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Grundstückseigentümerhaftung für Grundsteuerschulden

VG Bayreuth – Az.: B 4 S 21.641 – Beschluss vom 30.08.2021

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 846,26 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Mit dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wendet sich der Antragsteller gegen den Duldungsbescheid der Antragsgegnerin vom 24.08.2020, mit dem er wegen rückständiger Grundsteuerschulden des Grundstücksvoreigentümers in Anspruch genommen wird.

Grundstückseigentümerhaftung für Grundsteuerschulden
(Symbolfoto: Tanoy1412/Shutterstock.com)

Die streitgegenständlichen rückständigen Grundsteuern für die Jahre 2009 und 2010 beziehen sich auf die in … gelegenen Grundstücke … Str. 001, 002 und Fl.-Nr. aaa/13. Sie belaufen sich auf eine Gesamthöhe von 3.385,02 EUR. Die Grundsteuern wurden mit Bescheiden vom 29.05.2009, gerichtet an den vormaligen Grundstückseigentümer W. S. festgesetzt. Nachdem dieser die Grundsteuern nicht bezahlte, ging die Antragsgegnerin mittels Konto-Pfändung am 04.01.2010 und 03.02.2010 gegen den Eigentümer vor, wobei beide Pfändungsversuche erfolglos blieben. Mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 15.03.2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des W. S. eröffnet. Die Antragsgegnerin meldete ihre Forderungen im Insolvenzverfahren an. Wegen Masseunzulänglichkeit reichte die Insolvenzmasse nicht aus. Wegen des Vollstreckungsverbots während des Insolvenzverfahrens wurden keine weiteren Vollstreckungsmaßnahmen gegen W. S. eingeleitet. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 12.05.2016 erhielt er die Restschuldbefreiung.

Mit Kaufvertrag vom 03.01.2017 erwarb Frau S. R. den Grundbesitz des W. S. Mit Duldungsbescheid vom 02.07.2020 erlegte die Antragsgegnerin ihr auf, Vollstreckungsmaßnahmen wegen rückständiger Grundsteuer in die von ihr erworbenen Grundstücke zu dulden. Nachdem der Antragsgegnerin mitgeteilt wurde, dass Frau S. R. den Grundbesitz bereits an den Antragsteller weiterveräußert hat, wobei dieser am 30.06.2020 ins Grundbuch eingetragen wurde, hob sie den Duldungsbescheid gegenüber Frau S. R. auf und hörte den Antragsteller zum beabsichtigten Erlass eines Duldungsbescheids an.

Mit Duldungsbescheid vom 24.08.2020 hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller auferlegt, Vollstreckungsmaßnahmen wegen rückständiger Grundsteuern für den Zeitraum vom 01.10.2009 bis 31.12.2010 in Höhe von 3.385,02 EUR in den Grundbesitz Flurstück bbb/6 „… Str. 002“, Flurstück bbb/4 und ccc/1 „… Str. 001“ und Flurstück aaa/13 „nähe … Str.“ zu dulden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers am 10.09.2020 Widerspruch, den die Regierung von Oberfranken mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2020 zurückwies.

Mit Schriftsatz vom 26.11.2020 erhob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragte die Aufhebung des Duldungsbescheids vom 24.08.2020. Dieses Verfahren wird unter dem Az. B 4 K 20.1315 geführt.

Mit Schriftsatz vom 25.05.2021 stellte der Antragsteller persönlich beim Verwaltungsgericht Bayreuth den Antrag:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 10.09.2020 gegen den Duldungsbescheid der Stadt … vom 24.08.2020 wird angeordnet.

