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Fußgängerunfall – Sorgfaltspflichten des Fußgängers

Schicksalhafter Verkehrsunfall: Schmerzensgeld und Schadenersatz im Fokus

Einen herzzerreißenden Rechtsstreit wirft der Fall eines schicksalhaften Verkehrsunfalls auf, bei dem eine ältere Dame, auf Gehhilfen angewiesen, von einem Pkw erfasst wurde. Der Zwischenfall ereignete sich in der Abenddämmerung im November 2015, als die Frau, Jahrgang 1934, versuchte, die Ossietzkystraße in Meißen zu überqueren. Der Pkw, ein Nissan Qashqai, war bei der Beklagten haftpflichtversichert. Die Verletzungen, die die Dame dabei erlitt, waren so schwer, dass sie einen knappen Monat im Krankenhaus verbringen musste, einschließlich einer Zeit auf der Intensivstation. Eine anschließende Reha-Behandlung dauerte bis Februar 2016.

Direkt zum Urteil Az: 9 O 1692/20 springen.

Der Unfallhergang: Licht und Schatten

Die Umstände des Vorfalls weisen eine Reihe von komplexen Faktoren auf. Die Ausleuchtung der Straße war laut Beklagter schlecht, was zu einer beeinträchtigten Sichtführung führte. Hinzu kam die dunkle Kleidung der Klägerin, welche die Sichtbarkeit weiter einschränkte. Dennoch, trotz des eingeschalteten Abblendlichts des Fahrzeugs und einer starken Bremsung, konnte der Fahrer den Zusammenstoß nicht verhindern.

Schutzbedürftige Personen im Straßenverkehr

Die Klägerin betonte ihre offensichtliche Schutzbedürftigkeit aufgrund ihrer Gehhilfen. Ihrer Ansicht nach ist die äußerliche Erkennbarkeit, dass jemand einer geschützten Gruppe angehört, entscheidend, besonders wenn ansonsten keine anderen Personen zu erwarten sind. Ein älterer Mensch muss nicht zusätzlich hilfsbedürftig sein. In komplexen Verkehrssituationen, in denen er möglicherweise die Übersicht verliert, ist von anderen Verkehrsteilnehmern äußerste Sorgfalt gefordert, um eine Gefährdung zu vermeiden.

Anträge und Forderungen: Gerechtigkeit für die Leidtragende?

Die Klägerin stellte zwei Hauptforderungen. Sie verlangte ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 70.000 € sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2085,95 €. Die dauerhaften Folgen des Unfalls und ihre daraus resultierende erhebliche Beeinträchtigung im Alltag untermauerten ihre Forderungen. Die Beklagte hingegen beantragte, die Klage abzuweisen.

Das endgültige Urteil: Ein geteiltes Echo

Das Landgericht Dresden erklärte die Schmerzensgeldklage dem Grunde nach für gerechtfertigt, wobei es eine Haftung der Beklagten zu einem Drittel festlegte. Ebenso wurde die Klage betreffend die Schadensersatzklage für die Rechtsanwaltskosten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Urteil zeigt die Komplexität der rechtlichen Aspekte in solchen Fällen und die Notwendigkeit einer ausgewogenen Beurteilung der Sachverhalte auf beiden Seiten.


Das vorliegende Urteil

LG Dresden – Az.: 9 O 1692/20 – Urteil vom 04.06.2021

1. Die Schmerzensgeldklage wird dem Grunde nach mit der Maßgabe einer Haftung der Beklagten zu einem Drittel für gerechtfertigt erklärt.

2. Die Schadensersatzklage betreffend die Rechtsanwaltskosten wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreites ist ein Schmerzensgeldanspruch aus einem Verkehrsunfall vom 17.11.2015, bei dem die Klägerin von einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw Nissan Qashqai erfasst wurde, als sie gegen 17:30 Uhr die Ossietzkystraße in Meißen zu Fuß überquerte. Aufgrund der hierbei erlittenen Verletzungen befand sich die – 1934 geborene – Klägerin bis 10.12.2015 im Krankenhaus, davon bis 1.12.2015 auf der Intensivstation, bevor sie in eine Rehabilitationsklinik überwiesen und dort am 18.2.2016 entlassen wurde.

