Skip to content

Nutzungsausfallschaden bei Lieferverzögerung eines bestellten Neuwagens

Neuwagen-Lieferung verzögert: Käufer hat keinen Anspruch auf Nutzungsausfall

In diesem Fall wurde die Klage eines Kunden, der Schadensersatz für Nutzungsausfall seines neu bestellten Wagens aufgrund von Lieferverzögerungen forderte, abgewiesen. Der Auslieferungsstopp war durch einen Rückruf des Herstellers wegen technischer Probleme bedingt, was die Beklagte von einer früheren Auslieferung befreite. Zudem wurde entschieden, dass der Kläger kein Recht auf Schadensersatz hatte, da er das Angebot eines Ersatzwagens abgelehnt hatte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 29 C 4275/22 (46)  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Klage abgewiesen: Der Anspruch des Klägers auf Nutzungsausfallschaden wurde nicht anerkannt.
  2. Lieferverzögerung: Ein vom Hersteller ausgelöster Auslieferungsstopp führte zur Lieferverzögerung des Neuwagens.
  3. Technische Probleme: Die Verzögerung resultierte aus einem sicherheitsrelevanten technischen Problem des Fahrzeugs.
  4. Kein Verschulden der Beklagten: Die Beklagte war aufgrund der Anweisungen des Herstellers und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht verpflichtet, den Wagen früher zu liefern.
  5. Einhaltung von Sicherheitsstandards: Sicherheitsbedenken verhinderten die Auslieferung des Fahrzeugs an den Kläger.
  6. Ablehnung des Ersatzwagens: Der Kläger lehnte das Angebot eines Ersatzwagens ab, was bei der Entscheidung berücksichtigt wurde.
  7. Verantwortungsbewusstsein: Es wurde hervorgehoben, dass ein verantwortungsbewusster Autofahrer ein Fahrzeug mit bekannten technischen Problemen nicht nutzen sollte.
  8. Kostenentscheidung: Die Prozesskosten wurden dem Kläger auferlegt.

Rechtliche Herausforderungen bei Lieferverzögerungen von Neuwagen

In der Automobilbranche sind Lieferverzögerungen von Neuwagen keine Seltenheit und können zu erheblichen Unannehmlichkeiten für die Käufer führen. In solchen Fällen entsteht oft die Frage nach Nutzungsausfallschaden, also der Entschädigung für die Zeit, in der der Käufer ohne das bestellte Fahrzeug auskommen muss. Dieser Themenkomplex wirft interessante rechtliche Fragen auf, insbesondere hinsichtlich der Verantwortung des Verkäufers und der Rechte des Käufers.

Nutzungsausfall bei Lieferverzögerung Neuwagen
(Symbolfoto: Fahroni /Shutterstock.com)

Die juristische Auseinandersetzung mit diesen Fragen betrifft nicht nur das Vertragsrecht, sondern berührt auch Aspekte des Verbraucherschutzes und der Haftung. Sie spiegelt die Komplexität von Verkaufs- und Lieferprozessen in der modernen Wirtschaft wider. Besonders brisant wird es, wenn Lieferverzögerungen aufgrund von unvorhergesehenen Ereignissen, wie beispielsweise Produktionsfehlern oder Rückrufaktionen, entstehen.

In dem nachfolgenden Urteil wird ein konkreter Fall behandelt, der diese Aspekte beleuchtet und zeigt, wie Gerichte mit derartigen Klagen umgehen. Lassen Sie uns in die Details eintauchen und verstehen, wie das Recht in solchen Fällen angewendet wird.### Rechtliche Auseinandersetzungen bei Lieferverzögerungen von Neuwagen

In der heutigen Zeit, in der Verbraucher zunehmend auf schnelle und zuverlässige Lieferungen angewiesen sind, stellen Lieferverzögerungen bei Neuwagenkauf eine besondere Herausforderung dar. Diese Verzögerungen können verschiedene Ursachen haben und werfen oft die Frage nach Nutzungsausfallschäden und entsprechenden Entschädigungsansprüchen auf. Hierbei geht es nicht nur um die reine Verspätung der Lieferung, sondern auch um die komplexen rechtlichen Beziehungen zwischen Käufer, Verkäufer und Hersteller, insbesondere wenn unvorhergesehene Ereignisse wie Produktionsstörungen oder Rückrufaktionen ins Spiel kommen.

