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Verkehrsunfall – chronisches Schmerzsyndrom mit belastungsabhängiger Schmerzverschlimmerung

Schmerzhafter Verkehrsunfall: Belastungsabhängiges Schmerzsyndrom

Das Oberlandesgericht München hat in einem Urteil vom 26.06.2015 (Az.: 10 U 2581/13) eine hälftige Haftungsverteilung zwischen den Unfallbeteiligten festgelegt. Der Kläger, ein Motorradfahrer, erlitt infolge eines Verkehrsunfalls ein chronisches Schmerzsyndrom. Der Entscheidung lag ein komplexer Sachverhalt zugrunde, einschließlich der Bewertung von Schmerzensgeld, materiellen Schäden und der Bestimmung der Unfallfolgen. Die Revision wurde nicht zugelassen, da es sich um einen Einzelfall handelt, der nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abweicht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 10 U 2581/13   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Hälftige Haftungsverteilung: Das Gericht entschied, dass beide Unfallbeteiligten je zur Hälfte haften.
  2. Schmerzensgeld: Dem Kläger wurde ein Schmerzensgeld von 10.000 € zugesprochen, abzüglich bereits geleisteter Zahlungen.
  3. Chronisches Schmerzsyndrom: Das Gericht erkannte an, dass der Kläger infolge des Unfalls ein chronisches Schmerzsyndrom entwickelte.
  4. Materieller Schaden: Bezüglich der materiellen Schäden wurde festgestellt, dass der Kläger Anspruch auf Ersatz hat.
  5. Geschwindigkeitsbewertung: Die Unfallgeschwindigkeiten wurden durch Sachverständige bewertet.
  6. Unfallursächliche Schmerzen: Die Schmerzen des Klägers wurden als unfallbedingt anerkannt.
  7. Keine Revision zugelassen: Aufgrund der Einzelfallnatur und fehlender grundsätzlicher Bedeutung wurde keine Revision zugelassen.
  8. Vollstreckbarkeit des Urteils: Das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt.

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Der Unfall und seine Folgen: Ein tiefgehender Blick auf das Geschehen

Am 16. Juli 2008 ereignete sich auf der T. Straße in München ein Verkehrsunfall, der zu einem langwierigen Rechtsstreit führte. Der Kläger, ein Motorradfahrer, kollidierte mit einem Auto, das von der Beklagten geführt wurde. Die Beklagte, auf dem Weg zur Zulassungsstelle, verlangsamte ihr Fahrzeug erheblich, was vom Kläger offensichtlich unterschätzt wurde. Dies führte zu einer Kollision, bei der der Motorradfahrer erhebliche Verletzungen erlitt, die zu einem chronischen Schmerzsyndrom mit belastungsabhängiger Schmerzverschlimmerung führten.

Die zentrale Frage in diesem Fall drehte sich um die Haftung und die daraus resultierenden Ansprüche des Klägers. Es entstand eine komplexe Situation, die eine detaillierte Untersuchung der Umstände des Unfalls, der Geschwindigkeiten der Fahrzeuge und der Positionierung auf der Straße erforderte. Die Aussagen der Beteiligten und der Zeugen sowie die Analyse des Sachverständigen Dr. S. spielten eine entscheidende Rolle bei der Klärung der Haftungsfrage.

Haftungsverteilung im Fokus: Juristische Bewertung und Urteilsfindung

Das Oberlandesgericht München (Az.: 10 U 2581/13) fällte schließlich am 26. Juni 2015 ein Urteil, das die ursprüngliche Entscheidung des Landgerichts München I abänderte. Entgegen der Annahme des Landgerichts, dass die alleinige Haftung bei der Beklagten liege, kam das OLG zu dem Schluss, dass eine hälftige Haftungsverteilung zwischen den Unfallbeteiligten angemessen sei. Dies basierte auf einer sorgfältigen Abwägung aller Umstände, einschließlich der Positionierung der Fahrzeuge auf der Straße, der Geschwindigkeit der Beklagten und des Verhaltens des Klägers beim Überholvorgang.

