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Fahrzeugbeschädigung – Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten

LG Köln – Az.: 7 O 135/15 – Urteil vom 05.04.2018

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 936,66 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.333 EUR vom 28.03.2015 bis zum 22.04.2015 sowie aus weiteren 936,66 EUR seit dem 28.03.2015 zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Rechtsanwalts H i.H.v. 293,30 EUR freizustellen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden weiteren zukünftigen materiellen Schaden aufgrund des Vorfalls vom 11.01.2015 zu ersetzen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 65 %, der Beklagte zu 35 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen der Beschädigung ihres PKWs.

Am 11.01.2015 gegen 2:00 Uhr ging der Beklagte in alkoholisiertem Zustand (0,99 mg/l) die B-Straße in Pulheim entlang. Dabei erkannte er das dort geparkte Fahrzeug der Klägerin als das Fahrzeug der Lebensgefährtin seines Vaters, welcher getrennt von seiner Mutter lebt. Aufgrund der problematischen Familienverhältnisse entschloss sich der Beklagte dazu, das Fahrzeug der Klägerin zu beschädigen und zerkratzte es mit einem Schlüssel.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 04.02.2015 ließ die Klägerin dem Beklagten einen Kostenvoranschlag der Firma C vom 13.01.2015 zukommen und forderte die Zahlung des sich hieraus ergebenden Bruttobetrags i.H.v. 3.346,42 EUR zuzüglich einer Aufwandspauschale von 25 EUR. Zugleich wurde der Beklagte aufgefordert, sich bis zum 17.02.2015 zu seiner Eintrittspflicht zu erklären. Zudem wurde die Einholung eines Sachverständigengutachtens für den Fall angekündigt, dass der Beklagte Zweifel an der Höhe des Schadens haben sollte oder diesen bestreitet. Tatsächlich war und ist die Höhe des eingetretenen Schadens zwischen den Parteien streitig. Nachdem der Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 20.02.2015 erneut unter Fristsetzung bis zum 27.02.2015 zur Zusage hinsichtlich des Haftungsgrundes und der Haftungshöhe aufgefordert worden war, kündigte die damalige Rechtsanwältin des Beklagten mit Schreiben vom 11.03.2015 an, dem Beklagten zur Zahlung eines Betrages i.H.v. 1.333 EUR zu raten. Die Klägerin ließ daraufhin ein Sachverständigengutachten anfertigen. Für das Gutachten des Sachverständigen F vom 18.03.2015 sind ihr Kosten i.H.v. 752,65 EUR brutto entstanden. Das Gutachten weist die Reparaturkosten netto mit 4.865,54 EUR und die Wertminderung mit 400 EUR aus. Die Klägerin forderte den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 19.03.2015 unter Fristsetzung bis zum 27.03.2015 zur Zahlung von 6.046,19 EUR auf. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

  • Reparaturkosten 4.865,54 EUR
  • Gutachterkosten 755,65 EUR
  • Kostenpauschale 25,00 EUR
  • Wertminderung 400,00 EUR
  • Summe 6.046,19 EUR

Die Zahlungsfrist verstrich fruchtlos. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin neben der Zahlung von Schadensersatz auch die Feststellung der Einstandspflicht des Beklagten hinsichtlich zukünftiger materieller Schäden. Dies begründet sie damit, dass im Rahmen der beabsichtigten Reparatur Mietwagenkosten/Nutzungsausfall und Mehrwertsteuer anfallen würden. Für die anwaltliche Vertretung sind der Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 558,50 EUR entstanden.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe nicht nur die Fahrerseite des Fahrzeugs zerkratzt – was unstreitig ist -, sondern auch die Beifahrerseite. Diese habe vor dem Unfallgeschehen keinerlei Kratzer aufgewiesen. Die von dem Sachverständigen F ermittelten Reparaturkosten seien erforderlich und angemessen. Die Klägerin ist zudem der Ansicht, zur Einholung des Sachverständigengutachtens berechtigt gewesen zu sein. Da der Beklagte außergerichtlich die Verursachung der Schäden an der Beifahrerseite bestritten hat, sei die Einholung des Gutachtens aus Beweissicherungsgründen und zur Ermittlung der Wertminderung und der Plausibilität der Schadensverursachung erforderlich gewesen.