In Fahrtrichtung des Fahrzeugführers, des als Zeugen benannten xxx, gesehen überquerte die auf Gehhilfen angewiesene Klägerin die Straße von links nach rechts. Am Fahrzeug war das Abblendlicht eingeschaltet. Die Ausleuchtung der Straße in der gegebenen Dunkelheit bezeichnet die Beklagte als schlecht. Im Tatbestand des Urteils, das über den Anspruch der Ehefrau des Herrn xxx, der Eigentümerin des Fahrzeuges, wegen dessen Unfallschadens gegen die Klägerin entschied und auf dessen Rechtskraft sich die Klägerin beruft, heißt es, dass sie, dortige Beklagte, schwarze Hosen, schwarze Schuhe und blaue Oberbekleidung getragen habe. Zur Kollision kam es im Bereich vorne links des Fahrzeuges, das die Klägerin am Becken traf und auf die Fahrbahn schleuderte. Die Beklagten tragen vor, dass Herr xxx in dem Moment, in dem die Klägerin vor dem Fahrzeug auftauchte, noch eine starke Bremsung einleitete.

fußgänger mit gehilfe überquert straße
(Symbolfoto: Oleg Elkov/Shutterstock.com)

Nach Vortrag der Klägerin war sie wegen ihrer Gehilfen als schutzbedürftige Person erkennbar. Entscheidend sei die Erkennbarkeit auf Grunde äußerlicher Merkmale, dass jemand einer geschützten Gruppe angehört, wenn nicht aus sonstigen Gründen mit der Anwesenheit von Personen zu rechnen ist, die zu einer geschützten Gruppe gehören. Ein älterer Mensch müsse nicht noch zusätzlich hilfsbedürftig sein. Befinde er sich in einer Verkehrssituation, in der erfahrungsgemäß damit zu rechnen sei, dass er das Geschehen nicht mehr voll übersehen und meistern könne, werde dem Fahrzeugführer äußerste Sorgfalt abverlangt, um eine Gefährdung des älteren Menschen zu vermeiden. Aus der Rechtskraft des in dem anderen Prozess ergangenen Urteils folge, dass ihr die Beklagte zu 80 % auf ihren Schaden hafte. Zu berücksichtigen sei, dass sie im Anschluss an die Rehabilitation in ihrem Alltag auf umfangreiche Unterstützung angewiesen sei und bis zu ihrem Lebensende an Unfallfolgen leiden werde.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 70.000 € aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.7.2020 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 2085,95 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.7.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, dass die Klägerin die Scheinwerfer des Fahrzeuges in der Dunkelheit deutlich habe erkennen können und, anstatt sich darüber zu vergewissern, dass die Ossietzkystraße frei sei, auf die Fahrbahn getreten sei, um die Straße zu überqueren. Zu Vorsicht habe sie wegen ihrer eingeschränkten Fortbewegungsmöglichkeit jeden Grund gehabt. Sie hätte die Kollision unschwer noch dadurch verhindern können, dass sie vor Erreichen der Fahrbahnmitte stehen geblieben wäre. Dagegen sei für Herrn xxx die Kollision unvermeidbar gewesen. Er habe die Klägerin nicht und schon gar nicht deren Schutzbedürftigkeit erkennen können. Das in dem anderen Prozess ergangene Urteil sei nicht präjudiziell und überdies falsch.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien einschließlich der Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6.5.2021 verwiesen.

Die Akten des sachgleichen Ermittlungsverfahrens xxx gegen xxx und die Akten des Vorprozesses xxx waren beigezogen.

