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Infektionsschutzgesetz – Weiterbetrieb von mobilen Verkaufsständen für frisch zubereitetes Grillgut

Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 1 B 28/20 – Beschluss vom 08.04.2020

Soweit das Verfahren hinsichtlich des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung erledigt ist, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag zu 1., mit welchem die Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 20. März 2020 begehrt hatten, hat sich durch Außerkrafttreten der Allgemeinverfügung, hinsichtlich derer die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet werden sollte, in der Sache erledigt.

Infektionsschutzgesetz - Weiterbetrieb von mobilen Verkaufsständen für frisch zubereitetes Grillgut
Symbolfoto: Von Zivica Kerkez /Shutterstock.com

Der Antragsgegner hat die Allgemeinverfügung vom 20. März 2020 zunächst mit Allgemeinverfügung vom 21. März 2020 aufgehoben und diese wiederum durch eine neue Allgemeinverfügung vom 23. März 2020 ersetzt. Die Allgemeinverfügung vom 23. März 2020 mit ihren Regelungen zur Schließung bestimmter Einrichtungen ist durch die Allgemeinverfügung vom 31. März 2020 aufgehoben worden. Bereits die Allgemeinverfügung vom 23. März 2020 enthielt im Gegensatz zu Ziffer 11 der Allgemeinverfügung vom 21. März 2020 keine Konkretisierung der in § 4 Abs. 2 Landesverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 als „ähnliche Einrichtungen“ bezeichneten Einrichtungen mehr. Auch die nach der zugrunde zu legenden aktuellen Sach-und Rechtslage geltende Allgemeinverfügung vom 1. April 2020 über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 auf dem Gebiet des Kreises Ostholstein enthält eine solche Regelung nicht mehr.

Maßgeblich für den von den Antragstellern begehrten Weiterbetrieb ihrer mobilen Verkaufsstände für frisch zubereitetes Grillgut ist allein die am 2. April 2020 verkündete Landesverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Schleswig-Holstein (SARS-Co-2-Bekämpfungsverordnung – SARS-Co-2-BekämpfV -), die am Tag nach ihrer Verkündung, mithin am 3. April 2020, in Kraft getreten ist.

Aus diesen Darlegungen folgt, dass der zunächst gestellte Antrag nach § 80 Abs.5 VwGO bereits bei Antragseingang am 24. März 2020 unzulässig war und die Antragsteller insoweit auch die Kosten des erledigten Teils zu tragen haben.

Die Anträge zu a) und b) sind – soweit sie sich auf Feststellungen zu Gunsten der Antragsteller hinsichtlich der SARS-Co-2-BekämpfV richten – als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig, jedoch nicht begründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Erforderlich ist danach zum einen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Notwendigkeit einer Eilentscheidung, und zum anderen ein Anordnungsanspruch, also ein rechtlicher Anspruch auf die begehrte Maßnahme. Dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht im einstweiligen Anordnungsverfahren grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragssteller nicht schon das zusprechen, was er – sofern ein Anspruch besteht – nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Dieser Grundsatz des Verbotes einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung gilt jedoch im Hinblick auf den durch Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gewährleisteten wirksamen Rechtschutz dann nicht, wenn die erwarteten Nachteile bei einem Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht.

Es besteht vorliegend im Hinblick auf eine mögliche Ordnungswidrigkeit des Verkaufsbetriebs der Antragsteller gemäß § 73 Absatz 1a Nr. 24 IfSG in Verbindung mit Ziffer 12 der SARS-Co-2-BekämpfV eine besondere Eilbedürftigkeit und das Abwarten einer rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren der Hauptsache ist für die Antragsteller nicht zumutbar.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt der Verweis auf ein im etwaigen Bußgeldverfahren zur Verfügung stehendes Rechtsmittel keinen ausreichenden effektiven Rechtsschutz dar. Einem Betroffenen sei es nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen auf der Anklagebank erleben zu müssen. Der Betroffene habe vielmehr ein schutzwürdig anzuerkennendes Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als fachspezifischere Rechtsschutzform einzuschlagen, insbesondere, wenn ein Ordnungswidrigkeitsverfahren oder Strafverfahren droht. Seien die Gerichte zur Sachprüfung verpflichtet, könnten sie sich auch einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren insoweit nicht entziehen (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2003 – 1 BvR 2129/02 – NVwZ 2003, 856). Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass sowohl ein Bedürfnis für eine gerichtliche Eilentscheidung vorliegt, als auch, dass einer gerichtlichen Eilentscheidung nicht der Grundsatz des Verbots einer Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache entgegensteht.

