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Grob fahrlässige Unkenntnis über Beginn der Verjährungsfrist

Grob fahrlässige Unkenntnis: Wann beginnt die Verjährung?

Das OLG Bamberg lehnt die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hof ab. Der Kern des Falls betrifft Ansprüche im Zusammenhang mit dem Diesel-Skandal, speziell die Behauptung des Klägers über eine Manipulation am Abgassystem seines Audi A8. Das Gericht stellt fest, dass der Kläger seit spätestens 2018 grob fahrlässig unkenntnis von der Diesel-Thematik war und somit der Anspruch auf Schadensersatz verjährt ist.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 U 79/23 e >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Abweisung der Berufung: Das OLG Bamberg plant, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, da der Anspruch auf Schadensersatz wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar ist.
  2. Grob fahrlässige Unkenntnis: Der Kläger hatte spätestens 2018 grob fahrlässig keine Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs erlangt, obwohl öffentliche Informationen verfügbar waren.
  3. Verjährungsfrist: Die regelmäßige Verjährungsfrist für den Schadensersatzanspruch beträgt drei Jahre, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.
  4. Kein Anspruch auf Restschadensersatz: Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Restschadensersatz aus §§ 852, 818 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte.
  5. Kauf eines Audi A8: Der Kläger erwarb 2016 einen Audi A8, der später unter die Rückrufaktion des Kraftfahrtbundesamtes fiel.
  6. Keine Rechtsverletzung im Ersturteil: Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die Tatsachen eine andere Entscheidung.
  7. Berichterstattung über Dieselskandal: Seit 2015 gab es umfangreiche Berichterstattung über die Abgasaffäre, speziell auch zu Audi-Fahrzeugen mit V-TDI-Motoren.
  8. Zumutbarkeit der Klageerhebung: Bereits 2018 war die Erhebung einer Klage gegen die Beklagte zumutbar und rechtlich begründet.

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Grob fahrlässige Unkenntnis über Beginn der Verjährungsfrist: Eine rechtliche Herausforderung

 Ansprüche im Zusammenhang mit der sogenannten Dieselthematik
(Symbolfoto: Virrage Images /Shutterstock.com)

Die Verjährungsfrist ist ein wichtiger Aspekt im deutschen Recht, der sowohl für Kläger als auch für Beklagte von Bedeutung ist. In einigen Fällen kann die grob fahrlässige Unkenntnis über den Beginn der Verjährungsfrist zu rechtlichen Herausforderungen führen. Laut § 199 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren unabhängig von der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis [1]. Doch was passiert, wenn eine Partei trotz offensichtlicher Anhaltspunkte keine Kenntnis über die Verjährung erlangt? In diesem Artikel werden wir uns mit einem konkreten Urteil des OLG Bamberg zum Thema grob fahrlässige Unkenntnis über den Beginn der Verjährungsfrist auseinandersetzen.

Die Verjährungsfrist im Fokus: OLG Bamberg zu Dieselthematik

In einem bemerkenswerten Fall vor dem Oberlandesgericht Bamberg, Az.: 4 U 79/23 e, wurde über die Berufung eines Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hof entschieden. Im Zentrum der Auseinandersetzung stand die Frage der Verjährungsfrist im Kontext der Dieselthematik. Der Kläger hatte im September 2016 einen Audi A8 erworben, welcher unter eine Anordnung des Kraftfahrtbundesamtes zur Aktualisierung der Motorsteuerungssoftware fiel. Aufgrund behaupteter Manipulationen am Abgassystem des Fahrzeugs erhob die Klagepartei Schadensersatzansprüche, denen die Beklagte mit der Einrede der Verjährung begegnete.

Grob fahrlässige Unkenntnis als Dreh- und Angelpunkt

Das Landgericht Hof hatte die Klage bereits mit einem Endurteil abgewiesen und festgestellt, dass der Anspruch mit Ablauf des Jahres 2021 verjährt sei. Maßgeblich war hierbei, dass der Kläger spätestens im Jahr 2018 grob fahrlässige Unkenntnis von der Diesel-Thematik, insbesondere in Bezug auf den V-TDI Motor seines Fahrzeugs, hatte. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein objektiv schwerer und subjektiv nicht entschuldbarer Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt stattfindet, was im vorliegenden Fall bejaht wurde.

Schadensersatzansprüche im Lichte der Verjährung

Die Berufung der Klagepartei zielte darauf ab, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Dabei bezog sich der Kläger auf verschiedene rechtliche Grundlagen, darunter § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV sowie Art. 18 der RL 2007/46/EG und Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Trotz der detaillierten Argumentation der Klagepartei blieb das zentrale Problem die Verjährung der Ansprüche.

