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Nutzungsentschädigung Wohnmobil – Vorteilsausgleich anhand Nutzungsdauer

OLG Dresden urteilt: Kein Schadensersatz für Wohnmobil mit vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtungen

Das OLG Dresden hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Dresden zurückgewiesen, welches die Klage auf Schadensersatz wegen eines angeblich abgasmanipulierten Wohnmobils abgewiesen hatte.

Das Wichtigste in Kürze

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Unerlaubte Abschalteinrichtung: Das Gericht geht davon aus, dass sich im Fahrzeug der Klägerin ein Timer befindet, der die Abgasrückführung (AGR) nach 22 Minuten deaktiviert. Auch das Thermofenster im Fahrzeug stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, da es die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte nur bei engen Temperaturbereichen gewährleistet.
  2. Keine Sittenwidrigkeit: Das Gericht verneint eine Sittenwidrigkeit der Beklagten, da die genannten Abschalteinrichtungen nicht auf einer arglistigen Täuschung beruhten.
  3. Kein kausaler Schaden: Die Klägerin konnte keinen kausalen Schaden darlegen, da der Restwert des Fahrzeugs sowie der Gebrauchsvorteil den entstandenen Differenzschaden überstiegen.
  4. Kein Schutzgesetzcharakter der VO 715/2007/EG: Das Gericht verneint einen Schutzgesetzcharakter der VO 715/2007/EG im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch.
  5. Kein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG: Das Gericht sieht keinen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG, da die Abschalteinrichtungen nicht notwendig waren, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen oder den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.
  6. Kein Anspruch auf Schadensersatz: Aufgrund der fehlenden Sittenwidrigkeit, des fehlenden kausalen Schadens, der Verneinung des Schutzgesetzcharakters der VO 715/2007/EG und des fehlenden Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG hat die Klägerin keinen Anspruch auf Schadensersatz.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 U 983/23 >>>

Ausgleich bei Rückabwicklung: Nutzungsentschädigung für Wohnmobile

Bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrages für ein Wohnmobil kann eine Nutzungsentschädigung anfallen. Diese soll den Vorteil ausgleichen, den der Käufer durch die Nutzung des Wohnmobils erlangt hat. Die Höhe der Nutzungsentschädigung orientiert sich an der Dauer der Nutzung und dem Wert des Fahrzeugs.

Die Nutzungsdauer wird in Monaten berechnet und umfasst auch Zeiten, in denen das Wohnmobil nicht genutzt wurde. Der Wert des Wohnmobils wird anhand des Kaufpreises und der Wertminderung ermittelt. Die Höhe der Nutzungsentschädigung beträgt in der Regel 0,5 bis 1 % des Fahrzeugwerts pro Monat.

Nutzungsausfall Wohnmobil
(Symbolfoto: bear_productions /Shutterstock.com)

Im Streit um die Nutzungsentschädigung eines Wohnmobils hat das OLG Dresden eine wichtige Entscheidung getroffen. Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Schadensersatz wegen eines vermeintlich abgasmanipulierten Wohnmobils hat. Die Klägerin hatte ein neues Wohnmobil der Marke Sunlight I 68 Active Kult Premium erworben, das mit einem Dieselmotor ausgestattet war, welcher der Abgasnorm Euro 6 entsprechen sollte. Sie warf der Beklagten vor, durch den Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen geschädigt worden zu sein.

Der Kern des Streits: Abschalteinrichtungen im Fokus

Die Auseinandersetzung drehte sich um die technische Ausstattung des Fahrzeugs, insbesondere um die Abgasrückführung (AGR) und den Katalysator. Die Klägerin argumentierte, dass die Beklagte unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut habe, die zeit- und temperaturgesteuert das Emissions-Kontrollsystem beeinflussen würden. Demnach sei eine vollwirksame Abgasrückführung nur in einem engen, für den NEFZ-Prüfzyklus relevanten Temperaturbereich aktiv.

Rechtliche Bewertung und Entscheidung des OLG Dresden

Das Gericht musste bewerten, ob die Einrichtungen tatsächlich als unzulässig einzustufen waren und ob der Klägerin daraus ein Anspruch auf Schadensersatz entstand. Wichtig war hierbei die Unterscheidung zwischen der Modulation der AGR-Rate basierend auf der Ansauglufttemperatur und der Außentemperatur. Die Beklagte verteidigte sich mit dem Argument, die Steuerung der Abgasrückführung sei nicht zeitabhängig moduliert und richtete sich nach der Ansauglufttemperatur, was aus Motorschutzgründen zulässig sei.

Juristische Einordnung und Argumentation

Die Klägerin stützte ihren Anspruch auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Unionsvorschriften, unter anderem mit dem Argument, bei einem identisch motorisierten Fiat Ducato seien sowohl zeit- als auch temperaturgesteuerte Abschaltstrategien gefunden worden. Dies, so die Klägerin, begründe eine sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte. Die rechtliche Herausforderung bestand darin, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtungen und deren Auswirkung auf die Emissionskontrolle unter normalen Betriebsbedingungen zu bewerten.

