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Indizien für manipulierten Verkehrsunfall

KG Berlin – Az.: 25 U 148/17 – Beschluss vom 12.04.2018

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz wird zurückgewiesen.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen.

Gründe

1.

Der Senat ist einstimmig der Überzeugung, dass die Berufung auf der Grundlage des gemäß § 529 ZPO i.V.m. § 531 ZPO in der Berufungsinstanz noch zu berücksichtigenden Vorbringens der Parteien offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nach mündlicher Verhandlung nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung auch nicht aus sonstigen Gründen geboten ist.

Das Landgericht hat die Klage mit zutreffenden Erwägungen abgewiesen. Gemäß § 529 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die von der ersten Instanz festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Letzteres ist hier nicht der Fall.

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die vom Landgericht unter Würdigung des gesamten Sach- und Streitstandes, auch der persönlichen Anhörung und des aus dieser gewonnenen persönlichen Eindrucks der Parteien, gemäß § 286 ZPO gebildete und in den Urteilsgründen ausführlich niedergelegte Überzeugung, dass hier von einem gestellten Unfall auszugehen ist, unzutreffend ist.

Das Landgericht ist von zutreffenden Grundsätzen ausgegangen. Dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls obliegt es, die Verursachung des geltend gemachten Schadens durch das gegnerische Fahrzeug darzutun und zu beweisen. Ferner hat er das Ausmaß des unfallbedingten Schadens darzulegen und zu beweisen. Eine Haftung des Schädigers, Halters des gegnerischen Fahrzeugs und des Haftpflichtversicherers entfällt aber, wenn es sich bei dem Schadensereignis um einen verabredeten Unfall gehandelt hat. In diesem Fall scheitert ein Ersatzanspruch an der Einwilligung des Geschädigten. Den Nachweis, dass ein vorgetäuschter Unfall vorliegt, hat grundsätzlich der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung zu führen. Die ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen, die für eine Manipulation spricht, gestattet im Rahmen der umfassenden Würdigung des Streitstoffes gemäß § 286 ZPO eine entsprechende Feststellung (grundlegend BGHZ 71, 339 = VersR 1978, 242 = NJW 1978, 2154; VersR 1979, 514 für Anscheinsbeweis; seitdem ständige Rechtsprechung, z.B. KG NZV 2003, 87; OLG Hamburg NJW-RR 2011, 176). Die Überzeugungsbildung setzt dabei keine mathematisch lückenlose Gewissheit voraus, sondern lediglich eine Gewissheit, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet (BGHZ 71, 339).

Für die erforderliche Überzeugungsbildung eines manipulierten Unfalls kommt es auch nicht darauf an, dass bestimmte, nach ihrer Anzahl und/oder ihrer äußeren Erscheinungsform immer gleiche Beweisanzeichen festgestellt werden müssen; entscheidend ist vielmehr stets die Werthaltigkeit der Beweisanzeichen in der Gesamtschau, also nicht die isolierte Würdigung der einzelnen Umstände (KG NZV 2008, 153). Der Beweis für einen fingierten Unfall ist daher geführt, wenn sich der ”Unfall” als letztes Glied einer Kette gleichförmiger Geschehnisse darstellt, ohne dass sich die festgestellten Gemeinsamkeiten noch durch Zufall erklären ließen. Das gilt auch dann, wenn in diesem Sinne geeignete Indizien bei isolierter Betrachtung jeweils auch als unverdächtig erklärt werden könnten (KG a.a.O; Beschluss vom 26. März 2009 – 12 U 126/08, VRS 118, 99; OLG Karlsruhe MDR 2007, 1019).

In Anwendung dieser Grundsätze ist das Landgericht mit überzeugender Begründung zu der Überzeugung gelangt, dass es sich vorliegend um einen gestellten Unfall handelt. Dafür sprechen folgende Indizien:

Die Unfallschilderung des Beklagten zu 1) ist, wie vom Landgericht ausführlich begründet, wenig plausibel. Ebenso wenig nachvollziehbar ist, dass er sich um das Fahrzeug, das nach seiner Schilderung durch seine Fahrweise sein Ausweichmanöver provoziert hat, in keiner Weise gekümmert hat, z.B. durch eine Nachschau, den Versuch über Zeugen Informationen zu dem Fahrzeug zu erhalten usw. Schließlich ist auch das vom Landgericht als unbeteiligt beschriebene Verhalten des Beklagten bei seinen Anhörungen vor dem Landgericht auffällig.

