BUNDESFINANZHOF
Az.: VII B 149/07
Beschluss vom 15.01.2008
Leitsätze:
1. Die Strafverfolgungsbehörde darf zur Sicherstellung dienstrechtlicher Maßnahmen gegen einen Beamten dem Steuergeheimnis unterliegende, in einem Strafverfahren gegen diesen gewonnene Erkenntnisse dem Dienstvorgesetzten des Beamten im Rahmen des § 125c BRRG offenbaren, ohne eine vorweggenommene Prüfung der disziplinarrechtlichen Behandlung des Falles vornehmen zu müssen; erforderlich ist lediglich, dass die übermittelten Daten für eine solche disziplinarrechtliche Prüfung des Dienstherrn des Beamten von Belang sein können.
2. Eine Information des Dienstvorgesetzten über das Verfahren ist ungeachtet dessen zulässig, ob das Ermittlungsverfahren gegen den Beamten wegen Verfolgungsverjährung oder einer strafbefreienden Selbstanzeige eingestellt worden ist.
Tatbestand:
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist als Beamtin in der Bundesfinanzverwaltung beschäftigt. Seit 1997 betätigt sie sich daneben freiberuflich; sie hat daraus Einkünfte erzielt, die sie in ihren Einkommensteuererklärungen nur teilweise angegeben hat. Als das für die Besteuerung der Antragstellerin zuständige Finanzamt wegen dieser Nebeneinkünfte Anfragen an die Antragstellerin richtete, erklärte diese die bisher nicht angegebenen Nebeneinkünfte nach.
Das wegen dieses Vorganges vom Veranlagungsfinanzamt eingeleitete, dann zuständigkeitshalber vom Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt –FA–) geführte Strafverfahren ist hinsichtlich der Jahre 1997 bis 2000 wegen Strafverfolgungsverjährung und für die Jahre 2001 bis 2004 auf Grund der von der Antragstellerin abgegebenen Selbstanzeige (§ 371 der Abgabenordnung –AO–) eingestellt worden, nachdem die Antragstellerin die noch offene Einkommensteuer getilgt hatte.
Das FA beabsichtigt jedoch, dem Dienstvorgesetzten der Antragstellerin Mitteilung über den Vorgang zu machen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Finanzgericht (FG) hat auf Grund dieses Antrags dem FA einstweilen untersagt, dem Dienstvorgesetzten der Antragstellerin Mitteilung über die im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse zu machen. Die Gründe dieser Entscheidung sind in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1711 veröffentlicht worden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde des FA, zu deren Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wird:
§ 125c des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) sei entgegen der Ansicht des FG nicht zu entnehmen, dass Mitteilungen über wegen Strafverfolgungsverjährung eingestellte Verfahren nicht ergehen dürften. Im Übrigen habe das Veranlagungsfinanzamt das Strafverfahren zu Recht eingeleitet und dessen Einstellung dem nach der Zuständigkeitsverordnung dafür zuständigen FA überlassen müssen. Es komme auch nicht darauf an, ob die Antragstellerin strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten und deshalb das Verfahren eingestellt worden sei; denn dies lasse nicht die Voraussetzungen für die Einleitung eines Strafverfahrens entfallen, sondern stelle lediglich einen persönlichen Strafaufhebungsgrund dar. Demnach könnten auch die Verfehlungen der Antragstellerin hinsichtlich der Jahre 2003 und 2004 mitgeteilt werden, sodass nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens die disziplinarrechtliche Verjährung erst im Jahre 2005 zu laufen begonnen habe, wobei gemäß § 15 Abs. 5 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) der Eintritt eines Disziplinarmaßnahmeverbots auf Grund des eingeleiteten Strafverfahrens gehemmt gewesen sei.
