Amtsgericht Peine
Az: 18 C 234/04
Urteil vom 15.09.2004
In dem Rechtsstreit wegen Unterlassung u. a. hat das Amtsgericht Peine im Bagatellverfahren nach § 495a ZPO auf die mündliche Verhandlung vom 25.08.2004 für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im Bewertungsform des Internet-Auktionshauses eBay betreffend den eBay-Kauf Nr. … (linker Blinker Opel Corsa A) die folgende Behauptung aufzustellen:
„Artikel war defekt davon stand nichts in der Beschreibung“
2. Im Übrigen die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Der Streitwert übersteigt nicht 600 €.
Tatbestand und Entscheidungsgründe
I.
Der Kläger bot über das Internet-Auktionshaus eBay verschiedene Fahrzeugteile aus einem ausgeschlachteten Pkw Opel Corsa A (Baujahr 1992) zum Verkauf an, darunter einen linken Blinker und einen rechten Scheinwerfer. Während die von dem Kläger in das Internet gestellte Produktbeschreibung des Scheinwerfers keinen Hinweis auf Mängel oder übermäßige Gebrauchsspuren enthielt (Blatt 8 GA), war hinsichtlich des Blinkers unter anderem folgendes vermerkt (Blatt 6 GA):
„Blinker in gutem Zustand. (…) 2 kleine Ecken fehlen an dem Teil. Funktion aber nicht eingeschränkt“.
Der Beklagte ersteigerte beide Fahrzeugteile am 08.10.2003 und zwar den Blinker (Kauf Nr. …) zu einem Preis von 1,00 € und den Scheinwerfer (Kauf Nr. …) zu einem Preis von 28,80 € zuzüglich Versandkosten. Nach Zusendung der beiden Artikel durch den Kläger veröffentlichte der Beklagte am 16.10.2003 in dem Bewertungsforum der Handelsplattform eBay für beide Artikel wortgleich eine Beschwerde mit dem folgenden Text.
„Artikel war defekt, davon stand nichts in der Beschreibung.“
Der Kläger behauptet, dass der rechte Scheinwerfer in ordnungsgemäßen Zustand an den Beklagten verschickt worden sei. Auf die marginalen Beschädigungen des Blinkers sei in der Produktbeschreibung ausdrücklich hingewiesen worden. Der Beklagte behauptet, dass der ihm von dem Kläger übersandte Scheinwerfer beim Auspacken einen etwa 3 cm langen Riss in der Halterung aufgewiesen, der vor der Montage erst mit Kunststoffkleber habe repariert werden müssen. Der Blinker habe nicht nur zwei defekte Ecken, sondern auch noch einen Sprung gehabt.
II.
Die Klage hat teilweise Erfolg.
1. Der Kläger kann von dem Beklagten die aus der Urteilsformel ersichtliche Unterlassung bezüglich der Bewertung zum Kaufvertrag über das linke Blinkerglas verlangen; ein weitergehender Unterlassungsanspruch wegen der Bewertung bezüglich des Kaufvertrages über den rechten Scheinwerfer steht ihm nicht zu.
a.) Der Unterlassungsanspruch stützt sich auf die entsprechende Anwendung der §§ 1004, 823 BGB, aber auch auf einen Schadenersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Ziffer 3 der bei Vertragsschluss gültigen AGB –ebay. Bei Abschluss eines Kaufvertrages über das Internet-Auktionshaus eBay unterwerfen sich Käufer und Verkäufer den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Handelsrichtlinien, welche die Firma eBay für die Benutzung ihrer Handelsplattform aufgestellt hat. Nach § 6 Ziffer 3 AGB-eBay ist jeder Benutzer insbesondere verpflichtet, bei Benutzung des Bewertungssystems ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben zu machen, das Gebot der Sachlichkeit zu beachten und sich der Schmähkritik zu enthalten. Diese Grundsätze wirken sich auch unmittelbar auf das Vertragsverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer aus, so dass die Beobachtung der von der Firma eBay aufgestellten Verhaltensgrundsätze bei der Benutzung des Bewertungssystems jedem Vertragsteil als Nebenpflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB obliegt. Verstoßen Käufer oder Verkäufer bei der Abgabe einer Bewertung gegen diese Verhaltensregeln, kann der andere Vertragsteil aus dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes Naturalrestitution in Form der Unterlassung der fortdauernden Beeinträchtigung durch die beanstandete Bewertung im Bewertungssystem der Firma eBay verlangen.