Zur Begründung führt er aus, die Antragsgegnerin habe ihm zwischenzeitlich den Hinweis erteilt, dass die erhobene Klage keine aufschiebende Wirkung habe und ein Abwarten bis zur Gerichtsentscheidung aus rechtlichen Gründen nicht erfolgen könne. Es werde noch ein Zahlungsaufschub bis zum 31.05.2021 eingeräumt, da der Antragsteller angekündigt habe, einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO an das Verwaltungsgericht zu stellen. Der Duldungsbescheid sei rechtswidrig. Der Steuerschuldner W. S. habe mit der Erteilung der vorzeitigen Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren eine Befreiung von den streitgegenständlichen Steueransprüchen erlangt. Diese seien dadurch verfallen und uneinbringlich geworden, so dass eine Vollstreckung gegen den Steuerschuldner W. S. nicht mehr möglich gewesen sei. Die bestandskräftigen Bescheide vom 29.05.2009 hätten ihre Wirkung verloren und könnten keine Rechtsfolgen mehr beinhalten. Eine persönliche Inanspruchnahme des Antragstellers sei nicht möglich. Wegen der Akzessorietät würden auch die Grundstücke nicht mehr haften, da die Antragsgegnerin es versäumt habe, die Steueransprüche durch Eintragung von Sicherungshypotheken dinglich zu sichern. Bereits die vorige Eigentümerin S. R. habe die Grundstücke in gutem Glauben frei von Steuerverbindlichkeiten erworben, da solche im Grundbuch nicht eingetragen waren. Auch der Antragsteller habe sich auf das Grundbuch verlassen können. Die Inanspruchnahme des Antragstellers auf Duldung verstoße auch gegen Treu und Glauben. Er habe die Grundstücke erworben, ohne befürchten zu müssen, für rückständige Steuerverbindlichkeiten aufzukommen. Er berufe sich auf den Rechtsgrundsatz der Verwirkung.

Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 15.06.2021 beantragt, den Antrag abzuweisen.

