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Steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen Angehörigen

Finanzgericht Niedersachsen

Az: 1 K 141/09

Urteil vom 10.12.2009


Tatbestand

Die Beteiligten streiten im dritten Rechtsgang um die steuerliche Anerkennung von Darlehensverträgen zwischen der Klägerin und ihren minderjährigen Enkeln.

Wegen des Sachverhalts wird auf das Urteil im ersten Rechtsgang vom 17.12.2003 (1 K 10543/00) und den Gerichtsbescheid des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 07.06.2006 (IX R 4/04 – BStBl II 2007, 294) verwiesen.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1992 vom 19.08.1998 und der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2000 die Einkommensteuer 1992 auf 6.446 DM herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Gründe

I. Die Klage ist begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Die Darlehensverträge zwischen der Klägerin und ihren Enkeln sind steuerlich anzuerkennen. Die streitigen Darlehenszinsen sind als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 EStG) bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen.

1. In der Revisionsentscheidung vom 12.05.2009 (IX R 46/08 – BFH/NV 2009, 1326) führt der BFH aus, Vertragsverhältnisse zwischen nahen Angehörigen seien steuerrechtlich nur anzuerkennen, wenn die Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden seien und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprächen. Fehle es innerhalb eines Familienverbundes typischerweise an einem Interessensgegensatz und könnten zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich missbraucht werden, so sei es im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung geboten und zulässig, an den Beweis des Abschlusses und an den Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahen Angehörigen strenge Anforderungen zu stellen. Die besonderen Anforderungen der Rechtsprechung bildeten Beweisanzeichen (Indizien) bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Erzielen von Einkünften stünden oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich (§ 12 Einkommensteuergesetz [EStG]) zugehörig seien. Ließen die Vertragsbeteiligten zivilrechtliche Formerfordernisse unbeachtet, so führe dieses Beweisanzeichen gegen die Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarung – anders als z.B. das Nichterfüllen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals – nicht allein und ausnahmslos dazu, das Vertragsverhältnis steuerrechtlich nicht anzuerkennen. Die Indizwirkung gegen den vertraglichen Bindungswillen werde verstärkt, wenn es den Vertragspartnern angelastet werden könne, zivilrechtliche Formvorschriften insbesondere bei klarer Rechtslage nicht beachtet zu haben.

Die Beachtung der zivilrechtlichen Formerfordernisse bei Vertragsabschluss und die Kriterien des Fremdvergleiches aber bildeten lediglich Beweisanzeichen (Indizien) bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften stünden oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich zugehörig seien. Insbesondere die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertragsabschlusses dürfe nicht zu einem eigenen Tatbestandsmerkmal dergestalt verselbständigt werden, dass allein die Nichtbeachtung zivilrechtlicher Formvorschriften die steuerrechtliche Nichtanerkennung des Vertragsverhältnisses zur Folge habe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.11.1995 – 2 BvR 802/90 – BStBl II 1996, 34). Diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben habe der BFH im Urteil vom 13.07.1999 (VIIII R 29/97 – BStBl II 2000, 386) aufgenommen und entschieden, dass die zivilrechtliche Unwirksamkeit eines Vertragsabschlusses zwischen nahen Angehörigen nicht ausnahmslos zum Ausschluss der steuerlichen Anerkennung des Vertragsverhältnisses führen dürfe.

Danach seien die streitigen Darlehenszinsen nicht bereits deshalb vom Abzug als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 EStG) bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeschlossen, weil die zu Grunde liegenden Darlehensverträge gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zunächst schwebend unwirksam gewesen seien. Auch wenn der zivilrechtlichen Unwirksamkeit des Darlehensvertrages wegen der klaren zivilrechtlichen Lage eine verstärkte Indizwirkung gegen den Bindungswillen der Beteiligten zuzumessen sei, bliebe sie doch nur ein Beweisanzeichen im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung. Angesichts der tatsächlichen Durchführung der Verträge sei deshalb auch zu würdigen, dass die Parteien nach Erkennen der Unwirksamkeit zeitnah auf eine Genehmigung durch den Ergänzungspfleger hingewirkt hätten.

Der BFH führt in dieser Entscheidung weiter aus, dass die im Streitjahr noch fehlende Besicherung der Darlehensverträge als Beweisanzeichen gegen den Bindungswillen der Beteiligten nicht ergiebig sei, weil dieses generelle Erfordernis im vorliegenden Fall durch einen konkreten Fremdvergleich überlagert werde.

2. Die Würdigung aller Beweisanzeichen, die nach den beiden Revisionsentscheidungen zu berücksichtigen sind, führt zu dem Ergebnis, dass die streitigen Aufwendungen nicht dem nicht steuerbaren privaten Bereich zugehörig sind. Sie stehen vielmehr in einem sachlichen Zusammenhang mit den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung und sind deshalb als Werbungskosten abzugsfähig.

a) Gegen den Bindungswillen der Beteiligten spricht allein die zivilrechtliche Unwirksamkeit Darlehensverträge zwischen der Klägerin und ihren Enkeln. Diesem Beweisanzeichen kommt allerdings eine verstärkte Wirkung zu, weil – ausgehend von der Rechtsprechung des BFH – der Klägerin die Nichtbeachtung der zivilrechtlichen Formvorschriften anzulasten ist. Die Notwendigkeit der Einschaltung eines Ergänzungspflegers bei Vertragsabschluss ergab sich bereits aus dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften des BGB.

b) Die zunächst fehlende Besicherung der Darlehensverträge ist als Beweisanzeichen in diesem Zusammenhang unergiebig und erlaubt deshalb nicht den Schluss auf einen fehlenden Bindungswillen der Parteien. Zwar muss nach der Rechtsprechung des BFH der Rückzahlungsanspruch aus einem langfristigen Darlehen zwischen nahen Angehörigen ausreichend besichert sein. Dieses generelle Erfordernis wird aber nach der für den Senat bindenden Auffassung des BFH im Revisionsurteil vom 12.05.2009 im Streitfall durch einen konkreten Fremdvergleich überlagert. Vor dem Hintergrund, dass drei verschiedene Kreditinstitute der Klägerin ungesicherte Darlehen von insgesamt 700.000,– DM gewährt haben, verliert das zwischen fremden Dritten übliche Vertragsgebaren für die Indizienwürdigung an Gewicht, so dass die fehlende Besicherung nicht ohne weiteres auf eine steuerrechtlich unerhebliche Veranlassung der Darlehensgewährung hindeutet.

c) Für die steuerliche Anerkennung der Darlehensverträge spricht demgegenüber, dass sowohl ihre Gestaltung als auch ihre Durchführung im Übrigen dem zwischen Fremden Üblichen entspricht.

d) Auch das spätere Verhalten der Vertragsparteien hat indizielle Bedeutung für ihren Bindungswillen. Sie haben nach Erkennen der Unwirksamkeit der Verträge zeitnah darauf hingewirkt, eine Genehmigung durch einen Ergänzungspfleger zu erreichen, und die Klägerin hat dann auch die Darlehensrückzahlungsansprüche ihrer Enkel durch Grundschulden besichert.

e) Insgesamt überwiegen nach Auffassung des erkennenden Senats die für die steuerliche Anerkennung der Darlehensverträge sprechenden Beweisanzeichen mit der Folge, dass die geltend gemachten Schuldzinsen als Werbungskosten abzugsfähig sind.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1 und 143 Abs. 2 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

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