Die Beschwerde wendet sich ferner gegen die Auffassung des FG, das FA hätte selbst prüfen müssen, ob die Kenntnis des Dienstvorgesetzten von den mitzuteilenden Erkenntnissen für disziplinarische Zwecke erforderlich sei. Es sei Zweck des Disziplinarverfahrens, beim Vorliegen von Pflichtverletzungen den Verdacht eines Dienstvergehens zu prüfen. Dafür sei Kenntnis des Disziplinarrechts und der dazu ergangenen Rechtsprechung ebenso wie eine solche des betroffenen Beamten, seines bisherigen Verhaltens, seiner dienstlichen Aufgaben und dergleichen erforderlich. Diese Prüfung könne das FA nicht vorwegnehmen. Nur im Falle des § 125c Abs. 4 BRRG sei daher durch die übermittelnde Stelle neben der Feststellung der dienstrechtlichen Relevanz der betreffenden Erkenntnisse eine Abwägung mit dem Steuergeheimnis und eine damit einhergehende dienstrechtliche Würdigung erforderlich.
Im Übrigen sei das FA an die einschlägigen Ausführungen im Anwendungserlass zur AO und in der vom FG selbst zitierten Ermessensleitlinie des Bundesministeriums der Finanzen gebunden gewesen. Ob eine Hinterziehung von weniger als 2 500 EUR Steuern pro Veranlagungszeitraum zur Degradierung oder Entfernung aus dem Dienst führe, sei danach belanglos.
Das FG habe schließlich auch das Ausmaß des von der Antragstellerin angerichteten steuerlichen Schadens verkannt. Die Schätzung der hinterzogenen Steuern verstoße gegen die Denkgesetze. Die Antragstellerin selbst habe für die Veranlagungszeiträume … hinterzogene Steuern nacherklärt; für … habe das FG daher ebenfalls auf der Grundlage eines Durchschnittswerts von … pro Veranlagungszeitraum von einem Gesamtbetrag von … und nicht nur von … ausgehen müssen.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten und verteidigt den Beschluss des FG.
Entscheidungsgründe:
II.
Die zulässige Beschwerde (§ 128 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) ist begründet. Das FG hat zu Unrecht angenommen, der Antragstellerin stehe nach § 114 FGO ein Anordnungsanspruch zu, dass dem FA die Weitergabe der in dem gegen die Antragstellerin durchgeführten Strafverfahren erlangten steuerlichen Erkenntnisse an deren Dienstvorgesetzten einstweilen untersagt wird.
1.
Nach § 125c BRRG hat die Strafverfolgungsbehörde in Strafverfahren gegen Beamte dem Dienstvorgesetzten des Beamten im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage zur Sicherstellung der erforderlichen dienstrechtlichen Maßnahmen bestimmte Daten zu übermitteln, nämlich insbesondere die Anklageschrift, den Strafbefehlsantrag und die strafrichterliche Entscheidung (Abs. 1). Wenn diese Daten nicht zu übermitteln sind, weil es zu vorgenannten strafprozessualen Maßnahmen bzw. einer gerichtlichen Entscheidung nicht kommt, soll die Entscheidung über die Verfahrenseinstellung übermittelt werden, wenn deren Kenntnis auf Grund der Umstände des Einzelfalles erforderlich ist, um zu prüfen, ob dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind; dabei ist zu berücksichtigen, wie gesichert die zu übermittelnden Erkenntnisse sind (Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2). Sonstige Tatsachen, die in einem Strafverfahren bekannt werden, dürfen mitgeteilt werden, wenn ihre Kenntnis auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles für dienstrechtliche Maßnahmen gegen einen Beamten erforderlich ist und nicht für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass schutzwürdige Interessen des Beamten an dem Ausschluss der Übermittlung überwiegen; erforderlich ist die Kenntnis der Daten auch dann, wenn diese Anlass zur Prüfung bieten, ob dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind (Abs. 4).
Soweit die Strafverfolgungsbehörde nach diesen Vorschriften berechtigt oder verpflichtet ist, Daten weiterzugeben, tritt das Steuergeheimnis in den Fällen der Abs. 1 bis 3 i.S. des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO zurück, während es in den Fällen des Abs. 4 nur bei einem zwingenden öffentlichen Interesse i.S. des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO durchbrochen wird (§ 125c Abs. 6 BRRG).