Entscheidungsgründe

Da zwar nicht die Unfallverletzungen der Klägerin, wohl aber deren Auswirkungen auf das Leben der Klägerin streitig sind, so die als Unfallfolge dargestellte dauerhafte Pflegebedürftigkeit, kann mangels einer Aussage über die Höhe des Schmerzensgeldes gegenwärtig nicht entschieden werden. In Betracht kommt jedoch der Erlass eines Grundurteils, von welcher Möglichkeit das Gericht im Interesse der Abschichtung von Prozessstoff Gebrauch macht. Das ermöglicht es, eine Beweisaufnahme über die Unfallfolgen nur bei feststehender Einstandspflicht der Beklagten durchzuführen.

1. Eine Haftung der Beklagten steht nicht schon auf der Grundlage des rechtskräftigen Urteils des Vorprozesses statt. Dessen Streitgegenstand war ein Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin der Beklagten wegen des Fahrzeugschadens, für den sich die von der Klägerin angenommene Rechtskrafterstreckung wegen materiell-rechtlicher Abhängigkeit nicht ergibt. Es gibt keinen Rechtssatz, der die im Vorprozess inzident festgestellte Schadensersatzpflicht der hiesigen Klägerin mit der vorliegend streitigen Schadensersatzpflicht der dortigen Klägerin – und des Ehemannes -, für die die Beklagte gesamtschuldnerisch haftet, verknüpft. Unzutreffend wäre es, wegen der Rechtskraft des Urteils des Vorprozesses eine Bindung an dessen Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen anzunehmen (BGH, Urteil vom 21.10.2020 – VIII ZR 261/80 – Tz 32), für die darauf abzustellen wäre, dass überhaupt schon einmal der Lebenssachverhalt, aus dem die Klägerin einen Schmerzensgeldanspruch herleitet, Gegenstand eines Urteils war.

2. Für den Körperschaden der Klägerin einschließlich etwaiger Weiterungen haftet die Beklagte als Haftpflichtversicherung des von Herrn xxx geführten Fahrzeuges aus dem Gesichtspunkt dessen erhöhter Betriebsgefahr, die gegenüber dem groben Verschulden der Klägerin haftungsrechtlich nicht zurücktritt, §§ 7 Abs.1, 11 Satz 2 StVG, 115 Abs. 1 VVG.

a. Richtig ist an der Sichtweise der Beklagten, dass es die Klägerin an Sorgfalt beim Überqueren einer Fahrbahn unter Missachtung des §§ 25 Abs. 3 StVO in grober Weise hat fehlen lassen. Denn ein Fußgänger darf die Fahrbahn nur betreten, wenn er sich vergewissert hat, keinem Fahrzeug in den Weg zu treten. Er hat vor dem Betreten und beim Überschreiten der Fahrbahn, die in erster Linie dem Fahrzeugverkehr dient, besondere Vorsicht walten zu lassen (OLG München, Urteil vom 08.05.2015 – 10 U 4543/13 – Tz 40; OLG Dresden – Urteil vom 09.05.2017 – 4 U 1596/16 – Tz 23). Das kann die Klägerin nicht getan haben.

Nur mangelnde Sorgfalt macht erklärbar, dass sie dem auf gerader Strecke heranfahrenden, mit Abblendlicht fahrenden Fahrzeug in den Weg getreten ist. Der Behauptung der Beklagten von der geraden, auf längere Strecke einsehbar verlaufenden Ossietzkystraße ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Ob sie das Fahrzeug schon heranfahren sehen konnte, als sie die Fahrbahn betrat, oder ob sie dies erst beim Überschreiten der Fahrbahn tun konnte, wie es das Amtsgericht in seinem Urteil xxx angenommen hat, macht keinen Unterschied. Schon wegen ihrer Einschränkung beim Gehen musste sie bedenken, dass sich in der Zwischenzeit Fahrzeugverkehr von rechts nähert, bevor sie die rechte Fahrbahnhälfte betrat.

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b. Nicht folgen kann das Gericht der Sichtweise der Beklagten von einer einfachen Betriebsgefahr des Fahrzeuges.