Die Klägerin hat mit ihrer am 16.04.2015 bei Gericht eingegangenen Klage ursprünglich unter anderem die Zahlung von 6.046,19 EUR begehrt. Die Klageschrift ist der Beklagtenseite am 10.06.2015 zugestellt worden. Der Beklagte hat am 22.04.2015 – somit nach Anhängigkeit der Klage aber vor deren Zustellung – an die Klägerin 1.333 EUR gezahlt. Mit Schriftsatz vom 07.07.2015 hat die Klägerin die Klage teilweise i.H.v. 1.333 EUR zurückgenommen.

Sie beantragt nunmehr,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 4.713,19 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.046,19 EUR seit dem 28.03.2015 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, sie von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Rechtsanwalts H i.H.v. 558,50 EUR freizustellen;

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr jeden weiteren zukünftigen materiellen Schaden aufgrund des Vorfalls vom 11.01.2015 zu ersetzen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe mit der Einholung des Gutachtens gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen. Nachdem die Schäden bereits im Rahmen des Kostenvoranschlags festgestellt und bewertet worden waren, sei die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht erforderlich gewesen. Jedenfalls könne die Klägerin nicht die Mehrwertsteuer verlangen, da es sich – unstreitig – um einen Firmenwagen handelt und die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt ist.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Y, X und X2. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 11.12.2015 (Bl. 70 ff. GA) verwiesen. Darüber hinaus hat das Gericht Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 12.02.2016 (Bl. 98 f. GA) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Dieses hat der Sachverständige mündlich erläutert. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten des Sachverständigen V vom 21.10.2016 (Bl. 146 ff. GA) und das Sitzungsprotokoll vom 02.05.2017 (Bl. 208 ff. GA) verwiesen. Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf die seitens der Prozessbevollmächtigten zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Die Teilklagerücknahme war vor Beginn der mündlichen Verhandlung ohne Einwilligung des Beklagten gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig.

Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin beabsichtigt das Fahrzeug zu reparieren, wodurch der Eintritt weiterer Schäden, z.B. in Form von Nutzungsausfall, wahrscheinlich ist.

I.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.H.v. weiteren 936,66 EUR zu.

1. Unstreitig hat der Beklagte vorsätzlich das im Eigentum der Klägerin befindliche Fahrzeug beschädigt und haftet somit für die hierdurch kausal entstandenen Schäden. Fraglich ist jedoch, ob sich die Beschädigung nur auf die Fahrerseite oder auch auf die Beifahrerseite erstreckt. Die durchgeführte Beweisaufnahme vermochte das erkennende Gericht nicht davon zu überzeugen, dass der Beklagte auch die Beifahrerseite des Fahrzeugs beschädigt hat. Hierfür ist die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet.

Nach § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Dabei hat der Tatrichter ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Dabei setzt das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraus. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. (St. Rspr.: BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 – IX ZR 238/91 -, Rn. 16, juris mwN.) Ein solcher Grad an Gewissheit ist vorliegend nicht erreicht. Hiergegen spricht insbesondere die Aussage der Zeugin Y. Diese hatte den Beklagten dabei beobachtet, wie er die Fahrerseite des Fahrzeugs zerkratzte. Sie bekundete ausdrücklich, dass er auf der rechten Fahrzeugseite keine Beschädigung vorgenommen habe. Er habe nur auf der linken Seite des Autos gestanden und nachdem er diese zerkratzt habe, sei er weitergegangen und habe dann begonnen zu telefonieren. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin bestehen nicht, zumal sie in keinerlei persönlichem Verhältnis zu einem der Beteiligten steht und nur zufällig das Geschehen beobachtet hat. Eine einseitige Belastungstendenz ließ die Zeugin nicht erkennen. Ihre Aussage ist glaubhaft. Sie schilderte die Vorgänge schlüssig und nachvollziehbar. Der Beklagte war ihr aufgrund seiner offensichtlichen Trunkenheit bereits vor seiner Tat aufgefallen. Da sie als junge Frau nachts alleine in ihrem Auto wartete, ist nachvollziehbar, dass sie „ein bisschen Angst“ bekam. Ebenso nachvollziehbar ist, dass sie aufgrund dessen das maßgebliche Geschehen von Anfang an beobachtete und den Beklagten nicht aus den Augen ließ. Der Einwand der Klägerseite, die Zeugin habe den Beklagten sicherlich nicht während der gesamten Zeit beobachtet, vermag daher nicht zu überzeugen. Soweit der Kläger in seiner informatorischen Anhörung angab, er sei nach seiner Tat zunächst weggelaufen, um eine Ecke in einen Stichweg abgebogen und erst dann zu dem Fahrzeug zurückgegangen, ist dies nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage zu erschüttern. Die Zeugin bekundete, dass er langsam weitergegangen sei. Dann sei er stehen geblieben und habe mit seinem Handy telefoniert. Dies widerspricht nicht zwingend den Ausführungen des Beklagten, da sie ihn möglicherweise auch nach dem Einbiegen in den Stichweg weiterhin sehen konnte. Zudem ist fraglich, ob der Beklagte sich aufgrund seiner hohen Blutalkoholkonzentration noch zutreffend an die genauen Geschehensabläufe erinnern konnte. Gestützt wird die Aussage der Zeugin schließlich von der polizeilichen Strafanzeige, in der die Schäden auf der Beifahrerseite keine Erwähnung finden. Die Zeugin konnte insofern bestätigen, dass die sodann hinzugerufenen Polizisten sich das Auto rundherum angeschaut hätten. Hätten sie auch dort Kratzer gefunden, wäre es lebensfremd und nicht nachvollziehbar, wenn sie diese nicht in die Strafanzeige aufgenommen hätten.