Allen Alternativen dieses abgestuften Systems von Informationspflichten und -rechten der Strafverfolgungsbehörde (hier: des FA) gegenüber dem Dienstvorgesetzten eines Beamten ist erkennbar gemein, dass der Dienstherr durch die Informationen in die Lage versetzt werden soll, zu prüfen, ob gegen den in seinen Diensten stehenden Beamten dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind. Nach dem Wortlaut und Sinn der Vorschrift obliegt diese Prüfung in jedem Fall dem Dienstherrn. Im Falle des Abs. 1 –also des Ergehens einer gerichtlichen Entscheidung über gegen den Beamten erhobene strafrechtliche Vorwürfe oder zumindest einer Anklageerhebung oder Beantragung eines Strafbefehls– unterstellt das Gesetz ohne weiteres ein diesbezügliches Informationsbedürfnis des Dienstherrn; in den Fällen der Verfahrenseinstellung (§ 125c Abs. 3 BRRG) tut es dies allerdings nicht, sondern erlegt der übermittelnden Behörde die Prüfung auf, ob die Informationen auf Grund der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, damit der Dienstherr prüfen kann, ob dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind. Das trägt dem Schutzbedürfnis des Beamten und insbesondere auch dem Steuergeheimnis vornehmlich in den Fällen Rechnung, in denen sich der strafrechtliche Anfangsverdacht als haltlos erwiesen hat oder in denen das Ermittlungsverfahren zumindest ergeben hat, dass sich der Anfangsverdacht, der zur Einleitung dieses Verfahrens geführt hat, nicht erhärten lässt. Selbst die Übermittlung sonstiger in einem Strafverfahren bekannt gewordener Tatsachen nach § 125c Abs. 4 BRRG steht –unbeschadet der Berücksichtigung schutzwürdiger Belange des Beamten, die der Übermittlung entgegenstehen, und der Feststellung eines zwingenden öffentlichen Interesses an der Durchbrechung des Steuergeheimnisses– nicht unter dem Vorbehalt einer von der Strafverfolgungsbehörde vorab zu treffenden Feststellung, dass von dem Dienstherrn voraussichtlich eine dienstrechtliche Maßnahme getroffen werden wird; vielmehr stellt das Gesetz ausdrücklich klar, dass die Kenntnis solcher Daten für den Dienstvorgesetzten auch dann erforderlich ist, wenn diese lediglich Anlass zu einer Prüfung bieten, ob dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind.
2.
Diesem Regelwerk wird es schon im Ansatz nicht gerecht, wenn das FG prüft, ob gegen die Antragstellerin dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind. § 125c BRRG verlangt von der Strafverfolgungsbehörde keine vorweggenommene, zumindest gleichsam summarische Prüfung der gebotenen disziplinarrechtlichen Behandlung des Falles, sondern nur die Prüfung, ob die Daten für eine solche disziplinarrechtliche Prüfung von Belang sein können und deshalb für den Dienstherrn des Beamten von Interesse sind. Die Finanzbehörde hat in den Fällen des § 125c Abs. 1 bis 3 BRRG auch nicht etwa vor der Übermittlung der fraglichen Informationen an den Dienstvorgesetzten des Beamten zu prüfen, ob das Verhalten des Beamten geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Beamtenschaft zu beschädigen und ob deshalb die Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 Nr. 5 Halbsatz 1 AO vorliegen, also ein zwingendes öffentliches Interesse an der Durchbrechung des Steuergeheimnisses besteht. Denn diese Entscheidung hat ihr der Gesetzgeber des § 125c BRRG abgenommen, indem er insoweit sinngemäß ein solches Interesse bejaht, wenn strafrechtliche Verfehlungen eines Beamten geeignet sind, disziplinarrechtliche Konsequenzen auszulösen.
