LG Berlin, Az.: 63 S 319/09, Urteil vom 06.07.2010
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.5.2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 113 C 35/09 – abgeändert und neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 853,86 Euro als Kaution durch Verpfändung eines Kontoguthabens bei einer bundesdeutschen Sparkasse oder Bank bzw. einem ausländischen Kreditinstituts eines EU-Mitgliedstaates zu erbringen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Beklagte ist aufgrund Mietvertrages vom 20.6.2000 Mieter einer Wohnung der Klägerin, die seit dem 11.3.2008 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen ist. Gemäß einer Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 20.6.2000 hat der Beklagte eine Kaution in Höhe von 1.670 DM durch Verpfändung eines Sparbuchs an die vormalige Vermieterin geleistet. Gemäß dem Kaufvertrag mit dem Voreigentümer sollte die Kaution bei Zustimmung des Beklagten auf die Klägerin übertragen werden; der Beklagte hat keine Zustimmung erteilt. Mit Schreiben vom 24.6.2008 hat die Hausverwaltung der Voreigentümern die Freigabe der Kaution erklärt.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Zahlung der Kaution und wendet sich mit der Berufung gegen die Abweisung der Klage.
Sie meint, der Kautionsanspruch sei durch den Erwerb auf sie übergegangen und wegen der unberechtigten Freigabe durch die Voreigentümer nicht erloschen; der Beklagte sei zur Herausgabe der vom Nichtberechtigten Erlangten verpflichtet. Zudem habe der Beklagte mit seiner e-mail vom 28.8.2008 anerkannt, die Kaution zu schulden.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Mitte vom 25.5.2009 zu verurteilen, an die Klägerin 853,86 Euro als Kaution durch Verpfändung eines Kontoguthabens bei einer bundesdeutschen Sparkasse oder Bank bzw. einem ausländischen Kreditinstituts eines EU-Mitgliedstaates zu erbringen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, der Kautionsanspruch sei durch Erfüllung erloschen und durch die freiwillige Auskehr an ihn nicht wieder aufgelebt. Der Wohnungsmieter sei im Falle des Eigentümerwechsel nach Mietbeginn weder zu einer neuerlichen Leistung der Kaution noch zu irgendeiner Mitwirkung dahin verpflichtet, dass diese an die Neueigentümerin übertragen werde; im Gegenteil laufe der Mieter Gefahr, seine Ansprüche auf Auszahlung der Kaution gegen den Alteigentümer zu verlieren, wenn er der Übertragung zustimme. Schließlich sei ein etwaiger Kautionsanspruch auch verjährt.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus der Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag Anspruch auf Leistung einer Kaution, §§ 535, 551 BGB.
Gemäß § 566a BGB gehen die Rechte und Pflichten hinsichtlich der Kaution auf den Erwerber über; der Erwerber hat gegen den Voreigentümer Anspruch auf Übertragung der Kaution.
Grundsätzlich besteht keine Pflicht des Mieters, die Kaution an den Erwerber zu leisten, soweit dieser bereits an den Voreigentümer geleistet hat. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte zu Gunsten des Alteigentümers ein Sparbuch verpfändet. Dennoch ist der Anspruch der Klägerin als neuer Eigentümerin nicht durch Erfüllung (§ 362 BGB) erloschen, weil die Kaution nicht mehr vorhanden ist. Dem steht nicht entgegen, dass die Kaution nicht für Forderungen aus dem Mietverhältnis verbraucht worden, sondern von der Voreigentümerin an den Beklagten ausgezahlt worden ist. Darin ist kein vermieterseitiger Verzicht auf die Kaution zu sehen, weil die Freigabe nur erfolgte, nachdem der Beklagte der Übertragung der Mietsicherheit auf die Klägerin trotz entsprechender Aufforderung nicht zugestimmt hatte, obwohl er zur Mitwirkung verpflichtet war. Eine Pflicht zur Mitwirkung an der Übertragung wäre bei einer Barkaution oder Bürgschaft nicht notwendig und daher nicht zu verlangen, weil diese Sicherheiten mit dem Eigentumserwerb von Gesetzes wegen übergehen, ohne dass es eines zusätzlichen Übertragungsaktes bedürfte. Auch die Rechte aus der Verpfändung des Sparbuchs sowie das Eigentum am Sparbuch gehen zwar ohne weiteres auf den Erwerber über. Allerdings ist die nicht am Mietverhältnis beteiligte Bank, der gegenüber der Beklagte die Verpfändungserklärung nur zu Gunsten der Voreigentümerin abgegeben hat, nicht ohne Zustimmung des verpfändenden Beklagten zur Auszahlung des Sparguthabens an die Klägerin als neue Eigentümerin verpflichtet. Damit verbleibt für die Klägerin das Risiko, zu gegebener Zeit nicht ohne die Mitwirkung des Beklagten auf die Mietsicherheit zugreifen zu können, auch wenn sie das Sparbuch in Besitz hat.