Der Antrag ist vorliegend auf die vorläufige Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gerichtet. Im Verfahren der Hauptsache wäre dazu die Feststellungsklage statthaft. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren einer der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 – 8 C 19.94 – BVerwGE 100, 262). Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1987 – 3 C 53.85 – BVerwGE 77, 207).

Vorliegend ist zwischen den Antragstellern und dem Antragsgegner als zuständiger Gesundheitsbehörde streitig, ob die SARS-Co-2-BekämpfV mit ihrem Verbotstatbestand auf die Antragsteller Anwendung findet. Die durch die Verordnung begründete Pflichtenbeziehung zwischen den Beteiligten hat sich durch den gegenteiligen Rechtsstandpunkt des Antragsgegners und die damit verbundene Behauptung der rechtlichen Unzulässigkeit des beabsichtigten Weiterbetriebs der mobilen Verkaufsstände zu einem Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet. Die Antragsteller haben auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Der von den Antragstellern geltend gemachte Anordnungsanspruch besteht nicht mit dem nach obigen Maßstäben erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit.

§ 6 Abs.1 der SARS-Co-2-BekämpfV bestimmt, dass sämtliche Verkaufs- und Warenausgabestellen des Einzelhandels einschließlich mobiler Verkaufs- und Warenausgabestellen zu schließen sind, sofern es sich nicht um Einzelhandelsbetriebe für Lebens- und Futtermittel, Wochenmärkte, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Banken und Sparkassen, Poststellen, Reinigungen, Waschsalons, Zeitungsverkauf, Bau-, Gartenbau- und Tierbedarfsmärkte, Lebensmittelausgabestellen (Tafeln) oder den Großhandel handelt. Im Falle von Mischsortimenten darf die Verkaufsstelle nur öffnen, wenn die erlaubten Sortimentsteile überwiegen; das Nebensortiment darf in diesem Fall weiter verkauft werden.

Bei den von den Antragstellern betriebenen mobilen Verkaufsständen für zubereitete Speisen (Grillgut) zum Verzehr handelt es sich nicht um Einzelhandelsbetriebe für Lebens- und Futtermittel.

Der Sammelbegriff Lebensmitteleinzelhandel (LEH) bezeichnet Handelsunternehmen im Einzelhandel mit einem Sortiment, das überwiegend aus Lebensmitteln besteht (institutionelle Sicht), sowie synonym auch die eigentliche Handelsaktivität, Lebensmittel an Endverbraucher zu vertreiben (funktionale Sicht).

Aus institutioneller Sicht zählen zu den wichtigsten Betriebsformen im stationären LEH die Vertriebsformate Supermarkt, Verbrauchermarkt und Discounter. Nicht zum Lebensmitteleinzelhandel im engeren Sinne gehören hingegen Versorgungsstätten wie Tankstellenshops, Bäckereien, Fleischereien, Direktvertriebe, Versender oder Abholgroßmärkte.