Auch der Sachverständige V konnte nicht bestätigen, dass die Kratzer an beiden Fahrzeugseiten auf dasselbe Ereignis bzw. auf denselben Gegenstand zurückzuführen wären. Die Kratzer auf beiden Seiten wiesen zwar sehr viele Gemeinsamkeiten auf, so dass für alle als „Tatwaffe“ ein spitzer Gegenstand – vermutlich ein Schlüssel – in Betracht komme. Ob jedoch auf beiden Seiten derselbe Schlüssel verwandt wurde, insbesondere der vom Beklagten zur Verfügung gestellte Schlüssel, konnte der Sachverständige nicht feststellen. Bei entsprechenden Versuchen hinterließ dieser im Vergleich zu Schlüsseln anderer Firmen „ähnliche oder auch fast identische“ Kratzspuren. Eine eindeutige Zuordnung der einzelnen Schlüssel zu bestimmten Kratzern war dem Sachverständigen daher nicht möglich. Das Gericht folgt den Ausführungen des Sachverständigen. Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Karosserie- und Fahrzeugbauer Handwerk sowie für Maler- und Lackierer Handwerk verfügt der Sachverständige V über die für die erfolgte Begutachtung erforderliche Qualifikation und Sachkunde. In seinem Gutachten hat er schlüssig und widerspruchsfrei dargelegt, die Frage nach der Ursächlichkeit der Kratzer nicht beantworten zu können. Dieses Ergebnis vermögen die Einwände der Klägerin nicht zu erschüttern. Soweit sie erklärt, die Kratzspuren auf den Bildern 21 unterschieden sich von denen auf den Bildern 22 und 23, ist dem entgegenzuhalten, dass sowohl die Kratzspuren auf Bild 21 als auch die auf Bild 22 von demselben Schlüssel stammen (S. 4 des Gutachtens, Bl. 149 GA). Unabhängig davon, dass das Gericht eine Unterscheidung der Kratzspuren anhand der Bilder nicht zu erkennen vermag, würde ein solcher Unterschied zwischen Bild 21 und 22 allenfalls bestätigen, dass eine Zuordnung nicht möglich ist. Soweit die Klägerin bemängelt, dass in dem Gutachten Angaben zu Breite und Fläche der jeweiligen Schlüssel und deren korrespondierenden Kratzern fehlten, hat der Sachverständige hierzu im Rahmen seiner persönlichen Anhörung ausgeführt, dass die für seine Versuche verwandten Schlüssel die gleiche Breite und Länge aufgewiesen hätten. Dabei handelte es sich um handelsübliche Schlüssel verschiedener Hersteller. Bei Ausführung mit etwa gleichem Druck hätten die Kratzer ein etwa gleiches Schadensbild gezeigt, unabhängig davon, welcher konkrete Schlüssel verwandt wurde. Lediglich der Kraftaufwand habe zu einem anderen Schadensbild geführt und die Tiefe der Kratzer beeinflusst – jedoch wiederum unabhängig davon, welcher konkrete Schlüssel verwandt wurde. Der Sachverständige erklärte auch, dass aufgrund der verstrichenen Zeit nicht mehr gesagt werden könne, in welchem zeitlichen Abstand die Kratzer erfolgten. Dass noch Rückstände vom Schlüssel gefunden werden könnten, hielt er für unwahrscheinlich. Ein konkreter Nachweis, ob der von dem Beklagten zur Verfügung gestellte Schlüssel die Kratzer auf der Beifahrerseite verursacht hat, war ihm damit nicht (mehr) möglich.