Schmerzensgeld und Schadensersatz: Die finanziellen Folgen des Unfalls

Das Gericht erkannte auch das chronische Schmerzsyndrom des Klägers als direkte Unfallfolge an. Dies führte zu einem Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. In Bezug auf das Schmerzensgeld entschied das Gericht, dass der Kläger unter Berücksichtigung der Mithaftung von 50 % einen Anspruch auf 10.000 € hat, von denen die Beklagten bereits 3.000 € vorprozessual gezahlt hatten. Dieser Betrag spiegelte die Schwere der Verletzungen und die daraus resultierenden langfristigen Auswirkungen auf das Leben des Klägers wider.

Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der Kläger Anspruch auf Ersatz weiterer materieller Schäden hat. Dazu gehörten die Kosten für die medizinische Behandlung der chronischen Schmerzen sowie die Beschaffung neuer Motorradschutzkleidung und eines Helms. Das Gericht legte großen Wert darauf, dass der Kläger für diese Verluste vollständig entschädigt wird.

Abschluss und Ausblick: Die Tragweite des Urteils

Das Urteil des OLG München zeigt die Komplexität von Fällen, die sich um Verkehrsunfälle und daraus resultierende Schmerzsyndrome drehen. Es unterstreicht die Bedeutung einer gründlichen juristischen Bewertung und der Berücksichtigung aller Aspekte, von der Haftungsfrage bis hin zu den langfristigen Auswirkungen auf die Betroffenen. Das Urteil, das keine Revision zuließ, stellt einen spezifischen Fall im Bereich des Verkehrs- und Versicherungsrechts dar und bietet wichtige Erkenntnisse für ähnlich gelagerte Fälle.

Während das Urteil einen Abschluss für die beteiligten Parteien bedeutet, wirft es Licht auf die oft komplizierten und vielschichtigen Facetten von Verkehrsunfallfällen. Es betont die Notwendigkeit einer umfassenden Bewertung jeder einzelnen Situation, um gerechte und angemessene Entscheidungen zu treffen.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Inwiefern sind chronische Schmerzsyndrome und belastungsabhängige Schmerzverschlimmerungen relevant für Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall?

Chronische Schmerzsyndrome und belastungsabhängige Schmerzverschlimmerungen können nach einem Verkehrsunfall relevant für Schadensersatzansprüche sein. Der immaterielle Schadensersatz, auch Schmerzensgeld genannt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter das Ausmaß der Schmerzen, die Dauer, Folgeschäden und die Vermögensverhältnisse der beteiligten Parteien.

Chronische Schmerzen, die nach einem Unfall auftreten, können als Dauerschäden angesehen werden und sind daher bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. Auch wenn die Schmerzen auf einer „Schwäche“ des Verletzten beruhen, kann der Schädiger sich nicht darauf berufen, dass der Schaden nur deshalb eingetreten ist oder sich verschlimmert hat, weil der Verletzte besonders anfällig gewesen ist.

Es gibt jedoch auch Fälle, in denen das Gericht entschieden hat, dass der Schädiger nicht für Schadensfolgen aufkommen muss, die zwar äquivalent kausal auf dem Unfallgeschehen beruhen, bei denen aber ein neurotisches Streben nach Versorgung und Sicherheit prägend im Vordergrund steht. In solchen Fällen realisiert sich das allgemeine Lebensrisiko und nicht mehr das vom Schädiger zu tragende Risiko der Folgen einer Körperverletzung.

Es ist auch zu beachten, dass die Gerichte in Deutschland bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigen, darunter die Schwere und Dauer der Verletzungen, das Ausmaß der körperlichen und seelischen Leiden und die Auswirkungen der Verletzungen auf die Lebensführung des Geschädigten. Daher kann die Höhe des Schmerzensgeldes in ähnlichen Fällen variieren.

Insgesamt ist es ratsam, sich bei Schadensersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall an einen Rechtsanwalt zu wenden, um eine genaue Einschätzung der Situation und der möglichen Ansprüche zu erhalten.


Das vorliegende Urteil

OLG München – Az.: 10 U 2581/13 – Urteil vom 26.06.2015

1. Auf die Berufung des Klägers vom 27.06.2013 und die Anschlussberufung der Beklagten vom 30.07.2013 wird das Endurteil des LG München I vom 17.05.2013 (Az. 17 O 4092/10) in Nr. I. – IV. abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger 8.287,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 500 € vom 01.09.2009 bis 22.11.2010, aus 992,24 € vom 23.11.2010 bis 03.01.2012 und aus einem Betrag in Höhe von 1.287,25 € seit 04.01.2012 zu bezahlen.

