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Quarantäneanordnung durch örtliche Behörden als Reisemangel

AG München – Az.: 172 C 23599/20 – Urteil vom 16.12.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 790,12 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Reisevertrag.

Der Kläger buchte bei der Beklagten am 30.01.2019 eine Pauschalreise nach Zypern vom 08.03.2020 bis 22.03.2020 für sich und seine Ehefrau inklusive Flug von Stuttgart über Antalya nach Ercan, Busrundreise inkl. Leistungen und Eintritte gemäß Reiseangebot nebst Verlängerungswoche am Strand, Transfer und Übernachtungen im Doppelzimmer inklusive Frühstück zum Preis von 638,00 €.

Aufgrund einer Infizierung einer Mitreisenden mit COVID-19 ordnete die örtliche Behörde in Zypern für alle Reisegäste und auch für die örtliche Reiseleitung der Beklagten eine zeitlich befristete Quarantäne vom 10.03.2020 bis zum 24.03.2020 an. Die Beklagte verpflegte den Kläger und seine Reisebegleitung über den gebuchten Zeitraum hinaus für weitere zwei Tage kostenlos und bezahlte die Unterkunft. Das lokale Gesundheitsamt ordnete gegenüber dem Kläger als Zugehörigem der Kontaktgruppe zu einer infizierten Person eine verbindliche Quarantäne (sog. Absonderung) an.

Der Kläger wandte sich während der Quarantäne an die Beklagte und bat um Abhilfe.

Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 12.05.2020 und 25.02.2020 wurde die Beklagte zur Rückzahlung des Reisepreises aufgefordert.

Der Kläger behauptet, er habe zudem ein im Vorfeld gebuchtes Abendessen in Höhe von 283,81 € gebucht und am 11.03.2020 bezahlt. Zudem sei die Quarantäneanordnung nicht begründet gewesen.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünde ein Anspruch auf Minderung und Rückzahlung gem. §§ 651m, 651l Abs. 2 S.2 BGB analog zu. Der Reiseveranstalter hafte verschuldensunabhängig für das Gelingen der Reise. Zudem treffe die Beklagte auch eine Informationspflicht bei drohenden außergewöhnlichen Umständen. Die Beklagte habe die Reise jedoch durchgeführt, obgleich bereits zum Reisebeginn die Auswirkungen von COVID-19 den Reiseverkehr erheblich beeinträchtigt hätten.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 790,12 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 € zuzüglichen Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt: Klageabweisung.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass eine behördlich angeordnete Quarantäne keinen Reisemangel darstelle. Zudem handele es sich bei angeordneten Quarantänemaßnahmen um hinzunehmende Beeinträchtigungen, die der Sicherheit des Reisekunden dienen. Die Quarantäneanordnung stelle die Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos in einer weltweiten Pandemie dar. Zudem läge der Mangel vorliegend in der Person des Klägers begründet für den die Anordnung zur Absonderung ausgesprochen worden sei, andere Reisende der Beklagten seien nicht abgesondert worden.

Die Klage wurde der Beklagten am 02.02.2021 zugestellt. Hinsichtlich des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2021 Bezug genommen. Mit Beschluss vom 28.10.2021 wurde mit Einverständnis der Parteien die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet und als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können der 09.12.2021 bestimmt.

Entscheidungsgründe

corona Quarantäne
(Symbolfoto: kasakphoto/Shutterstock.com)

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht München gem. §§ 1 ZPO, 23 Nr. 1, 71 GVG sachlich und gem. §§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig.

II.

1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung gegen die Beklagte weder gem. §§ 651i Abs. 3 Nr. 6, 651m BGB noch aus §§ 651i Abs. 3 Nr. 7, 651n BGB noch aus einem anderen rechtlichen Grund zu.

1.1. Die Anordnung der Quarantäne gegenüber dem Kläger durch die örtlichen Behörden als Reiseteilnehmer aufgrund der Infizierung einer Mitreisenden mit COVID-19 stellt keinen zur Minderung berechtigenden Mangel gem. §§ 651i Abs. 3 Nr. 6, 651 m BGB dar.

