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Spediteurhaftung nach ADSp –  Beweislastverteilung

BGH, Az.: I ZR 45/94, Urteil vom 13.06.1996

Auf die Revision der Klägerin und die Anschlußrevision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. Januar 1994 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerin und – über einen Betrag in Höhe von 243,50 DM nebst Zinsen hinaus – zum Nachteil der Beklagten entschieden hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, macht gegen die jetzige Beklagte, die den Geschäftsbetrieb der vorinstanzlich in Anspruch genommenen T. GmbH & Co. OHG (im folgenden: T.) übernommen hat, aus übergegangenem und abgetretenem Recht Geldersatz für den Verlust von Speditionsgut geltend.

Spediteurhaftung nach ADSp -  Beweislastverteilung
Symbolfoto: Von New Africa /Shutterstock.com

Die N. GmbH bediente sich in den Jahren 1991 und 1992 beim Versand von Computerspielgeräten und dazugehöriger Software wiederholt der B. Internationale Spedition GmbH & Co. KG (im folgenden: B.). Diese, die T. und weitere 15 Spediteure betrieben damals unter der Bezeichnung D. D. nach einheitlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Beförderung oder die Besorgung der Versendung von Paketen. Mit der Entgegennahme, dem Umschlag und der Auslieferung des Gutes hatte B. die T. beauftragt. In deren Gewahrsam sind mehrere Pakete mit elektronischen Erzeugnissen abhanden gekommen. T. hat deshalb – auf der Grundlage der ADSp-Sätze von 4,45 DM/kg – insgesamt 3.645,53 DM an die Absenderin erstattet.

Die Klägerin, die mit der Klage einen Betrag von 126.681,76 DM geltend macht, hat behauptet, als Transportversicherer der N. GmbH für insgesamt 54 Sendungen einen über die Erstattung hinausgehenden Schaden von 126.592,31 DM ersetzt zu haben. Der Verlust des Gutes sei von der Betreiberin des Empfangsdepots durch unzulängliche Ein- und Ausgangskontrollen grob fahrlässig verursacht worden. Schon deshalb beschränke sich deren Einstandspflicht nicht auf die der Teilregulierung zugrunde gelegten Höchstgrenzen. Im übrigen komme der Verlust der N.-Pakete auch infolge Diebstahls durch Beschäftigte der T., auch durch leitende Angestellte als Tatbeteiligte, in Betracht. B. habe ihre Ersatzansprüche an sie, die Klägerin, abgetreten.

Die Beklagte ist den erhobenen Forderungen nach Grund und Höhe entgegengetreten. Sie macht vor allem geltend, die Schadensanfälligkeit der Umschlagsstationen habe seinerzeit nur 0,015 Promille betragen. Zu Einzelheiten der Lager-, Verteilungs- und Transportorganisation hat die Beklagte näher vorgetragen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Auf die Berufung hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Zahlung von 7.783,72 DM nebst Zinsen verurteilt.

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter. Die Beklagte beantragt im Wege der Anschlußrevision die Zurückweisung der Berufung, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin mehr als 243,53 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 25. März 1992 zu zahlen. Beide Parteien beantragen die Zurückweisung der jeweiligen gegnerischen Revision.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten als Spediteurin nach § 407 Abs. 2, § 390 Abs. 1 HGB i.V. mit § 51 Buchst. a ADSp dem Grunde nach bejaht. Die Beklagte könne sich jedoch auf die Haftungshöchstgrenzen nach § 54 Buchst. a Nr. 1 und 2 ADSp berufen. Eine weitergehende Haftung scheide aus. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:

§ 54 Buchst. a Nr. 3 ADSp führe hier zu keiner verschärften Haftung. Arbeitnehmer, die Speditionsgut entwendeten, begingen regelmäßig einen Diebstahl, der nicht mit einer Unterschlagung oder Veruntreuung gleichgesetzt werden könne. Im übrigen fehle es auch an einem hinreichend substantiierten Vortrag über die nur allgemein behaupteten Vorgänge.