Benötigen Sie Hilfe in einem ähnlichen Fall? Schildern Sie uns jetzt in unserem Kontaktformular Ihren Sachverhalt und fordern unsere Ersteinschätzung an.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten dem Kläger samtverbindlich sämtliche künftigen Schäden aus dem Unfallereignis vom 16.07.2008 auf der T. Straße in München zu ersetzen haben, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen und zwar die materiellen zu 50 % und die immateriellen unter Berücksichtigung einer Mithaftung des Klägers zu 50 %.

Es wird festgestellt, dass die Schmerzen des Klägers im Bereich Schulter/Nacken rechts, ausgehend vom processus coracoideus, ebenfalls Unfallfolge sind.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 52 % und die Beklagten samtverbindlich 48 %.

Die weitergehende Berufung sowie die weitergehende Anschlussberufung werden zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 58 % und die Beklagten samtverbindlich 42 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B.

I. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat ebenso wie die form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Anschlussberufung in der Sache teilweise Erfolg.

1. Zum Haftungsgrund:

Das Landgericht ging zu Unrecht von einer alleinigen Haftung der Beklagten zu 2) aus.

Die Unfallbeteiligten erklärten, dass die Beklagte zu 2) auf der T. Straße in Annäherung an die D.straße sehr langsam fuhr, die Beklagte zu 2) gab an, sie habe ihre Geschwindigkeit ausgehend von etwa 30 km/h reduziert, der Kläger meinte „von seinem Gefühl her“, die Beklagte zu 2) sei fast gestanden.

Der Sachverständige Dr. S., von dessen Sachkunde sich der Senat aus einer Vielzahl erholter Gutachten und Anhörungen vor dem Senat überzeugen konnte, gelangte zu einer Kollisionsgeschwindigkeit der Beklagten zu 2) von etwa 10 km/h und zu einer Auftreffgeschwindigkeit des Klägers auf den grasbewachsenen Mittelstreifen nach Überlaufen der Randsteinkante durch das Krad von etwa 48 km/h bis 50 km/h bei einem Geschwindigkeitsabbau durch das Überlaufen der Randsteinkante von etwa 1 km/h. Eine höhere Ausgangs- und Kollisionsgeschwindigkeit ist nicht bewiesen, da nicht feststellbar ist, ob und wie der Kläger noch bremste. Der Sachverständige gelangte zu diesem Ergebnis ausgehend von der Rutschstrecke des vollverkleideten Motorrades in seine Endlage auf dem grasbewachsenen Mittelstreifen. Ausweislich der nach dem Unfall durch die Polizei gefertigten Fotos und den Angaben der Unfallbeteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist zum Unfallzeitpunkt von trockenen Verhältnissen auszugehen, weshalb eine geringere als die vom Sachverständigen zu Grunde gelegte Rutschverzögerung, weil die Wiese nass oder feucht gewesen sein könnte, nicht anzunehmen ist. Einer ergänzenden Begutachtung zu einer deswegen möglicherweise geringeren Geschwindigkeit bedarf es daher nicht.

Dieses Ergebnis des Sachverständigen auch zur Geschwindigkeit wird bestätigt durch die Angaben der in erster Instanz vernommenen Zeugin G., die der Senat zu Grunde legt.

Der Kläger behauptete, die Beklagte zu 2) sei rechtsorientiert gefahren, die Beklagte zu 2) gab an, sie habe sich in Annäherung an den Mittelstreifendurchbruch zur D.straße zunehmend nach links orientiert. Der Senat geht auf Grund der Angaben der Zeugin G. davon aus, dass die Beklagte zu 2) bei einer entsprechend dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S. für den Fahrverkehr nutzbaren Fahrbahnbreite von 4,7 m fahrbahnmittig fuhr. Die Zeugin erinnerte sich, dass die Beklagte zu 2) bei einem von ihr als normal bezeichneten seitlichen Abstand zu den geparkten Fahrzeugen jedenfalls nicht links eingeordnet war und ein mehrspuriges Fahrzeug nicht hätte überholen können, aber für den Kläger ausreichend Platz war. Angesichts eines links verbleibenden Freiraumes von etwa 1,5 m und einem Platzbedarf des Motorrades von etwa 1 m war der verbleibende Sicherheitsabstand zum Pkw der Beklagten zu 2) zu gering. Es handelt sich vorliegend auch nicht um zwei Fahrstreifen (Fahrbahnbreite 4,7 m). Ein Fahrstreifen ist der Raum, den ein mehrspuriges Fahrzeug unter Berücksichtigung der erforderlichen Sicherheitsabstände zur Seite benötigt. Dass technisch genug Raum für die Durchfahrt des Motorrades verblieb, genügt nicht.