Die eigentliche, funktionale Handelsaktivität, Lebensmittel über verschiedene Absatzkanäle an Endverbraucher zu vertreiben, umfasst den Verkauf aller sogenannten Fast Moving Consumer Goods (FMCG). Deshalb werden auch einige, den Lebensmitteln nahestehende Güter, die sogenannten Near-Food-Produkte im Zusammenhang mit dem Lebensmitteleinzelhandel betrachtet. Neben allen Nahrungs- und Genussmitteln zählen somit auch Drogeriewaren wie Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel, Hygieneartikel oder Körperpflegemittel sowie gelegentlich auch Non-Food-Artikel (z. B. Kaffeefiltertüten) zu den relevanten Sortimenten und Umsätzen.

Als Konsequenz dessen fließen oftmals auch Drogeriemärkte in die Umsatz- und Warenstatistiken des LEH ein (https://de.wikipedia.org/wiki/Lebensmitteleinzelhandel).

Sowohl aus der funktionalen als auch aus der institutionellen Betrachtung lässt sich der Schluss ziehen, dass als Einzelhandelsbetriebe für Lebens-und Futtermittel (lediglich) diejenigen Betriebe anzusehen sind, deren Handelsaktivitäten im Handel mit einem breiteren Warensortiment verschiedener Verbrauchsgüter zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs bestehen. Der Verkauf bestimmter zubereiteter Speisen ist – auch wenn es sich dabei um Lebensmittel handelt – in diesem Sinn kein Einzelhandel mit Lebens-und Futtermitteln.

Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob der Betrieb eines mobilen Verkaufsstandes für zubereitete Speisen (Würstchenstand, fahrbare Grillstationen u. ä.) als Gaststätte nach § 1 Abs.1 GastG – Verabreichung von zubereiteten Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle im stehenden Gewerbe – oder als Gaststättenbetrieb im Reisegewerbe nach Abs. 2 einzuordnen ist (so Johlen/Oerder, MAH, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2017, § 14 – Gewerbe- und Gaststättenrecht, R. 147 ff). Denn der Verkauf von zubereiteten Speisen ist in beiden Fallkonstellationen nach der SARS-Co-2-BekämpfV nur noch in einem sehr eingeschränkten Umfang erlaubt.

Nach § 5 Abs. 1 SARS-Co-2-BekämpfV sind Gaststätten im Sinne des § 1 des Gaststättengesetzes zu schließen. Gemäß Abs. 2 dürfen Gaststätten und gastronomische Lieferdienste Leistungen im Rahmen eines Außerhausverkaufs von mitnahmefähigen Speisen für den täglichen Bedarf nach telefonischer oder elektronischer Bestellung erbringen, sofern Wartezeiten in der Regel nicht anfallen und ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den Wartenden sichergestellt ist.

Nicht ortsgebundene oder temporäre Angebote für den Außerhausverkauf von mitnahmefähigen Speisen sind ausnahmslos zu schließen. Das Nähere, insbesondere weitere Einschränkungen beim Außerhausverkauf, legt das für Gesundheit zuständige Ministerium fest. § 11 Absatz 1 gilt entsprechend. Dem für Gesundheit zuständigen Ministerium ist es danach erlaubt, eine Liste auf den Internetseiten der Landesregierung zu veröffentlichen, aus der die erlaubten Verkaufsstellen nach § 6 Abs. 1 und die erlaubten Dienstleistungs,-Behandlungs- und Handwerkstätigkeiten nach § 6 Abs. 2 festgelegt sind.

Zum danach erlaubten Außerhausverkauf durch Gaststättenbetriebe führt der Erlass aus:

„Das Virus wird über Tröpfcheninfektionen verbreitet. Ziel der Maßnahmen ist es, die Verbreitung des Virus so weit wie möglich zu unterbinden. Eine wirksame Vorkehrung ist an dieser Stelle, bestimmte Bereiche zu schließen, um so zum einen die Verweildauer zu senken, zum anderen einen engen Kontakt mit anderen Menschen auszuschließen.

Im Bereich Gastronomie bedeutet die Regelung in der praktischen Umsetzung, dass erst nach entsprechender Vorbestellung (telefonisch oder elektronisch) das bestellte Essen abgeholt werden kann.