OLG Bamberg: Klare Positionierung gegen die Berufung

Das Oberlandesgericht Bamberg beabsichtigte einstimmig, die Berufung zurückzuweisen. Dies begründete das Gericht damit, dass die Berufung aussichtslos und offensichtlich unbegründet sei. Es wurde festgestellt, dass das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruhte, noch die zugrunde gelegten Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen würden. Die richterliche Beurteilung unterstreicht, dass die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von den entscheidenden Tatsachen bereits im Jahr 2018 anzunehmen war. Dies hatte zur Folge, dass die regelmäßige Verjährungsfrist für den Schadensersatzanspruch von drei Jahren zum Tragen kam und mit Ablauf des Jahres 2021 endete.

Die Entscheidung des OLG Bamberg stellt somit eine klare juristische Linie in Fällen dar, in denen es um die Verjährung von Ansprüchen im Kontext des Dieselskandals geht. Sie unterstreicht die Bedeutung der grob fahrlässigen Unkenntnis und deren Konsequenzen für die Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen. Das Urteil bietet somit wertvolle Erkenntnisse für ähnlich gelagerte Fälle und trägt zur weiteren Klärung der rechtlichen Situation bei.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was bedeutet die grob fahrlässige Unkenntnis im rechtlichen Kontext und wie beeinflusst sie die Verjährungsfrist eines Anspruchs?

„Grob fahrlässige Unkenntnis“ bezieht sich auf eine Situation, in der eine Person aufgrund einer besonders schweren Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt unwissend bleibt. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn die Person einen subjektiv schweren Verstoß begeht. Es wird erwartet, dass ein Gläubiger sich um seinen Anspruch kümmert. Wenn er dies nicht tut, begeht er eine Obliegenheitsverletzung, die letztlich zur Verjährung seines Anspruchs führt.

Im Kontext der Verjährungsfrist eines Anspruchs hat die grob fahrlässige Unkenntnis erhebliche Auswirkungen. Die regelmäßige Verjährungsfrist im Zivilrecht beträgt drei Jahre und beginnt grundsätzlich mit dem Jahr, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Wenn der Gläubiger jedoch grob fahrlässig unwissend bleibt, kann dies den Beginn der Verjährungsfrist beeinflussen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Verjährung unabhängig von der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis spätestens zehn Jahre nach der Entstehung des Anspruchs eintritt.

Die genauen Umstände, unter denen grob fahrlässige Unkenntnis angenommen wird, hängen vom Einzelfall ab. Beispielsweise kann das Unterlassen einer Nachfrage als grob fahrlässig eingestuft werden, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Gläubigers als unverständlich erscheinen lassen.

Wie wird die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche nach BGB bestimmt, und welche Rolle spielt dabei die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände?

Die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wird durch verschiedene Faktoren bestimmt. Gemäß den §§ 195, 199 BGB beträgt die reguläre Verjährungsfrist grundsätzlich drei Jahre. Diese Frist beginnt jedoch erst mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

Die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände spielt eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung des Beginns der Verjährungsfrist. Die Verjährungsfrist beginnt, wenn der Anspruchsteller positive Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schädigers hat. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass der Gläubiger Kenntnis vom Anspruch selbst hat.

Es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel. Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren unabhängig von ihrer Entstehung und der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an. Andere Schadensersatzansprüche verjähren unabhängig von der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und unabhängig von ihrer Entstehung und der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

Es ist auch zu beachten, dass die Verjährungsfrist in bestimmten Fällen verlängert werden kann. Wenn der Geschädigte den Schaden kennt, aber nicht den Schädiger, kann die Verjährungsfrist gemäß Absatz 3 des BGB-Paragrafen 199 auf zehn Jahre verlängert werden.

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Inwiefern trägt die Dieselthematik und die damit verbundene öffentliche Berichterstattung zur Beurteilung der grob fahrlässigen Unkenntnis bei?

Die Dieselthematik und die damit verbundene öffentliche Berichterstattung spielen eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der grob fahrlässigen Unkenntnis. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen.

Im Kontext des Dieselskandals bedeutet dies, dass Fahrzeughalter, die Kenntnis von der allgemeinen Berichterstattung über den Skandal hatten, eine Nachforschungspflicht hinsichtlich der konkreten Betroffenheit ihres Fahrzeugs hatten. Wenn sie den Anhaltspunkten für eine Betroffenheit nicht nachgegangen sind, kann dies als grobe Fahrlässigkeit angesehen werden.

