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Körper- oder Gesundheitsverletzungen – Pflicht zur ärztlichen Heilbehandlung

OLG Stuttgart – Az.: 13 U 13/16 – Urteil vom 02.06.2016

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 21.12.2015 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Vollstreckung kann abgewendet werden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet wird.

Streitwert der Berufung: 46.000,00 €

Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen weiteren Schmerzensgeldbetrag zu bezahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch weitere 36.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.01.2011,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 572,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.08.2011 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Urteil des Landgerichts ist aus den vom Landgericht zutreffend dargelegten Gründen richtig. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

1.

Dem Kläger steht ein weiteres Schmerzensgeld nicht zu. Das sich aus der freiwilligen Zahlung der Beklagten in Höhe von 1.500,00 € und den vom Landgericht weiter zugesprochenen 12.500,00 € ergebende Schmerzensgeld von 14.000,00 € ist aus den vom Landgericht zutreffend dargelegten Gründen, auf die in vollem Umfang verwiesen werden kann, angemessen und zur Abgeltung des immateriellen Schadens, den der Kläger unfallbedingt erlitt, ausreichend.

a)

Das Landgericht berücksichtigte alle relevanten Umstände. Aus S. 17 des Urteils ergibt sich, dass das Landgericht auf die erlittenen Verletzungen abstellte, wie sie durch die eingeholten Gutachten feststellbar waren. Aus S. 18 des Urteils ergibt sich, dass das Landgericht richtig feststellte, dass der Kläger bei dem Unfall nicht nur leicht verletzt wurde und dass er für einen längeren Zeitraum nach dem Unfall erhebliche Schmerzen hatte. Weiter ergibt sich aus S. 18 des Urteils, dass das Landgericht die verbleibenden Narben und die ebenfalls verbleibende Belastungsminderung durch den Knieschaden berücksichtigte. Aus S. 20 des Urteils ergibt sich, dass das Landgericht berücksichtigte, dass die Verwicklung des Klägers in den schweren Unfall, bei dem seine Gegnerin ums Leben kam, für ihn ein gravierendes Erlebnis war. Ebenso berücksichtigte das Landgericht die lange anhaltende Arbeitsunfähigkeit. Schließlich berücksichtigte das Landgericht ein schleppendes Regulierungsverhalten der Beklagten in Bezug auf den Verdienstausfall.

b)

Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, ein höheres Schmerzensgeld sei gerechtfertigt, weil das Landgericht nicht beachtet habe, dass sich im Körper des Klägers noch Glassplitter befänden, die operativ entfernt werden müssten. Dies wird zwar unter Gutachtensbeweisantritt behauptet, allerdings ohne jedwede Begründung, sodass nicht erkennbar ist, weshalb der Kläger hiervon ausgeht.

Ebenso wenig ergibt sich, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, solches aus den eingeholten Gutachten. Prof. Dr. G. wies in seinem Gutachten vielmehr darauf hin (und dies unter ausdrücklicher Erwähnung der Beweisbehauptung, die vollständige Entfernung der Glaspartikel sei immer noch nicht gelungen und der Kläger leide noch unter Rückenschmerzen), dass die Weichteilverletzungen zum Untersuchungszeitpunkt am 03.02.2012 vollständig abgeheilt waren (S. 9, Bl. 273) und unfallbedingte Rückenschmerzen auch im Hinblick auf die Weichteilverletzungen maximal 2 Jahre vom Unfallzeitpunkt an andauern könnten (S. 10, Bl. 274). Anlässlich seiner Anhörung im Termin vom 12.05.2014 bestätigte Prof. Dr. G. nochmals ausdrücklich, dass die Rückenschmerzen maximal 2 Jahre ab dem Unfallgeschehen auf diesem beruhen können (S. 4 und 5 des Protokolls, Bl. 412 f.).

c)