Weiter gab die Zeugin an (Bl. 28 d.A.), dass sämtliche Parkplätze am rechten Fahrbahnrand – Bl. 28 d.A. – besetzt waren. Der Kläger erkannte das fehlende Kennzeichen und folgerte daraus zutreffend, dass das Fahrziel der Beklagten zu 2) die Zulassungsstelle war, was diese in mündlicher Verhandlung vor dem Senat bestätigte und was der Senat glaubt. Die Klägerin schilderte ihre Annäherung von G. kommend über die T. Straße, den Wendevorgang an der Kreuzung mit der W.straße, nachdem sie zuvor an der D.straße, wo sie den Weg zur Zulassungsstelle vermutete, vorbeigefahren war und ihre Absicht, wieder in die Dil.straße abzubiegen. Dass sich die Zulassungsstelle nicht dort befindet, wo von der Beklagten zu 2) vermutet, ändert nichts daran, dass der Kläger das Fahrtziel zutreffend erfasste und dieses war, nachdem die Parkplätze rechts belegt waren, mittels Wendevorgang am Mittelstreifendurchbruch in Höhe der D.straße zu erreichen. Mit einer Linksbogenfahrt der Beklagten zu 2) am Mittelstreifendurchbruch war auf Grund der auffällig langsamen Fahrweise, dem fehlenden Kennzeichen und der erkennbar nicht vorhandenen Parkmöglichkeit rechts zu rechnen.

Der Kläger bestätigte, dass er seinen Überholvorgang nicht gem. § 5 IV a StVO ankündigte, was nachvollziehbar ist, hätte der Kläger doch damit signalisiert, links abzubiegen. Die Ankündigungspflicht besteht auch gegenüber dem Vorausfahrenden, damit dieser sich vor Fahrstreifenwechsel oder Richtungsänderung darauf einstellen kann. Da dem nicht genügt werden konnte und wurde, bestand in Verbindung mit der konkreten Örtlichkeit und den dargestellten Besonderheiten eine unklare Verkehrslage, § 5 III 1 StVO.

Andererseits steht fest, dass die Beklagte zu 2) gegen ihre zweite Rückschaupflicht verstieß und sich entgegen § 9 I 1 StVO, letzter Halbsatz nicht links eingeordnet hatte.

Der Senat kann sich gem. § 286 ZPO nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon überzeugen, dass die Beklagte zu 2), wie von ihr anlässlich ihrer Anhörung angegeben, schon ab der Ampel bzw. rechtzeitig links blinkte. Der Kläger behauptete, die Beklagte zu 2) habe nicht geblinkt. Auch davon kann sich der Senat nicht überzeugen. Die Angaben beider Parteien erwiesen sich in wesentlichen Teilen des Unfallgeschehens als widerlegt. Die Beklagte zu 2) hat sich gerade nicht wie von ihr behauptet links eingeordnet und der Kläger gab seine Überholgeschwindigkeit mit etwa 30 km/h an, was angesichts der erheblichen Differenz zur vom Sachverständigen ermittelten Mindestkollisionsgeschwindigkeit von 50 km/h auch nicht mehr mit Schätzfehlern erklärt werden kann. Die Frage, ob die Beklagte zu 2) rechtzeitig blinkte, konnte daher nicht mehr geklärt werden.

Der Senat geht insgesamt von einer hälftigen Haftungsverteilung aus.