(1) Der vom Amtsgericht als Zeuge vernommene Fahrzeugführer xxx hat angegeben, dass, als das vorausfahrende Fahrzeug (“Fahrzeug vor mir“) weiter weg gewesen sei, plötzlich links von ihm eine Person mit Gehhilfe aufgetaucht sei, er gebremst habe, es aber zu spät gewesen sei, weil er zu spät gesehen habe, dass sie über die Fahrbahn trete (Protokoll xxx vom 11.12.2018 Seite 9 (Bl. 90). Ergänzend hat er angegeben, er habe sich, weil es dunkel gewesen sei, auf die Rücklichter der Fahrzeuge vor ihm konzentriert (Protokoll ebenda vom 12.9.2019 Seite 10 (Bl. 135). Hiervon ausgehend steht fest, dass der Fahrzeugführer gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, den gesamten Verkehrsraum auch bezüglich von links kommender Fußgänger zu beobachten und seine Fahrweise darauf einzustellen (OLG München, Urteil vom 8.5.2015 – 10 U 4543/13). In diesem Sinne ist auch die Angabe des Fahrzeugführers zu verstehen, er könne nicht sagen, von welcher Seite die Person gekommen sei (Protokoll vom 11.12.2018).

Für seine Auffassung hat sich das OLG München auf § 1 Abs. 2 StVO und auf das Urteil des BGH vom 3.5.1966 (VI ZR 178/75 – Tz 10) bezogen, in dem die Annahme des Berufungsgerichts gebilligt wurde, dass der Kraftfahrzeugführer die vor ihm liegende Fahrbahn in ihrer ganzen Breite hätte beobachten müssen und die Verunglückte dann nicht erst in der Mitte der Fahrbahn bemerkt hätte. Demgegenüber hat das OLG Dresden in seiner vorzitierten Entscheidung (Tz 25) ein Urteil des BGH vom 21.2.1985 (III ZR 205/83) angeführt, das das Urteil vom 3.5.1966 so versteht, als bestehe eine Pflicht zur Beobachtung der Fahrbahn in ihrer ganzen Breite nur bei Straßen bis zu 6 m Breite. In diesem Sinne ist zu lesen: Auf die volle Fahrbahnbreite muss der Überblick sich nur bei schmalen Straßen bis etwa 6 m Breite erstrecken (…; vgl. BGH Urteil vom 3. Mai 1966 – VI ZR 178/65. (Tz 25).

Das findet sich indessen so in dem Urteil vom 3.5.1966 nicht ausgesprochen. Es verknüpft die Wiedergabe der Fahrzeugbreite (Tz 9) nicht mit der Beobachtungspflicht (Tz 10). Es leuchtet auch die Folgerung nicht ein, dass sich bei breiteren Straßen, auch wenn sie nicht viel breiter als 6 m sind, der Überblick nur auf den vom Kraftfahrer genutzten Fahrstreifen bezieht. Allerdings darf der Kraftfahrer, der grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass ihm kein Fußgänger außerhalb eines Überweges vor das Fahrzeug tritt, nicht überspannten Sorgfaltsanforderungen ausgesetzt sein. Die Beobachtung der vollen Fahrbahnbreite muss ihm nach Lage des Falles möglich und zumutbar sein, besteht unter diesen Voraussetzungen aber auch bei Straßen mit einer Breite von 10,20 m (BGH, Urteil vom 24.2.1987 – VI ZR 19/86). Eingeschränkt ist die Beobachtungspflicht bei Gegenverkehr (vgl. OLG Dresden aaO) oder wie für die Geltung des Grundsatzes des Fahrens auf Sichtweite bei Dunkelheit nachts auf unbeleuchteten Straßen.