Aufgrund der eindeutigen Zeugenaussage und der polizeilichen Strafanzeige vermag allein der Umstand, dass tatsächlich nach dem Vorfall Kratzer auf der Beifahrerseite vorhanden waren, das Gericht nicht mit der notwendigen Gewissheit zu überzeugen, dass auch diese von dem Beklagten stammen. Dies gilt selbst dann, wenn diese vor der fraglichen Nacht noch nicht vorhanden gewesen wären. Die für diese Frage angebotenen (weiteren) Zeugen waren daher nicht zu hören. Zwischen der polizeilichen Unfallaufnahme in der Nacht und dem Entdecken der Kratzer auf der Beifahrerseite am nächsten Morgen stand das Fahrzeug weiterhin für jedermann zugänglich an der Straße geparkt. Die Kratzer hätten daher auch durch einen Dritten verursacht werden können.

2. Der Beklagte hat den durch seine Handlung kausal verursachten Schaden zu ersetzen. Dieser setzt sich zusammen aus den Reparaturkosten für die Fahrerseite i.H.v. 1.409,66 EUR netto, dem auf die Fahrerseite entfallenden merkantilen Minderwert i.H.v. 200 EUR, der Unkostenpauschale von 25 EUR und den Kosten für das Privatgutachten i.H.v. 635 EUR netto, mithin insgesamt 2.269,66 EUR. Dieser Anspruch ist durch die Zahlung von 1.333 EUR teilweise erloschen, so dass ein Anspruch i.H.v. 936,66 EUR verbleibt.

a. Da der Beklagte – wie bereits dargelegt – lediglich für die Kratzer auf der Fahrerseite einzustehen hat, hat er auch nur die hierauf entfallenden Reparaturkosten zu tragen. Der Sachverständige V hat diese mit 1.409,66 EUR ermittelt. Dabei hat er sich sowohl mit dem Gutachten des Sachverständigen F als auch mit dem Kostenvoranschlag der Firma C inhaltlich auseinandergesetzt und nachvollziehbar erläutert, weshalb er zu abweichenden Ergebnissen kommt. Zweifel an der Richtigkeit seiner diesbezüglichen Ausführungen bestehen nicht. Auch die merkantile Wertminderung hinsichtlich der Fahrerseite hat der Sachverständige V mit 200 EUR in nachvollziehbarer und nicht zu beanstandender Weise ermittelt. Der Klägerin steht darüber hinaus eine Kostenpauschale i.H.v. 25 EUR zu.

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b. Der Beklagte hat auch die Kosten für das Privatgutachten zu zahlen, jedoch ohne Mehrwertsteuer. Der Behauptung des Beklagten, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein Firmenfahrzeug handele und die Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, ist diese nicht entgegen getreten. Gemäß § 138 Abs. 3 ZPO gilt diese Behauptung somit als zugestanden. In diesem Fall kann die Klägerin gegenüber dem Finanzamt die Mehrwertsteuer als Vorsteuer geltend machen, so dass diesbezüglich bei ihr kein Schaden entstanden ist.

Holt der Geschädigte zur Schadensfeststellung, insbesondere zur Bestimmung der Schadenshöhe, ein Sachverständigengutachten ein, so hat der Schädiger die dadurch entstandenen Kosten zu ersetzen, soweit die Einholung aus Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war. Demnach kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte. (BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06 -, Rn. 11, juris, mwN.) Auf einen Kostenvoranschlag muss sich der Geschädigte dabei grundsätzlich nicht verweisen lassen. Er ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint, so dass er im Regelfall berechtigt ist, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. (BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06 -, Rn. 16, juris) Bei der Beschädigung eines Kraftfahrzeugs ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens somit grundsätzlich erforderlich; dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn ein offensichtlicher Bagatellschaden bis ca. 700 EUR vorliegt (Grüneberg in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Aufl. 2018, § 249 Rn. 58).

