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Privathaftpflichtversicherung – vorsätzliche Schadensherbeiführung – Leistungspflicht

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

Az.: 4 U 46/00

Urteil vom 12.12.2000

Vorinstanz: LG Düsseldorf, Az.: 11 O 246/99


In dem Rechtsstreit hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2000 für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das am 19. Oktober 1999 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf – Einzelrichter – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird gestattet, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 13.000 DM abzuwenden, sofern nicht der Beklagte seinerseits Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheiten können auch durch Bankbürgschaft erbracht werden.

Tatbestand:

Der Kläger ist Mitversicherter einer von seinem Vater bei dem Beklagten abgeschlossenen Privathaftpflichtversicherung (Police GA 7). Er wird auf Schadensersatz in Höhe von 124.799,15 DM von der P…-Feuerversicherungsanstalt in Anspruch genommen, die Versicherungsleistungen wegen eines am 5. Dezember 1998 u. a. vom Kläger verursachten Vandalismusschadens in der Realschul-Dependance Sch…straße in E…-H… erbracht hat. Der Beklagte verweigerte Deckung mit der Begründung, der seinerzeit 12-jährige Kläger habe den Schadenfall vorsätzlich herbeigeführt.

Am 5. Dezember 1998 (samstags) waren der Kläger, der ebenfalls 12-jährige I… B… und der 10-jährige F… G… durch ein Fenster in die Schule eingestiegen. Dort zerschlugen sie Gegenstände und warfen Lebensmittel und anderes auf den Boden. Ferner verstopften sie im ersten und zweiten Obergeschoß die Abflüsse diverser Waschbecken und öffneten die Wasserhähne, wodurch es zu erheblichen Überschwemmungsschäden kam. Die Schulräume waren erst im Januar 1999 wieder benutzbar (vgl. GA 35).

Der Kläger hat gemeint, der Beklagte müsse schon deshalb Versicherungsschutz gewähren, weil er in seinem Werbematerial (vgl. GA 91) zum Ausdruck bringe, in Fällen vergleichbarer Art einzutreten. Ferner habe er, der Kläger, nicht über die Einsichtsfähigkeit in die möglichen Folgen seines Tuns verfügt, er habe alles als „Streich“ aufgefasst, ohne dass er sich insbesondere bezogen auf die Manipulationen an den Waschbecken Gedanken über die auftretenden Schäden gemacht habe oder habe machen können (vgl. GA 41).

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihm Versicherungsschutz bei Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bezüglich der Sachbeschädigung in der Realschule E…, Sch…straße 2, … E…, vom 5. Dezember 1996 zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat gemeint, auch wenn der Kläger erst 12 Jahre alt gewesen sei, so sei er doch alt genug gewesen einzusehen, dass das Einbrechen in eine Schule, das Zerstören von Gegenständen, das Verschmutzen von Räumen und das Überfluten von Räumen nicht erlaubt sei. Auch wenn er nur mitgemacht haben sollte, nachdem er dazu animiert worden sei, ändere dies nichts an einer vorsätzlichen Tatbegehung.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Leistungsfreiheitstatbestand vorsätzlicher Schadenzufügung für erwiesen gehalten.

Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen die Würdigung des Landgerichts. Er führt aus, sich nicht vorgestellt zu haben, dass das Wasser durch das ganze Gebäude fließen und Schäden verursachen werde. Auch habe er aus fast krankhafter Sucht nach Anerkennung nicht zurückstehen wollen und sich vom Anführer I… B… verleiten lassen.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils vom 19. Oktober 1999 den Beklagten zu verurteilen, ihm Versicherungsschutz wegen der Schadensersatzansprüche wegen der Sachbeschädigung vom 5. Dezember 1998 in der Realschule E…, Sch…straße 2, … E…, zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, der Vorsatz des Klägers dränge sich geradezu auf. Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass der Beklagte nicht verpflichtet ist, Deckungsschutz aus der Haftpflichtversicherung zu gewähren, weil das klagende Kind den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat (§ 4 II (1) AHB, § 152 VVG). Auf Bedenken bezüglich der Aktivlegitimation braucht deshalb nicht näher eingegangen zu werden; solche Bedenken hatte der Beklagte auch nicht erhoben.