a) Der beschließende Senat kann offenlassen, ob die Übermittlung der von der Strafverfolgungsbehörde gewonnenen Erkenntnisse nach § 125c Abs. 1 bis 3 BRRG ausnahmsweise dann unterbleiben muss, wenn für die Finanzbehörde ohne weiteres klar und eindeutig erkennbar ist, dass die Möglichkeit disziplinarischer Konsequenzen auf Grund der betreffenden Informationen von vornherein –auch ggf. in Verbindung mit anderen Tatsachen, von deren Nichtvorliegen die Finanzbehörde übrigens in der Regel keine hinreichend sichere Kenntnis haben wird, worauf das FA zurecht hingewiesen hat– wegen der für disziplinarische Maßnahmen in § 15 BDG geregelten Fristen oder z.B. wegen Geringfügigkeit der Verfehlungen des Beamten ausgeschlossen erscheint, eine dienstrechtliche Bewertung der Daten durch den –insofern sach- und rechtskundigen– Dienstherrn mithin nicht erforderlich ist. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben; etwas anderes hat das FG selbst nicht angenommen, wie seine eingehenden Darlegungen zu der in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden präjudiziellen dienstrechtlichen Rechtsprechung zeigen. Im Übrigen hat das FA darauf aufmerksam gemacht, dass das der Antragstellerin vorgeworfene Dienstvergehen erst 2005 vollendet worden sei und zumal bei vollständiger Berücksichtigung des sich über mehrere Jahre erstreckenden Tatgeschehens unbeschadet der in § 15 BDG geregelten Fristen, eine Disziplinarmaßnahme gegen die Antragstellerin zu verhängen, durchaus in Betracht komme. Diese Betrachtungsweise ist jedenfalls nicht klar und eindeutig unzutreffend; sie bedarf eingehender Prüfung durch den Dienstvorgesetzten der Beamtin.
b) Auf Rechtsirrtum beruht ferner die Auffassung des FG, in einem eingestellten Ermittlungsverfahren gewonnene Daten dürften dann nicht weitergegeben werden, wenn wegen der Taten, die Gegenstand des Ermittlungsverfahrens waren, von Anbeginn an Strafverfolgungsverjährung eingetreten war. Denn dass ungeachtet der Strafverfolgungsverjährung solche Taten dienstrechtlich von Bedeutung sein können, namentlich wenn neben sie weitere dienstrechtlich bedeutsame Verfehlungen des Beamten treten, bedarf keiner weiteren Ausführung. Dann aber ist die Kenntnis solcher Daten für den Dienstherrn erforderlich, um umfassend prüfen zu können, ob er disziplinarische Maßnahmen gegen den Beamten ergreifen will, mithin der nach Sinn und Zweck des Gesetzes entscheidende Anlass für die Durchbrechung des Steuergeheimnisses gegeben.
Sofern die Überlegungen des FG in diesem Zusammenhang dahin zu verstehen sein sollten, das FG wolle ein Verwertungsverbot bei rechtswidriger Einleitung eines Ermittlungsverfahrens annehmen, könnte auch dem nicht gefolgt werden. Dabei mag dahinstehen, ob das Veranlagungsfinanzamt vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens hätte prüfen müssen, ob (teilweise) Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist, ein solches persönliches Verfolgungshindernis also der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens entgegensteht. Denn selbst wenn das der Fall wäre, würden die in einem solchen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse keinem (dienstrechtlichen) Verwertungsverbot unterliegen, welches nur in Betracht käme, wenn es sich um Informationen handelte, die rechtmäßig gar nicht hätten gewonnen werden können (vgl. zu einem ähnlichen Problem im Rahmen der Außenprüfung zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs vom 4. Oktober 2006 VIII R 53/04, BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227). Es versteht sich aber, dass der Dienstherr eines Beamten dessen Verfehlungen ermitteln und dienstrechtlich verwerten darf, auch wenn diese strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden können, und es ist auch nicht etwa Sinn des –vielfach, unter anderem durch § 125c BRRG durchbrochenen– Steuergeheimnisses, dem Dienstherrn solche Informationen vorzuenthalten. Vielmehr verdeutlicht nicht zuletzt § 125c Abs. 4 BRRG, dass der Dienstherr –vorbehaltlich überwiegender, entgegenstehender Belange des Beamten und eines i.S. des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO gewichtigen öffentlichen Interesses an der Durchbrechung des Steuergeheimnisses– grundsätzlich umfassend auf die Erkenntnisse der Strafverfolgungsbehörde soll zugreifen können.
