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Corona-Pandemie: Antrag auf Anordnung aufschiebender Wirkung

Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 1 B 153/20 – Beschluss vom 23.11.2020

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. November 2020 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000, — € festgesetzt.

Gründe

Die Kammer entscheidet über den Antrag zum jetzigen Zeitpunkt, da eine Stellungnahme des Antragsgegners zu der Verfügung des Gerichts vom 17. November 2020, die telefonisch für den 20. November 2020 angekündigt war, nicht eingegangen ist und die Sache für die Antragstellerin eilbedürftig ist.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 4. November 2020 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO zulässig und begründet.

Infektionsschutzgesetz - Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung
(Symbolfoto: Von Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO i.V.m § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kann das Gericht in dem vorliegenden Fall des nach § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges die aufschiebende Wirkung des Widerspruches ganz oder teilweise anordnen. Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse der Antragsteller einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges regelmäßig dazu, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist.

Die Kammer ordnet die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin an, weil die Ordnungsverfügung vom 4. November 2020 offensichtlich rechtswidrig ist.

Rechtsgrundlage der angefochtenen Verfügung mit den Regelungen zu den Ziffern 1-4 des Bescheides kann nur § 28 Abs. 1, 2 IfSG sein. Nach dieser Vorschrift trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Abs. 1 und in den §§ 29-31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten (Satz 1). Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen (Satz 2). Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden (Satz 3). Die Grundrechte der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt (Satz 4).

Es handelt sich bei der Bestimmung des § 28 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz IfSG n. F. um eine Generalklausel, die die zuständigen Behörden zum Handeln verpflichtet (sog. gebundene Entscheidung). Nur hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen, – „wie“ des Eingreifens – ist der Behörde Ermessen eingeräumt. Die Behörde muss ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermessensermächtigung im Interesse des effektiven Schutzes des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausüben. Die Vorschrift stellt auch die Rechtsgrundlage für eine gegenüber einer einzelnen Person ergangenen Anordnung zur Konkretisierung einer nach § 32 IfSG ergangenen Rechtsverordnung dar, um die Regelungen der Rechtsverordnung im Einzelfall, auch im Wege des Verwaltungsvollzuges, durchzusetzen.

Die Anordnungen des Antragsgegners können nicht auf die von ihm herangezogene Rechtsgrundlage des § 16 Abs. 1 IfSG gestützt werden. Denn die Rechtsgrundlagen einerseits des § 16 Abs. 1 IfSG im Vierten Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes „Verhütung übertragbarer Krankheiten“ und andererseits des § 28 Abs. 1 IfSG im Fünften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes „Bekämpfung übertragbarer Krankheiten“ stehen in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander; der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 IfSG ist nur eröffnet, solange eine übertragbare Krankheit noch nicht aufgetreten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1971 – C 60.67 – BVerwGE 39, 190, 192 f. – juris Rn. 28 (zu §§ 10 Abs. 1, 34 Abs. 1 BSeuchG a.F.); OVG Lüneburg, Urteil vom 3. Februar 2011 – 3.2.2011 – 13 LC 198/08 -, juris Rn. 40). Eine übertragbare Krankheit, nämlich die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Krankheit COVID-19, ist bereits aufgetreten.

Es handelt sich bei den Anordnungen zu Ziffer 1-3 des Bescheides vom 4. November 2020 nicht um notwendige Schutzmaßnahmen zur Durchsetzung der Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Corona-Bekämpfungsverordnung), weil die zwischen den Beteiligten streitige Durchführung von medizinisch erforderlichen Maßnahmen der Anwendung von Heilmitteln und solchen zur Rehabilitation auch mit mehr als 2 Personen nach der Landesverordnung rechtlich zulässig ist.

Der Antragsgegner ordnete in Ziffer 1 der Verfügung an, dass der Betrieb nur für die zulässigen Arten von Sporttrainings- und Physiotherapie geöffnet werden darf. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Antragstellerin die Trainingsgeräte nicht für allgemeines Fitnesstraining mit mehreren Personen, etwa im Rahmen einer Mitgliedschaft, zur Verfügung stellen und Einzeltraining außerhalb der Physiotherapie und dem verordneten Rehasport nur in dem beschriebenen Umfang durchführen darf. Eine Anordnung zu diesem unstreitigen Punkt wäre nicht erforderlich. Dem Antragsteller geht es – dies ergibt sich aus Seite 4/5 der Antragsschrift – um die Kontaktbeschränkungsvorgaben für medizinisch angeordnete Physiotherapie (erfasst von Ziff. 3 der Verfügung) und Reha-Sport-Maßnahmen (erfasst von Ziffer 2 der Verfügung), die durch Ziffer 2 und 3 der Verfügung geregelt werden. Danach sind Sporttrainingseinheiten mit einem Trainer und mehr als einer Person sowie die gleichzeitige Belegung des Fitnessbereiches mit mehr als 2 Personen ausnahmslos untersagt. Weiter sind Physiotherapieeinheiten mit mehr als einem Patienten sowie die gleichzeitige Belegung des Fitnessbereichs zu Physiotherapiezwecken mit mehr als einem Patienten ausnahmslos untersagt.