Ihrer Ansicht nach sei es bereits fraglich, ob der Antragsteller das nach § 80 Abs. 6 VwGO vorgeschriebene Vorverfahren ordnungsgemäß eingeleitet und durchlaufen habe. Der Antragsteller habe mit Datum vom 25.05.2021 eine E-Mail an die Antragsgegnerin gerichtet, der ein expliziter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht zu entnehmen gewesen sei. Postalisch sei am 31.05.2021 ein gleichlautendes Schreiben eingegangen, wobei die Antragsgegnerin diesmal im Briefkopf als Empfängerin ausgewiesen war. Rechtshängigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO beim Verwaltungsgericht sei aber bereits am 02.06.2021 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt habe keine Ablehnung seitens der Antragsgegnerin vorgelegen. Die Antragsgegnerin habe zu diesem Zeitpunkt auch noch keinen unmittelbar bevorstehenden Termin für eine Vollstreckung angekündigt. Sie habe den Antragsteller mit Schreiben vom 29.04.2021 lediglich unter Fristsetzung zur Zahlung aufgefordert. Rechtsgrundlage des Duldungsbescheids sei § 191 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 Abgabenordnung – AO –, wonach der materiell Duldungspflichtige, der kraft Gesetzes verpflichtet sei, die Vollstreckung zu dulden, durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden könne. Diese Vorschrift finde auf die Grundsteuer als Realsteuer Anwendung. Der Antragsteller sei als jetziger Eigentümer der Grundstücke duldungspflichtig i. S. d. Vorschrift. Voraussetzung für den ohne zeitliche Beschränkung möglichen Erlass eines Duldungsbescheids sei aufgrund der Akzessorietät allein, dass der zugrundeliegende Steueranspruch festgesetzt, fällig und vollstreckbar sei. Darüber hinaus dürfe der Steueranspruch noch nicht durch Zahlungsverjährung erloschen sein. Gegenüber dem Voreigentümer seien die Steueransprüche für die Jahre 2009 und 2010 jeweils mit bestandskräftigen Bescheiden vom 29.05.2009 festgestellt und fällig gestellt worden. Sie seien vollstreckbar gewesen. Die Steueransprüche seien auch nicht durch Zahlungsverjährung nach § 228 ff. AO untergangen. Dabei sei zu beachten, dass die Ansprüche einer fünfjährigen Verjährungsfrist unterlägen und die Verjährung nach § 231 AO sowohl aufgrund der seitens der Antragsgegnerin unternommenen Vollstreckungsversuche, als auch aufgrund der Anmeldung der Forderungen im Insolvenzverfahren jeweils unterbrochen worden sei. Nach § 231 Abs. 3 AO beginne eine neue Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem die Unterbrechung geendet habe. Hier habe die Verjährungsunterbrechung mit Erteilung der vorzeitigen Restschuldbefreiung gegenüber dem Voreigentümer mit Beschluss vom 12.05.2016 geendet, so dass die neue Verjährungsfrist am 01.01.2017 zu laufen begonnen habe. Damit sei zum Zeitpunkt des Erlasses des Duldungsbescheids am 24.08.2020 noch keine Zahlungsverjährung eingetreten gewesen. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des W. S. stehe der Geltendmachung des Duldungsanspruchs gegenüber dem Antragsteller nicht entgegen. Würden Grundstücke nach Festsetzung, Fälligkeit und Vollstreckbarkeit der Steuerforderung veräußert, hafte das Grundstück weiterhin. Darüber hinaus müssten bestehende Grundsteuerrückstände des bisherigen Eigentümers nach § 436 BGB nicht im Grundbuch eingetragen sein. Grundsteuerforderungen seien öffentliche Lasten, die auf dem Grundstück ruhen. Sie wirkten damit wie ein Grundpfandrecht, ohne dass diese Last in das Grundbuch einzutragen sei (§ 54 GBO). Der Antragsteller habe folglich das entsprechend belastete Grundstück erworben. Eine etwa abweichende Vereinbarung zwischen dem Voreigentümer und dem Antragsteller, die auch gar nicht vorgetragen sei, würde hieran nichts ändern. Es wäre auch ohne Belang, ob der Voreigentümer dem Antragsteller zugesichert hätte, dass Steuerrückstände nicht bestünden. Darüber hinaus seien keine Ermessensfehler gegeben. Bei der Entscheidung über den Erlass eines Duldungsbescheids wegen ausstehender Grundsteuern sei insbesondere zu berücksichtigen, dass es Aufgabe der Antragsgegnerin sei, Steuerausfälle zu verhindern und möglichst rasch und sicher die Erhebung der Steuer- und Gebührenschuld sicherzustellen. Da die Inanspruchnahme des Steuerschuldners W. S. nicht mehr möglich sei, könne die rückständige Grundsteuer nur noch durch Vollstreckungsmaßnahmen in die haftenden Grundstücke realisiert werden. Der Duldungsbescheid sei auch nicht durch Zeitablauf bzw. Untätigkeit der Antragsgegnerin rechtswidrig geworden. Zum einen sei die Antragsgegnerin nicht untätig gewesen und es sei auch keine Verjährung eingetreten, zum anderen würden die Grundsteuerrückstände als öffentliche Last funktionell einem Grundpfandrecht entsprechen. Der Antragsteller werde durch die Inanspruchnahme auch nicht unangemessen benachteiligt. Die dingliche Haftung nach § 12 GrStG sei auf das jeweilige Grundstück beschränkt.

Die Antragsgegnerin legte das Schreiben vom 29.04.2021 an den Antragsteller vor, wonach die Gesamtforderung nunmehr 3.660,02 EUR betrage und er aufgefordert werde, den geschuldeten Betrag bis zum 13.05.2021 zu überweisen.