Die Entscheidungsgründe des Gerichts

Das OLG Dresden wies die Berufung der Klägerin zurück und bestätigte das Urteil des Landgerichts Dresden. Es fand, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Schadensersatz habe, da sie nicht schlüssig darlegen konnte, dass die Abschalteinrichtungen unzulässig und sittenwidrig eingesetzt wurden. Zudem sei kein kausaler Schaden in der begehrten Höhe dargelegt worden. Ein weiterer entscheidender Punkt war, dass die Klägerin das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung erworben haben musste, was jedoch nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte.

Fazit der richterlichen Bewertung

Die Entscheidung des OLG Dresden verdeutlicht die Komplexität der rechtlichen Bewertung von Abschalteinrichtungen und deren Auswirkungen auf den Schadensersatzanspruch. Während technische und umweltrechtliche Aspekte eine Rolle spielen, hängt der Erfolg solcher Klagen maßgeblich von der schlüssigen Darlegung eines kausalen Zusammenhangs zwischen der Abschalteinrichtung und einem entstandenen Schaden ab.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was versteht man unter einer Abschalteinrichtung im Kontext des Emissionskontrollsystems?

Unter einer Abschalteinrichtung versteht man im Kontext des Emissionskontrollsystems eines Fahrzeugs eine Vorrichtung, die dazu dient, die Funktion des Emissionskontrollsystems unter bestimmten Bedingungen zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren. Dies führt dazu, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter normalen Betriebsbedingungen des Fahrzeugs verringert wird. Eine solche Einrichtung kann beispielsweise die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl, den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder andere Parameter erfassen, um entsprechend auf das Emissionskontrollsystem einzuwirken.

In der Europäischen Union ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen grundsätzlich unzulässig, wenn sie dazu führen, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb zu erwarten sind, verringert wird. Dies wird oft als „Schummelsoftware“ bezeichnet und wurde insbesondere im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal bekannt. Derartige Abschalteinrichtungen sind in der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 definiert und ihre Verwendung kann rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, wie etwa Schadensersatzansprüche von Käufern betroffener Fahrzeuge.

Inwiefern spielt das Thermofenster bei der Beurteilung von Abgasmanipulationen eine Rolle?

Das Thermofenster spielt bei der Beurteilung von Abgasmanipulationen eine zentrale Rolle, da es eine spezifische Form der Abschalteinrichtung darstellt, die unter bestimmten Temperaturbedingungen die Effektivität des Emissionskontrollsystems eines Fahrzeugs beeinflusst. Im Kern geht es darum, dass die Abgasreinigung bei Temperaturen außerhalb dieses sogenannten Thermofensters reduziert oder sogar deaktiviert wird, was zu einer Überschreitung der gesetzlich festgelegten Emissionsgrenzwerte führen kann.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft, wenn es dazu führt, dass die Emissionsgrenzwerte nur innerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs eingehalten werden, der nicht die üblichen Umgebungstemperaturen in der EU abdeckt. Dieses Urteil hat weitreichende Folgen für die Automobilindustrie und insbesondere für Hersteller, die solche Thermofenster in ihren Fahrzeugen verwendet haben. Fahrzeuge, die mit dieser Technologie ausgestattet sind, könnten somit gegen EU-Recht verstoßen, da sie die Emissionskontrolle unter normalen Betriebsbedingungen nicht gewährleisten[1][2][5].

Die Rechtsprechung hat gezeigt, dass die Verwendung von Thermofenstern nicht nur als unzulässig betrachtet wird, sondern auch, dass Fahrzeugbesitzer unter bestimmten Umständen Anspruch auf Schadensersatz haben können. Dies wurde durch Urteile des EuGH und des Bundesgerichtshofs (BGH) in Deutschland bestätigt, die den Weg für Schadensersatzansprüche von Verbrauchern geebnet haben. Die Gerichte haben festgestellt, dass die Hersteller durch die Verwendung von Thermofenstern die Käufer sittenwidrig geschädigt haben könnten, was die Tür für Entschädigungszahlungen öffnet[4][12][21].

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Thermofenster bei der Beurteilung von Abgasmanipulationen eine Schlüsselrolle spielt, da es direkt die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems beeinträchtigt und somit zu einer unzulässigen Überschreitung der Emissionsgrenzwerte führen kann. Die rechtlichen Entscheidungen auf europäischer und nationaler Ebene unterstreichen die Bedeutung einer konsequenten Einhaltung der Emissionsvorschriften und bieten betroffenen Fahrzeugbesitzern Möglichkeiten, gegen die Hersteller vorzugehen.