Ebenfalls ohne Erfolg macht die Berufung geltend, ein höheres Schmerzensgeld sei gerechtfertigt, weil der Kläger eine Rippenserienfraktur erlitten habe. Prof. Dr. G. verkenne, dass der Kläger ausweislich des Arztberichts des Klinikums vom 23.06.2010 (K 21, Bl. 77) eine Lungenkontusion erlitten habe und für die Mehrzahl der Patienten mit einer solchen ein stumpfes Thoraxtrauma bzw. eine Rippenserienfraktur feststellbar sei. Zudem spreche Prof. Dr. G. auf S. 10 seines schriftlichen Gutachtens (Bl. 274) davon, dass Rippenserienfraktur und Lungenkontusion vollständig ausgeheilt seien.

Körper- oder Gesundheitsverletzungen – Pflicht zur ärztlichen Heilbehandlung
(Symbolfoto: DC Studio/Shutterstock.com)

Letzteres trifft zwar zu, doch dürfte insoweit ein Versehen vorliegen. Belegt ist lediglich der Bruch der 3. Rippe rechts, der unstreitig folgenlos abheilte. Prof. Dr. G. wies anlässlich seiner mündlichen Anhörung im Termin vom 12.05.2014 überzeugend darauf hin, dass eine Rippenserienfraktur stets mit einer schweren Störung der Atemfunktion und einer nachfolgenden Verschattung der Lunge einhergehe. Nachdem ausweislich des Berichts des Klinikums vom 23.06.2010 (K 21, Bl. 77) während der Zeit auf der Intensivstation ein Thorax-CT gefertigt worden und keine Rippenserienfraktur beschrieben sei, könne sie nicht vorgelegen haben, da man sie nicht hätte übersehen können. Zudem spreche der klinische Verlauf für den Erstbefund, wonach lediglich die 3. Rippe rechts gebrochen war (S. 3 und 4 des Protokolls, Bl. 411 f.). Es kommt – angesichts der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. G. allerdings nicht entscheidend – hinzu, worauf die Beklagte hinweist, dass ausweislich des Berichts des Klinikums vom 23.06.2012 (K 21, Bl. 77 R) lediglich der Verdacht auf („V.a.“) eine Lungenkontusion vorlag und nach dem eigenen Vortrag des Klägers nur in der Mehrzahl der Fälle einer Lungenkontusion auch eine Rippenserienfraktur vorliegt und nicht in allen.

Gänzlich unerheblich ist der Verweis des Klägers darauf, dass er aus 2 m Höhe abgestürzt sei. Das ist kein ausreichender Nachweis für die behauptete Rippenserienfraktur.

d)

Ebenfalls ohne Erfolg macht die Berufung geltend, ein höheres Schmerzensgeld sei gerechtfertigt, weil der Kläger durch den Dauerschaden an seinem linken Knie nicht nur minimal beeinträchtigt sei, da er Lkw-Fahrer sei und das linke Bein beim Einsteigen im Einbeinstand belastet werde.

Festzuhalten ist zunächst, dass sich aus dem Berufungsvorbringen keine Unrichtigkeit der landgerichtlichen Feststellung auf der Grundlage der Ausführungen von Prof. Dr. G. ergibt, dass der verbliebene Schaden am linken Knie nur zu einer minimalen Belastungsminderung führt, weil es Probleme nur im Einbeinstand bei gleichzeitiger Drehbewegung und bei einer Abwinkelung des Knies über 130 Grad hinaus gibt. Weiter ist festzuhalten, dass der Kläger jetzt nicht mehr als Lkw-Fahrer, sondern als Tankstellenshopbetreiber tätig ist. Unabhängig davon hat er nicht konkret dargelegt, dass es beim Einsteigen in einen Lkw außer dem Einbeinstand zu einer Drehbewegung kommt. Nachvollziehbar insoweit ist lediglich eine Seitwärtsbewegung. Unerheblich ist daher, dass die Beklagte wenig überzeugend meint, der Kläger solle sich umgewöhnen und mit dem anderen Bein einsteigen.

e)

Ebenfalls ohne Erfolg macht die Berufung geltend, ein höheres Schmerzensgeld sei gerechtfertigt, weil das Landgericht die anhaltenden Schmerzen aufgrund der Narbenbildung im Rücken, die immer noch aufs Bein ausstrahlten, nicht berücksichtigt habe.