Der Antragsteller trägt mit Schriftsatz vom 20.06.2021 ergänzend vor, die von der Antragsgegnerin dargelegten Gründe seien rechtlich nicht vertretbar und dienten dazu, die Verantwortlichkeit für die schläfrige Sachbearbeitung von sich zu weisen. Die Antragsgegnerin habe sogar den freihändigen Verkauf der Immobilie zugelassen, ohne ihre Rechte abzusichern, unabhängig von den gesetzlichen Bestimmungen, auf die sie sich ständig berufe. Unstreitig sei bei dem vormaligen Steuerschuldner eine Restschuldbefreiung eingetreten, von der auch die rückständigen Grundsteuern für die Jahre 2009 und 2010 umfasst würden. Die Antragsgegnerin habe diese ohnehin zur Insolvenztabelle angemeldet. Die Antragsgegnerin hätte eine Zwangssicherungshypothek zu ihren Gunsten in die Grundstücke eintragen lassen müssen. In Folge der Untätigkeit der Antragsgegnerin sei es trotz Insolvenz und Restschuldbefreiung des vormaligen Eigentümers möglich gewesen, die Immobilien zunächst an Frau S. R. und weiter an den Antragsteller zu veräußern, wobei beide gutgläubig lastenfreies Eigentum erworben hätten. Sollte der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin gefolgt werden, könnte der Antragsteller den vormaligen Steuerpflichtigen nicht einmal im Rücktrittswege in Anspruch nehmen, da sich dieser zu Recht auf eine Restschuldbefreiung gegenüber jedermann berufen könne. Es blieben dann nur Amtspflichtverletzungsansprüche gegenüber den Staatsdienern.

Mit Schriftsatz vom 29.06.2021 teilte die Antragsgegnerin mit, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Voreigentümers W. S. inzwischen mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 21.06.2021 aufgehoben worden sei. Das ändere an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Duldungsbescheids nichts. Auf das Urteil des BGH vom 22.05.1981, Az. V ZR 69/80 werde verwiesen. Werde das Grundstück nach Festsetzung, Fälligkeit und Vollstreckbarkeit der Steuerforderung veräußert, hafte das Grundstück weiterhin. Die Eintragung einer Sicherungshypothek sei aufgrund des Vollstreckungsverbots nicht möglich (§ 89 Insolvenzordnung) und zum anderen auch nicht erforderlich gewesen, da Grundsteuern bereits allein kraft Gesetzes öffentliche Lasten darstellten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen. Ergänzend wird auch auf den Akteninhalt des Hauptsacheverfahrens B 4 K 20.1315 verwiesen.

II.

1. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, der so zu verstehen ist (§ 88 VwGO), dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 26.11.2020 (B 4 K 20.1315) begehrt wird, ist bereits unzulässig, weil die Zugangsvoraussetzungen des § 80 Abs. 6 VwGO bei Antragseingang nicht erfüllt waren.

Nach dieser Vorschrift ist, wenn die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage (§ 80 Abs. 1 VwGO) entfällt, weil der angefochtene Bescheid die Anforderung von öffentlichen Abgaben (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) zum Gegenstand hat, der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt (§ 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO) oder über einen solchen Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat (§ 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO) oder eine Vollstreckung droht (§ 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO). Da § 80 Abs. 6 VwGO nicht nur eine bloße Sachentscheidungsvoraussetzung darstellt‚ die noch im Laufe des gerichtlichen Eilverfahrens verwirklicht werden könnte‚ sondern eine Zugangsvoraussetzung‚ die nicht nachgeholt werden kann, muss eine der genannten Voraussetzungen im Zeitpunkt der Antragstellung vorliegen (BayVGH, B. v. 05.03.2015 – 6 CS 15.369, juris; BayVGH, B. v. 18.04.2000 – 6 ZS 99.3557, juris).

Auch die Geltendmachung einer Beitrags- oder hier: Steuerforderung mittels Duldungsbescheid ist eine Anforderung einer öffentlichen Abgabe (vgl. Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 22. Aufl., Rn. 56 zu § 80; BayVGH, B. v. 06.08.2012, 20 CS 12.1143 und B.v. 12.09.2011 – 20 CS 11.1977, beide in juris). Damit müssen vor Erhebung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO die Zugangsvoraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO erfüllt sein.