Die öffentliche Berichterstattung über den Dieselskandal begann im Allgemeinen bereits im Jahr 2015. Daher wird in einigen Fällen argumentiert, dass die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Dieselskandal spätestens mit dem Ende des Jahres 2018 begonnen hat, da man davon ausgehen kann, dass die Fahrzeughalter spätestens zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen hatten.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Beurteilung der grob fahrlässigen Unkenntnis im Einzelfall erfolgt und von verschiedenen Faktoren abhängt, darunter die spezifischen Umstände des Fahrzeughalters und die Art und Weise, wie die Informationen über den Dieselskandal verbreitet wurden. In einigen Fällen haben Gerichte entschieden, dass den Klägern keine grob fahrlässige Unkenntnis ihrer Ansprüche vorgeworfen werden kann.


Das vorliegende Urteil

OLG Bamberg – Az.: 4 U 79/23 e – Hinweisbeschluss vom 24.10.2023

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 25.05.2023, Az. 23 O 136/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und den Streitwert für die Berufung auf 75.182,36 € festzusetzen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 17.11.2023.

Entscheidungsgründe

Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit der sogenannten Dieselthematik.

Der Kläger erwarb am 19.09.2016 einen PKW Audi A8 4.2 V8 TDI quattro (283 kW) zum Kaufpreis von 102.776,00 € bei einem Kilometerstand von 9.900 km. Der streitgegenständliche PKW unterfällt einer verbindlichen Anordnung des Kraftfahrtbundesamtes zur Aktualisierung der Motorsteuerungssoftware. Das Fahrzeug ist insoweit mit verschiedenen Strategien zur Emissionskontrolle ausgestattet, die vom Kraftfahrtbundesamt beanstandet werden. Mit der Klage begehrt die Klagepartei Schadensersatz wegen behaupteter Manipulationen am Abgassystem. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 25.05.2023 abgewiesen. Der Anspruch sei jedenfalls mit Ablauf des Jahres 2021 verjährt, nachdem spätestens im Jahr 2018 der Kläger wenigstens grob fahrlässige Unkenntnis von der Diesel-Thematik auch in Bezug auf den V-TDI Motor und insbesondere auch von der Betroffenheit seines Fahrzeugs hatte.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Klagepartei. Zu Unrecht habe das Erstgericht die Klage abgewiesen. Der Anspruch der Klagepartei ergebe sich auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV i.V.m. Art. 18 der RL 2007/46/EG, Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Der Differenzschaden sei zu ersetzen. Verjährung sei nicht eingetreten. Das Rückrufschreiben sei erst 2019 oder 2020 an die Fahrzeugkäufer versandt worden. Es bestehe ein Anspruch auf Restschadensersatz nach § 852 BGB.

Die Klagepartei beantragt,

Auf die Berufung der Klagepartei wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 25.05.2023 wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Marke: Audi Fahrzeug-Identifizierungs-Nummer (FIN): an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 102.776,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs zu zahlen, die sich aus folgender Formel ergibt: Kaufpreis x (Kilometerstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Kilometerstand bei Kauf) / (in das Ermessen des Gerichts gestellte Gesamtlaufleistung Kilometerstand bei Kauf).

Hilfsweise:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden angemessenen Schadensersatz in Höhe von 5% bis 15% des Kaufpreises des Fahrzeugs (102.776,00 €) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei über den Betrag

aus dem Antrag zu 1) hinaus alle Schäden zu ersetzen, die aus dem Kauf des Fahrzeugs aufgrund einer installierten Manipulationssoftware noch entstehen werden.

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in dem Antrag zu 1) genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.

4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 2.293,25 € freizustellen.

Die Beklagtenpartei beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Ersturteil.

Ergänzend wird auf die Berufungsbegründung vom 29.08.2023 und die Berufungserwiderung vom 12.10.2023 verwiesen.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie nach derzeitigem Sach- und Streitstand aussichtslos und offensichtlich unbegründet ist, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Auch liegen die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vor.

Der Senat nimmt daher zunächst auf die zutreffenden Feststellungen im Ersturteil Bezug, die durch das Berufungsvorbringen auch nicht entkräftet werden.

Ausgehend von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ist das angegriffene Urteil in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Zu Recht wurde ein Schadensersatzanspruch abgelehnt.