Nach alledem fällt es zwar nicht in die Verantwortung des Mieters, ob der Alteigentümer seiner Pflicht zur Übertragung der Kaution an den Erwerber nachkommt. Soweit die Übertragung einer persönlich für den Alteigentümer bestellten Sicherheit aber faktisch nur mit einer Mitwirkungshandlung zu bewirken ist, ist der Mieter nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehalten, diese Mitwirkung – hier in Form der Zustimmungserklärung – zu erbringen. Es ist treuwidrig, wenn der Beklagte sich einerseits darauf beruft, dass die Erfüllung des Kautionsanspruchs auch gegenüber dem Erwerber wirke und die freiwillige Auszahlung durch den Alteigentümer nicht zu einem Wiederaufleben geführt habe, wenn er andererseits die notwendige Mitwirkung an der Übertragung verweigert. Dient diese Mitwirkung nur der praktischen Durchführung der Übertragung des Kautionsguthabens, wäre einer entsprechenden Erklärung auch keine Entlassung des Alteigentümers aus seinen gesetzlichen Pflichten nach § 556a BGB beizumessen, wie der Beklagte befürchtet.
Der Anspruch der Klägerin auf Wiederauffüllung der Kaution ergibt sich ferner aus § 240 BGB (Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Auflage, Kap. III, RN 187; Grothe in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage, § 240 RN 1). Danach ist der Beklagte zur Beibringung einer neuen Mietsicherheit verpflichtet, weil die von ihm geleistete Sicherheit ohne Verschulden der Klägerin unzureichend geworden ist. Zweifelsohne ist die Kaution nach der Freigabe des verpfändeten Sparbuchs durch die Voreigentümerin am 24.6.2008 entfallen und damit nach Eintritt der Klägerin in das Mietverhältnis durch Eintragung im Grundbuch unzureichend geworden.
Der Wegfall der Kaution durch die Voreigentümerin beruht nicht auf einem Verschulden der Klägerin. In dem zwischen der Klägerin und der Voreigentümerin geschlossenen Kaufvertrag ist geregelt, dass die Kaution freigegeben werden darf, wenn der Beklagte der Übertragung nicht zustimmt. Wie bereits ausgeführt, war der Beklagte gegenüber der Klägerin auch verpflichtet, an der Übertragung durch Zustimmung mitzuwirken. Dem Umstand, dass die Übertragung der verpfändeten Sicherheit ohne seine Zustimmung nicht gesichert war, wurde im Kaufvertrag durch die Freigabebefugnis der Voreigentümerin Rechnung getragen. Soweit die Klägerin für den Fall der verweigerten Zustimmung im Kaufvertrag mit der Freigabe durch den Voreigentümer einverstanden war und die Kaution freigegeben worden ist, liegt darin kein Verschulden der Klägerin im Verhältnis zum Beklagten, weil dessen pflichtwidrige Zustimmungsverweigerung Anlass zur Freigabe war.
Der Verjährungseinwand des Beklagten greift nicht durch. Grundsätzlich verjährt der vertraglich vereinbarte Anspruch auf Leistung der Mietsicherheit in drei Jahren nach Entstehen, § 195 BGB. Nachdem der Anspruch zu Mietbeginn erfüllt worden war, ist er durch die Freigabe der Kaution am 24.6.2008 zu Gunsten der Klägerin, die in alle Rechte aus dem Mietverhältnis durch Erwerb gemäß § 566 BGB eingetreten ist, wieder neu entstanden. Soweit die Klägerin ihren Anspruch auf Übertragung der Kaution wegen der pflichtwidrigen Verweigerung der Mitwirkung seitens des Beklagten nicht durchsetzen konnte, ist ein neuer Anspruch auf Gewährung der vereinbarten Sicherheit entstanden. Die Verjährung hat damit erst mit Ablauf des Jahres 2008 zu laufen begonnen; die Forderung ist nicht verjährt.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Frage, ob ein Mieter verpflichtet ist, bei der Übertragung einer durch Verpfändung einer Forderung geleisteten Kaution an den Erwerber einer Mietwohnung mitzuwirken, von grundsätzlicher Bedeutung ist und obergerichtlich noch nicht entschieden wurde.