Das Fahrzeug des Beklagten zu 1) war vollkaskoversichert und der Unfall für den Fahrer kaum gefahrenträchtig, was sowohl die finanziellen als auch die gesundheitlichen Risiken für den Beklagten zu 1) überschaubar machte.

Für den behaupteten Unfall gibt es keine unabhängigen Zeugen, was ebenfalls für einen manipulierten Unfall typisch ist (vgl. KG, Beschluss vom 26. März 2009 – 12 U 126/08, VRS 118, 99; OLG Schleswig NJW-RR 2011, 176; OLG Köln VersR 2010, 1361). Hinzu kommt, dass der Unfall an einer Stelle und zu einer Zeit stattgefunden haben soll, die nicht unbedingt Zeugen erwarten ließen, wie das Landgericht zutreffend anführt.

Die Haftungslage ist eindeutig, weil die Schuld von dem vermeintlichen Schädiger, dem Beklagten zu 1), sofort eingeräumt worden ist und die Art des Unfalls eine Mithaftung des Klägers nicht erwarten ließ. Auch dieses Merkmal tritt in Fällen einer Unfallmanipulation oft auf, weil die Durchsetzung der Ansprüche auf diese Weise vereinfacht wird (vgl. KG Beschluss vom 26. März 2009 – 12 U 126/08, VRS 118, 99; OLG Köln VersR 2010, 1361; OLG Hamm Schaden-Praxis 2004, 222). Weiterhin ist auffällig, dass der Beklagte zu 1) in seiner Schadensanzeige an die Beklagte zu 2) auf die Frage, ob ihn eine Schuld an dem Unfall treffe, formuliert hat (Bl. I 56 d.A.): “Ich schuldhaft, da Drängler nicht ermittelbar”. Diese Antwort ist bei dem von ihm geschilderten Ablauf nicht nachvollziehbar, da dann die Antwort etwa hätte lauten müssen: Schuld vornehmlich des anderen Fahrers, der aber nicht ermittelbar ist. Denn aus der nicht möglichen Ermittelbarkeit folgt auch für einen juristischen Laien nicht eine Änderung im Schuldvorwurf. Vielmehr gibt die Formulierung Sinn, wenn der Beklagte zu 1) seine Versicherung von seiner bzw. ihrer Einstandspflicht für die Schäden überzeugen wollte, was nicht im eigenen Interesse liegt, sondern eine entsprechende Zusage gegenüber dem Geschädigten nahelegt.

Zu diesen auf Seiten des Beklagten zu 1) bestehenden Auffälligkeiten kommt eine Vielzahl von Indizien auch auf Seiten des Klägers hinzu:

Geschädigt wurde ein höherwertiges Fahrzeug mit hoher Fahrleistung (163.731 km). Dabei handelt es sich um einen bei manipulierten Unfällen häufig anzutreffenden Umstand (vgl. KG Beschluss vom 26. März 2009 – 12 U 126/08; OLG Schleswig, NJW-RR 2011, 176).

Das klägerische Fahrzeug ist durch eine auffällige Zahl von Unfällen vorgeschädigt gewesen. Es wurde erst ca. 3 Wochen vor dem behaupteten Unfall auf den Kläger zugelassen. Beides ist für durch gestellte Unfälle geschädigte Fahrzeuge typisch, (vgl. KG, Beschluss vom 7. September 2010 – 12 U 210/09; OLG Köln VersR 2010, 1361).

Der Schaden wurde auf Gutachtenbasis abgerechnet, was bei Unfallmanipulationen regelmäßig der Fall ist (vgl. KG, Beschluss vom 7. September 2010 – 12 U 210/09).