1. Der Anspruch der Klagepartei gemäß § 826 BGB und aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV oder mit Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) 715/2007 ist wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar, § 214 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat mit der Klageerwiderung vom 03.10.2022 die Einrede der Verjährung erhoben. Die Erhebung der Einrede der Verjährung ist nicht rechtsmissbräuchlich (BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – ZR 717/21 –, Rn. 32, juris).

Beim Kläger ist spätestens im Jahr 2018 von grob fahrlässiger Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB hinsichtlich der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeuges von der Implementierung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auszugehen. a)

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder dasjenige nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 – ZR 492/21 –, Rn. 20, juris).

Den Geschädigten trifft dabei im Allgemeinen weder eine Informationspflicht noch besteht für ihn eine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten. Inwieweit der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Das Unterlassen einer solchen Ermittlung ist nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Gläubigers als unverständlich erscheinen lassen. Für den Gläubiger müssen konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein, so dass er aus verständiger Sicht gehalten ist, die Voraussetzungen des Anspruchs aufzuklären, soweit sie ihm nicht ohnehin bekannt sind (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2022 – ZR 250/21 –, Rn. 18, juris). b)

Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten kam es bereits im Jahr 2017 zu einer Berichterstattung in großen Tageszeitungen über die Betroffenheit von Fahrzeugen der Marke Audi mit V-6 bzw. V8-Motoren im Rahmen des Dieselskandals (Klageerwiderung vom 03.10.2022, Seite 7 ff.) . Diese Berichterstattung setzte sich im Jahr 2018 fort (a.a.O., Seite 10 ff.). In einer Pressemitteilung der Beklagten vom 21.07.2017 wurde darauf hingewiesen, dass Dieselfahrzeuge der Beklagten mit dem Sechszylinder-Motor V8 eine neue Software bekommen, die das Emissionsverhalten im realen Fahrbetrieb verbessert. Hinsichtlich der weiteren Berichterstattung wird auf die zutreffenden Ausführungen im Ersturteil verwiesen. Zudem konnte auf der Internetseite der Beklagten abgefragt werden, ob ein Fahrzeug mit einer bestimmten Fahrzeugidentifikationsnummer von einem Rückrufbescheid betroffen war (a.a.O., Seite 15 f.). c)

Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung den Ausführungen des Erstgerichts zur allgemeinen Kenntnis des Klägers von der Dieselthematik an. Es erscheint angesichts der umfangreichen – unbestrittenen – Berichterstattung seit 2015 über die „Abgasaffäre“ ausgeschlossen, dass der Kläger hiervon nichts mitbekommen haben soll. Überdies hat das Erstgericht zutreffend ausgeführt, dass der Kläger nicht vorgetragen hat, wann konkret der Kläger wovon erfahren bzw. nicht erfahren hat. Damit fehlt es am substantiierten Bestreiten.

Die Medienberichterstattung über die auch beim klägerischen Fahrzeug zum Einsatz gekommenen V-TDI- bzw. V8-Motoren einschließlich der Pressemitteilung des KBA wird vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Der Kläger bestreitet damit lediglich die positive Kenntnis von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeuges und trägt vor, dass aufgrund der Berichterstattung nicht von grob fahrlässiger Unkenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeuges auszugehen sei. d)

Nach Auffassung des Senats ist bei Kenntnis von der allgemeinen Berichterstattung spätestens im Jahr 2018 von grob fahrlässiger Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen auszugehen. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Dieselskandal im Allgemeinen bereits im Jahr 2015 im Zusammenhang mit dem allseits bekannten Motor EA 189 bekannt wurde. Dieser Berichterstattung kann sich niemand verschlossen haben. Entsprechendes wird auch von dem Kläger nicht vorgetragen. Bei Kenntnis der oben dargestellten Berichterstattung in den Jahren 2017 und 2018 über die Fahrzeuge der Beklagten mit einem V8-Dieselmotor und insbesondere über den Fahrzeugtyp A8, den auch der Kläger besaß, drängte sich eine Nachforschung hinsichtlich der konkreten Betroffenheit geradezu auf. Diese aus Sicht des Senats bestehende Nachforschungspflicht begründet eine grobe Fahrlässigkeit, wenn den Anhaltspunkten für eine Betroffenheit nicht nachgegangen wird.

