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Verkehrssicherungspflicht Gehweg mit scharfkantigen Niveauunterschieden

Verkehrssicherungspflicht: Unebenheiten auf Gehwegen und ihre rechtlichen Konsequenzen

Die Verkehrssicherungspflicht, insbesondere im Kontext von Gehwegen, ist ein Thema, das immer wieder zu rechtlichen Auseinandersetzungen führt. Ein aktueller Fall, der vor dem OLG Hamm verhandelt wurde, beleuchtet die Problematik von scharfkantigen Unebenheiten und deren Folgen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-11 W 37/20 >>>

Unebenheiten und ihre rechtlichen Folgen

Im besagten Fall ging es um eine Frau, die aufgrund von scharfkantigen Höhenunterschieden auf einem Gehweg gestürzt war. Die Klägerin machte geltend, dass diese Unebenheiten eine Gefahrenstelle darstellten, die von der zuständigen Behörde trotz angeblicher regelmäßiger Kontrollen nicht beseitigt worden war. Sie forderte Schmerzensgeld und Schadensersatz.

Die Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm entschied, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung darlegen und beweisen müsse, dass die scharfkantigen Höhenunterschiede für ihren Sturz ursächlich waren. Es wurde betont, dass Gehwege Fußgängern grundsätzlich in ihrer gesamten Breite als Verkehrsfläche zur Verfügung stehen sollten. Das Gericht widersprach der Auffassung, dass Fußgänger in Bereichen mit scharfkantigen Niveauunterschieden eine gesteigerte Aufmerksamkeit walten lassen müssten.

Bewertung der Schadenshöhe

In Bezug auf die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs wurde festgestellt, dass die Klägerin nur Anspruch auf ein Schmerzensgeld von 1.000,00 EUR habe. Die ursprüngliche Forderung der Klägerin von mindestens 2.000,00 EUR wurde als überzogen betrachtet. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass das Landgericht prüfen müsse, ob ein Mitverschulden der Klägerin vorliege.

Abschließende Bemerkungen

Der Fall verdeutlicht die Komplexität der Verkehrssicherungspflicht und die Notwendigkeit, dass sowohl die zuständigen Behörden als auch die Bürger ihre Pflichten und Rechte kennen. Es bleibt abzuwarten, wie zukünftige Urteile in ähnlichen Fällen ausfallen werden und ob es zu einer klaren Rechtsprechung in Bezug auf die Verkehrssicherungspflicht von Gehwegen kommt.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-11 W 37/20 – Beschluss vom 31.08.2020

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 02.06.2020 wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 07.04.2020 teilweise abgeändert.

Der Antragstellerin wird für folgende Anträge vorläufig ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin T aus H bewilligt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 1.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.09.2019 zu zahlen;

2. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materielle und immaterielle Schäden, letztere, soweit sie nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehen, aus dem Unfall auf der F vor der Hausnummer 1 in H vom 17.05.2019 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen;

4. die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von dem nicht anrechenbaren Teil der außergerichtlichen Vergütung ihrer Prozessbevollmächtigten, den Rechtsanwälten T und U in H, in Höhe von 201,71 EUR freizustellen.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Gebühr nach KV 1826 soll zur Hälfte erhoben werden.

Gründe

Verkehrssicherungspflicht Gehweg mit scharfkantigen Niveauunterschieden
Verkehrssicherungspflicht im Diskurs: Unebenheiten auf Gehwegen als rechtliche Herausforderung – ein Fall zeigt, wie wichtig Bewusstsein für Pflichten & Rechte bei Bürgern und Behörden ist. (Symbolfoto: Netpixi /Shutterstock.com)