Die Beklagte hafte auch nicht nach § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp infolge grob fahrlässigen Organisationsverschuldens unbeschränkt, da die Klägerin die Voraussetzungen dafür nicht hinreichend dargetan habe. Die frühere Beklagte habe im erforderlichen Umfang bezüglich der allgemeinen Ausstattung ihres Betriebes und bezüglich der von ihr ergriffenen Maßnahmen zur Sicherung des Speditionsgutes vorgetragen. Die Abfertigung und Überwachung des Transportgutes gewährleisteten eine hinreichende Kontrolle über ihren Ein- und Ausgang, der Güterumschlag vollziehe sich in einem quasi geschlossenen System. Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf die Schadenshäufigkeit von Sendungen der N. GmbH berufen. Denn die von der Beklagten angegebene Schadensanfälligkeit von 0,015 Promille rechtfertige noch nicht den Schluß auf ein qualifiziertes Verschulden.

Hinsichtlich der Sendungen mit den laufenden Nummern 1-3 könne sich die Beklagte nicht auf Verjährung berufen, weil ungewiß sei, wann die Rechtsvorgängerin der Klägerin erstmals vom Verlust des Gutes erfahren habe. Insoweit hafte die Beklagte nach § 54 Buchst. a Nr. 2 ADSp bis zum Höchstbetrag von 4.450,– DM je Schadensfall, insgesamt auf 7.783,72 DM, weil sie für das von ihr behauptete und von der Klägerin mit Nichtwissen bestrittene Gewicht der Sendungen keinen Beweis angetreten habe.

II. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Parteien führen zur Aufhebung des Berufungsurteils im angefochtenen Umfang und insoweit zur Zurückverweisung der Sache.

1. Die Revision der Klägerin hat im Ergebnis Erfolg.

a) Vergeblich wendet sich die Revision der Klägerin allerdings gegen die Beurteilung, mit der das Berufungsgericht eine erweiterte Haftung der Beklagten gemäß § 54 Buchst. a Nr. 3 ADSp verneint hat.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte hafte über die durch Zahlung abgegoltene Höchstsumme nach § 54 Buchst. a Nr. 1 ADSp hinaus auf weiteren Schadensersatz gemäß § 54 Buchst. a Nr. 3 ADSp. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, dem Anspruchsteller, also der Klägerin, obliege insoweit die Behauptungs- und Beweislast für Handlungen von Leuten des Spediteurs, die Unterschlagung oder Veruntreuung im Sinne der Bestimmung darstellten. Hierzu habe die Klägerin nichts Substantielles vorgetragen; der geltend gemachte Diebstahl des Versendungsgutes könne nicht mit den Haftungsvoraussetzungen der Unterschlagung oder Veruntreuung gleichgesetzt werden. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Klägerin als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der erhöhten Haftung nach § 54 Buchst. a Nr. 3 ADSp obliegt (vgl. BGH, Urt. v. 14.12.1995 – I ZR 138/93, TranspR 1996, 121, 123). Insoweit kann angesichts des Wortlauts und der Systematik nichts anderes gelten als für die Frage der Darlegungslast für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit (vgl. nachfolgend zu b).

Die in § 54 Buchst. a Nr. 3 ADSp enthaltene Regelung ist auch, wie der Bundesgerichtshof (aaO) entschieden hat, trotz ihres die Haftung des Spediteurs beschränkenden Inhalts wirksam. Sie hält insbesondere einer AGBG-Kontrolle stand. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die wesentlich weitergehende Haftungseinschränkung gemäß § 54 Buchst. a Nr. 1 ADSp als AGBG-konform anzusehen (BGH, Urt. v. 9.10.1981 – I ZR 188/79, TranspR 1982, 77; vgl. auch Urt. v. 6.12.1990 – I ZR 138/89, TranspR 1991, 114, 117), so daß in einer Regelung, die – wie hier – eine weitergehende Haftung des Spediteurs vorsieht, ein AGBG-Verstoß erst recht nicht gesehen werden kann.