Citations:
[1] https://www.gansel-rechtsanwaelte.de/abgasskandal-autofahrer/ea288-thermofenster-abgasmanipulation-bei-vw-motoren
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Abschalteinrichtung
[3] https://www.spiegel.de/auto/diesel-urteil-vw-audi-seat-mit-thermofenster-muessen-stillgelegt-werden-oder-nachgeruestet-a-ed7d614f-999b-4c3c-86c7-1cd073135ae3
[4] https://www.dr-stoll-kollegen.de/abgasskandal/eugh-thermofenster
[5] https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/eugh-thermofenster-ist-unzulaessige-abschalteinrichtung
[6] https://rechtsanwaltkaufmann.de/allgemeinrecht/zivilrecht/thermofenster-diesel-urteil-vw
[7] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/dieselskandal-thermofenster-doch-illegal-was-der-gerichtsentscheid-fuer-dieselfahrer-bedeutet/28994436.html
[8] https://www.anwalt.de/rechtstipps/das-thermofenster-oder-dieselskandal-20_183353.html
[9] https://www.tagesschau.de/investigativ/br-recherche/vw-dieselskandal-urteil-101.html
[10] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/olg-24u179622-stuttgart-thermofenster-diesel-abgas-abgasskandal-skandal-affaere-dieselaffaere-vw-mercedes-audi-haftung-fahrlaessigkeit-eugh-bgh/
[11] https://www.kba.de/DE/Themen/Marktueberwachung/Abgasthematik/abgasthematik_node.html
[12] https://www.anwalt.de/rechtstipps/ein-durchbruch-im-schadensersatz-das-vw-thermofenster-urteil-und-seine-auswirkungen-2023-217231.html
[13] https://www.gansel-rechtsanwaelte.de/abgasskandal-autofahrer/thermofenster-abgasskandal
[14] https://www.kanzlei-hersbruck.de/dieselskandal/thermofenster/
[15] https://www.auto-motor-und-sport.de/verkehr/vw-diesel-abgas-skandal-risiko-auf-gebrauchtkaeufer-abwaelzen-stellungnahme/
[16] https://www.derstandard.de/story/2000144746752/eu-hoechstgericht-heizt-mercedes-ein
[17] https://www.rtpartner.de/fiat-ducato-abgasskandal/unterschied-zwischen-den-verschiedenen-abschalteinrichtungen/
[18] https://www.wbs.legal/verkehrsrecht/abgasskandal/thermofenster/welche-autos/
[19] https://de.wikipedia.org/wiki/Abgasskandal
[20] https://westanwaelte.de/blog/176-abgasskandal-2-0-das-thermofenster
[21] https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/auto-kaufen-verkaufen/abgasskandal-rechte/rechte-verbraucher/
[22] https://www.presseportal.de/pm/105254/5447597
[23] https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2023-N-10353
[24] https://www.bussgeldkatalog.org/abgasskandal/thermofenster/

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Das vorliegende Urteil

OLG Dresden – Az.: 3 U 983/23 – Urteil vom 17.11.2023

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 12.05.2023 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 9.975,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen eines aus Klägersicht abgasmanipulierten Wohnmobils.

Die Klägerin erwarb mit Lieferdatum vom 26.09.2019 für 66.500 € ein neues Wohnmobil der Marke Sunlight I 68 Active Kult Premium. Basisfahrzeug ist ein Fiat Ducato III, Typ 250. In diesem ist ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor des Typs 150 „Multijet“ mit 2.287 ccm Hubraum und einer Leistung von 110 kW verbaut, der die Motorkennung F1AGL411C trägt, mit einem Motorsteuergerät der Firma Magneti Marelli, Typ 9DF ausgerüstet ist und der Abgasnorm Euro 6 zugeordnet ist.

Die Klägerin meint, die Beklagte habe sie durch den Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen geschädigt. Sie behauptet, die Abgasrückführung (AGR) und der Katalysator (NSK) würden zeitgesteuert deaktiviert. Zu diesem Zweck habe die Beklagte einen Timer in die Motorsteuerung implementiert, der ab jedem Motorstart laufe und bei Erreichen eines kalibrierten Wertes das Emissions-Kontrollsystem beeinflusse. Dies sei von Arglist geprägt. Die auf dem Motorsteuergerät – unstreitig – implementierte temperaturgesteuerte Software (Thermofenster) führe dazu, dass eine vollwirksame AGR lediglich im genormten Temperaturbereich des seinerzeit im Typengenehmigungsverfahren maßgeblichen Prüfzyklus NEFZ (20° C bis 30 °C) erfolge.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben. Die AGR in dem streitgegenständlichen Basisfahrzeug werde nicht zeitabhängig moduliert. Die temperaturbezogene Modulation der AGR-Rate in dem streitgegenständlichen Basisfahrzeug richte sich nicht nach der Außen-, sondern nach der Ansauglufttemperatur. Der auf Werte der Außen-/Umgebungstemperatur bezogene Vortrag der Klägerin treffe daher nicht zu.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.05.2023, das der Klägerseite am 15.05.2023 zugestellt wurde, abgewiesen. Ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten durch Verwendung der behaupteten Abschalteinrichtungen in einem Bewusstsein der Unzulässigkeit habe die Klägerin nicht darzulegen vermocht. Auch die behauptete zeitliche Deaktivierung geschehe auf dem Prüfstand und im realen Fahrbetrieb in gleicher Weise. Ein Testlauf auf dem NEFZ-Prüfstand dauere 20 Minuten, mithin 2 Minuten weniger. Damit sei schon in zeitlicher Hinsicht die volle Funktion der Abgasnachbehandlung nicht auf den Prüfstandsbetrieb beschränkt. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 5 VO 715/2007/EG. Zwar habe der EuGH in Bezug auf sog. Thermofenster entschieden, dass die Verordnung neben allgemeinen Rechtsgütern auch die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützt. Dem Anspruch hinsichtlich der Verwendung eines etwaigen unzulässigen Thermofensters stehe nach nationalem Recht aber jedenfalls ein unvermeidbarer Verbotsirrtum entgegen. Der BGH habe für den deutschen Rechtskreis bislang den Schutzgesetzcharakter der europäischen Vorschriften verneint; eine Rechtsauskunft der Beklagten zum Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs durch die Klägerin im Jahr 2019 zur Schutzrechtseigenschaft der europäischen Regeln wäre verneinend ausgefallen. Der Beklagten könne daher auch kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden. Im Übrigen habe die Klägerin einen kausalen Schaden in begehrter Höhe nicht schlüssig dargelegt.