Die Klägerin durfte nach diesen Grundsätzen die Einholung des Sachverständigengutachtens für erforderlich halten und hat hiermit nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht aus § 254 BGB verstoßen. Da sie selber nicht in der Lage war, den konkreten Schaden zu beziffern, musste sie sich der Hilfe von Fachleuten bedienen. Nachdem der Beklagte den Schaden nicht aufgrund des von der Klägerin vorgelegten Kostenvoranschlags der Firma C reguliert hatte und auch nicht bereit war seine Kostentragungspflicht dem Grunde nach anzuerkennen, war für die Klägerin absehbar, dass es zu einer Auseinandersetzung hinsichtlich des Schadens kommen würde. Ihr stand es daher frei, zu Beweissicherungszwecken ein Gutachten einzuholen, zumal sich bereits aus dem Kostenvoranschlag ergab, dass offensichtlich kein Bagatellschaden vorlag. Dabei war das Sachverständigengutachten aus ihrer Sicht gegenüber einem Kostenvoranschlag vorzugswürdiger, da dieses eine andere Qualität aufweist. Neben den Reparaturkosten werden hier auch eine merkantile Wertminderung und die voraussichtliche Reparaturdauer ermittelt. Der Sachverständige setzt regelmäßig – so auch hier – die Stundenverrechnungssätze der nächstgelegenen Vertragswerkstatt an. Zudem fertigt er Lichtbilder, die den Zustand des Fahrzeugs im Zeitpunkt der Begutachtung konservieren.

Der Einwand des Beklagten, die Sachverständigenkosten seien nicht zu zahlen, da sich das Gutachten auch auf die Beifahrerseite beziehe, verfängt nicht. Nach den Erkenntnissen der Klägerin durfte sie im Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen davon ausgehen, dass der Beklagte sämtliche Kratzer verursacht hatte. Hierfür sprechen auch die vom Sachverständigen V festgestellten Gemeinsamkeiten der Kratzer auf den beiden Fahrzeugseiten. Dass sich diese Annahme in dem hiesigen Zivilrechtsstreit nicht beweisen ließ, ändert nichts an der Berechtigung der Klägerin, das Gutachten zu allen Kratzern, die durch einen spitzen Gegenstand verursacht wurden, einzuholen. Auch unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen X steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die fraglichen Kratzer bereits vor dem 11.01.2015 vorhanden gewesen waren und die Klägerin hiervon Kenntnis hatte. Der Zeuge beschrieb die von ihm wahrgenommenen Schäden an dem Fahrzeug dergestalt, dass sich dort eine kreisförmige Beschädigung in Form einer Delle und kreisförmigen Kratzern befunden habe. An der hinteren Türe rechts sei ein Kratzer in horizontaler Richtung mit einer Länge von etwa 30-35 cm gewesen. Allein dieser letztgenannte Kratzer könnte identisch mit den hier streitgegenständlichen Kratzern sein. Allerdings erstrecken sich die fraglichen Kratzer auf der Beifahrerseite von der rechten Seitenwand über beide Türen, wie sich unter anderem auch aus den Lichtbildern 7-9 des Gutachtens vom 21.10.2016 ergibt. Eine kreisförmige Beschädigung hat weder der Privatgutachter noch der Sachverständige V festgestellt. Auch der Zeuge X2 konnte die Angaben seines Vaters nicht bestätigen, insbesondere nicht, dass er sich mit diesem gemeinsam das Fahrzeug angeschaut habe. Schließlich steht der Überzeugung des Gerichts auch entgegen, dass die Polizisten keine Schäden an der Beifahrerseite aufgenommen hatten, obwohl sie sich diese – nach Angabe der Zeugin Y – angeschaut hatten. Zudem ist fraglich, ob die Klägerin vor der fraglichen Nacht Kenntnis von etwaigen Schäden gehabt hatte, selbst wenn diese bereits vorhanden gewesen wären. Hierfür ergeben sich keine Anhaltspunkte.

Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass das Privatgutachten unbrauchbar sei. Soweit er sich darauf stützt, dass ihm die überwiegenden Schadenspositionen nicht zurechenbar seien, führt dies nicht zur Unbrauchbarkeit des Gutachtens. Die Rechtsprechung geht bei dem Vorliegen von Vorschäden, die von den fraglichen Schäden nicht abgrenzbar sind, von einer Unbrauchbarkeit des Gutachtens aus. Dies trifft den vorliegenden Fall jedoch nicht. Die einzelnen Positionen der Reparaturkosten werden in dem Gutachten hinsichtlich der linken und der rechten Seite getrennt aufgeführt. Auch wenn nunmehr die Einstandspflicht des Beklagten für die Kratzer auf der Beifahrerseite nicht bewiesen werden konnte, ist das Gutachten insofern noch brauchbar, als dass die entsprechenden Kosten herausgerechnet werden können.