Die dargestellten ärztlich verordneten Tätigkeiten sind nach der Landesverordnung nicht untersagt. Nach § 9 Abs. 1 Corona-Bekämpfungsverordnung sind Dienstleistungen mit Körperkontakt unzulässig. Dies gilt nach Satz 2 Nr. 1 der Vorschrift nicht für medizinische und pflegerische notwendige Dienstleistungen. Daraus ergibt sich, dass die Erbringung von Dienstleistungen grundsätzlich zulässig ist. Das Verbot von Dienstleistungen mit Körperkontakt gilt nicht für medizinisch notwendige Dienstleistungen. In der Begründung der Verordnung zu § 9 Abs. 1 heißt es dazu, dass Ausnahmen nur deshalb vorgesehen seien, weil sie notwendig seien. Das betreffe die medizinisch bedingten Dienstleistungen, die von den Gesundheits- und Heilberufen ausgeführt würden. Weiter heißt es in der Begründung, dass auch Gesundheits- und Heilberufe weiter ihrer Tätigkeit nachgehen dürften. In der Begründung zu Absatz 2 wird dann ausgeführt, dass besondere Regelungen für die Gesundheits- und Heilberufe in der Verordnung nicht notwendig seien. Die Vorgaben ergäben sich aus den eigenen Regularien.

Die Einschränkungen für die Ausübung des Sportes des § 11 Corona-Bekämpfungsverordnung sind auf die von der Antragstellerin angebotenen Dienstleistungen der Physiotherapie für die medizinisch notwendige Heilbehandlung und die notwendige Rehabilitationsbehandlung nicht anwendbar. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Corona-Bekämpfungsverordnung ist die Sportausübung innerhalb und außerhalb von Sportanlagen nur allein, gemeinsam mit im selben Haushalt lebenden Personen oder einer anderen Person gestattet. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist der Betrieb von Schwimm- und Spaßbädern, Fitnessstudios und ähnlichen Einrichtungen untersagt. Aus der Begründung der Regelung des § 11 Abs. 2 der Verordnung ergibt sich, dass Schwimmbecken zur medizinischen Rehabilitation keine „Schwimmbäder“ im Sinne dieser Vorschrift seien. Ebenso seien Trainingsgeräte in Physiopraxen zur medizinischen Rehabilitation keine „Fitnessstudios“. Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Corona-Bekämpfungsverordnung umfasst sowohl Freizeit- als auch Breiten-, Leistung- und Spitzensport (Begründung zu § 11 Abs. 1 der Verordnung). Ärztlich verordnete Maßnahmen fallen nicht unter diesen Begriff. Dafür spricht nicht nur die Begründung zu § 11 Abs. 1, sondern auch der Umstand, dass sich nach dem erkennbaren Willen des Verordnungsgebers die Tätigkeit der Gesundheits- und Heilberufe nach den Vorgaben des § 9 richten soll.

Daraus folgt, dass die Begrenzung der Personenzahl in § 11 Abs. 1 der Verordnung nicht auf Trainingsgeräte in Physiopraxen für Maßnahmen der Heilmittelanwendung, also insbesondere die medizinisch notwendige Krankengymnastik und die ärztlich verordnete Rehabilitationsbehandlung anwendbar ist. In der Einrichtung der Antragstellerin wird die aus medizinischen Gründen erforderliche ärztlich verordnete Physiotherapie angeboten, die bei gesetzlich Versicherten durch die Krankenkassen als Versorgung mit Heilmitteln nach § 32 SGB V erbracht und insoweit bezahlt wird. Eine ärztliche Verordnung kann sich insoweit auch auf eine Gruppentherapie beziehen und darf dann ohne Rücksprache mit dem Arzt auch nur als solche, und nicht als Einzeltherapie durchgeführt werden. In der Einrichtung der Antragstellerin wird offenbar auch ärztlich verordneter Rehabilitationssport oder ärztlich verordnetes Funktionstraining, gegebenenfalls auch in Gruppen, nach § 64 SGB IX als Rehabilitationsleistung angeboten.

Das für Infektionsschutz als Fachaufsicht zuständige Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren des Landes Schleswig-Holstein hat die Zulässigkeit einer physiotherapeutischen Gruppenmaßnahme gegenüber dem Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten – IFK e.V bestätigt. Dieser gibt auf seiner Internetseite https://ifk.de/verband/aktuell/archiv-meldungen/einzelansicht/schleswig-holstein-kaum-einschraenkungen eine Auskunft des Ministeriums vom 9. November 2020 mit folgendem Wortlaut wieder:

„Das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren des Landes Schleswig-Holstein hat dem IFK gegenüber bestätigt, dass die meisten physiotherapeutischen Leistungen während des Teil-Lockdowns weiterhin gestattet sind. Gänzlich untersagt sind lediglich Wellness-Behandlungen.