Keine dieser Verkehrslagen war im Streitfall gegeben. Gegenverkehr ist von keiner Partei behauptet. Für Gegenverkehr gibt es nach dem Inhalt der beigezogenen Akten auch keinen Anhaltspunkt. Das amtsgerichtliche Urteil vermerkt in den Entscheidungsgründen (Seite 10), dass sich die Behauptung der – dortigen – Klägerin über Fahrzeuge im Gegenverkehr nicht bestätigt habe. Dem Zeugen xxx sei Gegenverkehr nicht erinnerlich gewesen und nach den Angaben der Zeugin xxx habe sich einzig „ das klägerische Fahrzeug im Verkehr befunden“. Auch der Strafbefehlsantrag (Blatt 250 der Ermittlungsakte) schildert den Herrn xxx vorgeworfenen Sachverhalt ohne Erwähnung von Gegenverkehr. Was die zum Unfallzeitpunkt herrschenden Dunkelheit anbelangt, ist unstreitig, dass die Ossietzkystraße ausgeleuchtet war, wenn auch nach Auffassung der Beklagten schlecht. Den Eindruck einer schlechten Ausleuchtung vermitteln diejenigen Lichtbilder der Ermittlungsakte, die wie Lichtbild 48 und 57 unter Ausnutzung der Helligkeit der Straßenbeleuchtung entstanden, nicht. Helligkeit wie am Tag ist nicht gefordert.

Es kommt nach allem nur darauf an, wie breit die Fahrbahn der Ossietzkystraße ist. Eine Angabe der Straßenbreite findet sich weder im polizeilichen Unfallbericht, im Strafbefehlsantrag oder im amtsgerichtlichen Urteil. Auch dem im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten ist bei der Beschreibung der Unfallstelle auf seiner Seite 8 keine Angabe zur Fahrbahnbreite zu entnehmen. Allerdings enthält das Gutachten bei der Rekonstruktion des Kollisionsortes (Seite 13) Meterangaben, um die Endlage der Klägerin in Bezug zum Fahrzeug zu beschreiben. Überträgt man die Angaben zum Längenabstand von 5,1 m und zum Breiteabstand von 3,1 m nach dem Verhältnis auf die volle Fahrbahn (ohne Parkstreifen), ergibt sich die Breite einer Fahrbahnhälfte von 7 m bei nur ganz geringfügiger Abweichung bei einer Umrechnung der 5,1 m entsprechenden Strecke gegenüber einer Umrechnung der 3,1 m entsprechenden Strecke. Die Inaugenscheinnahme der sich aus den zugehörigen Lichtbildern 7 ff. ergebenden Verhältnisse bringt keinen Zweifel an der Richtigkeit dieses Ergebnisses auf.

(2) Aus dem im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten ergibt sich für Herrn xxx eine Unvermeidbarkeit der Kollision nicht. Entsprechend seiner Verwendung in diesem Verfahren hat das Gutachten bei allen Zweifelsfragen die dem Fahrzeugführer günstige Möglichkeit zugrunde gelegt. Beispielsweise hat es bei der damals 81-jährigen Klägerin die Gehgeschwindigkeit einer nicht gehbehinderten Frau im Alter von 75 bis 80 Jahren zugrunde gelegt. In einer dem Fahrzeugführer günstigen Weise hat es den Zeitpunkt der Handlungsaufforderung erst auf den Augenblick bestimmt, in dem die Klägerin bereits 1 m vom linken Fahrbahnrand entfernt war. Demgegenüber hält das Ergänzungsgutachten unter der Voraussetzung einer Bremsverzögerung von mindestens 9,5 m/s² und einer Gehgeschwindigkeit der Klägerin von 1 km/h für denkbar, dass der Unfall für den Fahrzeugführer vermeidbar war, wenn er zusätzlich nach den Lichtverhältnissen in der Lage war, die zu Fuß gehende Klägerin zu erkennen. Letzten Endes hat zur Einstellung des Strafverfahrens geführt, dass eben das nicht aufzuklären war. Die Feststellung der Erkennbarkeit der Klägerin aus der Sicht eines Fahrzeugführers in der Lage des Herrn xxx ist jedoch kein Erfordernis für die Haftung der Beklagten, die, wie erwähnt, auch für die erhöhte Betriebsgefahr des Fahrzeuges einstehen muss, die trotz des groben Verschuldens der Klägerin haftungsrechtlich nicht zurücktritt.