Im Übrigen hat der Beklagte die gesamten Kosten des Gutachtens zu tragen, und nicht nur anteilig diejenigen, die auf dem durch ihn verursachten Schadenanteil entfallen. So hat der Schädiger im Rahmen eines Verkehrsunfalls auch dann die gesamten Gutachterkosten zu zahlen, wenn sich später herausstellt, dass er nur anteilig haftet. Dies ergibt sich daraus, dass der Schädiger dem Geschädigten das schuldet, was der Geschädigte aufwenden muss, um den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Im Gegensatz zu den Schadenspositionen, die im Falle einer Mithaftung des Geschädigten quotiert werden müssen, wie bspw. Reparaturkosten, fallen Sachverständigenkosten überhaupt nicht an, wenn der Geschädigte den Unfall vollständig selbst verursacht hat. Denn bei den Kosten, die durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens entstehen, handelt es sich um Rechtsverfolgungskosten. Diese Kosten dienen ausschließlich dazu, den aufgrund der jeweiligen Haftungsquote erstattungsfähigen Anteil des dem Geschädigten entstandenen Gesamtschadens von dem Schädiger ersetzt zu bekommen. Die Sachverständigenkosten sind deswegen nicht wie der Gesamtschaden des Geschädigten zu quotieren, da sie erst dann entstehen, wenn der Geschädigte seinen erstattungsfähigen Anteil des Gesamtschadens gegenüber dem Schädiger beziffern und belegen muss. Etwas anderes mag gelten, wenn das Sachverständigenhonorar in Relation zur Schadenhöhe berechnet worden ist. (AG Siegburg, Urteil vom 31. März 2010 – 111 C 10/10 -, Rn. 14, juris) Dafür ergeben sich vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte.

II.

Der Feststellungsantrag ist begründet, da der Beklagte der Klägerin auch für zukünftig entstehende Schäden aus der Beschädigung des Fahrzeugs gemäß § 823 Abs. 1 BGB haftet.

III.

Der Beklagte schuldet unter dem Gesichtspunkt des Verzugs die aus dem Tenor ersichtlichen Zinsen gemäß §§ 280 Abs. 1, 2 i.V.m. 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, da er unter Fristsetzung bis zum 27.03.2015 zur Zahlung aufgefordert worden war.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten zudem einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 823 Abs. 1, 257 S. 1 BGB. Dabei ist von einem Gegenstandswert von 2.269,66 EUR auszugehen, so dass sich die Kosten wie folgt berechnen:

  • 1,3 Geschäftsgebühr 261,30 EUR
  • Auslagenpauschale 20,00 EUR
  • Akteneinsichtspauschale 12,00 EUR
  • Summe: 293,30 EUR

IV.

Hinsichtlich der teilweisen Klagerücknahme waren die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen. Dies ergibt sich aus § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO, wonach sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigen Ermessen bestimmt, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit, aber nach Anhängigkeit weggefallen ist. So war es hier. Die Klage war bereits mit Eingang bei Gericht am 16.04.2015 anhängig geworden. Die Zahlung der 1.333 EUR erfolgte am 22.04.2015, somit nach Anhängigkeit. Erst nach der Zahlung wurde die Klage mit Zustellung am 10.06.2015 rechtshängig. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, war die Klage im Zeitpunkt der Anhängigkeit i.H.v. 2.269,66 EUR begründet, der Beklagte wäre somit in Höhe der sodann gezahlten 1.333 EUR unterlegen. Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus Billigkeitsgesichtspunkten, insbesondere nicht aus dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO. Dessen Voraussetzungen, insbesondere dass kein Klageanlass bestanden hat, liegen nicht vor. Die Klägerin hatte den Beklagten wiederholt zur Zahlung aufgefordert, zuletzt unter Fristsetzung bis zum 27.03.2015. Obwohl mit anwaltlichem Schreiben vom 11.03.2015 bereits eine Zahlung i.H.v. 1.333 EUR angekündigt worden war, ließ der Beklagte die Zahlungsfrist fruchtlos verstreichen. Klage war daher geboten.

Unter Anwendung der Quotenmethode ergibt sich die aus dem Tenor ersichtliche Kostenentscheidung gemäß §§ 92 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

bis zum 20.07.2015: 6.296,19 EUR

danach: 4.963,19 EUR

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