In der Gastronomie sind die eigentlichen Räumlichkeiten geschlossen zu halten. Der Verkauf an der Theke ist nicht gestattet. Auch wartende Gäste in den Räumlichkeiten sind nicht erlaubt. Die Maßgabe ist, dass nach der Vorbestellung der Kunde gezielt zum Abholen kommt und ohne lange Wartezeiten das vorbestellte Essen abholt. Die Abholung erfolgt direkt an der Tür oder einer anderen Stelle, die zur unmittelbaren Übergabe geeignet ist. Vor der Tür ist sicher zu stellen, dass entsprechende Abstände eingehalten werden und sich keine Warteschlangen von Abholenden bilden. Hinweise zur Hygiene sind auszuhängen. Weitere Auflagen können vom Gesundheitsamt per Auflagenbescheid vorgegeben werden. Diese Regelung gilt auch für Döner-Läden, Imbisse aller Art und Eisdielen. Sogenannte „Schnellimbisse“, die über die Möglichkeit eines „Drive-in“ verfügen, dürfen nur ausschließlich über diesen Schalter die Speisen und Getränke abgeben. Gastronomische Angebote, die dies nicht erfüllen können, sind geschlossen zu halten. Nicht ortsgebundene oder temporäre Angebote für den Außerhausverkauf von mitnahmefähigen Speisen sind ausnahmslos zu schließen.“

Hieraus folgt, dass der von den Antragstellern betriebene Verkauf für zubereitetes Grillgut an mobilen Verkaufsstellen unter das Betriebsverbot nach § 5 SARS-Co-2-BekämpfV fällt und kein zulässiger Außerhausverkauf vorliegt.

Diese Regelungen der SARS-Co-2-BekämpfV sind auch, soweit die Antragsteller hiervon betroffen sind, nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nicht als rechtswidrig, weil unverhältnismäßig oder gleichheitswidrig, anzusehen.

Es gehört zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die Gültigkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu überprüfen, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt (BVerwG 4. Senat, Beschluss vom 24. Oktober 2018, Az. 4 B 15/18, juris Rn. 14 unter Hinweis auf: BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 – 11 C 13.99 – BVerwGE 111, 276 <278>; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1984 – 1 BvR 1249/83 u.a. – BVerfGE 68, 319 <325 f.>).

Zwar mag es streitig sein, ob die Verwaltung selbst Normen – darunter auch Rechtsverordnungen – verwerfen darf (vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 20 Rn. 40; Wehr, Inzidente Normverwerfung durch die Exekutive, 1998, S. 94 ff.). Jedoch kann es jedenfalls den Gerichten nicht verwehrt sein, eine Rechtsverordnung inzident zu verwerfen (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 10.12.2009, 1 BvR 3151/07, juris, Rn. 79).

Die SARS-Co-2-BekämpfV findet ihre Rechtsgrundlage in der Vorschrift des § 32 Abs.1 iVm § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG in der Fassung des Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587), insoweit am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft getreten.

Nach § 32 IfSG werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen.

Nach § 28 Abs.1 IfSG trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29-31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten (Satz 1). Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen (Satz 2). Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden (Satz 3). Die Grundrechte der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt (Satz 4).

Es handelt sich bei der Bestimmung des § 28 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz IfSG n. F. um eine Generalklausel, die die zuständigen Behörden zum Handeln verpflichtet (sog. gebundene Entscheidung). Nur hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen, – „wie“ des Eingreifens – ist der Behörde Ermessen eingeräumt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 GG entbindet die Behörde zwar auch im Anwendungsbereich des Infektionsschutzgesetzes nicht generell von der Verpflichtung, ihre Tätigkeit am Gleichheitssatz auszurichten. Dies erlaubt der Behörde jedoch nicht, von als notwendig erkannten Bekämpfungsmaßnahmen abzusehen. Die Behörde muss ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermessensermächtigung im Interesse des effektiven Schutzes des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausüben.

Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der verfügten Beschränkungen ist der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Dafür sprechen das Ziel des Infektionsschutzgesetzes, eine effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen (§ 1 Abs. 1, § 28 Abs. 1 IfSG), sowie der Umstand, dass die betroffenen Krankheiten nach ihrem Ansteckungsrisiko und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen unterschiedlich gefährlich sind. Es erscheint sachgerecht, einen am Gefährdungsgrad der jeweiligen Erkrankung orientierten, „flexiblen“ Maßstab für die hinreichende (einfache) Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen (VG Bayreuth, Beschluss vom 11. März 2020 – B 7 S 20.223 –, Rn. 44 – 45, juris). Sind Schutzmaßnahmen erforderlich, so können diese grundsätzlich nicht nur gegen die in Satz 1 genannten Personen, also gegen Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider getroffen werden, sondern – soweit erforderlich – auch gegenüber anderen Personen (Bales/Baumann/Schnitzler, Infektionsschutzgesetz, Kommentar, 2. Aufl. § 28 Rn. 3). Es bestehen keine Zweifel daran, dass es sich bei der Infektion mit dem SARS-CoV-2, der zur Lungenkrankheit Covid-19 führen kann, um eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG handelt, so dass der Anwendungsbereich des 5. Abschnitts des Infektionsschutzgesetzes, der sich mit der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten befasst, eröffnet ist (vgl. hierzu den Steckbrief des RKI zur Coronavirus-Krankheit:

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/ nCoV_node.html).

Das Coronavirus ist eine übertragbare Krankheit, die bereits landesweit aufgetreten und dadurch gekennzeichnet ist, dass sie sehr leicht übertragbar ist und sich dadurch sehr schnell ausbreitet. Das Robert Koch-Institut, das bei der Vorbeugung übertragbarer Krankheiten und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen eine besondere Sachkunde aufweist (§ 4 IfSG), schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit insgesamt als hoch ein. Es handelt sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernstzunehmende Situation. Bei einem Teil der Fälle sind die Krankheitsverläufe schwer, auch tödliche Krankheitsverläufe kommen vor. Nach Darstellung des Robert Koch-Instituts ist die Erkrankung sehr infektiös. Da weder eine spezifische Therapie noch eine Impfung zur Verfügung stünden, müssten alle Maßnahmen darauf gerichtet sein, die Verbreitung der Erkrankung in Deutschland und weltweit so gut wie möglich zu verlangsamen (Epidemiologisches Bulletin 12/2020: COVID-19: Verbreitung verlangsamen, S. 3, veröffentlicht unter www.rki.de). Zentral dabei seien bevölkerungsbasierte kontaktreduzierende Maßnahmen, wie die Absage von Großveranstaltungen sowie von Veranstaltungen in geschlossenen Räumlichkeiten, bei denen ein Abstand von 1 – 2 Metern nicht gewährleistet werden könne. Bei vergangenen Pandemien habe gezeigt werden können, dass bevölkerungsbasierte Maßnahmen zur Kontaktreduzierung durch Schaffung sozialer Distanz besonders wirksam seien, wenn sie in einem möglichst frühen Stadium der Ausbreitung des Erregers in der Bevölkerung eingesetzt würden (ebd., S. 5). Es seien von jetzt an und in den nächsten Wochen maximale Anstrengungen erforderlich, um die Epidemie in Deutschland zu verlangsamen, abzuflachen und letztlich die Zahl der Hospitalisierungen, intensivpflichtigen Patienten und Todesfälle zu minimieren (dies., Modellierung von Beispielszenarien der SARS-CoV-2-Epidemie 2020 in Deutschland vom 20.03.2020, vorletzte Seite). Die massiven Anstrengungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, dem insbesondere die möglichst frühzeitige Identifizierung von Kontaktpersonen und deren Management obliegt, sollten nach Ansicht der Robert Koch-Instituts durch gesamtgesellschaftliche Anstrengungen wie die Reduzierung von sozialen Kontakten mit dem Ziel der Vermeidung von Infektionen im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich sowie eine Reduzierung der Reisetätigkeit ergänzt werden (vgl. VG Bremen, Beschluss vom 26. März 2020 – 5 V 553/20 –, Rn. 37, juris). Mit den deutschlandweit auftretenden Fällen einer Infektion sind an einer übertragbaren Krankheit (§ 2 Nr. 3, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. h IfSG) erkrankte Personen und damit Kranke im Sinne von § 2 Nr. 4 IfSG festgestellt worden (vgl. VG Bremen, Beschluss vom 26. März 2020 – 5 V 553/20 –, Rn. 36, juris).

