 4 m.w.N. zur Kommentarliteratur). Denn daraus, dass im Hinblick auf die Ganztagsbetreuung in § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII eine bloß objektiv-rechtliche Hinwirkungspflicht formuliert ist, folgt, dass sie nicht vom Rechtsanspruch des Satzes 1 umfasst ist. Die Regelung dieser Hinwirkungspflicht wäre nämlich erkennbar sinnlos, wenn auf eine Ganztagsbetreuung bereits ein subjektiver Anspruch bestünde. Zum Umfang des Betreuungsanspruchs – unterhalb der nicht vom Anspruch umfassten ganztägigen Förderung – enthält § 24 Abs. 3 SGB VIII jedoch keine Maßgaben.

Der mit „Anspruch auf Förderung“ betitelte § 20 des am 1. August 2021 in Kraft getretenen Niedersächsischen Gesetzes über Kindertagesstätten und Kindertagespflege (NKiTaG), der den Anspruch auf Förderung nach § 24 SGB VIII näher regelt, enthält ebenfalls keine Konkretisierung des Förderanspruchs außer der Maßgabe, dass der Umfang der täglichen Förderung eines Kindes 10 Stunden nicht überschreiten soll (§ 20 Abs. 3 NKitaG). In § 7 Abs. 1 und 2 NKitaG ist geregelt, dass die Förderung der Kinder in Kern- und Randzeiten (vor und/oder nach der Kernzeit) erfolgt. In § 7 Abs. 3 NKitaG ist ferner bestimmt, dass die Zeiträume der Kernzeit und der Randzeit von der Kindertagesstätte festzulegen sind (Satz 1) und dabei dem Wohl der Kinder und den Belangen ihrer Erziehungsberechtigten Rechnung zu tragen ist (Satz 2). § 7 Abs. 4 Satz 1 NKiTaG regelt außerdem, dass zur Gewährleistung des Mindestumfangs des Förderungsangebots nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 NKiTaG für alle Kinder mindestens an 5 Tagen in der Woche vormittags eine Kernzeit von mindestens 4 Stunden angeboten werden muss. Der in dieser Vorschrift in Bezug genommene § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 NKiTaG definiert, dass eine Kindertagesstätte im Sinne dieses Gesetzes eine Tageseinrichtung ist, die Kindern während der Kernzeit eine Förderung von regelmäßig mindestens 20 Stunden in der Woche anbietet.

Aus diesen landesrechtlichen Bestimmungen ergibt sich ebenfalls keine Konkretisierung des Förderungsanspruchs nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII, wobei dahingestellt bleiben kann, inwieweit das Landesrecht hier unter Berücksichtigung von Art. 31 GG zur Auslegung des Bundesrechts überhaupt herangezogen werden kann. Denn aus diesen landesrechtlichen Vorschriften ergibt sich zwar der Umfang der zwingend von allen Kindertagesstätten anzubietenden Kernzeit als Mindestumfang des Förderungsangebots, es bleibt jedoch offen, welchen Umfang der Förderanspruch eines über 3 Jahre alten Kindes unter Berücksichtigung der Kernzeit und der Randzeiten hat. Auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich kein Hinweis auf den Betreuungsumfang, vielmehr überlässt der Landesgesetzgeber danach die Bestimmung des Betreuungsumfangs allein der Auslegung der bundesrechtlichen Vorschriften, soweit es dort (Landtagsdrucksache 18/8713, Seite 83 unten) heißt:

„Der Rechtsanspruch ist bundesrechtlich kodifiziert. Daher kann die Ausgestaltung bezüglich Umfang und zeitlicher Lage der Betreuung durch Landesrecht nur eingeschränkt erfolgen. … Aus dem Vergleich von § 24 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 SGB VIII ergibt sich, dass ein Anspruch auf Ganztagsbetreuung nicht besteht. Vielmehr ist im Bundesrecht nur eine öffentlich-rechtliche Hinwirkungspflicht normiert. Der Umfang des Betreuungsanspruchs muss indes dem Ziel, Eltern eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen und Beruf und Familie besser zu vereinbaren (§ 22 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII) Rechnung tragen. Vor diesem Hintergrund wird auf die konkrete Nennung eines Betreuungsumfangs (etwa 20 Wochenstunden) verzichtet, da die Definition der Kindertagesstätten in § 1 Abs. 2 NKiTaG bereits den Umfang (mindestens 20 Wochenstunden) enthält. Bundesrechtlich wird eine Betreuung von lediglich vier Stunden täglich kaum mehr als anspruchserfüllend anzusehen sein. So ist etwa gängige Auffassung in der Kommentarliteratur, dass eine tägliche Betreuungszeit von vier Stunden nicht anspruchserfüllend ist … .“