Die Vorsatzelemente des vorgenannten Leistungsfreiheitstatbestandes sind erfüllt:

1.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Kläger die Zurechnungsfähigkeit (§ 828 Abs. 2 BGB) – die zu den Merkmalen auch des Vorsatzes i. S. der vorgenannten Leistungsfreiheitsbestimmungen zählt – gefehlt hätte. An der Zurechnungsfähigkeit mangelt es nur, wenn der Minderjährige nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat, auf seine Steuerungsfähigkeit kommt es im Rahmen des § 828 Abs. 2 BGB nicht an (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH NJW 1970, 1038; BGH NJW 1984, 1958; OLG Köln MDR 1993, 739). Daran, dass der Kläger wusste, etwas Verbotenes zu tun, für das er zur Verantwortung gezogen werden konnte, gibt es angesichts des Alters des Klägers von 12 Jahren sowie des Umstandes, dass er als Schüler einer Realschule keine ins Auge springenden intellektuellen Defizite aufgewiesen haben kann, keinen Zweifel. Nur aufgrund dieser Einsicht ist es auch verständlich, dass der Kläger, wie er selbst vorträgt (GA 4), zunächst gegen das Verstopfen der Waschbeckenabflüsse und das Öffnen der Wasserleitungen gewesen ist.

Der Kläger hat den Schaden, für den er in Anspruch genommen wird, bewusst und gewollt herbeigeführt. Es war klar, dass es durch das Öffnen der Wasserhähne und gleichzeitiges Verstopfen der Abflüsse zu Überschwemmungen kommen musste. Dies war schließlich das Ziel des Vorhabens. Darüber hinaus haben die Täter auch sonst wie die Vandalen gehaust, indem sie Vitrinen zerstört, Möbel beschmiert und Lebensmittel auf dem Boden verstreut hatten. In ein mit Wasser gefülltes Waschbecken war sogar ein stromführendes Kabel eingehängt (vgl. Foto GA 31). Somit war alles auch für den Kläger unverkennbar auf die Verursachung eines ganz erheblichen Schadens angelegt. Der Vorsatz des Klägers richtete sich daher auch auf das Ausmaß der eingetretenen Schäden („Schadenfolge“), wobei die Auswirkungen nicht im einzelnen, sondern nur im Großen und Ganzen vorhergesehen und gewollt sein müssen (vgl. Römer/Langheid, VVG, § 152, Rn. 4 m.w.N.). Bedingter Vorsatz würde sogar ausgereicht haben.

3.

Dem Kläger hat es auch nicht an der Fähigkeit gefehlt, sein Verhalten zu steuern (vgl. § 827 BGB). Eine „fast“ zwanghafte Sucht nach Anerkennung (so die Berufung GA 85) und eine leichte Verführbarkeit schließen die Steuerungsfähigkeit nicht aus, sondern führen allenfalls zu einer Einschränkung der freien Willensbestimmung, die den Vorsatz unberührt lässt.

4.

Angesichts des Umstandes, dass das Geschehen hier weit über einen missglückten „Dummen-Jungen-Streich“ hinausgeht, können entgegen dem Appell des Klägers auch Billigkeitsgründe nicht dazu führen, dem Beklagten den Einwand aus § 152 VVG abzuschneiden.

5.

Die erstinstanzlich vertretene Auffassung, der Beklagte habe in seinem Werbematerial (GA 91) Fallgestaltungen als von der Haftpflichtversicherung gedeckt dargestellt, die dem vorliegenden Fall entsprächen, ist aus der Luft gegriffen. In den vom Beklagten aufgeführten Beispielsfällen ging es immer nur Leichtfertigkeit, nicht um eine vorsätzliche Schadenzufügung wie hier.

Die Überlegungen im nicht nachgelassenen Schriftsatz des Klägers vom 29. November 2000 rechtfertigen keine anderweitige Beurteilung.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Berufungsstreitwert und Beschwer des Klägers entsprechend der Festsetzung des Senats vom 28. Februar 2000: 99.000 DM.

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