Hiergegen richtet sich die am 05.06.2023 eingegangene und am 11.08.2023 innerhalb der verlängerten Frist mit einer Begründung versehene Berufung der Klägerin. In Ansehung des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Unionsvorschriften stütze sie ihr Begehren weiterhin sowohl auf die zeit- als auch die temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung. Ausweislich der Auskünfte seien bei einem identisch motorisierten Fiat Ducato mit der Motorkennung F1AGL411C sowohl zeit- als auch temperaturgesteuerte Abschaltstrategien vorgefunden worden. In der gewollten, zielgerichteten Divergenz des Reinigungsverhaltens im Prüf- und Realbetrieb liege der zentrale Aspekt, der den BGH in seiner Grundsatzentscheidung vom 20.05.2020 bewogen hatte, die Akustikfunktion der VW-AG als sittenwidrigkeitsbegründend zu werten. Es sei dagegen unzutreffend, dass der BGH die Sittenwidrigkeit allein an das Vorhandensein einer Prüfstandserkennung nebst Umschaltlogik knüpfe, wie es zahlreiche Spruchkörper annehmen. Tatsächlich bestehe kein qualitativer Unterschied in den Programmierungen der auf die Erkennung der physikalischen Parameter des genormten Prüfstandbetriebs ausgerichteten Akustikfunktion einerseits und der auf die zeitliche Dauer des Prüfstandbetriebs abstellenden Timerfunktion andererseits. Das Argument des Landgerichts, wonach eine Abschaltung spätestens nach Ablauf von 22 Minuten nicht derart eng an den NEFZ angelehnt sei, dass dies einer Umschaltlogik gleichstünde, überzeuge nicht. Das Landgericht verkenne, dass Dieselfahrzeuge nicht auf Kurzstreckenbetrieb ausgelegt seien. Es verneine zu Unrecht, dass Rückrufe betroffener, also mit Timerfunktionen versehener, Fahrzeuge drohen – und damit im Ergebnis das Vorliegen eines Schadens. Der BGH lasse zur Annahme eines Schadens bereits die abstrakte Gefahr einer Betriebsuntersagung genügen. Art. 5 VO 715/2007/EG habe Schutzgesetzcharakter i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG sei ex ante erkennbar gewesen und ein unvermeidbarer Rechtsirrtum liege fern. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die italienische Zulassungsbehörde MIT faktisch als verlängerter Arm der Beklagten agiere. Immerhin belegten die Wertungen dreier Fachbehörden (deutsches KBA, niederländische RDW und französische CNRV), dass die Annahme einer Unzulässigkeit – entgegen der MIT – weitaus näher als fernliege. Der Restwert betrage rund 47.000 €, der derzeitige laufleistungsbasierte Gebrauchsvorteil 7.770,97 €, weshalb keine Anrechnung auf den Differenzschaden zu erfolgen habe.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dresden wie folgt zu erkennen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 9.975,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 21.07.2022 abzüglich eines durch das Gericht nach Maßgabe der Vorschrift des § 287 ZPO zu ermittelnden Gebrauchsvorteils, zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.212,61 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Weder lägen Sittenwidrigkeit noch Verschulden vor. Die Klägerin habe zu einem sog. Thermofenster nicht schlüssig vorgetragen. Ihren pauschalen Vortrag, wonach in dem Fahrzeug angeblich eine außenlufttemperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung verbaut sei, sei bestritten worden; das System der AGR in dem streitgegenständlichen Fahrzeug werde nicht abhängig von der Außenlufttemperatur gesteuert. Die temperaturabhängige Modulation richte sich nach der Ansauglufttemperatur und sei zulässig aus Motorschutzgründen. Die AGR werde erst moduliert, wenn die Ansauglufttemperatur einen einstelligen Außentemperaturbereich erreiche. Mit Blick auf die Außenlufttemperatur bedeute das, dass die Modulierung durchschnittlich frühestens im mittleren einstelligen Temperaturbereich beginnt. Jedenfalls könne sich die Beklagte auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen. Erachten die italienische Behörde und die italienische Regierung in Kenntnis der Vorwürfe die gerügten Funktionen als rechtmäßig, sei davon auszugehen, dass eine entsprechende Nachfrage bei der MIT ergeben hätte, dass die zugrunde gelegte Rechtsauffassung der Beklagten bestätigt wird (hypothetische Genehmigung). Der aufgrund eines Mangels an Wohnmobilen erhebliche Restwert von mindestens 68.990 € und die zeitbasierte Nutzungsentschädigung von 26.600 € verdeutlichten ferner den fehlenden Schaden.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

1. Vertragliche Ansprüche kommen mangels vertraglicher Beziehungen der Parteien von vornherein nicht in Betracht.

2. Die Klägerin hat auch keinen deliktischen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des geltend gemachten „kleinen Schadensersatz“ bzw. Differenzschadens, weder aus § 826 BGB noch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz. Auf die Frage der Verjährung kommt es nicht an.