Der Sachverständige Dr. B. hielt jetzt noch andauernde Schmerzen im Bereich der Narben zwar für möglich, während sonstige Schmerzen im Bereich des Rückens und der Beine, wie sich aus den Ausführungen von Prof. Dr. G. ergibt, nicht mehr unfallbedingt sein können, weil Schmerzen infolge der Weichteilverletzungen und der Prellung der Lendenwirbelsäule spätestens 2 Jahre nach dem Unfall abgeklungen waren und spätere Schmerzen ausschließlich auf der Vorschädigung der Wirbelsäule beruhen. Ebenso erklärte Dr. B. in der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2014 ausweislich S. 5 des Protokolls (Bl. 413), dass ein in die Beine ausstrahlender Schmerz von Schädigungen der Nervenwurzeln herrühre und bei der Untersuchung des Klägers am 04.09.2012 nicht feststellbar gewesen sei. Ausgegangen werden kann aufgrund der Feststellungen von Dr. B. von anhaltenden Schmerzen im unteren Rücken aufgrund der Narbenbildung, die auf der Erholung der Nerven beruhen und deshalb erst im Laufe der Zeit auftraten (S. 5 des Protokolls vom 12.05.2014, Bl. 413), weshalb es entgegen der Ansicht der Beklagten gerade nicht gegen den Kläger spricht, dass er diese Schmerzen anfänglich nicht berichtete.

Doch rechtfertigen diese verbleibenden Schmerzen, bezüglich der nach der Darstellung von Dr. B. keine Änderung mehr zu erwarten ist (S. 6 des Protokolls, Bl. 414), kein höheres Schmerzensgeld. Zum einen hat der Kläger, wie sich aus seinen Bekundungen im Termin vom 12.05.2014 ergibt (S. 6 des Protokolls, Bl. 414), gelernt, mit den Schmerzen umzugehen, indem er Druck auf den Rücken vermeidet und beispielsweise in Seitenlage schläft, was bedeutet, dass die Schmerzen seltener auftreten und ihn weniger beeinträchtigen. Zum anderen stellte das Landgericht zu Recht darauf ab, dass die Schmerzen therapierbar wären, der Kläger sich aber ohne wirklichen Grund auf eine Therapie nicht einlassen möchte.

aa)

Dr. B. erklärte im Termin vom 12.05.2014 ausdrücklich (S. 6 des Protokolls, Bl. 414), eine medikamentöse Schmerztherapie sei beim Kläger angezeigt und führe bei der Mehrheit der Patienten zu einer deutlichen Besserung, die dadurch erreicht werde, dass die Empfindlichkeit der Nerven gesenkt werde. Besondere Risiken habe die Therapie nicht. Die Therapie mit dem Medikament Lyrica sollte zwar etwa ein halbes Jahr lang zwecks richtiger Einstellung erprobt werden. Das Medikament mache aber nur in der Anfangszeit sehr müde. Sei es richtig eingestellt, seien solche Nebenwirkungen nicht mehr zu erwarten.

Ausdrücklich erklärte Dr. B. auch, dass die Arbeitsfähigkeit bei hinreichender Schmerztherapie hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder unmittelbar hergestellt werden können und dass man bei Einnahme der Medikamente auch ein Kraftfahrzeug führen dürfe (S. 7 des Protokolls, Bl. 415).

(1)

Vor diesem Hintergrund macht der Kläger ohne Erfolg geltend, er sei in den Krankenhäusern in E. und E. unzureichend behandelt worden. Zwar erklärte Dr. B., es sei eine unzureichende Behandlung erfolgt (S. 6, Bl. 414). Gleichzeitig wies Dr. B. aber darauf hin, dass der Kläger die Therapie abgebrochen habe, woraus sich ergibt, dass er nicht falsch behandelt wurde, sondern sich nicht mehr behandeln lassen wollte.