Diese Konstellation führt regelmäßig zu rechtlichen Auseinandersetzungen, in denen die Rechte der Käufer im Fokus stehen. Dabei spielen Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die Schuldfrage und die Frage nach einer angemessenen Entschädigung eine zentrale Rolle. Im nachfolgenden Text wird ein konkreter Fall vorgestellt, in dem ein Gericht über eine solche Situation zu entscheiden hatte. Hierbei wird deutlich, wie Gerichte die Balance zwischen Verbraucherschutz und den rechtlichen Verpflichtungen der Verkäufer und Hersteller wahren und wie sie die oft komplizierten juristischen Sachverhalte lösen. Lassen Sie uns einen genaueren Blick auf dieses interessante und lehrreiche Urteil werfen.

Rechtsstreit um Nutzungsausfallschaden bei Neuwagenkauf

Im Mittelpunkt des vorliegenden Falls steht ein Nutzungsausfallschaden bei einer Lieferverzögerung eines bestellten Neuwagens. Der Kläger, ein Käufer des Fahrzeugs, hatte diesen bei einem Autohändler bestellt und erwartete die pünktliche Lieferung. Jedoch verzögerte sich die Auslieferung des Neuwagens erheblich, was beim Kläger zu dem Wunsch nach einer Entschädigung für den Nutzungsausfall führte.

Der Kläger hatte den Wagen am 05.10.2022 bestellt, wobei der Autohändler, die Beklagte, den Auftrag am 27.10.2022 bestätigte. Der vereinbarte Kaufpreis betrug 32.580 Euro. In den zum Kauf gehörenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) war eine Klausel enthalten, die eine Verzögerung der Lieferung im Falle höherer Gewalt oder Betriebsstörungen beim Verkäufer oder dessen Lieferanten abdeckte. Trotz dieser Klausel erwartete der Kläger das Fahrzeug zum frühestmöglichen Abholtermin am 20.06.2022. Allerdings wurde ihm am Vorabend des vereinbarten Übergabetermins mitgeteilt, dass der Wagen aufgrund eines Auslieferungsstopps erst später abgeholt werden könne.

Verzögerungen und Reaktionen des Klägers

Die Verzögerung der Auslieferung resultierte aus einem von der Herstellerfirma angeordneten Auslieferungsstopp, der durch ein technisches Problem, konkret eine Störung der e-call Funktion, verursacht wurde. Der Kläger behauptete, er habe sein Altfahrzeug bereits verkauft und stand somit ohne Fahrzeug da. Er forderte daher eine Nutzungsausfallentschädigung von mindestens 50 Euro pro Tag.

Juristische Auseinandersetzung und Gerichtsurteil

Die Klage des Käufers richtete sich auf den Ausgleich der durch die Lieferverzögerung entstandenen Folgekosten. Das Gericht musste prüfen, ob der Kläger Anspruch auf diese Entschädigung hatte. Das Amtsgericht Frankfurt wies die Klage ab und legte fest, dass die Kosten des Rechtsstreits vom Kläger zu tragen sind. Das Urteil wurde als vorläufig vollstreckbar erklärt, wobei der Kläger die Möglichkeit hatte, die Vollstreckung gegen eine Sicherheitsleistung abzuwenden.

Gründe für die Gerichtsentscheidung

Die Entscheidung des Gerichts basierte auf der Bewertung verschiedener Faktoren. Erstens, die AGB des Verkäufers enthielten eine Klausel zu höherer Gewalt und Betriebsstörungen, welche die Lieferverzögerung abdeckte. Zweitens, die Beklagte war durch den Auslieferungsstopp der Herstellerfirma und die damit verbundenen technischen Probleme am Fahrzeug gehindert, dieses auszuliefern. Drittens, der Kläger hatte das Angebot eines Ersatzfahrzeugs für 39 Euro pro Tag abgelehnt, was das Gericht als mangelnde Schadensminderung wertete.

Das Gericht stellte fest, dass der Neuwagen von einem Verkaufs- und Auslieferungsstopp betroffen war, der vom Hersteller aufgrund eines technischen Problems ausgesprochen wurde. Die Beklagte war somit verpflichtet, das Fahrzeug zurückzuhalten, bis das Problem behoben war. Dies begründete die Entscheidung, den Nutzungsausfallschaden nicht zuzusprechen.