Zwar ist der Klagepartei zuzugeben, dass die Minderung unabhängig vom Verschulden des Reiseveranstalters ausgestaltet ist. Eine Begrenzung der reisevertraglichen Gewährleistung kann jedoch in Bezug auf Umstände geboten sein, die allein in der persönlichen Sphäre des Reisenden liegen oder in denen sich Risiken verwirklichen, die der Reisende im täglichen Leben ebenfalls zu tragen hat. Der Reisende hat deshalb in Fällen, in denen kein Zurechnungszusammenhang zu einer Pflichtverletzung des Reiseveranstalters oder sonst zu einem haftungsbegründenden Ereignis besteht, die Risiken einer Unternehmung, die dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt, hinzunehmen. So verhält es sich nach Auffassung des BGH etwa, wenn der Reisende außerhalb der Inanspruchnahme von Reiseleistungen am Urlaubsort verunglückt, erkrankt oder Opfer einer Straftat wird oder sonst aus persönlichen Gründen die weiteren Reiseleistungen nicht mehr in Anspruch nehmen kann (vgl. BGH NJW 2017, 958 Rn. 10). Die Anordnung der Quarantäne gegenüber dem Kläger durch die örtlichen Behörden stellt nach Auffassung des Gerichts eine Ausprägung des allgemeinen Lebensrisikos im Rahmen der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie dar. Dem Risiko der Anordnung einer Quarantäne bei Kontakt mit einer infizierten Person wäre der Kläger auch ohne die Durchführung der hier streitgegenständlichen Reise ausgesetzt gewesen, so dass es sich nach Auffassung des Gerichts nicht um ein reisespezifisches Risiko gehandelt habe. Mithin hätten nach Auffassung des Gerichts die angebotenen Reiseleistungen mangelfrei erbracht werden könne, dem Kläger als konkretem Reisenden war die Inanspruchnahme aufgrund behördlicher Anordnung verwehrt.

In dem Kontakt zu einer infizierten Person und der anschließenden behördlichen Verfügung hat sich damit ein typisches allgemeines Lebensrisiko verwirklicht und es ist keine vertraglich begründete Erwartung an die Reise enttäuscht worden. Anders, als etwa bei der Verbreitung von Krankheiten durch Verpflegung, welche nur durch den Reiseveranstalter (und nicht andere Mitreisende) zur Verfügung gestellt wird, beruht die Erkrankung der Mitreisenden und die behördliche Entscheidung hier nämlich nicht auf einem Umstand, den nur die Beklagte beherrschen konnte und der bzw. dessen Fehlen daher vom Reisenden als üblich erwartet werden kann (vgl. AG Hannover Urt. v. 12.4.2021 – 570 C 12046/20, BeckRS 2021, 7660 Rn. 16, beck-online).

1.2. Eine Pflichtverletzung seitens der Beklagten ist nicht ersichtlich.

Unstreitig lag zum Reisebeginn keine Reisewarnung vor. Die Quarantäne wurde erst am 10.03.2020 angeordnet. Soweit die Klagepartei vorgetragen hat, dass eine Informationspflichtverletzung seitens der Beklagten vorläge, ist schon der Vortrag nicht hinreichend substantiiert. Die Klagepartei hat vorgetragen, dass sich COVID-19 am Reiseort seit Anfang Februar 2020 verbreitete, sodass die Beklagte die Reisenden entsprechend informieren hätte müssen. Es ist nicht vorgetragen, und auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte von dieser seitens Klagepartei behaupteten Verbreitung vor Reisebeginn am 08.03.2020 bereits Kenntnis hatte. Insoweit war auch der angebotene Beweis durch Sachverständigengutachten nicht zu erholen.

Es ist aus dem Vortrag der Klagepartei nicht ersichtlich, dass der Beklagten zum Zeitpunkt des Reisebeginns am 08.03.2020 – zu diesem Zeitpunkt stand auch die Pandemie in Europa noch ganz am Anfang – Informationen hinsichtlich eines Ausbruchs der Pandemie am konkreten Reisezielort vorgelegen hätten, die einen Rücktritt seitens der Beklagten erforderlich gemacht hätten. Auch gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte schon vor Reisebeginn von den zukünftigen Maßnahmen Kenntnis hatte und den Kläger hätte warnen können und müssen. Dies insbesondere da die Quarantäne-Anordnung aufgrund der Erkrankung einer Mitreisenden erfolgte und nicht aufgrund allgemeiner Anordnungen unabhängig von Kontakt mit einer infizierten Person. Auch ist nicht vorgetragen und ersichtlich, dass die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt schon Schutzmaßnahmen, wie Abstandsgebot und Maskenpflicht, hätte ergreifen können und müssen.

2. Mangels Anspruch auf die Hauptforderung, besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO

Der Streitwert war gem. §§ 48 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG, 3 ZPO festzusetzen und folgt der Hauptforderung.

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