2.) Zur fortbestehenden Schmerzsymptomatik (über Ziffer II. des Endurteils hinausgehendes Feststellungsbegehren):

Das Landgericht hat die fortbestehende Schmerzsymptomatik im Bereich der rechten Schulter zu Unrecht als nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO!) unfallursächlich erachtet.

a) Das in erster Instanz erholte Sachverständigengutachten gelangte zu diesem Ergebnis, weil die Schmerzen (im Gutachten bezeichnet als Druckschmerz über dem rechten Schultereckgelenk und dem Brustbein-Schlüsselbein-Gelenk, Bl. 151 d.A.) auch durch eine möglicherweise bestehende, nicht unfallursächliche Arthrose erklärt werden können, ohne das Bestehen einer Arthrose abzuklären. Zugleich führte der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten aus (Ergänzungsgutachten S. 7, 8 = Bl. 187/188 d.A.), dass es möglich sei, dass die durch die „Irritation“ ausgelösten Schmerzen chronifiziert sind und somit auch nach Entfernung der Platte weiterbestehen, was häufig in der täglichen klinischen Routine anzutreffen sei, durch eine orthopädische Untersuchung aber nicht differenziert werden könne, ein sicherer kausaler Zusammenhang zwischen den Schmerzen und dem Unfall bzw. einer möglichen Schultereckgelenksarthrose aber nicht hergestellt werden könne und die Schmerzen am ehesten eine muskuläre Ursache hätten.

Im Hinblick auf die dargestellten Widersprüche und das zu Grunde gelegte unzutreffende Beweismaß des § 286 ZPO hat der Senat mit Beschluss vom 20.09.2013 (Bl. 264/270 d.A.) neue Gutachten erholt.

b) Die Sachverständige Dr. med. C. (Gutachten v. 03.01.2014, Bl. 285/312 d.A., Erläuterung in mündlicher Verhandlung vom 22.05.2015, Bl. 408/410 d.A.) hat bei ihrer Untersuchung demgegenüber den Schmerzpunkt des Klägers präzise lokalisiert. Dieser liegt kleinräumig im Bereich des processus coracoideus, welcher ligamentär mit der lateralen Clavicula verbunden ist und wo auch die kleine Brustmuskulatur und Teile der Oberarmbeugemuskulatur ansetzen. Der neurologische Sachverständige Prof. Dr. Frank W. bestätigte den Schmerzpunkt mit einem Durchmesser von 2 cm bis 3 cm oberhalb der Clavicula. Dass es entsprechend den Angaben des Klägers bei Belastung zu einer Schmerzverschlimmerung kommt, konnte die Sachverständige Dr. med. C. an der im Verhältnis zur übrigen Muskulatur des Klägers gegebenen Verschmächtigung des Deltamuskels und der sichtbaren Hautfalte am Übergang HWS zu BWS nachvollziehen, da diese Umstände darauf hindeuten, dass der Kläger genau diese Muskelpartie schmerzbedingt nicht oder jedenfalls nicht so trainiert wie die übrige Muskulatur. Die Sachverständige gelangt wie das vom Landgericht in erster Instanz erholte Gutachten zu freien Gelenkbefunden und erklärt die Schmerzen ebenfalls funktionell, sieht diese aber deshalb als unfallkausal an, weil auf Grund der alsbald nach dem Unfall aufgetretenen Armvenenthrombose und der danach erfolgten raschen Wiedereingliederung in den Beruf des Klägers als Koch eine physikalische Therapie nebst Krankengymnastik nicht durchgeführt werden konnte und bei nicht gegebenem Kraftaufbau Fehlbelastungen zu Schmerzen führen können. Vor dem Unfall war der Kläger insoweit auch beschwerdefrei. Das Gutachten des Sachverständigen PD Dr. med. P. geht zwar anlässlich der Untersuchung vom 13.02.2012 von einer symmetrischen, gut ausgebildeten Muskulatur des Schultergürtels und der Arme und keiner Muskelatrophie aus (Gutachten S. 23 = Bl. 151 d.A.), die Sachverständige Dr. C., von deren hervorragender Sachkunde sich der Senat anlässlich einer Vielzahl erholter Gutachten und Anhörungen vor dem Senat überzeugen konnte, erläuterte aber, dass der Deltamuskel außerhalb des Messbereiches der oberen Extremitäten liegt und sie nicht von einer Atrophie ausgeht, sondern ebenfalls von einer beidseitig gleich ausgebildeten Muskulatur, die lediglich im Verhältnis zur übrigen Muskulatur des Klägers deutlich weniger trainiert ist, weil eben der Deltamuskel nicht zur übrigen Muskulatur passt, weshalb sie von einer Anpassung an den Schmerz ausgeht, von dessen Vorhandensein im Übrigen auch der Sachverständigen PD Dr. med. P. überzeugt war. Während der von der Sachverständigen vorgeschlagenen Therapie trat auch eine Linderung der Beschwerden ein (Protokoll v. 22.05.2015, S. 6 = Bl. 408 d.A.). Die Sachverständige hat auch – insoweit nicht protokolliert – angegeben, dass die vorgeschlagene Therapie aus Kostengründen nicht fortgeführt wurde.