Fazit und Weiterführung zum Urteil

Das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt beleuchtet die Komplexität von Vertragsverhältnissen und die Bedeutung von AGB-Klauseln in solchen Fällen. Es zeigt, dass die Rechtsprechung den Schutz der Verbraucher ernst nimmt, aber auch die realen Umstände und die Verantwortlichkeiten der beteiligten Parteien berücksichtigt. Die Entscheidung unterstreicht die Wichtigkeit einer gründlichen Prüfung aller Umstände und der Einhaltung vertraglicher Vereinbarungen. Das Urteil ist ein klares Beispiel dafür, wie Gerichte mit Fällen umgehen, in denen technische Probleme und unvorhersehbare Ereignisse zu Verzögerungen führen, und wie sie die Interessen aller Parteien ausbalancieren.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was ist ein Nutzungsausfallschaden?

Ein Nutzungsausfallschaden bezeichnet eine Situation, in der ein Gegenstand, typischerweise ein Fahrzeug, aufgrund eines schädigenden Ereignisses vorübergehend nicht zur Verfügung steht. Dies kann beispielsweise nach einem Verkehrsunfall der Fall sein, wenn das Fahrzeug repariert werden muss. Der Nutzungsausfallschaden ist ein Vermögensschaden, der durch den vorübergehenden Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Gegenstandes entsteht.

Der Geschädigte hat in solchen Fällen das Recht auf eine Nutzungsausfallentschädigung. Diese Entschädigung ist ein Schadenposten und Teil der Gesamtschadenregulierung. Sie kann nach der Reparatur oder Fahrzeugersatzbeschaffung (bei Totalschaden) bei der Versicherung eingefordert werden.

Die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung wird anhand der sogenannten Eurotax-Schwacke-Tabelle berechnet. Diese Tabelle gliedert mehr als 40.000 Fahrzeugmodelle in elf Nutzungsausfallgruppen, die mit den Buchstaben A bis L gekennzeichnet sind.

Um eine Nutzungsausfallentschädigung zu erhalten, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehört, dass das Fahrzeug tatsächlich genutzt werden konnte (Nutzungsmöglichkeit) und dass ein Nutzungswille bestand. Zudem muss der Geschädigte den tatsächlichen Nutzungsausfall nachweisen, beispielsweise durch eine Werkstattrechnung.

Benötigen Sie Hilfe vom Anwalt? Schildern Sie uns Ihr Anliegen und fordern online unsere unverbindliche Ersteinschätzung an.

Bei gewerblich genutzten Fahrzeugen ist die Situation komplizierter. Hier ist die Rechtsprechung zur Nutzungsausfallentschädigung nicht eindeutig. Wesentliches Entscheidungskriterium ist hierbei, ob dem Geschädigten ein fühlbarer wirtschaftlicher Nachteil entstanden ist.

Es gibt jedoch auch Situationen, in denen kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung besteht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Geschädigte das Fahrzeug weiterhin benutzt, ohne es reparieren zu lassen, und es zu einem späteren Zeitpunkt verkauft. Ebenso besteht kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung, wenn der Geschädigte unfallbedingt im Krankenhaus liegt, bettlägerig erkrankt ist, ihm der Führerschein entzogen wurde oder er sich auf einer Urlaubsreise befindet.

Wie wird eine Lieferverzögerung rechtlich behandelt, insbesondere bei Neuwagen?

Die rechtliche Behandlung einer Lieferverzögerung, insbesondere bei Neuwagen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst muss ein wirksamer Kaufvertrag vorliegen. Ein Lieferverzug kann nur dann eintreten, wenn der Verkäufer diesen auch verschuldet hat. Keine Schuld trifft ihn bei höherer Gewalt oder wenn die Ware auf dem Lieferweg ohne sein Zutun zerstört wurde.

Bei der Bestellung eines Neuwagens erhalten Kund:innen in der Regel eine schriftliche – meist unverbindliche – Lieferzeit. Ist ein unverbindlicher Liefertermin verstrichen, hat der Händler noch weitere sechs Wochen Zeit, um das Auto auszuliefern. Nach Ablauf der sechs Wochen können Betroffene schriftlich die Lieferung einfordern und eine Nachfrist setzen. Diese beträgt üblicherweise zwei Wochen. Erfolgt die Lieferung des Neufahrzeugs innerhalb der Nachfrist nicht, ist es nun möglich, vom Kaufvertrag zurückzutreten.