Voraussetzung eines deliktischen Anspruchs ist zunächst, dass die Klägerin das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung erworben hat.

Eine „unzulässige Abschalteinrichtung“ i.S.d. Verordnung (EG) Nr. 715/2007 liegt vor, wenn ein Konstruktionsteil vorhanden ist, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird (Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007) und dies nicht gerechtfertigt ist durch die in Art. 5 Abs. 2 a) bis c) genannten Gründe in Form der Notwendigkeit, den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, in Form des Anlassens des Motors oder in Form der Bedingungen, die in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten sind, d.h. durch die Prüfverfahren zur Emissionsmessung im Wesentlichen vorgegebene Bedingungen (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17 –, Rn. 15, juris).

Der Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist – dies gilt auch hinsichtlich des Vorliegens zu solchen Abschalteinrichtungen – schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen (BGH, Urteil vom 11.03.2021 – VII ZR 196/18 -, juris, Rn. 43). Für die Rechtsfolge nicht näher erforderliche Einzelheiten müssen nicht dargelegt werden. Das Gericht muss jedoch in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen (BGH, Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20 -, juris, Rn. 21). Darüber hinaus ergibt sich der erforderliche Grad an Substantiierung für die darlegungsbelastete Partei im Sinne eines Wechselspiels auch anhand eines substantiierte Bestreitens der Gegenseite (vgl. BGH, Urteil vom 03.06.2014 – VI ZR 394/13 –, Rn. 20, juris). Hat eine Partei keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrundeliegenden Vorgängen, darf sie auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptungen in den Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von den Einzeltatsachen hat (BGH, Urteil vom 13.07.2021 – VI ZR 128/20 -, juris, Rn. 21). Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei jedoch dann, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sie zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber aufs Geratewohl, gleichsam ins Blaue hinein aufgestellt oder aus der Luft gegriffen sind und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellen (BGH, Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20 -, juris, Rn. 23). Gibt es wie vorliegend keinen amtlichen Rückruf, müssen anderweitig greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen werden, soweit die Beklagtenseite behauptete Tatsachen bestreitet.

a) Vor diesem Hintergrund ist vorliegend davon auszugehen, dass die Klägerseite für ihre unter Sachverständigenbeweis gestellte Behauptung, das streitgegenständliche Fahrzeug enthalte die Software eines sog. Timers, der für eine Deaktivierung der AGR nach 22 Minuten sorge, hinreichend greifbare Anhaltspunkte vorgetragen hat. Zwar hat die Beklagte bestritten, dass die AGR zeitabhängig moduliert werde. Dieses einfache Bestreiten genügt allerdings nicht, den klägerischen Vortrag als „ins Blaue“ hinein gestellt zu bewerten, denn die Klägerin hatte bereits erstinstanzlich sowohl Schreiben des KBA vom 07.04.2022 und 20.12.2022 vorgelegt, wonach sich in einem Wohnmobil auf Basis des Fiat Ducato mit selbem Hubraum (2,3 l), selber Leistung (110 kW) und gleicher Emissionsklasse (EU 6) aufgrund der emissionsbezogenen Untersuchungsergebnisse der Verdacht auf das Vorhandensein von unzulässigen Abschalteinrichtungen ergeben habe, weil die AGR-Rate nach einer gewissen Motorlaufzeit verringert/deaktiviert werde, und weiter ein Schreiben des KBA vom 13.06.2022 eingereicht, wonach das untersuchte Fahrzeug Fiat Ducato 2.3 l, 110 kW, Diesel EU6 LNT die Baumusterbezeichnung F1AGL411C ausgewiesen habe, wie es auch im streitgegenständlichen Fahrzeug der Fall ist. Es hätte der Beklagten oblegen, substantiiert vorzutragen, weshalb die Untersuchungsergebnisse des KBA auf hiesiges Fahrzeug nicht zuträfen. Die Beklagte ist indes hierauf nicht eingegangen.

Im Ergebnis allerdings kann vorliegend jedenfalls unterstellt werden, dass sich ein entsprechender Timer im streitgegenständlichen Fahrzeug befindet. Ausgehend hiervon handelt es sich auch um eine Abschalteinrichtung, für die Zulässigkeitsgründe nicht vorgetragen bzw. sonst ersichtlich sind. Ein pauschaler Verweis auf einen Motorschutz ist nicht nachvollziehbar.

b) Auch das unstreitig verbaute Thermofenster ist eine unzulässige Abschalteinrichtung.

