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Feiern trotz Arbeitsunfähigkeit – Kündigung


Zusammenfassung:

Kann ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer gegenüber eine außerordentliche fristlose Kündigung aussprechen, wenn der Arbeitnehmer durch einen durch den Arbeitgeber engagierten Privatdetektiv dabei erwischt wird, wie er, während des Zeitraumes seiner Arbeitsunfähigkeit, auf einer Party Alkohol trinkt und als Diskjockey tätig ist? Welche Anforderungen sind im vorliegenden Fall an eine Kündigung zu stellen? Ist eine vorherige Abmahnung des Arbeitnehmers notwendige Voraussetzung einer Kündigung?


Arbeitsgericht Köln – Az: 2 Ca 4192/13 – Urteil vom 12.02.2014


Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Streitwert: 5.120,- Euro


Tatbestand

Der am 01.05.1967 geborene und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 01.05.2008 bei der Beklagten, die ca. 250 Arbeitnehmer beschäftigt, als … in der DJ-Abteilung beschäftigt. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden beträgt sein Bruttomonatsgehalt 1.280,- Euro.

Der Kläger ist nebenberuflich als Discjockey tätig.

Der Kläger war vom 23.04.2013 bis zum 03.05.2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben.

In der Nacht vom 30.04.2013 auf den 01.05.2013, dem Geburtstag des Klägers, war der Kläger unter dem Namen “ … “ in der Halle 6 in Köln als Discjockey tätig. Er stand mehrere Stunden hinter dem in DJ-Pult, machte Musik und konsumierte Alkohol. Zu der öffentlichen Veranstaltung wurde über so genannte … öffentlich eingeladen.

Die Beklagte wurde auf diese Veranstaltung aufmerksam und beauftragte einen Privatdetektiv, den Kläger während der Veranstaltung zu observieren.

Mit Schreiben vom 03.05.2013 kündigte die Beklagte dem Kläger außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich fristgerecht.

Mit seiner am 24.05.2013 eingegangenen Kündigungsschutzklage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung. Weder läge ein wichtiger Grund noch eine soziale Rechtfertigung für die Kündigung vor. Bei der Veranstaltung habe es sich um seine eigene rein private Geburtstagsfeier gehandelt. Zudem sei er nicht wegen körperlicher Beschwerden krankgeschrieben gewesen. Er habe vielmehr an den gesundheitlichen Folgen des Mobbings auf seiner Arbeitsstelle gelitten.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 03.05.2013, zugegangen am 04.05.2013, nicht fristlos aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, speziell nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 03.05.2013 hinaus fortbesteht;

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Kündigung für wirksam. Wer mitten in der Nacht mehrere Stunden lang hinter dem DJ-Pult steht, ununterbrochen arbeite und hierbei Alkohol konsumiere, ist entweder nicht krank oder verhält sich genesungswidrig. Der Kläger habe also entweder seine Erkrankung vorgetäuscht oder während einer Erkrankung eine genesungswidrige Nebentätigkeit ausgeübt, was ebenfalls eine gravierende Pflichtverletzung darstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.
I.

1. Der Klageantrag zu 1) ist unbegründet.

Die Kündigung vom 03.05.2013 ist als außerordentliche, fristlose Kündigung wirksam. Denn es liegt im vorliegenden Einzelfall ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Eine schwere, regelmäßig schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund an sich rechtfertigen. Dabei kann ein wichtiger Grund an sich nicht nur in einer erheblichen Verletzung der vertraglichen Hauptleistungspflichten liegen. Auch die erhebliche Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten, insbesondere eine Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB, die dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks dienen, kann ein wichtiger Grund an sich zur außerordentlichen Kündigung sein. Die vertragliche Rücksichtnahmepflicht verlangt von den Parteien eines Arbeitsverhältnisses, gegenseitig auf die Rechtsgüter und die Interessen der jeweils anderen Vertragspartei Rücksicht zu nehmen. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (BAG v. 02.03.2006 – 2 AZR 53/05- m.w.N.).

Der Kläger hat durch die Ausübung seiner nächtlichen Nebentätigkeit als Discjockey bei gleichzeitigem Alkoholkonsum während der ihm bescheinigten Arbeitsunfähigkeit seine Rücksichtnahmepflicht schwer verletzt.

Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer muss sich so verhalten, dass er bald wieder gesund wird und an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann. Er hat alles zu unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte. Der erkrankte Arbeitnehmer hat insoweit auf die schützenswerten Interessen des Arbeitgebers, die sich u.a. aus der Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung ergeben, Rücksicht zu nehmen. Eine schwerwiegende Verletzung dieser Rücksichtnahmepflicht kann nach der Rechtsprechung des BAG eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund an sich rechtfertigen (BAG a.a.O.). Deshalb kann ein pflichtwidriges Verhalten vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer bei bescheinigter Arbeitsunfähigkeit den Heilungserfolg durch gesundheitswidriges Verhalten gefährdet. Damit verstößt er nicht nur gegen eine Leistungspflicht, sondern zerstört insbesondere auch das Vertrauen des Arbeitgebers in seine Redlichkeit. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer während der Krankheit nebenher bei einem anderen Arbeitgeber arbeitet, sondern kann auch gegeben sein, wenn er Freizeitaktivitäten nachgeht, die mit der Arbeitsunfähigkeit nur schwer in Einklang zu bringen sind (BAG a.a.O.).