Wurde vorab ein verbindlicher Liefertermin für den Neuwagen festgelegt, kann die Nachfrist bereits unmittelbar nach Verstreichen dieses Termins gesetzt werden. Setzt man keine Nachfrist, ist ein Rücktritt vom Kaufvertrag erst vier Monate nach Verstreichen der ersten Frist möglich.

Kann der Hersteller das bestellte Fahrzeug nicht nach Kundenwunsch ausstatten, haben Käufer:innen im Fall eines Sachmangels das Recht, Nachbesserung zu verlangen und dürfen bei Nichterfüllung vom Kauf zurücktreten.

Gemäß § 280 Abs. 2 BGB steht den Käufer:innen Schadensersatz bei Lieferverzug zu, sobald sich der Schuldner tatsächlich in Verzug befindet und ihnen dadurch ein finanzieller Schaden entstanden ist. Wenn sie wegen zu später Lieferung vom Kaufvertrag zurücktreten, bleibt ihr Anspruch auf Entschädigung dennoch bestehen.

Es gibt Fälle, in denen der Verkäufer für Lieferverzögerungen nicht verantwortlich ist. Die Juristen sprechen in solchen Fällen von höherer Gewalt (§ 286 Abs. 4 BGB), die unerwartet eintritt und sowohl den Verkäufer als auch den Käufer überrascht.


Das vorliegende Urteil

AG Frankfurt – Az.: 29 C 4275/22 (46) – Urteil vom 17.05.2023

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit iHv. 120 % des jeweils aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags leistet.

IV. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 2.150,-.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Nutzungsausfallschaden im Zusammenhang mit einer Lieferverzögerung eines bestellten Neuwagens.

Die Parteien sind verbunden durch ein vom Kläger unterschriebenes Bestellformular vom 05.10.2022, Eingangstempel bei der Beklagten vom 27.10.2022 und eine Auftragsbestätigung vom 02.11.2021. Der Kläger bestellte einen Neuwagen der Marke … für einen Kaufpreis von EUR 32.580,-. Dem Bestellformular waren die Allgemeinen Geschäftsbedingungen beigefügt, welche Vertragsbestandteil geworden sind.

Ziffer 6 der AGB lautet:

„Höhere Gewalt oder beim Verkäufer oder dessen Lieferanten eintretende Betriebsstörungen, die den Verkäufer ohne eigenes Verschulden vorübergehend daran hindern, den Kaufgegenstand zum vereinbarten Termin oder innerhalb der vereinbarten Frist zu liefern, verändern die in Ziffern 1 bis 4 dieses Abschnitts genannten Termine und Fristen um die Dauer der durch diese Umstände bedingten Leistungsstörungen. […]“

Als frühestmöglicher Abholtermin für den Neuwagen war der 20.06.2022 genannt. Das streitgegenständliche Fahrzeug mit der Fahrgestellnummer … wurde durch die …-Werke am 25.5.2022 an die Beklagte ausgeliefert. Den Kaufpreis beglich der Kläger in zwei Teilzahlungen vom 14. und 23.06.2022 und der Neuwagen wurde bereits zugelassen. Vereinbart wurde sodann ein Übergabetermin für den 28.06.2022. Am Vorabend wurde dem Kläger jedoch mitgeteilt, dass der Wagen wegen eines Auslieferungsstopps erst am 04.07.2022 abgeholt werden könne. Die Auslieferung verzögerte sich – aufgrund einer Urlaubsabwesenheit des Klägers vom 08-.20.08.2022 – schließlich bis zum 22.08.2022. Das Angebot, einen Mietwagen von der Beklagten für EUR 39,-/Tag anzumieten, nahm der Kläger nicht an.

Der Kläger behauptet, kurzfristig vor dem frühestmöglichen Abholtermin sein Altfahrzeug an einen Dritten verkauft und übergeben zu haben. Er begehrt, da er bis zur endgültigen Übergabe des bestellten Neuwagens keinen Pkw zur Verfügung gehabt habe, eine Nutzungsausfallentschädigung von mind. EUR 50,-/Tag.