c) Nach dem Ergebnis des vom Senat erholten neurologischen Gutachten, erläutert in mündlicher Verhandlung vom 22.05.2015, kam es unfallbedingt zu keiner neurologischen Schädigung beim Kläger, die Verlangsamung der Nervenleitgeschwindigkeit fand sich sowohl am Unterarm als auch an der sog. F-Welle und beidseits, weshalb der Befund nicht kausal auf eine Schädigung durch den Unfall zurückgeführt werden kann. Der Sachverständige Prof. Dr. med. Frank W., von dessen herausragender Sachkunde sich der Senat anlässlich einer Vielzahl erholter Gutachten und Anhörungen vor dem Senat überzeugen konnte, erläuterte auch, dass er auf den vom Kläger nachträglich eingereichten MRT-Aufnahmen zwar Narbenzüge erkennen könne, aber keine Druck- oder Zugwirkung auf Nervenstrukturen, weshalb sich kein Anhaltspunkt für einen eingeklemmten Nerv ergebe, was durch eine elektrophysiologische Untersuchung angesichts des kleinräumigen Schmerzpunktes auch nicht objektivierbar sei; andererseits könne ein im Narbengewebe eingeklemmter kleiner Nerv als Schmerzauslöser auch nicht ausgeschlossen werden.

Der Kläger selbst gab an, dass die zwischenzeitliche Entzündung des Narbengewebes medikamentös behoben wurde und es sich bei der im Schriftsatz vom 30.03.2015 wiedergegebenen Erklärung, wonach es sich bei der Verletzungsstelle um einen eingewachsenen Nerv handle, um eine Vermutung seines Arztes handle, deren Gehalt durch eine Operation überprüft werden könne.

d) Da auf psychiatrischem Fachgebiet keine Erkrankung vorliegt (vgl. Pof. Dr. Matthias W., Protokoll v. 22.05.2015, S. 8 = Bl. 410 d.A., von dessen ebenfalls herausragender Sachkunde sich der Senat anlässlich einer Vielzahl erholter Gutachten und Anhörungen vor dem Senat überzeugen konnte), geht der Senat davon aus, dass das chronische Schmerzsyndrom, wie von der Sachverständigen Dr. med. C. erläutert, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf einer unfallbedingten funktionellen Störung beruht. Ob eine nicht ausschließbare Einwachsung eines kleinen Nervs durch das Narbengewebe die Schmerzen ebenfalls verursachen könnte, bedarf keiner weiteren Abklärung, etwa um durch radiologische Begutachtung herauszufinden, ob eine Druckwirkung durch das Narbengewebe besteht, da auch in diesem Fall ein unfallursächlicher Dauerschaden vorläge, kam es doch durch die Verletzung und deren Behandlung zur Bildung von Narbengewebe und ein grober ärztlicher Behandlungsfehler ist insoweit schon nicht behauptet.