Aufgrund der umfangreichen Erörterungen in der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass es sich bei der Veranstaltung in der Nacht vom 30.04.2013 auf den 01.05.2013 nicht um eine rein private Geburtstagsfeier des Klägers gehandelt hat, was der Kläger noch schriftsätzlich glauben machen wollte. Eine rein private Geburtstagsfeier ist regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass das „Geburtstagskind“ seine Gäste kennt. Bereits dies war nicht der Fall. Vielmehr wurde öffentlich über Internet eine nicht begrenzte oder abgrenzbare Anzahl von bekannten und unbekannten Personen eingeladen. Ebenfalls untypisch ist, dass Getränke bei einer privaten Geburtstagsfeier kostenpflichtig verkauft werden und sich der Gastgeber nicht um seine Gäste kümmert, sondern stundenlang am DJ-Pult arbeitet. Nach Auffassung der Kammer hatte der Kläger nur zufällig am Tag der Nebentätigkeit Geburtstag. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Geburtstag des Klägers und der Veranstaltung ist jedenfalls nicht erkennbar.

Die Ausübung einer nächtlichen Nebentätigkeit als Discjockey ist mit der attestierten Arbeitsunfähigkeit nicht in Einklang zu bringen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger als Grund für die Arbeitsunfähigkeit psychische Probleme infolge von „Mobbing“ anführt. Denn der Kläger hat keinerlei Umstände geschildert, die ein Mobbing am Arbeitsplatz nur ansatzweise belegen. Auch das von ihm erstmals im Kammertermin vorgelegte ärztliche Attest vom 20.08.2013 ist vollkommen unergiebig. Soweit der namentlich nicht in Erscheinung tretende Arzt attestiert, dass der Kläger zum Zeitpunkt seiner Arbeitsunfähigkeit nicht zu Bettruhe gezwungen war, ist angesichts des Ausstellungsdatums noch nicht einmal ersichtlich, von welchem Arbeitsunfähigkeitszeitraum der Arzt überhaupt spricht. Auch die Aussage, dass der Kläger unter den Folgen eines ausgeprägten Mobbings an starken psychischen Beeinträchtigungen litt, ist nichtssagend. Weder ist erkennbar, wo das Mobbing stattgefunden hat, noch ist erkennbar, was der Arzt unter Mobbing versteht. Erst recht ist nicht nachvollziehbar, wie der Arzt ohne eigene Wahrnehmung von den Mobbinghandlungen Mobbing positiv bescheinigen kann.

Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass er seine Arbeitsunfähigkeit nicht bewusst vorgetäuscht hat, hat er sich jedenfalls in erheblichem Maße genesungswidrig verhalten. Auch wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung anderer Auffassung war, ist Alkohol nicht die Lösung zur Behandlung psychischer Probleme. Auch wirkt Nachtarbeit psychisch belastend und daher dem Heilungsprozess der vorgegebenen Erkrankung entgegen. Durch sein Verhalten hat der Kläger den Anschein gesetzt, trotz der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit nicht alles zu unterlassen, was einer Genesung abträglich sein könnte. Selbst sein Arzt konnte nicht bescheinigen, dass Nachtarbeit und Alkoholkonsum Teil der Therapie sind.

Im vorliegenden Einzelfall war auch eine vorherige Abmahnung entbehrlich. Zwar ist eine Abmahnung bei einem steuerbaren Verhalten grundsätzlich erforderlich. Bei schweren Pflichtverletzungen gilt dies aber nur, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen. Hiervon konnte der Kläger nicht ausgehen. Kein Arbeitgeber, der erfährt, dass ein bei ihm beschäftigter, arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit einer nächtlichen Nebentätigkeit als Discjockey nachgeht und dabei Alkohol konsumiert, wird dies dulden, solange er zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist.

Letztlich geht auch die Interessenabwägung zu Lasten des Klägers aus.

Auf Grund der relativ kurzen Betriebszugehörigkeit streitet für ihn lediglich seine Unterhaltsverpflichtung. Aufgrund seines Alters dürfte er jedoch keine größeren Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben, zumal er weiterhin seiner Tätigkeit als Discjockey nachgehen kann. Aufgrund der erheblichen Pflichtverletzung überwiegt das Beendigungsinteresse der Beklagten.

2. Die Klageanträge zu 2) und 3) sind ebenfalls unbegründet, da das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung beendet wurde.
II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung hat ihre gesetzliche Grundlage in den §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO.


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