Der Kläger b e a n t r a g t, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag iHv. EUR 2.150,- nebst Zinsen iHv. 5-%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.09.2022 zu zahlen, sowie die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag iHv. EUR 1.626,49 als Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte b e a n t r a g t, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass der streitgegenständliche Neuwagen von einer Rückrufaktion des Herstellers (interne Nummer …) betroffen gewesen sei. Die …-Werke GmbH habe die Beklagte zu einem Auslieferungsstopp in einer Störung der e-call Funktion angewiesen. Von einer bevorstehenden Rückrufaktion hätte die Beklagte vorab keinerlei Kenntnis gehabt, zumal das technische Problem im Juni 2022 plötzlich aufgetaucht sei und die Beklagte nicht in Produktionsprozesse eingebunden sei. Es hätten Sicherheitsbedenken bezüglich einer Auslieferung bestanden, da es sich um eine sicherheitsrelevante Einrichtung des neuen Pkw handele. Die serienmäßige Einrichtung dieser Funktion sei EU-rechtlich verpflichtend für Fahrzeughersteller. Einen schnelleren Austausch des betroffenen Steuergeräts hätte die Beklagte nicht veranlassen können, da die Problemanalyse und der Mangel an Halbleitern in Zusammenhang mit dem Steuergerät ursächlich waren gewesen seien und die Beklagte hierauf eben keinen Einfluss habe.

Die Beklagte behauptet, gegenüber der Herstellerin in einem solchen Fall zur Zurückhaltung des Fahrzeugs verpflichtet zu sein.

Die Beklagte hat zur Untermauerung ihrer Sachverhaltsdarstellung wie auch einer rechtlichen Bindung gegenüber der Herstellerin die Emailkorrespondenz zwischen ihr und der …-Werke GmbH aktenkundig gemacht. Insbesondere auf Anlage B6 Bl. 35 ff. d.A. wird Bezug genommen.

Der Kläger hat im Nachgang an die mündliche Verhandlung die Klage zurückgenommen. Dieser Prozesserklärung hat die Beklagte widersprochen.

Auf die Angaben der Parteien nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2.5.2023, sich aus den Entscheidungsgründen ergeben Feststellungen sowie die übrigen Aktenbestandteile wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Rechtsstreit konnte durch die Klagerücknahme im Nachgang an die mündliche Verhandlung nicht wirksam beendet werden, da die Beklagte ihre Zustimmung hierzu verweigerte.

II.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf den Ausgleich der begehrten Folgekosten, nachdem der von ihm bestellte Neuwagen später als avisiert ausgeliefert wurde. Es ist keine Anspruchsgrundlage (vertraglich wie nach dem BGB-AT oder sonstig) einschlägig.

Aufgrund des von der …-Werke GmbH ausgesprochenen Verkaufs- und Auslieferungsstopps war die Beklagte in Zusammenhang mit den wirksam einbezogenen AGB gegenüber dem Kläger nicht zu einer früheren Auslieferung des gekauften Neuwagens verpflichtet. Die Beklagte war ohne ihr Zutun und ohne ein irgendwie geartetes Verschulden daran gehindert, dem Kläger den Pkw vor sicherer Fehlerbehebung in Zusammenhang mit der e-call-Funktion auszuhändigen.

Für das Gericht steht nach dem Sach- und Streitstand fest, dass der streitgegenständliche Neuwagen von einem Verkaufs- und Auslieferungsstopp betroffen war.

Die Beklagte hat substantiiert und unter Beifügung von inhaltlich wie bezüglich der Echtheit nicht angegriffenen Unterlagen erläutert, dass, wann, aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen mit welchen internen Handlungsanweisungen ein Verkaufs- und Auslieferungsstopp von der Herstellerin ausgesprochen wurde sowie in welcher Form die darauffolgende Fehlerbehebung zu funktionieren hat, wann es woran haperte, wie oft und in welcher Form die Beklagte nachfragte, um die Zeitverzögerung für den Kläger möglichst gering zu halten. Auch ergibt sich aus der Kommunikation zwischen dem Beklagten Autohaus und der Herstellerin, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit der individuellen Fahrgestellnummer von dem Verkaufsstopp betroffen war. Der Auslieferungsstopp ist zudem durch Internetrecherche zu bestätigen.

Der beklagtenseitige Vortrag ist nicht wirksam prozessual bestritten worden. Bei einer derartig detaillierten Darlegung und einer offenkundigen Bestätigung des Sachvortrags ist für ein wirksames Bestreiten eine substantiierte Erläuterung erforderlich, warum von einer anderen Sachverhaltsbasis auszugehen sein könnte. Diese Obliegenheit ist nicht erfüllt.