3. Schmerzensgeld:

Über die bereits vom Landgericht berücksichtigten Schmerzen, Verletzungen, Beeinträchtigungen und Beschwerden sowie den durch die Armvenenthrombose hinaus (welche zu einer MdE von 5 % – 10 % führte) bedingten Dauerschaden erlitt der Kläger an der von der Sachverständigen Dr. med. C. dargestellten Stelle ein chronisches Schmerzsyndrom mit belastungsabhängiger Schmerzverschlimmerung. Andererseits ist im Hinblick auf das Ergebnis der neurologischen wie auch der psychiatrischen Untersuchung, ausgehend von der Befragung des Klägers (Gutachten S. 37 = Bl. 357 d.A.) von keiner schwerwiegenden Beeinträchtigung in Beruf und Freizeitgestaltung auszugehen und auch eine weitere Verschlimmerung ist, wie die Sachverständige Dr. med. C. ausführte, anders als etwa bei einer Arthrose mit Verschlechterungstendenz, nicht zu befürchten. Der Senat hält daher unter Berücksichtigung der Mithaftung von 50 % als einem weiterem Abwägungskriterium und des von der Klagepartei angegebenen Mindestbetrages (ohne Mithaftung 17.000 €) ein Schmerzensgeld von 10.000 € für angemessen, wovon die Beklagten vorprozessual 3.000 € bezahlt haben, so dass sich ein restlicher Schmerzensgeldanspruch von 7.000 € errechnet.

4. Weiterer materieller Schaden:

a) Auf die unstreitigen Schadenspositionen in Höhe von 6.506,52 €, ersatzfähig zu 50 %, hat die Beklagte zu 1) bereits 3.253,26 bezahlt. Ein weitergehender Anspruch besteht daher nicht.

b) Die im Wege der Klageerweiterung in erster Instanz geltend gemachten Kosten der alternativmedizinischen Behandlung der chronischen Schmerzen (591,01 €) mittels Akkupunktur und Infiltration waren nach dem Ergebnis der Sachverständigen Dr. med. C., dem der Senat folgt, medizinisch nachvollziehbar und brachten eine Linderung des nach obiger Darlegung unfallkausalen Schmerzsyndroms, weshalb die Kosten ausgehend von einer Haftungsquote von 50 % in Höhe von 295,51 € ersatzfähig sind.

c) Das Landgericht ging auf Grund der vom Kläger vorgelegten Unterlagen gem. § 287 ZPO rechtsfehlerfrei von einem Nettoverdienstausfall – ausgehend von Grundgehalt und Zuschlägen – von 2.567,73 € und damit einem ersatzfähigen Schaden von 1.283,87 € aus. Abzüglich der Zahlung der Beklagten zu 1) verbleibt ein Schaden in Höhe von 492,24 €.

d) Hinsichtlich der beschädigten Motorradschutzkleidung einschließlich Helm geht der Senat auf Grund des Sachvortrages der Klagepartei davon aus, dass eine gleichwertige Lederkombi (1.438,80 €) angeschafft wurde und auch das der Beklagten zu 1) vorgelegte Angebot über Motorradstiefel (289,95 €) in der Qualität der beim Unfall beschädigten Schutzbekleidung entspricht. Der Schädiger hat im Falle der Wiederbeschaffung beschädigter Kleidungsstücke den Wert dieser Kleidungsstücke ohne Abzug „neu für alt“ zu ersetzen, da ein kontinuierlicher Wertverlust durch Altern einerseits und eine Vermögensmehrung des Geschädigten bei Neuanschaffung anderseits nicht eintritt, da die Schutzkleidung eines Motorradfahrers (einschließlich des Kradhelms) ausschließlich der Sicherheit dient (Senat, Urt. v. 23.01.2009 – 10 U 4104/08 (Juris); LG Oldenburg DAR 2002, 171; LG Darmstadt DAR 2008, 89 m. zust. Anm. Szymanski; AG Lahnstein DAR 1998, 240; AG Schwartau DAR 1999, 458 f.) Da weitere Schutzbekleidung, insbesondere der Helm beschädigt bzw. zerstört wurden, schätzt der Senat den Kleiderschaden des Klägers auf 2.000 €. Unter Berücksichtigung einer Mithaftung von 50 % und der seitens der Beklagten zu 1) erbrachten Zahlung von 500 € ergibt sich ein weitergehender Schaden von 500 €.

5. Die weitergehende Berufung sowie die weitergehende Anschlussberufung hatten aus den dargelegten Gründen keinen Erfolg.

II. Die Kostenentscheidung beruht, ausgehend vom Streitwertbeschluss für das Berufungsverfahren vom 11.11.2013 (Bl. 280/281 d.A.), auf §§ 92 I 1 Fall 2, 97 I, 100IV ZPO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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