(2)

Zu Unrecht macht die Berufung auch geltend, der Kläger lasse sich wegen der Schmerzen in den Praxen Dr. G. und Dr. N. behandeln.

Dr. G. berichtet in seinem Arztbrief vom 15.11.2010 (K 20, Bl. 76) nur, der Kläger habe das Medikament Lyrica nicht vertragen, weshalb auf Amitriptylin umgestellt worden sei. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die vom Sachverständigen Dr. B. beschriebene halbjährige Einstellung durchgeführt wurde.

Dem Bericht der Praxis Dr. N. vom 21.10.2010 (K 26, Bl. 84), von dem nur S. 1 vorliegt, ist nichts zu einer medikamentösen Behandlung zu entnehmen. Dem Bericht von Dr. F. vom 25.10.2010 (K 25, Bl. 83) ist lediglich zu entnehmen, dass Amitriptylin abends deutlich müde mache und der Schmerz leichter sei. Diesen Berichten ist also ebenfalls keine regelgerechte Schmerztherapie zu entnehmen.

Dem Gutachten von Dr. F. vom 28.03.2011 (K 27, Bl. 85) ist weder etwas zur Medikation des Klägers noch zu einer Schmerztherapie zu entnehmen.

Der Kläger erklärte zudem anlässlich seiner Untersuchung am 04.09.2012 gegenüber Dr. B. ausweislich S. 30 des Gutachtens (Bl. 361), nur unregelmäßig Medikamente einzunehmen.

(3)

Ebenfalls ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die Schmerztherapie mit Lyrica oder anderen Medikamenten könne ihm nicht helfen. Dr. B. erklärte ausdrücklich, die Therapie könne trotz des Abbruchs jederzeit wieder aufgenommen werden (S. 6, Bl. 414). Im Übrigen verkennt der Kläger, dass sich ein Erfolg bislang deswegen nicht einstellte, weil er sich nicht lege artis gegen die Schmerzen behandeln ließ, sondern die Therapie abbrach und sich jetzt quasi selbst nach Bedarf behandelt. Der Kläger erklärte in der mündlichen Verhandlung, bei mehreren Tage andauernden Schmerzen verschiedene Mittel zu nehmen (S. 6, Bl. 414).

(4)

Schließlich macht die Berufung ohne Erfolg geltend, das Landgericht habe es versäumt, das beantragte Gutachten zur Behauptung des Klägers, bei der Einnahme von Lyrica dürfe ein Lkw nicht geführt werden, einzuholen. Der Sachverständige Dr. B. äußerte sich insoweit. Demnach ist davon auszugehen, dass es kein generelles Fahrverbot bei der Einnahme dieses Medikaments gibt. Selbstverständlich kann der Kläger sich nicht ans Steuer setzen, wenn er sich zu müde fühlt. Dies darf er aber unabhängig von der Einnahme eines Medikaments nicht und auch nicht, wenn er aus anderen Gründen nicht fahrtüchtig ist. Vor diesem Hintergrund mag es sein, dass der Kläger hätte zeitweilig einen Lkw nicht führen dürfen, wenn er sich hätte therapieren lassen. Nachdem Dr. B. aber erklärte, dass die Müdigkeitserscheinungen nach der Eingewöhnung etwa nach einem halben Jahr nicht mehr auftreten, kann nicht von einem generellen „Fahrverbot“ bei der Medikamenteneinnahme ausgegangen und daraus nicht die Unmöglichkeit einer Schmerztherapie abgeleitet werden, zumal der Kläger jetzt nicht mehr als Lkw-Fahrer, sondern als Tankstellenshopbetreiber tätig ist. Insbesondere seit er nicht mehr Lkws fährt, gibt es also keinen wirklich triftigen Grund, die Therapie nicht zu versuchen.

bb)

Die Entscheidung des Landgerichts, den Kläger auf seine Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB) zu verweisen und ihm das Schmerzensgeld unter Hinweis darauf, dass er sich einer medikamentösen Therapie unterziehen könnte, zu kürzen bzw. nicht für die jetzt noch bestehende Schmerzsymptomatik zu gewähren oder zu erhöhen, ist nicht zu beanstanden.