Die hier streitigen Regelungen der Landesverordnung, die zwar einen gravierenden Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen – hier jedenfalls in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Gewerbefreiheit – darstellen, sind indes angesichts der bestehenden gesundheitlichen Gefahrenlage für die gesamte Bevölkerung jedenfalls für einen temporären Zeitraum geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um einer weiteren exponentiellen Ausbreitung des SARS-CoV-2 entgegenzuwirken.

Der Verkauf von zubereiteten Speisen aus mobilen Verkaufsständen (typischerweise vor Supermärkten oder sonstigen Orten mit größerer Laufkundschaft) ist geeignet, unerwünschte Kontakte hervorzurufen. Kennzeichen solcher mobilen Verkaufsstände ist es gerade, dass ein Kaufanreiz nicht geplant ist, sondern spontan entsteht, etwa wenn sich die beim Einkauf befindlichen Kunden vor oder nach einem Einkauf zur Mitnahme der Speisen entschließen. Hauptziel der potentiellen Kunden der Antragsteller ist in der Regel nicht das Aufsuchen der mobilen Grillstände, sondern das Ladengeschäft, vor dem sich der mobile Stand befindet.

Das generelle Verbot des Betriebs solcher nicht ortsgebundenen oder temporären Angebote für den Außerhausverkauf von mitnahmefähigen Speisen ist grundsätzlich geeignet, Ansammlungen von Personen bei der Wartezeit nach der Bestellung der Speisen und ggf. auch beim Verzehr vor Ort entgegenzuwirken. Es ist nach der Beschaffenheit der Verkaufsstellen und eines typischen Ablaufs des Kaufes der Speisen – eben anders als in geschlossenen Gastronomiebetrieben beim Außerhausverkauf nach telefonischer/elektronischer Vorbestellung – grundsätzlich damit zu rechnen, dass sich auch mehrere Kunden gleichzeitig in unmittelbarer Nähe des mobilen Verkaufsstandes beim Warten auf die zuvor bestellten Speisen aufhalten; ein Entfernen nach telefonischer Bestellung etwa vom Handy aus von der unmittelbaren Umgebung wird angesichts der Kürze der Zubereitungszeit in der Regel nicht erfolgen. Zu erwarten steht auch, dass sich die (spontan) zum Kauf entschlossenen Kunden nicht erst der Mühe unterziehen, sich von dem Verkaufsstand, an welchem sich eine Rufnummer für telefonische Bestellungen befindet, wieder zu entfernen, um eine Bestellung per Mobiltelefon aufzugeben, sondern dass eine Bestellung direkt am Verkaufstresen erfolgt.

Dieser Gefahrenlage durfte der Landesverordnungsgeber auch durch ein pauschales Verbot der nicht ortsgebundenen Verkaufsstellen für zubereitete Speisen Rechnung tragen, da – anders als zum Beispiel der Verkauf von Lebensmitteln auf weiterhin zulässigen Wochenmärken – eine Kontrolle der Verkaufsumstände (Abstandsregelungen, Vermeidung von Wartezeiten etc.) in jedem Einzelfall angesichts der Vielzahl solcher mobiler Verkaufsstände an diversen Standorten wohl kaum personell und organisatorisch leistbar ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 iVm § 52 Abs. 2 GKG festgesetzt.

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