Gleichwohl ist – wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat – die erweiterte Haftung nach § 54 Buchst. a Nr. 3 ADSp im Streitfall nicht anzuwenden, weil die Klägerin nichts dazu vorgetragen hat, daß das Gut in den in Rede stehenden Schadensfällen durch Unterschlagung oder Veruntreuung im Sinne der Bestimmung abhandengekommen ist. Sie hat sich lediglich darauf bezogen, daß ein Teil der in Rede stehenden Verluste durch Diebstahl entstanden sei, wobei auch eine Beteiligung von leitenden Angestellten der Beklagten in Betracht komme. Wie der Senat inzwischen entschieden und das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, kann Diebstahl jedoch der Haftungsvoraussetzung der Unterschlagung oder Veruntreuung in der vorerwähnten Bestimmung nicht gleichgesetzt werden (BGH, Urt. v. 14.12.1995 – I ZR 138/93, aaO S. 123). Der Senat hat die von der Revision der Klägerin angeführten Gesichtspunkte bereits berücksichtigt. Sie geben keinen Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung.

b) Die Revision der Klägerin rügt aber mit Recht, das Berufungsgericht habe unzutreffend ein grobes Organisationsverschulden der T. und damit die erweiterte Haftung nach § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp verneint. Auf der bisherigen Tatsachengrundlage läßt sich noch nicht abschließend beurteilen, ob der Beklagten grob fahrlässige Organisationsmängel anzulasten sind, so daß eine Haftung über die Haftungshöchstgrenzen hinaus nicht ausgeschlossen werden kann.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Klägerin nach § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp über die gemäß § 54 Buchst. a Nr. 1 ADSp bereits gezahlte Entschädigung hinaus nur dann weiteren Ersatz verlangen könnte, wenn sie der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast für grobe Fahrlässigkeit der Beklagten genügt hätte. Der Bundesgerichtshof hat in jüngerer Zeit wiederholt ausgesprochen, daß § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp eine Beweislastregelung zu Lasten des Anspruchstellers enthält, gegen deren Wirksamkeit keine durchgreifenden Bedenken nach dem AGB-Gesetz (§§ 5 und 9) bestehen (BGHZ 127, 275, 277 ff.; 129, 345; BGH, Urt. v. 14.12.1995 – I ZR 138/93, TranspR 1996, 121). Die Revision der Klägerin zeigt auch im Streitfall keine Gesichtspunkte auf, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten.

Nach den vorgenannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes wird die der Klägerin obliegende Darlegungs- und Beweislast dadurch gemildert, daß der Spediteur angesichts des unterschiedlichen Informationsstandes der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar zu den näheren Umständen aus seinem Betriebsbereich eingehend vorzutragen, wie es – den allgemeinen Organisationsablauf betreffend – vorliegend die Beklagte jedenfalls in gewissem Umfang getan hat.

Der Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe damit der ihr obliegenden Vortragspflicht umfassend genügt, kann nicht beigetreten werden. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, daß es nicht ausreicht, wenn der Spediteur allgemein zur Lagerorganisation vorträgt. Er ist vielmehr gehalten, die konkret eingerichteten Kontrollen so detailliert darzulegen, daß für den Anspruchsteller und das Gericht erkennbar wird, wie die einzelnen Maßnahmen in der Praxis geordnet, überschaubar und zuverlässig ineinandergreifen und welche Maßnahmen getroffen worden sind, um sicherzustellen, daß die theoretisch vorgesehenen Organisationsmaßnahmen auch praktisch durchgeführt werden (vgl. BGH, Urt. v. 3.11.1994 – I ZR 100/92, VersR 1995, 604, 606, insoweit in BGHZ 127, 275 nicht abgedruckt; BGHZ 129, 345, 350 f.; BGH, Urt. v. 6.7.1995 – I ZR 20/93, TranspR 1996, 70, 72; Urt. v. 9.11.1995 – I ZR 122/93, TranspR 1996, 303, 304 = VersR 1996, 782). Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß es sich beim Umschlag von Transportgütern, wie er im Streitfall in Frage steht, um einen schadensanfälligen Bereich handelt, der deshalb so organisiert werden muß, daß in der Regel Eingang und Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbestände frühzeitig festgestellt werden können (vgl. BGH, Urt. v. 6.7.1995 – I ZR 20/93, aaO). Daß die nach dem Vortrag der Beklagten in ihren Depots vorgesehenen und vorgenommenen Kontrollmaßnahmen ein tatsächlich funktionierendes und nicht nur ein theoretisch nahezu geschlossenes System darstellen, läßt sich auf der gegenwärtigen Tatsachengrundlage nicht bejahen, denn danach sind schwerwiegende Lücken in der Organisation der Beklagten nicht auszuschließen.