(1)

Bei Körper- oder Gesundheitsverletzungen spielt die Obliegenheit eine große Rolle, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nur bei ganz geringfügigen Verletzungen kann der Geschädigte von der Behandlung absehen. Eine Formulierung des RG (RGZ 60, 147, 149 f.) lautet, der Verletzte müsse „alle nach dem jetzigen Stand der medizinischen Wissenschaft sich bietenden Mittel“ anwenden; er müsse das veranlassen, was „bei gleicher Gesundheitsstörung ein verständiger Mensch tun würde“, der keinen Ersatzanspruch gegen einen Dritten hat. Dazu soll sogar die Pflicht zur Behandlung in einer geschlossenen Anstalt gehören. Der psychische „Eingriff“ durch eine solche Behandlung ist jedoch kaum geringer als der körperliche Eingriff bei einer Operation. Daher dürfen die Grenzen der Zumutbarkeit hier nicht weiter gezogen werden als dort (als unzumutbar beurteilt mit Recht OLG Hamm NZV 1998, 413 eine psychiatrische Behandlung, wenn durch sie die Karriereaussichten ernsthaft beeinträchtigt werden). Unbedenklich zumutbar ist dagegen die Einhaltung der verordneten Diät und die Ausführung von Bewegungsübungen (OLG Hamm VersR 1960, 859). Umgekehrt hat der Geschädigte in der Regel seine Pflicht zur Schadensminderung erfüllt, wenn er den Anweisungen seines Arztes folgt (RGZ 131, 67, 75; BGH NJW 1951, 797, 798: objektiv unnötiges Ausscheiden aus dem Dienst auf ärztlichen Rat). Dabei haftet der Geschädigte auch nicht nach §§ 254 Abs. 2 S 2, 278 für ein Verschulden des Arztes (Schiemann in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 254 Rn. 81 m.w.N.).

Ein Verletzter verstößt unter Umständen gegen seine Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB und muss sich eine Herabsetzung seiner Schadensersatzansprüche gefallen lassen, wenn er es unterlässt, sich einer zumutbaren Operation zur Beseitigung seiner körperlichen Beeinträchtigungen zu unterziehen. Das kann allerdings nur dann der Fall sein, wenn die Operation einfach und gefahrlos ist, wenn sie nicht mit besonderen Schmerzen verbunden ist und wenn sie die sichere Aussicht auf Heilung oder wesentliche Besserung bietet. Für die Zumutbarkeit einer solchen Operation reicht es hingegen keineswegs aus, dass sie aus ärztlicher Sicht unter Abwägung ihrer Chancen und Risiken zu empfehlen ist und dementsprechend dem Verletzten von (ggf. auch mehreren) Ärzten angeraten wird; eine medizinische Operationsindikation allein genügt nicht (BGH NJW 1994, 1592 m.w.N.). Jedenfalls für die Zumutbarkeit einer Operation reicht es also nicht aus, dass die Operation medizinisch indiziert ist und dem Verletzten unter Abwägung ihrer Chancen und Risiken von mehreren Ärzten empfohlen worden ist.

(2)

Nachdem es hier nur um eine medikamentöse Therapie geht, ist dem Landgericht zu folgen und den Kläger jedenfalls seit den Aussagen des Gutachters Dr. B. im Termin vom 12.05.2014 als zur medikamentösen Therapie verpflichtet anzusehen. Nachdem die Voraussetzungen von § 254 BGB von der Beklagten darzulegen und zu beweisen sind und zureichende Anhaltspunkte dafür fehlen, dass der Kläger vor dem 12.05.2014 ausreichend über die Möglichkeiten einer medikamentösen Schmerztherapie aufgeklärt wurde, weil sich solches weder dem schriftlichen Gutachten des Dr. B. noch den vorliegenden Arztberichten entnehmen lässt, kann von keinem früheren Zeitpunkt ausgegangen werden, was durch die Höhe des Schmerzensgeldes von 14.000,00 € ausreichend abgegolten wird.