Verlangt der Verkäufer die Unterlassung einer in der Bewertung des Käufers enthaltenen Tatsachenbehauptung mit der Begründung, diese Behauptung enthalte – entgegen den Richtlinien der Firma eBay für die Benutzung ihres Bewertungssystems – wahrheitswidrige Angaben, muss der Verkäufer für die Unwahrheit der von die Käufer in die Bewertung eingestellten Tatsachenbehauptung den vollen Beweis führen (vgl. LG Düsseldorf v. 18.02.2004, MMR 2004, 496). Diese Verteilung der Beweislast ergibt sich aus den allgemeinen Grundsätzen, die in der Rechtsprechung für den Wahrheitsbeweis von Tatsachenbehauptungen im Rahmen eines Unterlassungsbegehrens entwickelt worden sind. Zwar ist im Ausgangspunkt nach dem Rechtsgedanken des § 186 StGB für den Wahrheitsgehalt einer in Bezug auf den Unterlassungskläger aufgestellten Tatsachenbehauptung der Unterlassungsschuldner beweispflichtig; die Beweislast kehrt sich aber um, wenn der Unterlassungsbeklagte ein berechtigtes Interesse an der Verbreitung der Tatsache nachweisen kann. In diesem Fall obliegt es dem Unterlassungskläger, die Unwahrheit der in Bezug auf ihn behaupteten Tatsache zu beweisen (vgl. OLG Celle v. 10.01-2002 OLGR 2002, 211, 212). Unter den hier obwaltenden Umständen kann dem Beklagten ein berechtigtes Interesse der Verbreitung von solchen auf die Leistung des Klägers bezogen Tatsachen nicht abgebrochen werden. Das Internet-Auktionshaus eBay fordert seine Benutzer ausdrücklich dazu auf, dass sich die Handelspartner nach Beendigung der Transaktion gegenseitig bewerten, um auf diese Weise Grundlagen für die Kaufentscheidung anderer Benutzer zu schaffen. Wer über die Handelsplattform eBay Waren oder Dienstleistungen anbietet, weiß aus diesem Grunde auch dass er sich mit seiner Leistung einer öffentlichen Äußerung seiner Vertragspartner aussetzt; diese öffentliche Äußerungen ist von den Verkäufern wegen des damit verbundenen Werbeeffektes in der Regel auch erwünscht, weil nach allgemeiner Erfahrung der über die Internetplattform eBay Handelnden Verbraucher mit einer Vielzahl von günstigen Bewertungen generell Gewähr für die Seriosität Verkäufers verbunden wird. Wer allerdings mit seiner Weise in dieser Weise auf die Öffentlichkeit tritt, muss auch mit negativen Äußerungen des Vertragspartners rechnen. Dazu kommt, dass der Verkäufer gegenüber negativen Bewertungen seiner Handelspartner nicht schutzlos ist, sondern ihm das Bewertungsform von eBay die Möglichkeit gibt, direkt und unmittelbar eine Gegenäußerung vorzunehmen. Die Belange des Verkäufers erscheinen daher generell nicht schutzwürdiger als die berechtigten Interessen des Käufers, sich in der von der Firma eBay erwünschten Weise mit einer Äußerung über die Leistung des Verkäufers an die Öffentlichkeit zu richten (vgl. LG Düsseldorf v. 19.02.2004 a. a. O.). Dementsprechend würde es Sinn und Zweck des Bewertungssystems widersprechen, wenn man dem Käufer im Streitfall die Beweislast für den Wahrheitsgehalt seiner Behauptung auferlegen würde.