Allerdings läßt sich das Organisationsverschulden nicht schon ohne weiteres allein daraus herleiten, daß in den hier interessierenden Jahren 1991 und 1992 bei der damaligen Beklagten eine nicht unerhebliche Zahl gerichtsbekannt gewordener Schadensfälle eingetreten ist. Nach deren Vortrag beträgt die Schadensanfälligkeit in den Verteilstationen jedoch insgesamt nur 0,015 Promille. Eine derartige Schadensquote rechtfertigt für sich nicht die Annahme, daß die damalige Beklagte oder ihre leitenden Angestellten Obhutspflichten in einem ungewöhnlich hohen Maße und in schlechthin unentschuldbarer Weise verletzt haben. Denn angesichts des in Frage stehenden Massengeschäfts ergeben sich allein aus der vorerwähnten Quote noch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß in der theoretischen oder in der praktischen Durchführung der Organisation der Beklagten schwerwiegende Mängel vorlagen, wenngleich die Häufigkeit von N.-Verlustfällen – allein in diesem Verfahren sind es innerhalb weniger Wochen insgesamt 54 Fälle, wobei die Zahl der Einzelpakete noch höher liegt – auffällt.

Dem Berufungsgericht kann jedoch nicht darin beigetreten werden, daß nach den bisherigen Tatsachenfeststellungen nach den allgemeinen Organisationsgrundsätzen im Umschlagslager der Beklagten eine wirksame Eingangskontrolle stattgefunden habe. Eine solche ist nicht schon dann gewährleistet, wenn, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, ankommende Pakete mittels eines Scanners von eigenen Beschäftigten der Beklagten datenmäßig als Bestand erfaßt werden. Ob dabei einer versehentlichen oder auch gewollten Nichtregistrierung von Packstücken hinreichend entgegengewirkt wird, bleibt offen (vgl. BGH, Urt. v. 6.7.1995 – I ZR 20/93, aaO). Fraglich ist ferner, ob bei der vorgetragenen Verfahrensweise, bei der nicht sofort geprüft wird, ob sämtliche in einer verplombten Wechselbrücke ankommenden Sendungen auch tatsächlich mittels des Scanners erfaßt werden, die Vollständigkeit der Anlieferung verläßlich geprüft werden kann. Inwieweit den etwa zehn Aufsichtspersonen der Beklagten, die sich möglicherweise in erster Linie auf den Ausgang der Sendungen konzentrieren, tatsächlich eine Überwachung der Vollständigkeit des Gütereingangs möglich war, läßt sich den Ausführungen des Berufungsgerichts ebenfalls nicht entnehmen. Auch Einzelheiten zu den örtlichen Gegebenheiten in der Lagerhalle hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

Auch bei der im Streitfall in erster Linie interessierenden Ausgangskontrolle, auf die es ankommt, weil tatsächlich im Eingangsdepot eingegangene Sendungen in Verlust geraten sind, sind auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen grobe Mängel nicht auszuschließen. Es entspricht im allgemeinen keiner ordnungsgemäßen Organisation des Geschäftsablaufs, wenn die Ausgangskontrolle – wie im Streitfall vorgetragen – fremden Nahverkehrsfahrern überlassen bleibt (BGH, Urt. v. 22.6.1995 – I ZR 21/93, TranspR 1996, 37, 38 = VersR 1995, 1509; Urt. v. 9.11.1995 – I ZR 122/93, aaO). Daß die Beklagte die insoweit bestehenden Risiken ausreichend gemindert hat, kann derzeit noch nicht bejaht werden. Die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts, dem Zusteller sei die Entnahme von Packstücken vom Endlosband und deren Verladung in sein Fahrzeug nur möglich, wenn er zuvor die Paketdaten mit einem Handscanner erfaßt habe, wird von den bisher festgestellten Tatsachen nicht getragen. Ebenso wie bei der Datenaufnahme beim Eingang der Pakete bleibt offen, inwieweit einer versehentlichen oder bewußten Nichtregistrierung ausgehender Packstücke tatsächlich entgegengewirkt wird. Das Berufungsgericht hat auch ungeklärt gelassen, ob die vom Handlesegerät (Handscanner) aufgenommenen Paketdaten automatisch in die Rechneranlage der Beklagten weitergeleitet worden sind oder vom Nahverkehrsfahrer gesondert eingespeist werden mußten, so daß eine zusätzliche Quelle für Unsicherheiten bestanden hat. Es ist auch offengeblieben, wie häufig die Zusteller tatsächlich mit Kontrollen rechnen mußten. Einen automatischen Abgleich von Ausroll-Liste und Zugangsprotokoll hat der Zeuge W. nicht bestätigt. Soweit Packstücke über Nacht im Lager verblieben sind, womit der vorerwähnte Zeuge Differenzen beim summenmäßigen Vergleich der Ein- und Ausgänge erklärt hat, ist bisher offengeblieben, wie das Gut während dieser Lagerungszeit geschützt wird.