c) Die gleichen Erwägungen wie bei Einstellung eines Strafverfahrens wegen Strafverfolgungsverjährung gelten bei Taten, derentwegen es wegen einer strafbefreienden Selbstanzeige zu einer Bestrafung des Beamten von vornherein nicht kommen kann. Auch die Kenntnis diesbezüglicher Daten kann für den Dienstherrn erforderlich sein, weil die strafbefreiende Selbstanzeige, wie sich nach § 371 AO versteht, vor dienstrechtlichen Maßnahmen nicht schützt. Sie würde den Beamten nicht einmal vor strafrechtlicher Verfolgung wegen einer anderen als einer Steuerstraftat schützen –insbesondere nicht etwa wegen des Verbots eines Zwanges zur Selbstbezichtigung, das im Falle einer Verwertung der selbst offenbarten Tatsachen nicht verletzt wird (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. Mai 2004 5 StR 548/03, BGHSt 49, 136)–, so dass umso weniger angenommen werden kann, die Selbstanzeige schließe es aus, die durch sie offenbarten Tatsachen disziplinarrechtlich zu würdigen, mag der Dienstvorgesetzte auch die in der Selbstanzeige zum Ausdruck kommende Rückkehr zur Steuerehrlichkeit würdigen müssen (vgl. Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 30 Rz 198). Dass die Erstattung einer Selbstanzeige, zumal wenn sie –wie hier– unter dem Eindruck drohender Ermittlungen der Finanzbehörde erfolgt, das öffentliche Interesse an einer disziplinarischen Bewertung des Verhaltens des Beamten von vornherein ausschlösse und daher einer Übermittlung der Erkenntnisse der Finanzbehörde an den Dienstvorgesetzten nach § 125c Abs. 3 BRRG entgegen stünde, kann schwerlich angenommen werden.
3.
Die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Anordnung kann nach alledem nicht ergehen. Rechtsgrundlage der vom FA beabsichtigten Unterrichtung des Dienstvorgesetzten der Antragstellerin ist § 125c Abs. 3 BRRG, der lediglich die Prüfung verlangt, ob die betreffenden Informationen auf Grund der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, damit der Dienstherr prüfen kann, ob dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind. Denn das ist, wie ausgeführt, in der Regel nur auszuschließen, wenn das Ermittlungsverfahren die Unschuld des Beamten erwiesen hat oder davon auszugehen ist, dass sich ein bestehen gebliebener Verdacht voraussichtlich auch nicht auf Grund weiterer Ermittlungen erhärten lässt. Das ist hier indes alles nicht der Fall. Es ist auch nicht von vornherein auszuschließen, dass die von der Antragstellerin selbst angezeigten steuerlichen Verfehlungen dienstrechtliche Konsequenzen haben können, über die zu befinden, dem Dienstherrn der Antragstellerin vorbehalten ist. Die von der Antragstellerin eingestandenen falschen Angaben über ihre nebenberuflichen Einkünfte sind insbesondere weder offensichtlich ohne den Vorsatz der Steuerhinterziehung oder zumindest Leichtfertigkeit erfolgt, noch ist –namentlich angesichts der Tätigkeit der Antragstellerin in der Finanzverwaltung– von vornherein auszuschließen, dass sie Dienstvergehen i.S. des § 77 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes darstellen können, also nicht ausschließlich dem privaten Bereich zuzuordnen sind.
Sofern allerdings das FA über die Mitteilung des Gegenstandes des eingestellten Verfahrens und damit unmittelbar zusammenhängender Erkenntnisse sowie der Verfahrenseinstellung als solcher hinaus beabsichtigen sollte, dem Dienstvorgesetzten der Antragstellerin dem Steuergeheimnis unterliegende Erkenntnisse zu offenbaren, müsste das FA sich dafür auf § 125c Abs. 4 BRRG berufen können und insbesondere die einer solchen Mitteilung entgegenstehenden Belange der Antragstellerin in Betracht ziehen, denen bei nach Betrag und Art der steuerlichen Pflichtverletzung nicht besonders schwerwiegenden Vorfällen erhebliches Gewicht zuzumessen wäre. Das bedarf hier jedoch keiner abschließenden Erörterung, weil nach Aktenlage davon auszugehen ist, dass sich die vom FA beabsichtigte Mitteilung auf das beschränken wird, was nach § 125c Abs. 3 BRRG zulässig ist.
Der Beschluss des FG ist nach alledem aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.