b.) Nach diesen Maßstäben ist der vorliegende Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:
aa.) Den rechten Scheinwerfer (eBay-Kaufvertrag Nr. …) hat der Kläger in der Produktbeschreibung unstreitig ohne einen Hinweis auf etwaige Beschädigungen in einem guten Zustand“ angeboten (Blatt 8 GA). Der Beklagte stützt seine in das Bewertungsforum eingestellten Kommentar, der Artikel sei „defekt“ gewesen, auf die Behauptung, dass der Scheinwerfer einen drei Zentimeter langen Riss in der Halterung aufgewiesen habe, welche vor der Installation haben geklebt werden müssen. Diese Behauptung musste der Kläger widerlegen. Soweit sich zum Beweis der Tatsache, dass der Scheinwerfer bei der Verpackung unbeschädigt gewesen sei, auf das Zeugnis der Lebensgefährtin des Klägers berufen hat, kann diese Behauptung zu seinen Gunsten als wahr unterstellt werden. Denn maßgeblich ist allein, in welchem Zustand der Scheinwerfer sich befunden hat, als er von dem Beklagten aus der Verpackung entfernt wurde. Auf die Gefahrtragungsregel des § 447 Abs. 1 ZPO kommt es dabei nicht an. Zutreffend geht der Kläger zwar davon aus, das die Gefahr beim Versendungskauf bereits mit der Auslieferung an das Transportunternehmen auf den Käufer übergeht und die Beförderungsrisiko aus diesem Grunde beim Käufer liegt. Die Parteien streiten aber nicht darum, ob der Kläger die ihm nach dem Kaufvertrag obliegenden Pflichten erfüllt hat, sondern darum, ob die Behauptung des Beklagten, der Scheinwerfer sei „defekt“ gewesen, unwahr ist. Jeder Benutzer des eBay-Bewertungssystems wird eine erkennbar rein tatsächliche Äußerung des Käufers über den „Defekt“ einer Kaufsache naturgemäß auf den Zustand beziehen, den der Käufer nach Versendung der Kaufsache vorgefunden hat. Als Beweis für den Zustand des Scheinwerfers nach der Versendung stellt der in das Wissen der Zeugin … O … gestellte Zustand des Scheinwerfers vor der Versehung keinen tragfähigen Beweisantritt dar, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Scheinwerfer bei der Versendung beschädigt worden ist. Soweit sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 25.08.2004 auf die Vernehmung der Ehefrau des Beklagten zum Beweis für den unbeschädigten Zustand des Scheinwerfers nach der Versendung berufen hat, war dieser Beweisantrag gemäß § 495a Satz 1 ZPO nach billigen Ermessen wegen Verspätung zurückzuweisen, da der Beweisantrag trotz der durchaus nahe liegenden Beweiserheblichkeit der nunmehr in das Wissen der Zeugin .. G… gestellten Tatsache nicht so rechtzeitig vorgebracht worden ist, dass das Gericht noch prozessleitende Maßnahmen zur Ladung dieser Zeugin hätte treffen können. Die Erledigung des im Übrigen entscheidungsreifen Rechtsstreites wäre durch die Anordnung einer Beweisaufnahme nicht unerheblich verzögert worden.
bb.). Anders verhält sich, soweit der Beklagte die gleiche Behauptung auch bezüglich des linken Blinkerglases (eBay-Kaufvertrag Nr. …) in das Bewertungsforum eingestellt hat. Unstreitig hat der Kläger in der Produktbeschreibung darauf hingewiesen, dass an dem Blinkerglas zwei Ecken fehlen und aus diesem Grunde die Kaufsache nicht als unbeschädigt angeboten. Die Behauptung des Beklagten „Artikel war defekt – davon stand nicht in der Beschreibung“ entspricht deshalb schon begrifflich nicht den Tatsachen. Daran ändert es auch nichts, dass der Beklagte durch Schriftsatz vom 12.08.2004 noch behauptet hat, dass das Blinkerglas zusätzlich zu den mangelhaften Ecken noch einen Sprung gehabt habe. Denn die Behauptung des Beklagten ging nicht dahin, dass das Blinkerglas über Mängel verfügt habe, die in der Beschreibung nicht angegeben waren; vielmehr entsteht bei der von dem Beklagten gewählten Formulierung bei den Benutzern des eBay-Bewertungsforums den – unrichtige – Eindruck, als sei eine beschädigte Kaufsache schlechthin als unbeschädigt angeboten worden. Insoweit liegt ein Verstoß gegen die eBay- Bewertungsrichtlinien und damit eine den Unterlassungsanspruch rechtfertigende Vertragspflichtverletzung des Beklagten vor.
2. Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger mit dem Antrag zu Ziffer 2.) von dem Beklagten die Vornahme geeigneter Schritte begehrt, um die streitgegenständlichen Bewertungen aus dem eBay-Bewertungssystem zu entfernen. Mit Recht rügt der Beklagte die mangelnde Vollstreckungsfähigkeit eines solchen Antrages. Grundsätzlich werden durch die Firma eBay die von den Benutzern abgegebenen Bewertungen im Bewertungssystem weder verändert noch entfernt. Eine Ausnahme bildet insoweit die einvernehmliche Rücknahme von Bewertungen, die durch übereinstimmendes Handeln der Vertragspartner online (dann bleibt die Bewertung mit einem ergänzenden Hinweis auf die Rücknahme sichtbar) oder durch Einreichung eines von beiden Parteien eigenhändig unterschriebenen Einigungsformulars per Post (dann vollständige Löschung der Bewertung). Der Antrag des Klägers könnte sich deshalb nur auf die Verurteilung zu einer nach § 894 Abs. 1 ZPO zu vollstreckende Abgabe einer Willenserklärung des Inhalts richten, dass der Beklagte seine Zustimmung zu einer einvernehmlichen Löschung der Bewertung auf einem Einigungsformular erteilt.
Für einen solchen Antrag würde es allerdings an einen Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Da der Kläger mit seinem Antrag zu Ziffer 1.) von dem Beklagten die Unterlassung der streitgegenständlichen Behauptung bezüglich des linken Blinkerglases im Bewertungssystem erwirkt hat, bedarf es einer Mitwirkung des Beklagten an der Löschung der Bewertung grundsätzlich nicht mehr, weil die Firma eBay auf der Grundlage einer vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidung auf Antrag eines Vertragspartners die Bewertung nach einer Prüfung von sich aus löscht. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Firma eBay die Löschung der streitgegenständlichen Bewertung auf einseitigen Antrag des Verkäufers verweigern würde, wenn der Käufer dazu verurteilt worden ist, die von ihm in das Bewertungssystem eingestellten Behauptungen zu unterlassen.
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen berufen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
4. Die Wertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Maßgeblich ist grundsätzlich das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Unterlassung der streitgegenständlichen Behauptungen bzw. an der Entfernung der von dem Beklagten eingestellten Kommentare im Bewertungssystem der Firma eBay. Dieses Interesse wird dadurch bestimmt, dass potentielle Käuferkreise infolge der Kenntnisnahme von einer negativen Bewertung davon abgehalten werden könnten, Gebote auf die von dem Kläger angebotenen Sachen abzugeben und diese Sachen deswegen überhaupt nicht oder nur zu einem geringeren Preis verkauft werden können. Dieses Interesse schätzt das Gericht auf nicht höher als 600,00 €. Da der Kläger ausweislich der von ihm vorgelegten Ausdrücke in größerem Umfange bei eBay handelt (419 Bewertung am 02.03.2004), fallen vereinzelt bleibende schlechte Bewertungen bei der Kaufentscheidung zukünftiger Handelspartner nach der Einschätzung des Gerichts nicht mehr gravierend ins Gewicht. Dies gilt insbesondere soweit eine negative Bewertung infolge des Zeitablaufes in der optischen Darstellung des eBay Bewertungssystem nach hinten rückt und erst durch längeres Nachblättern aufgefunden werden kann, was viele potentielle Käufer insbesondere bei geringen Geboten schon aus Bequemlichkeit unterlassen werden. Der Streitwert muss zudem auch in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert der gehandelten Waren stehen, der im vorliegenden Fall (28,80 € und 1,00 €) eher Bagatellcharakter hat. Dass der Kläger in der Regel mit Waren handelt, die einen deutlich höheren Versteigerungserlös erzielen, ist insoweit weder dargetan noch ersichtlich.