Die Klageabweisung durch das Berufungsgericht kann deshalb keinen Bestand haben.

2. Auch der Anschlußrevision der Beklagten kann der Erfolg nicht versagt werden. Das Berufungsgericht hat, da die Parteien keine Angaben zu dem Gewicht der Sendungen mit den laufenden Nummern 1-3 gemacht haben, die Haftung der Beklagten aus § 54 Buchst. a Nr. 2 ADSp in Höhe von insgesamt 7.783,72 DM bejaht. Das ist nicht frei von Rechtsfehlern. Die vorerwähnte Klausel erfaßt nur materielle Nachteile, die, wie der Wortlaut („sonstige Schäden“) erkennen läßt, nicht auf in der Nr. 1 der Vorschrift geregeltem Verlust oder Beschädigung des übergebenen Speditionsgutes beruhen (vgl. BGH, Urt. v. 3.11.1965 – Ib ZR 137/63, WM 1966, 115, 118; Koller, Transportrecht, 3. Aufl., § 54 ADSp Rdn. 5). Auch wenn zwischen den Prozeßparteien das Gewicht abhandengekommener Packstücke streitig ist, bestimmt sich die Höhe des für Substanzeinbußen höchstens zu leistenden Schadensersatzes allein nach § 54 Buchst. a Nr. 1 ADSp.

Dem Berufungsgericht kann auch nicht in seiner Auffassung beigetreten werden, die Beklagte trage bei Unaufklärbarkeit des Sendungsgewichts das Risiko der Beweislosigkeit. § 51 Buchst. a Nr. 1 ADSp entlastet den Anspruchsteller (entsprechend § 282 BGB) grundsätzlich lediglich vom Nachweis haftungsbegründender Umstände wie Schadensort, Verursachung und Verschulden. Bezüglich des Umfangs der erlittenen Einbußen gelten die allgemeinen Grundsätze, nach denen es dem Geschädigten obliegt, das Ausmaß der materiellen Nachteile darzulegen sowie – gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Regeln des Anscheinsbeweises – nachzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Sendungen Nr. 1 und Nr. 2 hätten ein Gewicht von 1 bzw. 20 kg gehabt. Bezüglich der Sendung Nr. 3 macht die Anschlußrevision geltend, daß sie – entsprechend den Vorgaben der für die Paketbeförderung geltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen der früheren Beklagten – allenfalls ein Gewicht von 31,5 kg hätte haben können. Insoweit greift die Beklagte, den vorgenannten Gewichten entsprechend, mit der Anschlußrevision ihre Verurteilung zur Zahlung eines Betrages von 243,50 DM (4,45 DM/kg gemäß § 54 Buchst. a Nr. 1 ADSp) nebst Zinsen nicht an, so daß in diesem Umfang die vom Berufungsgericht ausgesprochene Verurteilung der Beklagten Bestand hat.

Soweit die Klägerin bezüglich der Sendungen Nr. 1 bis 3 einen darüber hinausgehenden Zahlungsanspruch geltend macht, obliegt ihr der Vortrag und Beweis, daß die in Frage stehenden Sendungen ein höheres Gewicht als das von der Beklagten vorgetragene Gewicht gehabt haben. Derartiger Vortrag ist bisher nicht erfolgt; das Bestreiten mit Nichtwissen genügt nicht.

III. Danach war das Berufungsurteil auf die Rechtsmittel der Parteien im angefochtenen Umfang aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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