Für ärztlich verordnete Behandlungen gibt es keinerlei Einschränkungen. Präventionsleistungen dürfen auch in Gruppen mit bis maximal zehn Teilnehmern stattfinden, wenn die Hygienestandards eingehalten werden können und es höchstens kurzfristig zu Körperkontakt kommt, beispielsweise zur Haltungskorrektur. Gleiches gilt für Gruppentherapien. Auch gerätegestützte Therapie und medizinische Rehabilitation in Schwimmbädern sind dann gestattet.“

Dass die zur Durchsetzung der Corona-Bekämpfungsverordnung erlassenen Anordnungen zu Ziffer 1-3 der Verfügung offensichtlich rechtswidrig sind, berührt allerdings nicht die grundsätzlich bestehende Befugnis des Antragsgegners, gemäß § 20 Abs. 2 der Verordnung weitergehende erforderliche Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen nach dem Infektionsschutzgesetz im Einzelfall zu treffen.

Die Regelung zu Ziffer 4 der Ordnungsverfügung vom 4. November 2020, nach der die Kontrollen durch das Ordnungsamt der Stadt A-Stadt zu dulden seien und an ihnen mitzuwirken sei, ist ebenfalls offensichtlich rechtswidrig, weil der Antragsgegner bei der in seinem Ermessen liegenden Entscheidung über die Auswahl der notwendigen Kontrollmaßnahmen das ihm eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt hat.

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Welchen Regelungsgehalt diese Anordnung haben soll, erschließt sich aus der Begründung des Bescheides. So wird auf Seite 3 ausgeführt, dass die Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Stadt A-Stadt befugt seien, Kontrollen durchzuführen und die notwendigen Feststellungen über die Befolgung der Corona-Bekämpfungsverordnung zu treffen. Als von der Kontrolle Betroffene habe die Antragstellerin den Zugang zum Betrieb zu ermöglichen oder zum Beispiel Einblick in Unterlagen zu gewähren. Die Antragstellerin bestreitet nicht die grundsätzliche Berechtigung zur Kontrolle auch durch die Stadt A-Stadt. Zu Meinungsverschiedenheiten ist es bei der letzten Kontrolle aber darüber bekommen, inwieweit die Antragstellerin gehalten ist, zur Kontrolle der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung Einsicht in die ärztlichen Verordnungen gegenüber der Stadt A-Stadt zu gewähren. Darauf zielt die Verfügung in Ziffer 4 im Wesentlichen.

Die Ermessenserwägungen des Antragsgegners dazu sind in wesentlicher Hinsicht unvollständig, so dass ein Fall des Ermessensfehlgebrauchs i.S.d. § 114 Satz 1 Alt. 2 VwGO vorliegt, der unabhängig von der Frage, ob die gewählte Rechtsfolge im Ergebnis auch auf der Grundlage vollständiger und fehlerfreier Ermessenserwägungen hätte angeordnet werden können, zur Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung führt. § 114 Satz 1 VwGO bestimmt, dass, soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, das Gericht auch prüft, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Zu der Kategorie des mit der 2. Alternative umschriebenen Ermessensfehlgebrauchs zählt auch der Fall, dass ein wesentlicher Gesichtspunkt von der Verwaltung übersehen wurde. Denn in eine Ermessensentscheidung sind zwar nicht alle, aber die wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalles einzubeziehen. Welche Gesichtspunkte wesentlich sind, hängt maßgeblich vom Einzelfall und der jeweiligen Ermessensnorm ab (vgl. dazu Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 29. Oktober 2020 – 6 B 2634/20 –, Rn. 29 – 32, juris).

Im vorliegenden Fall ist eine Auseinandersetzung mit der Verhältnismäßigkeit der Anordnung als wesentlicher Umstand zu qualifizieren. Der Antragsgegner hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Gewährung von Einsicht in Patientenunterlagen wie ärztliche Verordnungen der Antragstellerin grundsätzlich nach § 203 StGB untersagt ist. Nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis, dass ihm als Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehöriger eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, anvertraut oder sonst wie bekannt geworden ist, offenbart. Der Inhaber der Antragstellerin ist als Physiotherapeut grundsätzlich zur Verschwiegenheit der ihm bekannt gewordenen Patientendaten verpflichtet. Nach welcher Vorschrift der Inhaber der Antragstellerin zur Offenbarung befugt sein soll, wird in der Begründung der Anordnung des Antragsgegners nicht ausgeführt. Wenn jedoch von dem Inhaber der Antragstellerin ein grundsätzlich strafbares Verhalten verlangt wird, müsste der für die Ermessensentscheidung wesentliche Umstand des Vorliegens einer Befugnisnorm zur Offenbarung einschließlich des Vorliegens der Voraussetzungen dieser Norm dargelegt werden. Dies ist jedoch weder in der Begründung des Bescheides noch sonst durch den Antragsgegner dargestellt worden, sodass die Anordnung insoweit an einem Ermessensfehler leidet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz.

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