Der Pkw des Klägers wurde alsbald nach dem Unfall unrepariert verkauft, was ebenfalls für eine Unfallmanipulation sprechen kann, da damit ein Zugriff auf das Fahrzeug für Nachuntersuchungen zumindest erschwert ist (vgl. z.B. KG a.a.O.; OLG Hamm Schaden-Praxis 2004, 222).

Mit Recht hat das Landgericht auch auf das Verhalten des Klägers nach dem Schadenseintritt abgestellt. Insbesondere hat er den kurzfristigen Weiterverkauf des Fahrzeugs der Polizei verheimlichen wollen. Auf der Grundlage seiner Argumentation, dass er die Frage in dem ihm im polizeilichen Ermittlungsverfahren übersandten Vordruck (… ) als solche nach dem Kostenangebot der Werkstatt verstanden habe, drängte sich in seiner Antwort vom 23.4.2014 der Hinweis auf, dass er das Fahrzeug nicht mehr reparieren lasse, sondern bereits am 18.4.2014 verkauft habe. Wenn er stattdessen äußert, das Angebot sei “noch” nicht da, legt dies die Annahme nahe, dass er den kurzfristigen Weiterverkauf verheimlichen wollte. Dies ist sinnvoll nur, wenn er diesen Verkauf selbst als problematisch ansah, nicht aber bei seiner – von ihm auch nicht unter Beweis gestellten – Behauptung, er habe für das Fahrzeug keine Verwendung mehr gehabt, da er damit nicht mehr habe in den Urlaub fahren können. Zu diesem verheimlichenden Verhalten passt auch das von den Polizeibeamten am Unfallort geschilderte Verhalten: Danach hat der Kläger nach anfänglich freundlichem Verhalten auf Nachfrage, wann das Auto auf ihn zugelassen worden sei, misstrauisch reagiert und sich sehr für die nachfolgenden polizeilichen Maßnahmen interessiert, insbesondere warum Fotos gefertigt worden seien (… ).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch der Umstand sehr ungewöhnlich ist, dass das Fahrzeug bereits am Tag nach dem Unfall (am Samstagabend) am nächsten Tag, einem Sonntag, einem Sachverständigen vorgestellt wird, der auch noch dort, wo der Beklagte zu 1) wohnt (Br … ), seinen Sitz hat, während der Kläger in Berlin wohnt. Ebenfalls auffällig ist, dass der Sachverständige – außer Kratzspuren – keine Vorschäden festgestellt hat, obwohl das Fahrzeug erheblich vorgeschädigt war. Dies gilt auch für die von dem Kläger in seiner Anhörung vor dem Landgericht am 30. Juni 2016 eingeräumte Beule am rechten Kotflügel – ein Bereich, der auch durch den hier streitigen Unfall beschädigt worden sein soll.

Selbst wenn man einige Beweisanzeichen – isoliert betrachtet – auch anders erklären kann, rechtfertigt die Vielzahl von gewichtigen Indizien, die für eine Unfallmanipulation sprechen, bei der vorzunehmenden Gesamtschau die entsprechende Feststellung.

Dem steht auch nicht entgegen, dass nicht feststellbar ist – die Beklagte hat eine fehlende Bekanntschaft in Abrede stellt -, ob der Kläger und der Beklagte zu 1) sich bereits vor dem Unfall gekannt haben. Es muss zwischen vermeintlich Geschädigtem und vermeintlichem Unfallverursacher keine direkte Bekanntschaft bestehen; derartige Unfälle können auch über Dritte “organisiert” werden (vgl. z.B. KG, KGReport 2003, 366; OLG Schleswig a.a.O.).

Der Umstand, dass das gegen den Kläger geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingestellt worden ist, steht der im Zivilprozess gewonnenen Überzeugung nicht entgegen, dass der Unfall nur vorgetäuscht war (vgl. z.B. BGHZ 71, 26), zumal die Einstellung gemäß § 154 Abs. 1 StPO wegen der Sanktion in einem anderen Verfahren erfolgt ist (… ). Ein Verstoß gegen die strafrechtliche Unschuldsvermutung liegt darin nicht.

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2.

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz ist unabhängig von seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zurückzuweisen, da sein Rechtsmittel aus den o.g. Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, § 114 Abs. 1 ZPO.

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