Dies war bei Eingang des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht hinsichtlich keiner der genannten Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO der Fall.

a) Vorliegend fehlt es bereits an einem ausdrücklich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO, über den die Antragsgegnerin zu entscheiden gehabt hätte. Zwar muss der Antrag nicht schriftlich gestellt werden, erforderlich ist aber ein ausdrücklich gestellter oder jedenfalls analog § 157 BGB als konkludent gestellt zu verstehender Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 182 zu § 80). Der Antragsteller trägt die materielle Beweislast für die Erfüllung der Zugangsvoraussetzung (Schoch/Schneider, VwGO, Rn. 509 zu § 80).

Für einen ausdrücklich bei der Antragsgegnerin gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ergeben sich aus dem Vorbringen und dem Akteninhalt keine tragenden Anhaltspunkte. Die E-Mail des Antragstellers an die Antragsgegnerin vom 25.05.2021 enthält die Bemerkung, dass die beigefügten Dokumente „zur Kenntnisnahme und Bearbeitung“ übersandt werden. Beigefügt waren der Duldungsbescheid und der vorbereitete Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO an das Gericht. Postalisch wurde der wortgleiche Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, diesmal adressiert an die Antragsgegnerin, mit dem Zusatz „zur Kenntnisnahme“ übersandt. Dass damit eine Aufforderung an die Antragsgegnerin verbunden sein sollte, über die Aussetzung der Vollziehung zu entscheiden, lässt sich nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen.

b) Selbst wenn man davon ausgehen würde, ein Aussetzungsantrag wäre bei der Antragsgegnerin durch die E-Mail vom 25.05.2021 gestellt worden, hätte im Antragsschriftsatz an das Gericht auch dargelegt werden müssen, dass über den Antrag von der Antragsgegnerin nicht in angemessener Zeit entschieden worden ist (§ 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO).

Bei Eingang des Antragsschriftsatzes bei Gericht am 28.05.2021 war seit der (angenommenen) Stellung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung vom 25.05.2021 noch keine angemessene Frist im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO verstrichen. Ausschlaggebend für die Angemessenheit sind die Umstände des Einzelfalls. Als Orientierungswert ist dabei nicht auf die zur Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO entwickelten Grundsätze (Dreimonatsfrist) zurückzugreifen, sondern auf die Monatsfrist des § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VwGO (BayVGH, B. v. 05.03.2015 – 6 CS 15.369 – juris Rn. 8). Eine solche im Regelfall angemessene Zeitspanne von einem Monat wurde vom Antragsteller nicht abgewartet.

c) Aber auch die Voraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO (drohende Vollstreckung) lag bei Antragserhebung am 28.05.2021 nicht vor. Der unmittelbare Zugang zum Gericht ist nach dieser Vorschrift an die Voraussetzung geknüpft, dass die Zwangsvollstreckung „droht“. Eine Vollstreckung im Sinne dieser Vorschrift droht erst dann, wenn die Behörde konkrete Schritte für die baldige Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen angekündigt oder bereits eingeleitet hat (Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 186 zu § 80). Dies ist etwa der Fall, wenn eine erneute Zahlungsaufforderung mit Androhung der Zwangsvollstreckung ergeht oder eine „letzte Zahlungserinnerung“ mit Zahlungsfrist und dem Hinweis, dass sodann zwangsweise eingezogen wird (BayVGH, B. v. 03.01.1995 – 6 CS 94.3728, juris). Selbst eine Mahnung ist noch keine Vollstreckungsmaßnahme. Nur wenn die Vollstreckung in diesem Sinne drohend bevorsteht, kommt es nach dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes nicht mehr darauf an, ob angesichts der gesetzten Frist noch ein Antrag bei der Behörde gestellt werden könnte. Die von der Behörde angedrohte Vollstreckung eröffnet vielmehr ohne weiteres den Weg zum Gericht.

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Solche konkreten Vollstreckungsmaßnahmen durch die Antragsgegnerin standen am 28.05.2021 nicht bevor. Das Schreiben vom 29.04.2021 an den Antragsteller beinhaltet nur den Hinweis auf die bestehenden Rückstände und die Aufforderung, den geschuldeten Betrag bis zum 13.05.2021 zu überweisen. Konkrete Schritte für eine anschließende Vollstreckungsmaßnahme gehen daraus nicht hervor. Damit ist die Voraussetzung einer „drohenden Vollstreckung“ im Sinne des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO nicht erfüllt.

