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Ebaybewertung – Widerrufsanspruch bei bloßer Meinungsäußerung?

 LG Konstanz

Az: 11 S 31/04

Urteil vom: 28.07.2004

Vorinstanz: Amtsgericht Konstanz – Az.: 9 C 985/03


In dem Rechtsstreit wegen Kaufpreisrückzahlung u. a. hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Konstanz auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2004 durch für Recht erkannt:

a) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 30.01.2004 (9 C 985/03) hinsichtlich Ziffer 2 abgeändert, soweit die Beklagte verurteilt wurde, die Antwort im „…..“ Bewertungsprofil „…“ vom 19.08.2003, 17.40 Uhr zu widerrufen. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

b) Im übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

c) Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger 2/7, die Beklagte 5/7.

d) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung von 4.000,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für die Beklagte insgesamt zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

e) Die Revision gegen das vorliegende Urteil wird zugelassen.

Entscheidungsgründe:

(nach § 540 Abs. 1 ZPO)

I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 30.01.2004 wird Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt unter Weiterverfolgung des erstinstanzlichen Antrags:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.
Die Berufung ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet. Soweit das Amtsgericht die Beklagte verurteilt hat, die Antwort im „….“ Bewertungsprofil für „ …“ vom 19. August 2003 17.40 Uhr zu widerrufen, beruht das erstinstanzliche Urteil auf einem Rechtsfehler (§§ 513 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 546 ZPO). Insoweit war das amtsgerichtliche Urteil daher aufzuheben und die Klage abzuweisen. Im übrigen beruht die erstinstanzliche Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Somit war die Berufung übrigen zurückzuweisen.

1. Ein Anspruch des Klägers auf Widerruf der Antwort im „…“ Bewertungsprofil für „..“ vom 19. August 2003 besteht nicht. Der Kläger schrieb am 19.08.2003 eine Beschwerde im genannten Bewertungsprofil mit dem Inhalt, dass der Totalschaden wegen unzureichender Verpackung entstanden sei, die Transportversicherung eine Regulierung abgelehnt habe und ein Rechtsanwalt eingeschaltet worden sei. Darauf antwortete die Beklagte: „Echter Unfug … wohl eine große Kunst, mit mir nicht zufrieden zu sein“. Bei der angegriffenen Äußerung handelt es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, die dem Beweis zugänglich wäre, sondern um eine Meinungsäußerung. Daher kommt ein Widerruf nicht in Betracht.

2. Zu Recht hat das Amtsgericht entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf Widerruf und zukünftige Unterlassung der im Bewertungsprofil „…“ vom 08. September 2003, 23.05 Uhr abgegebenen Erklärungen den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog hat. Insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil, denen sich das Berufungsgericht nach eigener Prüfung anschließt, verwiesen werden. Soweit die Beklagte erklärt hat, der Kläger habe aus Kaufreue einen Transportschaden vorgetäuscht, liegt eine Tatsachenbehauptung vor, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in seiner Ausprägung im Rahmen der Individualsphäre verletzt.

Das Amtsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass diese Verletzung widerrechtlich erfolgt ist. Dabei hat es eine ausreichende Würdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und eine Güter- und Interessenabwägung vorgenommen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 823 Rndnr. 95). Auch insoweit kann daher auf die Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil verwiesen werden. Von Relevanz ist dabei insbesondere die vom Amtsgericht ausgeführte Tatsache, dass entsprechende Bewertungen geeignet sind, negativen Einfluss auf weitere Geschäfte über „…“ zu nehmen. Das Amtsgericht ist bei seiner Entscheidung auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Äußerung der Beklagten als unwahr zu behandeln ist. Die Beklagte hat im Schreiben vom 20.08.2003, also vor der streitgegenständlichen Bewertung, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gegenüber erklärt, dass es sich unter beidseitigem Einvernehmen um einen Transportschaden handelte (vgl. AS I/25). Dem entsprach auch die der Beklagten bekannte Niederschrift der Postfiliale „…-„, die ebenfalls einen Transportschaden festhielt (vgl. AS I/29). Im Hinblick darauf traf die Beklagte als Äußernde einer ehrenrührigen Tatsachenbehauptung, deren Wahrheit zum Zeitpunkt der Äußerung ungewiss war, eine erweiterte Darlegungslast, aufgrund welcher tatsächlichen Erkenntnisse und Grundlagen sie ihre Äußerungen getätigt hat (vgl. Palandt/Sprau, a. a. O., Rndr. 101). Da sie dieser Darlegungslast nicht nachgekommen ist, sondern ihre Behauptung offenbar „ ins Blaue hinein“ aufgestellt hat, sie den Sachvortrag des Klägers, dass es sich hierbei um eine unwahre Tatsachenbehauptung handelte, nicht ausreichend bestritten. Ihre Behauptung ist daher als unwahr zu behandeln. Der Kläger hat somit einen Anspruch auf Widerruf der Bewertung und im Hinblick auf die durch die Rechtsgutsverletzung indizierte Wiederholungsgefahr zudem einen Anspruch auf Unterlassung entsprechenden Äußerungen in der Zukunft.