In Einklang mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 14.07.2022 – C-134/20 –, juris) geht der Senat davon aus, dass ein Thermofenster dann eine Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 darstellt, wenn es – wie im dort zugrunde gelegten Ausgangsverfahren – die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte nur bei Außentemperaturen zwischen 15° C und 33° C gewährleistet, schon weil Umgebungstemperaturen von weniger als 15° C im Unionsgebiet üblich sind. Ab welchen Temperaturen die Üblichkeit entfällt, war zwar nicht Gegenstand dieser Entscheidung, jedoch darf allgemein davon ausgegangen werden, dass es sich bei einem sehr weit bedateten Thermofenster, bei dem die AGR nur bei Extremtemperaturen oder zumindest nur bei jahreszeitlich oder regional sehr außergewöhnlichen Temperaturen zurückgefahren oder deaktiviert wird, schon tatbestandlich nicht um eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG handelt, weil Fahrten in solchen Temperaturbereichen nicht mehr einem normalen Fahrbetrieb unterfallen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 05.03.2021 – 9a U 410/20 –, Rn. 34, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 10.11.2022 – 16 U 53/21 –, Rn. 70, juris). Bei einer engen Bedatung hingegen, bei der die AGR bereits in Temperaturbereichen verringert oder deaktiviert wird, welche schon im mitteleuropäischen Raum üblicherweise und auch über längere Zeiträume auftreten, stellt das Thermofenster eine Abschalteinrichtung dar, weil es sich um normale Betriebsbedingungen handelt (vgl. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 20.02.2023 – 3 A 113/18 –, juris). Diese wäre nach der Rechtsprechung des EuGH, selbst wenn sie notwendig i.S.d. Art. 5 Abs. 2 a) VO (EG) Nr. 715/2007 ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, unzulässig, wenn sie so bedatet ist, dass sie unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste.

Maßgeblich ist damit die konkrete Bedatung des Thermofensters. Diese ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerseite hat zur Untermauerung ihrer behaupteten Bedatung (20 ° C – 30 ° C) auf den VW-Untersuchungsbericht verwiesen, wo es im Zusammenhang mit einem Fiat Ducato, ausgerüstet mit dem Aggregat 180 MultiJet 3,0 D und der Motorkennung F1CE3481E, heißt: „Dies wird durch die Stellungnahme des Herstellers FCA belegt, nach der die AGR-Rate bei Temperaturen unter 20 °C bis hin zu 5 °C reduziert werde, um […]“. Soweit die Beklagte sich erstinstanzlich lediglich darauf zurückgezogen hatte, dass sich das vorliegende Thermofenster nach der Ansaugtemperatur richte und nicht nach der Außentemperatur, ist dies nicht geeignet, die klägerseitige Behauptung als unsubstantiiert zu bewerten. Will ein Fahrzeughersteller bzw. Motorhersteller eine behauptete Bedatung substantiiert bestreiten, obliegt es ihm, näher zum konkreten Thermofenster vorzutragen, hier mithin Ansaug- und Außentemperatur ins Verhältnis zu setzen.

In der Berufungsinstanz hat die Beklagte ihren Vortrag für den unteren Temperaturbereich dahingehend präzisiert, dass die AGR erst moduliert werde, wenn die Ansauglufttemperatur einen einstelligen Temperaturbereich erreicht, was mit Blick auf die Außenlufttemperatur bedeute, dass die Modulierung durchschnittlich frühestens im mittleren einstelligen Temperaturbereich beginnt. Unstreitig wird die AGR mithin ab ca. 5 ° C reduziert. Bereits hieraus ergibt sich eine Abschalteinrichtung, ohne dass es noch auf die Reaktion im oberen Temperaturbereich ankommt, denn auch Temperaturen im niedrigen einstelligen Temperaturbereich sind noch normale Fahrbedingungen. Wenngleich in der Rechtsprechung noch nicht abschließend entschieden ist, ab welchen konkreten Temperaturbereichen ein normaler Fahrzeugbetrieb nicht mehr vorliegt, ist jedenfalls auf dieser Ebene entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf Durchschnittstemperaturen abzustellen, denn es kommt für den „normalen Fahrzeugbetrieb“ auf den gewöhnlichen, tatsächlichen Fahrzeugbetrieb zu bestimmten Temperaturen an und nicht auf fiktive Fahrten zu EU-Durchschnittstemperaturen.

Die Abschalteinrichtung in Gestalt des vorliegenden Thermofensters ist auch unzulässig. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf die in Art. 5 Abs. 2 a) VO 715/2007/EG geregelte Ausnahme von der grundsätzlichen Unzulässigkeit von Abschalteinrichtungen berufen. Da sie eine Ausnahme vom Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen enthält, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist diese Bestimmung eng auszulegen (EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – C-134/20 –, Rn. 63, juris). Gründe in Form der Notwendigkeit, den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und – kumulativ – um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, liegen nicht vor. Der EuGH hatte hierzu klargestellt, dass für die Ausnahme nur unmittelbare Beschädigungsrisiken in Betracht kommen, die zu einer konkreten Gefahr während des Betriebs des Fahrzeugs führen (EuGH, Urteil vom 14.07.2022 – C-134/20 –, Rn. 65ff, juris). Der Schutz des Abgasrückführungssystems selbst vor Belagbildung (Verlackung und Versottung) und einer möglichen Fehlfunktion fällt nicht hierunter (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 20.02.2023 – 3 A 113/18 –, juris), denn eine solche Einrichtung ist nicht notwendig, um den Motor vor unmittelbaren Risiken in Form von Beschädigung oder Unfall zu schützen, die zu einer konkreten Gefahr während des Betriebs des Fahrzeugs führen. In Ansehung der den Herstellern von Dieselfahrzeugen zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten ist davon auszugehen, dass auch bereits im Zeitpunkt des Typengenehmigungsverfahrens das hiesige Thermofenster nicht notwendig war, um den sicheren Betrieb eines Fahrzeuges zu gewährleisten.