Die gem. § 127 Abs.2 S.2, 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die beabsichtigte Klage hat im Umfang der bewilligten Prozesskostenhilfe Aussicht auf Erfolg, § 114 Abs1. S.1 ZPO.Die geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld haben ihre Grundlage in §§ 839, 249, 253 Abs.2 BGB, Art. 34 GG i.V.m. §§ 9, 9a, 47 Abs.1 StrWG NRW. Unter Beachtung der vom Landgericht im Grundsatz zutreffend dargestellten Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten der Antragsgegnerin betreffend die Unfallstelle hat die Antragstellerin eine schuldhafte und eine für die ihr entstandenen Schäden kausale Verkehrssicherungspflichtverletzung der Antragsgegnerin hinreichend schlüssig vorgetragen.Nach dem Vortrag aus der Antragsschrift und den zur Akte gereichten Fotografien, Bl.8 d.A., bestehen hinreichende Erfolgsaussichten dafür, dass die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung darlegen und beweisen kann, dass für ihren Sturz eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle in Form der lose, mit erheblichen Zwischenräumen verlegten Plattierung und sich dadurch ergebenden scharfkantigen Höhenunterschieden ursächlich geworden ist, diese Gefahrenstelle von der Antragsgegnerin trotz behaupteter regelmäßiger Kontrollen nicht beseitigt worden ist und sich die Antragstellerin durch den Sturz die behaupteten Verletzungen zugezogen hat. Zu den Einzelheiten, welche der auf der Fotografie 1, Bl.8 d.A., erkennbare Schadstellen zu dem Sturz der Antragstellerin geführt hat, ob der Sturz durch eine lose Platte und/oder durch einen bestimmten Höhenversatz verursacht worden ist, ist die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung persönlich anzuhören. Das Ergebnis der Anhörung ist nach den in dem angefochtenen Beschluss angeführten Maßstäben zu den Anforderungen an die einzuhaltenden Verkehrssicherungspflichten zu bewerten, ggfs. sind die benannten Zeugen zu vernehmen. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts ausdrücklich nicht, nach der eine lose Plattierung, scharfkantige Niveauunterschiede und erhebliche Zwischenräume zwischen den Gehwegplatten im Bereich von Hauseingängen keine abhilfebedürftige Gefahrenstelle darstellen, weil sich Fußgänger in diesem Bereich mit einem gesteigerten Maß an Aufmerksamkeit bewegen müssen. Der Gehweg steht Fußgängern grundsätzlich in seiner gesamten Breite als Verkehrsfläche zur Verfügung. Die schadhafte Stelle war auch – anders als in dem vom Senat mit Beschluss vom 24.01.2014, 11 U 95/13, entschiedenen Fall – nicht wegen ihrer Größe, farblichen oder sonstigen Beschaffenheit so weithin erkennbar, dass sich die Antragstellerin dem schadhaften Bereich nur mit größter Vorsicht nähern durfte.Was die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs angeht, war Prozesskostenhilfe nur für einen Betrag von 1.000,00 EUR zu bewilligen. Die Vorstellung der Antragstellerin, das angemessene Schmerzensgeld habe sich auf mindestens 2.000,00 EUR zu belaufen, erscheint unter Berücksichtigung der für Frakturen der Hand bzw. der Finger zuerkannten Schmerzensgelder (vgl. Schmerzensgeldtabelle Hacks/Wellner/Häcker, 2020, Nr.892 ff) bereits bei voller Haftung der Antragsgegnerin übersetzt. Des Weiteren wird das Landgericht nach Anhörung der Antragstellerin zum Unfallhergang zu prüfen haben, ob und inwieweit bei der Schmerzensgeldbemessung ein Mitverschulden der Antragstellerin (§ 254 BGB) zu berücksichtigen ist. Die zu bewilligende Prozesskostenhilfe erstreckt sich auch auf den Feststellungsantrag, da die Antragstellerin geltend macht, nach wie vor unter den Folgen der Verletzung zu leiden.Wegen der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung eines Freistellungsanspruchs in Höhe von 201,71 EUR zu bewilligen; dies entspricht einer 1,3 Geschäftsgebühr gem. Nr.2300 VV RVG nach einem Gegenstandswert von bis zu 1.500,00 EUR.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs.4 ZPO.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Verkehrsrecht
    • Das Verkehrsrecht ist hier besonders relevant, da es sich um einen Unfall auf einem Gehweg handelt und die Verkehrssicherungspflicht thematisiert wird. Die Verkehrssicherungspflicht verpflichtet den Verantwortlichen (z.B. den Eigentümer oder die zuständige Gemeinde), dafür zu sorgen, dass von einer Sache oder einem Grundstück keine Gefahr für Dritte ausgeht. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die Antragsgegnerin ihrer Verkehrssicherungspflicht nachgekommen ist, insbesondere in Bezug auf den Zustand des Gehwegs.
  2. Versicherungsrecht
    • Das Versicherungsrecht kommt ins Spiel, da Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht werden. Diese Ansprüche können durch eine Haftpflichtversicherung abgedeckt sein. Es geht hier um die Frage, inwieweit die Versicherung für die entstandenen Schäden aufkommen muss.
  3. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
    • Verschiedene Paragraphen des BGB werden im Text genannt:
      • §§ 839, 249, 253 Abs.2 BGB: Diese Normen regeln die Haftung bei Amtspflichtverletzung, den Anspruch auf Schadensersatz und den immateriellen Schaden (Schmerzensgeld).
      • § 254 BGB: Dieser Paragraph behandelt das Mitverschulden, das bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden kann.
  4. Verwaltungsrecht und Straßen- und Wegegesetze (StrWG) NRW
    • Das Verwaltungsrecht und insbesondere das Straßen- und Wegegesetz von Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW) sind relevant, da sie die Pflichten und Verantwortlichkeiten in Bezug auf öffentliche Wege und Straßen regeln. Hier geht es um die Frage, ob die Antragsgegnerin ihre Pflichten nach dem StrWG NRW verletzt hat.
  5. Grundgesetz (GG)
    • Art. 34 GG: Dieser Artikel regelt die Staatshaftung, d.h. die Haftung des Staates oder der Gemeinde für Schäden, die durch seine Beamten verursacht wurden. In Verbindung mit den anderen genannten Normen könnte dies bedeuten, dass die Gemeinde oder der Staat für den Schaden haftet, der durch den Zustand des Gehwegs verursacht wurde.

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