Ein Käufer, der im Jahr 2017 allgemeine Kenntnis vom Dieselskandal auch hinsichtlich des im Streit stehenden Dieselmotors erlangt und die sich bis Ende 2018 keine Kenntnis von der Betroffenheit ihres Fahrzeugs verschafft hatte, obwohl dies anhand öffentlich zugänglicher Informationsquellen wie der von der Beklagten gestellten Online-Plattform leicht möglich gewesen wäre, trifft der Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis von dieser Betroffenheit im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – ZR 679/21 –, Rn. 31, juris zum Motor EA189). Nachdem die Informationsquellen öffentlich kommuniziert und leicht zugänglich waren, wäre der Kläger ohne Weiteres auf die Internetseite der Beklagten gestoßen. Er hätte sich dadurch Gewissheit über die Betroffenheit seines Fahrzeugs durch Inanspruchnahme öffentlich verfügbarer Informationsquellen verschaffen können. Der Kläger hat damit auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeiten, die weder besondere Kosten noch nennenswerte Mühe verursacht hätten, nicht ausgenutzt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – ZR 679/21 –, Rn. 31, juris).

Die Erhebung einer Klage gegen die Beklagte war spätestens im Jahr 2018 auch hinsichtlich der V8-Dieselmotoren zumutbar. Die Rechtslage war bei einer unzulässigen Abschalteinrichtung, die die Abgaswerte nahezu ausschließlich auf dem Prüfstand reduziert, nicht mehr in einem die Unzumutbarkeit der Klageerhebung begründeten Maße zweifelhaft. Namentlich bedurfte es keiner näheren Kenntnis darüber, welche im Sinne des § 31 BGB maßgeblichen Personen im Einzelnen für den Abgasskandal verantwortlich sind. Darauf, ob der Kläger bereits im Jahr 2018 aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse gezogen hat, insbesondere aus ihnen einen Anspruch aus § 826 BGB herleitete, kommt es ebenfalls nicht an. Dass noch nicht alle Fragen aus dem sogenannten Dieselskandal durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt waren, kann die Unzumutbarkeit der Klageerhebung bei gesicherter Tatsachengrundlage ebenfalls nicht begründen (BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – ZR 679/21 –, Rn. 35, juris). e)

Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist für den Schadensersatzanspruch drei Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Der für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebliche Zeitpunkt lag somit im Jahr 2018. Mit Ablauf des Jahres 2021 war der Anspruch verjährt. Die später im Jahr 2022 eingereichte Klage konnte die Verjährung nicht mehr gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen.

f) Das betrifft des Weiteren auch Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV oder mit Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) 715/2007. Grundlage der Haftung nach diesen Vorschriften ist die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Rahmen der Abgasbehandlung des Fahrzeuges. Dass eine derartige Abschalteinrichtung beim Fahrzeug des Klägers verbaut war, ergibt sich aus dem Rückrufbescheid des Kraftfahrtbundesamtes (vergleiche Anlage K9). Bei gebotener Nachforschung im Jahr 2018 wäre eine Klageerhebung auch unter diesem Gesichtspunkt zumutbar gewesen.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Restschadensersatz aus §§ 852, 818 Abs. 1 BGB.

Ein Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB setzt jedenfalls voraus, dass die Herstellerin im Verhältnis zum Geschädigten etwas aus dem Fahrzeugverkauf an diesen erlangt hat (BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – ZR 679/21 –, Rn. 40, juris). Aus dem Abschluss des Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen zwischen dem Kläger und einem Dritten folgt kein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte (BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – ZR 679/21 –, Rn. 41, juris).

Vorliegend hat der Kläger sein Fahrzeug am 30.09.2016 bei einem Kilometerstand von 9.900 km als Gebrauchtwagen erworben. Bei diesem Erwerbsvorgang hat die Beklagte als Herstellerin des Fahrzeugs und des Motors nichts mehr erlangt.

3. Mangels des Bestehens einer durchsetzbaren Hauptforderung gegen die Beklagte besteht auch kein Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB. Gleiches gilt für die Feststellung des Bestehens von Annahmeverzug durch die Beklagte mit der Annahme des klägerischen Fahrzeuges.

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Obergerichte ab. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist geprägt durch die ihr innewohnenden Besonderheiten eines Einzelfalles. Alle Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind bereits höchstrichterlich geklärt. Eine Zulassung der Revision wäre im Falle einer Entscheidung durch Urteil nicht geboten.

Auch eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht veranlasst (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.

Der Senat regt daher – unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme – die kostengünstigere Rücknahme des aussichtslosen Rechtsmittels an. Auf die bei einer Berufungsrücknahme erfolgende Ermäßigung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (vgl. GKG KV Nr. 1220, 1222) wird hingewiesen.

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