3. Das Amtsgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache nach den §§ 346 Abs. 1, 357 Abs. 1, 355 Abs. 1, 312 d Abs. 1 Satz 1, 348 BGB zusteht. Auch insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen der amtsgerichtlichen Entscheidung, denen sich das Berufungsgericht nach eigener Prüfung anschließt, verwiesen werden.

Der Kläger hat den vorliegenden Kaufvertrag, der unter die Regelung des § 312 b Abs. 1 und Abs. 2 BGB über Fernabsatzverträge fällt, wirksam nach den §§ 312 d Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB widerrufen. Das Widerrufsrecht war nicht nach § 312 d Abs. 4 Ziffer 5 BGB ausgeschlossen. Der vorliegende Kaufvertrag wurde nicht in Form einer Versteigerung nach § 156 BGB geschlossen. Vielmehr kam der Kaufvertrag durch Angebot und Annahme zustande, wobei offen bleiben kann, ob die Willenserklärung der Beklagten als Verkaufsangebot und das spätere Höchstgebot des Klägers als dessen Annahme zu qualifizieren ist oder ob die Willenserklärung der Beklagten eine Vorweg erklärte Annahme des vom Kläger abgegebenen Höchstgebots darstellte. Mangels Zuschlags scheidet jedenfalls ein Vertragsschluss nach § 156 BGB aus (vgl. Amtsgericht Kehl, NJW-RR 2003, 1060f., Landgericht Hof, Urteil vom 26.04.2002, Az.: 22 S 10/02; anderer Auffassung wohl Münchner Kommentar/Wendehorst, 4 Auflage, § 312 d Rndnr. 46).

Der Zeitablauf allein stellt keinen Zuschlag im Sinne von § 156 BGB dar. Vielmehr handelt es sich dabei nur um den Ablauf einer Annahmefrist im Sinne von § 148 BGB. Ein Zuschlag im Sinne von § 156 BGB würde ein willentliches Handeln durch einen Auktionator voraussetzen. Ein solches liegt bei der vorliegend zu entscheidenden Konstellation nicht vor „ ….“ stellt lediglich die Plattform zur Verfügung, die zu einem entsprechenden Vertragsschluss führen kann; will aber gerade nicht in den Vertragsschluss zwischen den Parteien eingreifen (vgl. § 9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von „ ….“ , AS I/19).

Auch eine analoge Anwendung des § 312 d Abs. 4 Ziffer 5 BGB kommt nicht in Betracht. Inwiefern die Einschränkung einer verbraucherschützenden Regelung durch die analoge Anwendung einer Ausnahmevorschrift überhaupt möglich ist, kann offen bleiben, da sich eine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie nicht feststellen lässt. In der Drucksache 14/3195 des Deutschen Bundestags (AS II/123) wird ausdrücklich auf den Zuschlag und dessen Endgültigkeit als entscheidendes Wesenmerkmal einer Versteigerung abgestellt. Im übrigen ist der Grund für die Einschränkung des Verbraucherschutzes nicht, dass bei einer Versteigerung keine Schutzbedürftigkeit der Verbraucher besteht, sondern dass echte Versteigerungen aus wirtschaftlichen Gründen nicht behindert werden sollen. „…“ hat sich aber gerade durch die gewählte Konstruktion der vertraglichen Beziehungen gegen ein echtes Versteigerungsmodell entschieden. Im Ergebnis bestehen daher keine Anhaltspunkte für eine planwidrige Regelungslücke.

Zudem bestehen auch nicht unerhebliche Unterschiede zu einer echten Versteigerung, die eine analoge Anwendung ebenfalls ausschließen. Bei Versteigerungen im Sinne des § 156 BGB wird der Zuschlag in der Regel kurz nach dem höchsten Gebot erteilt. Bei „….“ hingegen ist der Zeitablauf entscheidend. Ein Überbieten ist danach nicht mehr möglich. Selbst wenn andere Bieter noch ein höheres Gebot abgeben wollten, wäre dies nicht mehr möglich.

Bei einer Versteigerung im Sinne des § 156 BGB wartet der Auktionator hingegen solange, bis kein höheres Gebot mehr eingeht, um somit das möglichst beste Ergebnis zu erzielen. Eine Versteigerung im Sinne des § 156 BGB ist daher gerade dadurch gekennzeichnet, dass es in der Regel kein zeitliches Limit gibt, an welches der Zuschlag geknüpft wird.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 analog, 711 ZPO.

Da die Frage, inwiefern § 312 d Abs. 2 Ziffer 5 BGB auf Fälle wie den vorliegenden Anwendung findet, in der bisherigen Rechtsprechung und allgemein in der Literatur umstritten ist, war die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen.

 

 

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