c) Im Hinblick auf § 826 BGB kann dahinstehen, ob der klägerseits behauptete Timer und/ oder das Thermofenster mit der klägerseits behaupteten Bedatung von 20° C bis 30° C geeignet sind, eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu indizieren. Dies scheidet zwar nicht schon deshalb aus, weil die Funktionen im Prüfstand und im Realbetrieb gleichermaßen funktionieren, eine Umschaltlogik mithin nicht vorhanden ist. Es ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass das Kriterium der Prüfstandsbezogenheit grundsätzlich geeignet ist, um zwischen nur unzulässigen Abschalteinrichtungen und solchen, deren Implementierung die Kriterien einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung erfüllen können, zu unterscheiden (BGH, Beschluss vom 23.02.2022 – VII ZR 602/21 –, Rn. 15, juris). Damit ist indes nicht gemeint, dass ausschließlich eine Prüfstandserkennung mit Umschaltlogik unter die Prüfstandsbezogenheit fällt (a.A. OLG Celle, Beschluss vom 16.06.2022 – 16 U 131/22 –, Rn. 50, juris). Dass eine exakt auf die Bedingungen auf dem Prüfstand zugeschnittene Abschalteinrichtung u. U. ebenfalls ein Indiz für die arglistige Applikation einer entsprechenden Steuerungssoftware und damit grundsätzlich geeignet sein könnte, das Verhalten der Beklagten im Verhältnis zur Klägerseite als objektiv sittenwidrig zu qualifizieren, hat der BGH zunächst ausdrücklich offen gelassen (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20 –, Rn. 20, juris) und später bestätigt (vgl. BGH, Beschluss vom 20.04.2022 – VII ZR 720/21 –, Rn. 25, juris).

Allerdings ist jedenfalls ein Schaden der Klägerin nicht vorhanden, weil er vollständig aufgezehrt ist (vgl. dazu unter e). Die Möglichkeit eines solchen vollständigen Aufzehrens des Schadens in Form des sog. kleinen Schadensersatzes und Differenzschadens hat der BGH auch für den Fall einer deliktischen Haftung aus § 826 BGB ausdrücklich vorgesehen (BGH, Urteil vom 24.01.2022 – VIa ZR 100/21, Rn. 24; OLG Dresden, Urteil vom 17.10.2023 – 14 U 1964/22, BeckRS 2023, 29423 Rn. 13, beck-online).

d) Ein Anspruch aus § 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 263 StGB besteht nicht, schon weil der Tatbestand des insoweit als Schutzgesetz fungierenden § 263 Abs.1 StGB deshalb nicht erfüllt ist, da es an der sog. Stoffgleichheit fehlt (BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20 -, juris Rn. 19).

e) Es besteht schließlich kein Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV.

Gemäß § 823 Abs. 2 BGB trifft eine Verpflichtung zum Schadensersatz denjenigen, welcher gegen ein Gesetz verstößt, das den Schutz eines anderen bezweckt.

Ein Verstoß gegen Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.09.2007 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, die nach der Rechtsprechung des EuGH dahin auszulegen sind, dass sie neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist (EuGH, Urteil vom 21.03.2023, C-100/21, Celex-Nr. 62021CJ0100), liegt bei Einbau einer solchen vor. Das unionsrechtlich geschützte Interesse, durch den Abschluss eines Fahrzeug-Kaufvertrags im Vertrauen auf die Übereinstimmung des Fahrzeugs mit allen maßgebenden Rechtsakten nicht wegen eines Verstoßes des Fahrzeugherstellers gegen das europäische Abgasrecht eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, ist von § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FVG nach der gebotenen unionsrechtlichen Lesart geschützt und kann einen Differenzschaden rechtfertigen (BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21).

Dieser ist jedoch vorliegend vollständig aufgezehrt. Bei der Bemessung des kleinen Schadensersatzes oder Differenzschadens sind die vom Geschädigten gezogenen Nutzungen und der Restwert des Fahrzeugs schadensmindernd anzurechnen, allerdings erst dann und nur insofern, als sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen (BGH, Urteil vom 24.01.2022 – VIa ZR 100/21 –, juris).

Entgegen der klägerischen Auffassung bemisst sich der Nutzungsersatz bei Wohnmobilen nach überwiegender und vom Senat bereits in der Vergangenheit geteilter Auffassung regelmäßig nach der voraussichtlichen Lebenszeit (Gesamtnutzungsdauer) und nicht nach der Laufleistung, da anders als bei einem Pkw zur bestimmungsgemäßen Nutzung nicht nur das Fahren gehört, sondern auch das Wohnen auf Rädern. Deshalb wäre ein Nutzungsersatz allein auf km-Basis – voraussichtliche Gesamtfahrleistung – nicht sachgerecht (OLG Celle, Beschluss vom 16.10.2023 – 7 U 346/22 –, juris; OLG Stuttgart Urteil vom 12.05.2016 – 1 U 133/13, BeckRS 2016, 16420; OLG München, Urteil vom 24.10.2012 – 3 U 297/11, juris Rn. 60; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.1994 – 22 U 48/94, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.04.2008 – I-1 U 273/07, juris; LG Stuttgart, Urteil vom 11.08.2022 – 30 O 18/22; LG Lübeck, Urteil vom 08.07.2022 – 9 O 105/21, LG Karlsruhe, Urteil vom 26. Oktober 2023 – 22 O 5/21 –, juris; a.A.: Berechnung unter Zugrundelegung der Gesamtlaufleistung: u.a. OLG Naumburg Urteil vom 26.9.2023 – 8 U 37/23, BeckRS 2023, 27640 Rn. 24, beck-online; LG München II, Urteil vom 15.12.2022 – 13 O 3213/21).