3. Über die die Haftung der Beklagten dem Grunde nach betreffenden Streitpunkte konnte auf der Grundlage der aus den beigezogenen Akten zu gewinnenden Erkenntnisse abschließend geurteilt werden. Die Berücksichtigung der in dem anderen Prozess gemachten Angaben des dort als Zeuge vernommenen Herrn xxx war als urkundsbeweisliche Verwertung dieser Angaben statthaft. Die Beklagte hat bei der Benennung von Herrn xxx als Zeugen nichts geltend gemacht, was die erneute Vernehmung von Herrn xxx geboten hätte, der dann zum dritten Mal in der gleichen Verkehrsunfallsache einzuvernehmen gewesen wäre. Die anderen angebotenen Zeugen waren nicht zu vernehmen, weil die Klägerin ihrem Vorbringen den Ausgang des vor dem Amtsgericht geführten Rechtsstreites xxx zugrunde gelegt hat. Lediglich die Beklagte hat tatsächliche Angaben gemacht, die ergeben sollen, dass der Rechtsstreit vom Amtsgericht falsch entschieden worden ist. Es kommt aber beispielsweise nicht darauf an, dass Frau xxx der Klägerin zugerufen haben soll, diese solle drüben bleiben, also auf ihrer Gehwegseite. Dass die Klägerin dunkel gekleidet war, ist vorliegend außer Streit, wäre aber auch nur von Bedeutung, wenn es für eine Haftung der Beklagten entscheidend auf die Erkennbarkeit der Klägerin ankäme.

4. Die richtige Kürzung des aus Gefährdungshaftung begründeten Anspruches der Klägerin bemisst sich nach der Vorschrift des § 254 BGB, wie sich aus § 9 StVG ergibt. Es geht darum, Verursachung und Verschulden auf Klägerseite und Verursachung auf Beklagtenseite abzuwägen. Im Ausgangspunkt gilt, dass die Verursachung das im Vordergrund stehende Bemessungsmerkmal ist und es auf das Verschulden nur in zweiter Linie ankommt. Das führt hier zu einer durch ihr Verschulden erhöhten Mithaftung der Klägerin, die sich ansonsten auf eine hälftige Mithaftung belaufen würde, weil der jeder Partei zuzurechnende Verursachungsbeitrag grundsätzlich in gleicher Weise geeignet war, den konkreten Schadensfall herbeizuführen.

5. Für die Höhe der erstattungsfähigen Anwaltskosten kommt es auf die Höhe der berechtigten Klageforderung an. Der entsprechende Betrag bezeichnet den Gegenstandswert, aus dem sich die Anwaltskosten errechnen. Danach kann gegenwärtig auch über den die Anwaltskosten betreffenden Klageantrag 2 lediglich Grundurteil ergehen.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant:

1. Verkehrszivilrecht: Das Verkehrszivilrecht regelt unter anderem die Haftung bei Verkehrsunfällen. In diesem Fall spielt das Verkehrszivilrecht eine zentrale Rolle, da es um einen Verkehrsunfall geht, bei dem ein Fußgänger von einem Fahrzeug erfasst wurde. Relevante Normen finden sich in § 7 StVG (Straßenverkehrsgesetz), welches die Haftung des Halters eines Kraftfahrzeugs bestimmt, und in § 18 StVG, das die Pflicht zur Leistung von Schadensersatz regelt.

2. Schmerzensgeldrecht: Das Schmerzensgeldrecht regelt den Anspruch auf Entschädigung in Geld für körperliche und seelische Schmerzen. Es ist in § 253 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) festgelegt. Die Klägerin fordert in diesem Fall ein Schmerzensgeld aufgrund der erlittenen Verletzungen und der daraus resultierenden Beeinträchtigungen.

3. Versicherungsrecht: Das Versicherungsrecht spielt eine wichtige Rolle, da das beteiligte Fahrzeug bei der Beklagten haftpflichtversichert war. Die Haftpflichtversicherung tritt ein, wenn der Versicherungsnehmer einen Schaden verursacht. Relevante Gesetze sind hier das VVG (Versicherungsvertragsgesetz) und das Pflichtversicherungsgesetz.