Ebenso muss dem Kläger ein Schmerzensgeld für die mit der Therapie und die Medikamenteneinnahme verbundenen Beeinträchtigungen gewährt werden, ebenso für die bis zum 12.05.2014 erlittenen Schmerzen. Berücksichtigt man diese Aspekte, erscheint das Schmerzensgeld von insgesamt 14.000,00 € immer noch angemessen und ausreichend.

(3)

Ginge man wegen der Nebenwirkungen der Medikamenteneinnahme von keinem Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht aus, erforderte das ebenfalls nicht die Erhöhung des Schmerzensgeldes, nachdem die Schmerzen jetzt nicht mehr so groß sind, da der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2014 erklärte, gelernt hat, damit umzugehen.

f)

Ebenfalls ohne Erfolg macht die Berufung geltend, ein höheres Schmerzensgeld sei gerechtfertigt wegen der psychischen Beeinträchtigungen durch den schweren Unfall, die lange Arbeitsunfähigkeit und das Regulierungsverhalten der Beklagten. All das berücksichtigte das Landgericht bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ausreichend.

Es erwähnte zwar nur das Regulierungsverhalten im Zusammenhang mit dem Verdienstausfall und nicht dasjenige hinsichtlich des Schmerzensgeldes. Eine Erhöhung wegen Letzterem erscheint aber nicht gerechtfertigt, selbst wenn zu sehen ist, dass der bezahlte Vorschuss von 1.500,00 € deutlich zu gering war.

2.

Der Kläger hat mangels Vorliegens des nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresses keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Zwar besteht ein Feststellungsinteresse stets zum Zwecke der Hemmung der Verjährung. Es reicht bei der (hier vorliegenden) Verletzung eines absoluten Rechtsguts aus, wenn künftige Schadensfolgen (wenn auch nur entfernt) möglich, ihre Art und ihr Umfang, sogar ihr Eintritt aber noch ungewiss sind (Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 256 Rn. 9 m.w.N.).

Der Kläger machte geltend, der Feststellungsanspruch bestehe, da die unfallbedingten Verletzungen noch nicht vollständig abgeheilt seien. Beide Sachverständige erklärten jedoch ausdrücklich, dass mit Veränderungen der Situation nicht zu rechnen sei. Zwar erfordert das Feststellungsinteresse nur die Möglichkeit, dass weitere Schäden drohen. Nachdem diese Möglichkeit jedoch von den Sachverständigen ausgeschlossen wird, fehlt das Feststellungsinteresse. Der Kläger hielt keinerlei konkreten Vortrag dazu, weshalb und inwieweit weitere Schäden drohen könnten. Sein Berufungsvorbringen, die Feststellung sei aufgrund des linken Knies sowie der Schmerzen gerechtfertigt, da die Entwicklung nicht absehbar sei, insbesondere nicht, wie sich diese Beeinträchtigungen auf die Arbeitsfähigkeit auswirken, nicht zuletzt mit Blick auf die im Körper dennoch vorhandenen Glassplitter, ist unzutreffend, wie sich aus den obigen Ausführungen zur Schmerzensgeldhöhe ergibt. Es ist, wie sich aus den überzeugenden Darlegungen der gerichtlichen Sachverständigen ergibt, weder eine Verschlechterung des Knieschadens noch eine Verschärfung der Schmerzproblematik denkbar. Glassplitter im Körper des Klägers gibt es nicht mehr.

III.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die gesetzlichen Voraussetzungen liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

IV.

Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung gehaltene Vortrag gab keinen Anlass zu deren Wiedereröffnung.

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