Die Klägerseite wendet zwar richtigerweise ein, dass die Intensität der Nutzung eines Wohnmobils sich nicht, vergleichbar verallgemeinerungsfähig, wie es bei dem laufleistungsbasierten Gebrauchsvorteil bei einem PKW der Fall ist, exakt anhand des bloßen Zeitablaufs bestimmen lässt, weil sie individuellen Gegebenheiten unterliegt und einige Besitzer öfter bzw. länger Urlaub mit ihrem Wohnmobil machen als andere. Dies rechtfertigt es aber nicht, trotz des offenkundigen Nutzungsunterschieds – die reine Fortbewegung bei einem PKW einerseits und die mit Wohnen kombinierte Fortbewegung bei einem Wohnmobil andererseits – auch bei Wohnmobilen auf die Laufleistung abzustellen. Entgegen der Auffassung der Klägerseite liegen keine vergleichbaren Sachverhalte vor und hält es der Senat auch weder für möglich noch geboten, die Gesamtnutzungszeit mit einer konkreten Nutzung bzw. Nutzungszeit ins Verhältnis zu setzen. Gewisse Pauschalisierungen sind im Rahmen einer Schätzung gemäß § 287 ZPO häufig unumgänglich. Nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat der Tatrichter die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu schätzen, wobei das Gesetz durch Einräumung der Befugnis der Schadensschätzung in Kauf nimmt, dass das Ergebnis der Schätzung die Wirklichkeit nicht vollständig abbildet, solange sie nur möglichst nahe an diese heranführt (BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21 –, Rn. 72, juris).

Auch wenn man entgegen der Auffassung der Beklagten die voraussichtliche Lebensdauer bzw. erwartete Gesamtnutzungszeit eines Wohnmobils zugunsten der Klägerin, wie es der Senat regelmäßig handhabt, mit 15 Jahren statt mit 10 Jahren ansetzt, ergibt sich kein Schaden. Die Nutzungsentschädigung beträgt, ausgehend von einer klägerseitigen Nutzung von 49 Monaten und einer Gesamtnutzungszeit von 180 Monaten, 18.103 € (66.500 € x 49 Monate / 180 Monate).

Ab einem Restwert i.H.v. 48.397 € wäre damit ein Schaden vollständig aufgezehrt, weil gemeinsam mit der Nutzungsentschädigung der Kaufpreis erreicht würde. Der Restwert des Fahrzeugs bestimmt sich allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen zufolge nach dem Preis, den der Geschädigte bei Inzahlunggabe seines Fahrzeugs bei einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler erzielen kann (OLG Saarbrücken, Urteil vom 29.09.2023 – 3 U 20/22 –, Rn. 20, juris m.w.N.). Den vorliegenden Restwert schätzt der Senat zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auf jedenfalls über 49.000 €.

Die Höhe des Restwerts ist zwischen den Parteien streitig. Der Betrag von mindestens 49.000 € ist nicht weit entfernt von dem klägerseits – nicht unterlegt – behaupteten Restwert von 47.000 € und berücksichtigt das beklagtenseits dargelegte Verkaufsangebot eines vergleichbaren Fahrzeugs auf der Online-Verkaufsplattform mobile.de (Fahrzeug Sunlight I 68; 110 kW; 2,3 l; EU 6; Erstzulassung: 04/2019; Km-Stand: 51.150 km; Kaufpreis: 68.990 €). Für die Bestimmung des Fahrzeugrestwerts zur Bemessung des Differenzschadens kann gemäß § 287 ZPO auf Verkaufsportale wie mobile.de oder autoscout.24 zurückgegriffen werden (OLG Celle, Beschluss vom 16.10.2023 – 7 U 346/22 –, juris). Das hiesige Modell hat mit der klägerseits angegebenen Laufleistung von 39.264 km zum 03.11.2023 eine etwas geringere Laufleistung und ist erst nach dem Vergleichsfahrzeug erstmals zugelassen worden. Es gibt keine Anhaltspunkte, weshalb sein Wert massiv hinter dem Verkaufsangebot auf mobile.de zurückstehen sollte. Dieses Verkaufsangebot ist plausibel, denn es ist gerichtsbekannt, dass wegen Lieferengpässen bei zahlreichen Wohnmobil-Herstellern die Preise für Gebrauchtfahrzeuge hoch sind. Selbst bei Berücksichtigung eines sehr erheblichen Abschlags von 29 % im Hinblick darauf, dass weitere Vergleichsangebote nicht vorliegen und eine verhandlungsbedingte Reduzierung des geforderten Kaufpreises möglich erscheint, läge der Restwert noch so hoch, dass er gemeinsam mit der Nutzungsentschädigung den seinerzeitigen Kaufpreis übersteigt.

3. Mangels Hauptanspruch kommt ein Anspruch auf Zinsen und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nicht in Betracht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung der zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen auf den vorliegenden Sachverhalt.

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