4. Prozessrecht: Im Zusammenhang mit der Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist das Prozessrecht von Bedeutung. Hier sind insbesondere die Vorschriften der ZPO (Zivilprozessordnung) zu beachten, die die Kosten des Rechtsstreits regeln (§§ 91 ff. ZPO).

5. Recht der Schutzbedürftigen Personen: Das Recht der schutzbedürftigen Personen hat in diesem Fall besondere Bedeutung, da die Klägerin als eine solche Person betrachtet wird. Sie war auf Gehhilfen angewiesen und fordert, dass ihre Erkennbarkeit als Mitglied einer geschützten Gruppe zu höherer Sorgfaltspflicht des Fahrzeugführers hätte führen müssen. Hierzu gibt es keine spezifische Gesetzesnorm, jedoch besteht eine allgemeine Verpflichtung zur Rücksichtnahme im Straßenverkehr nach § 1 StVO (Straßenverkehrsordnung).

Häufig gestellte Fragen

1. Wer haftet bei einem Unfall zwischen einem Autofahrer und einem Fußgänger?

Grundsätzlich haften beide Parteien, Autofahrer und Fußgänger, wenn sie gegen die Verkehrsvorschriften verstoßen und dadurch den Unfall mitverursachen. Das Maß der Haftung hängt jedoch von der jeweiligen Schuld ab. Bei einem Verkehrsunfall mit Personenschaden ist die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs zu berücksichtigen, was bedeutet, dass der Fahrzeugführer oder -halter auch ohne eigenes Verschulden haftbar sein kann.

2. Welche Rechte hat ein Fußgänger, der bei einem Verkehrsunfall verletzt wurde?

Ein verletzter Fußgänger hat das Recht, Schadensersatz und Schmerzensgeld vom Verursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherung zu verlangen. Dies umfasst die Erstattung aller Unfallfolgekosten, wie medizinische Behandlungskosten, Verdienstausfall und gegebenenfalls Pflegekosten.

3. Wie wird die Höhe des Schmerzensgeldes berechnet?

Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von der Schwere der Verletzung, der Dauer und dem Ausmaß der Beeinträchtigung, dem Grad des Verschuldens und weiteren individuellen Umständen ab. Es gibt keine festen Sätze für Schmerzensgeld, aber Gerichte orientieren sich oft an früheren Urteilen in ähnlichen Fällen.

4. Was bedeutet „Erkennbarkeit als schutzbedürftige Person“ im Straßenverkehr?

Eine schutzbedürftige Person ist eine Person, die aufgrund von Alter, Behinderung oder anderen Umständen besondere Rücksichtnahme im Straßenverkehr erfordert. Wenn eine solche Person im Straßenverkehr erkennbar ist, muss ein Fahrzeugführer besonders vorsichtig sein und gegebenenfalls seine Geschwindigkeit anpassen oder anhalten.

5. Welche Pflichten hat ein Fußgänger im Straßenverkehr?

Fußgänger haben die Pflicht, sich so zu verhalten, dass sie den Verkehr nicht unnötig behindern oder gefährden. Sie müssen Straßen zügig und auf dem kürzesten Weg überqueren und dabei auf den Fahrverkehr Rücksicht nehmen. Insbesondere in der Dunkelheit müssen sie durch geeignete Maßnahmen (z.B. helle Kleidung) sicherstellen, dass sie von Fahrzeugführern rechtzeitig gesehen werden können.

6. Was passiert, wenn der Unfallverursacher nicht ausreichend versichert ist?

In Deutschland besteht eine Pflicht zur Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge. Diese deckt in der Regel die Kosten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden, die durch einen Unfall verursacht wurden. Ist der Unfallverursacher nicht oder nicht ausreichend versichert, kann der Geschädigte seine Ansprüche bei der Verkehrsopferhilfe geltend machen, einem gesetzlich verankerten Entschädigungsfonds der deutschen Autoversicherer.

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