2. Ohne dass es für die Entscheidung noch darauf ankommt, weist das Gericht darauf hin, dass der Duldungsbescheid voraussichtlich auch einer materiellen Überprüfung standhält.

Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO darf der Duldungspflichtige durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Der Erlass eines Duldungsbescheids setzt nur voraus, dass der zugrundeliegende Steueranspruch festgesetzt, fällig und vollstreckbar ist; eine zeitliche Begrenzung ergibt sich nur insoweit, als der Steueranspruch noch nicht durch Zahlungsverjährung (§§ 228 ff. AO) erloschen sein darf (vgl. BVerwG vom 13.2.1987 BStBl II S. 475/477 = NJW 1987, 2098/2099 = DVBl 1987, 634/635).

Diese Voraussetzungen für den Erlass eines Duldungsbescheids sind erfüllt. Die Grundsteuer war gegenüber dem persönlichen Grundsteuerschuldner, dem Voreigentümer W. S., bestandskräftig festgesetzt und fällig. Vollstreckungsversuche waren erfolglos. Der festgesetzte Steueranspruch war auch nicht (zahlungs-)verjährt (§ 232 AO). Durch die vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahmen gegen W. S. und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens war die Verjährung unterbrochen (§ 231 Abs. 1 AO). Während der Dauer des Insolvenzverfahrens sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig (§ 89 Abs. 1 InSO). Frühestens nach Erteilung der Restschuldbefreiung war eine neue fünfjährige Verjährungsfrist (§ 228 AO) in Lauf gesetzt (§ 231 Abs. 3 AO), die bei Erlass des angefochtenen Duldungsbescheids noch nicht abgelaufen war.

Die Grundsteuerschuld ruht gemäß § 12 GrStG als öffentliche Last auf den Grundstücken, die der Antragsteller erworben hat. Dies stellt eine „dingliche Haftung“ der Grundstücke für bestehende Grundsteuerschulden dar. Diese dingliche Haftung erscheint nicht im Grundbuch (§ 54 GBO: Die auf einem Grundstück ruhenden öffentlichen Lasten als solche sind von der Eintragung in das Grundbuch ausgeschlossen, es sei denn, dass ihre Eintragung gesetzlich besonders zugelassen oder angeordnet ist). Der Insolvenzverwalter kann ein belastetes Grundstück auch freihändig verkaufen, ohne dass die öffentliche Last des § 12 GrStG erlischt. Es handelt sich um zwingendes Recht, das nicht abbedungen werden kann (BGH, U. v. 18.02.2010, IX ZR 101/09, juris, Rn. 10ff.) Auch ist der Steuergläubiger nicht verpflichtet, den Erwerber eines Grundstücks von Amts wegen über Grundsteuerrückstände des Voreigentümers oder über vergebliche Beitreibungsversuche gegen den Voreigentümer zu unterrichten (BVerwG, U. v. 13.02.1987 – 8 C 25/85 –, juris Leitsatz 3). Ein „gutgläubiger Erwerb“ ist somit nicht möglich. Der (neue) Grundstückseigentümer ist also, nach Geltendmachung der Duldungsverpflichtung (vgl. § 77 Abs. 2, § 191 Abs. 1 AO), Vollstreckungsschuldner, ohne die Steuer zu schulden. Seine Haftung erstreckt sich aber nur auf das belastete Grundstück. Er kann durch Zahlung der rückständigen Grundschulden die Vollstreckung abwenden (§ 48 Abs. 1 AO). Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Treu und Glauben oder eine Verwirkung sind nicht ersichtlich.

3. Nach alledem ist der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Antragsteller als Unterlegener die Kosten des Verfahrens trägt, abzulehnen.

4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 S. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG i. V. m. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 –NVwZ-Beilage 2013, 57 – (ein Viertel von 3.385,02 EUR).

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