Die Abgrenzung zur nicht vom Anspruch nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII umfassten Ganztagsbetreuung könnte zwar möglicherweise nahelegen, dass eine halbtägige Betreuung im Umfang von mindestens vier Stunden, wie sie in § 7 Abs. 4 Satz 1 NKiTaG geregelt ist, ausreichend sein könnte (vgl. hierzu den Senatsbeschluss vom 19.12.2018 – 10 ME 395/18 –, juris Rn. 5, in dem der Senat die Frage, ob der Betreuungsanspruch 4 oder 6 Stunden beträgt, noch hat dahinstehen lassen). Allerdings berücksichtigt diese Betrachtungsweise nicht hinreichend § 22 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII, wonach die Tageseinrichtungen den Eltern dabei helfen sollen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können. Zwar bleiben Eltern für die Betreuung ihrer Kinder (vorrangig) verantwortlich und müssen darauf auch bei ihrer Berufsausübung Rücksicht nehmen. Eine lediglich 4-stündige Betreuung mit Regelöffnungszeiten von 8 bis 12 Uhr entspricht jedoch nicht den Anforderungen, die der Arbeitsmarkt an die Beschäftigten stellt, weil sie unter Berücksichtigung der hinzuzurechnenden Wegezeiten vom Kindergarten zur Arbeitsstätte und von dieser zurück zum Kindergarten sowie der Zeit für die Abholung des Kindes noch nicht einmal eine Berufstätigkeit im Umfang der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ermöglicht. Unter Berücksichtigung dieser in den meisten Familien, in denen ein Elternteil in Vollzeit und der andere Elternteil zumindest in Teilzeit arbeitet, sowie insbesondere bei Alleinerziehenden, die sich den Weg zur Kindertagesstätte nicht mit einem Partner teilen können, vorzufindenden Lebensrealität kann keine Rede (mehr) davon sein, dass eine lediglich 4-stündige Betreuung den Eltern dabei hilft, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können, wie dies § 22 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII für die Betreuung in Tageseinrichtungen als Zielvorgabe fordert. Nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung hält der Senat daher eine Mindestbetreuungszeit von 6 Stunden an 5 Tagen in der Woche für erforderlich, um dieser bundesrechtlichen Vorgabe zu entsprechen (so auch VG Göttingen, Beschluss vom 21.7.2021 – 2 B 122/21 –, juris 1. Leitsatz und Rn. 9, und die Kommentarliteratur: Struck in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 24 Rn. 58; Kaiser in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 7. Aufl. 2018, § 24 Rn. 34; Fischer in Schellhorn u.a., SGB VIII, 5. Aufl. 2017, § 24 Rn. 27; Etzold in beck-online Grosskommentar zum SGB VIII, Stand: 1.9.2021, § 24 Rn. 49), woraus folgt, dass auch der Förderungsanspruch nach § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII in diesem Umfang besteht. Eine Differenzierung zwischen berufstätigen und nicht berufstätigen Eltern hat dabei nicht zu erfolgen, da der Absatz 3 des § 24 SGB VIII im Unterschied zu den Absätzen 2 und 4 nicht auf Absatz 1 Satz 3, wonach der Umfang der täglichen Förderung sich nach dem individuellen Bedarf richtet, Bezug nimmt, sondern lediglich bei (über den regelmäßigen Bedarf hinausgehenden) besonderem Bedarf oder ergänzend die Förderung in Kindertagespflege nach § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII vorsieht.

Soweit der Senat den Antragsgegner entsprechend § 20 Abs. 1 Satz 3 NKitaG, wonach der Anspruch aus § 24 SGB VIII möglichst ortsnah zu erfüllen ist, verpflichtet hat, dem Antragsteller einen wohnortnahen Platz in einer Kindertagesstätte zur Verfügung zu stellen, verweist er zur näheren Konkretisierung auf seine Rechtsprechung, wonach ohne Besonderheiten des Einzelfalls eine Entfernung von 30 Minuten pro Weg noch als zumutbar angesehen werden kann (Senatsbeschluss vom 24.7.2019 – 10 ME 154/19 –, juris 2. Leitsatz und Rn. 9).

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Keinen Erfolg hat der Antrag des Antragstellers jedoch, soweit er begehrt, dass ihm ein Betreuungsplatz in der Zeit von 7:30 Uhr und 13:30 Uhr nachzuweisen sei, da eine derartige zeitliche Vorgabe zur Erfüllung des Anspruchs aus § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII weder dem Bundes- noch dem Landesrecht entnommen werden kann. § 7 Abs. 4 Satz 1 NKiTaG bestimmt insoweit lediglich, dass die Kernzeit im Umfang von 4 Stunden vormittags angeboten werden muss (vgl. hierzu auch bereits den Senatsbeschluss vom 20.6.2019 – 10 ME 134/19 –, juris Rn. 8).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 3, 162 Abs. 3, 188 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil er auch im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt und damit kein Kostenrisiko übernommen hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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