Die Fehlermeldung, die zu dem von der Herstellerin ausgesprochenen Verkaufsstopp führte, war bereits für sich geeignet, die Beklagte von einer Übergabe des Neuwagens an den Kläger abzuhalten, ohne dass sie sich hätte schadensersatzpflichtig machen können. Vielmehr trug und trägt die Beklagte die Verantwortung, dass bei bestehenden Sicherheitsbedenken kein hiervon betroffenes Fahrzeug in den öffentlichen Straßenverkehr gelangt – auch und gerade zugunsten der Vertragspartner. Eine entsprechende (hier wohl obsolete) vertragliche Basis für ein solches Zurückhalten findet sich auch in der beklagtenseits bemühten Ziffer 6 der AGB, die vorliegend einschlägig ist: der Hersteller hatte ein Sicherheitsproblem mit seinem Produkt, brauchte Zeit für die Problemanalyse, die Erläuterung der Abhilfe und hatte wohl Schwierigkeiten in Bezug auf Lieferengpässe. Diese Umstände führten zu einer nicht von der Beklagten zu beeinflussenden Zeitverzögerung.

Die Beklagte war zudem – nicht nur gegenüber dem Kläger, sondern auch – gegenüber der Herstellerin verpflichtet, den streitigen schädlichen Neuwagen zurückzuhalten.

Die eingereichten Unterlagen sind sehr detailreich und lassen als Aussteller konkrete Sacharbeiter im Werk des Autoproduzenten erkennen. Insbesondere heißt es: „Dies bedeutet zur Sicherung der Qualitätsstandards, dass Sie im Händlerportal bestätigen müssen, den Auslieferungsstopp gelesen und umgesetzt zu haben. Während der laufenden Untersuchung dürfen Neufahrzeuge (unabhängig davon, ob verkauft, nicht verkauft, zugelassen oder nicht zugelassen) nicht an Kunden übergeben werden. Diese Fahrzeuge sind zurückzuhalten und dürfen weder verkauft noch vorgeführt werden, bis weitere Anweisungen veröffentlicht werden.“

Die Anweisungen und die Rückversicherung der Herstellerin sind insofern denkbar klar dahingehend, dass eine interne vertragliche Verpflichtung der Beklagten zur Zurückhaltung bestand. Im Übrigen dürfte sich eine solche Verpflichtung bei Sicherheitsrisiken von selbst verstehen.

Soweit für das Gericht feststeht, dass es für den streitgegenständlichen Neuwagen einen Auslieferungsstopp gab, der vom Hersteller ausgesprochen wurde und aus Sicht des Herstellers und damit des Profis schlechthin für jedes technische Problem und etwaiger hieraus erwachsener Gefahren und Folgen, führt dies dazu, dass selbst wenn sich die Beklagte über den Auslieferungsstopp und die klaren Vorgaben des Herstellers im (vom Kläger bestrittenen) Innenverhältnis dem Willen des Klägers als Verbraucher aus welchen Gründen auch immer gebeugt hätte, nicht ersichtlich ist, dass ein verantwortungsvoller Autofahrer ein solches Fahrzeug ernsthaft vor endgültiger Behebung des vom Hersteller anerkannten Problems in den öffentlichen Verkehr hätte einbringen wollen oder dürfen. Die Warnung des Herstellers war in diesem Zusammenhang hinreichend klar. Es ist lebensfremd, hier anzudenken, dass ein global und wirtschaftlich agierender Konzern derart hohe Kosten und Umstände auslöst, wenn keine Gefahr drohen würde. Der Kläger hätte also, selbst wenn man ihm den Neuwagen übergeben hätte, mit diesem nicht am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen dürfen, da er sich relevanten Gefahren ausgesetzt hätte. Der streitgegenständliche Nutzungsausfall wäre daher ohnehin nicht zuzusprechen gewesen.

Im Übrigen ist nicht überzeugend, dass Nutzungsausfall iHv. EUR 50,- begehrt wird, wo ein Angebot für ein Ersatzfahrzeug für EUR 39,- ausgeschlagen wurde. Hier sei auf § 254 Abs. 2 BGB verwiesen.

Die begehrten Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 91 ZPO und folgt dem Unterliegen des Klägers.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert war anhand von § 48 GKG iVm. §§ 2 ff. ZPO festzusetzen.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos