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Verkehrssicherungspflichtverletzung – Ablegen eines Fußballtors außerhalb des Spielfeldes

OLG Koblenz – Az.: 5 U 423/12 – Beschluss vom 18.06.2012

Es ist beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich ohne Erfolgsaussicht ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Im Einzelnen ist zur Sach- und Rechtslage zu bemerken:

Gründe

I. Der Kläger nahm am 11.09.2010 an einem Fußballspiel der Rheinland-Liga teil. Seine Mannschaft war Gast auf dem Gelände des beklagten Vereins.

Verkehrssicherungspflichtverletzung - Ablegen eines Fußballtors außerhalb des Spielfeldes
Symbolfoto: Von Pasko Maksim/Shutterstock.com

Während des Spiels geriet der Kläger hinter die gegnerische Tor-Aus-Linie und prallte dort gegen ein an der Platzeinzäunung abgelegtes Trainingstor. Die Frontseite des Tors befand sich auf dem Erdboden, während das Fußgestell, bestehend aus zwei von den Pfostenenden rechtwinklig abgehenden Ständern, die an ihrem Abschluss durch eine Verstrebung miteinander verbunden waren, nach oben aufragte. Gemäß einer Augenscheinseinnahme durch das Landgericht betrug der Abstand zum Spielfeldrand 4,5 m. Der Fußballplatz war mit Kunstrasen belegt, der 1,8 m über die Tor-Aus-Linie hinaus reichte, ehe sich eine 22 cm breite Steineinfassung und danach Wiesengelände anschlossen.

Der Aufprall des Klägers erfolgte dessen Darstellung nach im Zuge eines Lauf-Duells, bei dem er, bedingt durch einen Rempler, aus dem Gleichgewicht geraten sei. Demgegenüber hat der Beklagte, anknüpfend an eine in der Presse mitgeteilte Hergangsbeschreibung durch den Kläger, vorgetragen, dieser sei „in den langen Ball, der für ihn gedacht gewesen sei, reingerutscht“.

Mit der Behauptung, sich aufprallbedingt nachwirkende Verletzungen und dabei insbesondere einen Kreuzbandriss zugezogen zu haben, hat der Kläger den Beklagten auf die Zahlung eines mit mindestens 7.500 € zu beziffernden Schmerzensgelds und materielle Ersatzleistungen von insgesamt 3.480,21 € wegen des Entgangs von Spielprämien, entstandener Heilbehandlungskosten und Aufwendungen zur Rechtsverfolgung in Anspruch genommen sowie die Feststellung dessen weitergehender Haftung beantragt. Das hat er auf den Vorwurf eines Verkehrssicherungspflichtverstoßes gegründet.

Das Landgericht hat einen solchen Verstoß, gestützt auf seine Augenscheinseinnahme, verneint und die Klage abgewiesen. Seiner Meinung nach war aufgrund der Entfernung des Trainingstors zum Spielfeldrand ein grundsätzlich genügender Auslaufbereich gewährleistet. Das Torgestänge habe sich gut wahrnehmbar von seinem Untergrund abgehoben. Zudem werde der Beklagte dadurch entlastet, dass der Schiedsrichter das Spiel freigegeben habe.

Dagegen wendet sich der Kläger in Erneuerung seines Verlangens mit der Berufung. Er betont, dass das streitige Trainingstor den durch die vorhandene Platzeinzäunung suggerierten Auslaufraum um etwa 1 m verkürzt habe, ohne dass das im Spielbetrieb wahrnehmbar gewesen sei; es habe sich nämlich farblich kaum von der Einzäunung unterschieden.

II. Damit vermag der Kläger nicht durchzudringen. Die angefochtene Entscheidung ist in ihrem Ergebnis nicht zu beanstanden.

Grundlage für die eingeklagten Ansprüche kann – mangels vertraglicher Beziehungen zwischen den Parteien –  allein eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten sein, indem eine von dessen Seite geschaffene Gefahrenlage in vorwerfbarer Weise nicht beseitigt wurde und dadurch Schaden entstand. Davon geht auch der Kläger aus.

1. Es ist anerkannt, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle eröffnet, gehalten ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (BGH VersR 1990, 498; BGH VersR 2002, 247; BGH VersR 2003, 1319; BGH VersR 2005, 279; BGH VersR 2006, 233, BGH NJW 2007, 1683). Das verpflichtet ihn zu den Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für erforderlich erachtet, um andere vor Beeinträchtigungen zu bewahren. Dabei ist aber zu sehen, dass nicht jeder denkbaren Gefahr vorbeugend begegnet zu werden braucht. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn es aus sachkundiger Sicht nahe liegt, dass Rechtsgüter anderer beeinträchtigt werden (BGH VersR 2006, 233; BGH NJW 2007, 1683). Dem allgemeinen Sorgfaltsgebot ist daher regelmäßig genügt, wenn derjenige Sicherheitsstandard erreicht wird, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für angemessen erachtet (BGH VersR 1972, 559; BGH VersR 2006, 233; BGH NJW 2007, 1683). Damit muss hingenommen werden, dass es von einem fremden Herrschaftsbereich ausgehende Risiken gibt, die der Geschädigte am Ende allein trägt (BGH VersR 1975, 812, BGH VersR 2003, 1319; BGH NJW 2007, 1683).

2. So verhalten sich die Dinge auch hier. Ein haftungsbegründender (§§ 823, 276 BGB) Pflichtverstoß des Beklagten lässt sich nicht bejahen. Allerdings stellte das Trainingstor, gegen das der Kläger prallte, eine abstrakte Gefahr dar, die durch dessen Verbringung außerhalb des eingezäunten Platzbereichs von vornherein hätte ausgeschlossen werden können. Aber die Schadenswahrscheinlichkeiten waren so gering, dass unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung entsprechende Vorkehrungen nicht geboten waren.

Nach den durch die erstinstanzliche Augenscheinseinnahme vermittelten Erkenntnissen hob sich das streitige Trainingstor deutlich von der darunter befindlichen Wiese ab und war damit – auch wenn kein erheblicher farblicher Unterschied zu der benachbarten Platzeinzäunung bestanden haben mag – augenfällig. Es handelte sich um ein Objekt von besonderer Formgebung, das als individuelles Hindernis zu erkennen war.

Freilich lag es nicht ständig im Blickfeld der Spieler. Das gilt insbesondere im Hinblick auf Kampfsituationen, in denen deren Augenmerk auf den Ball und den Gegner gerichtet war. Aber solche Situationen bestimmten erfahrungsgemäß nicht den gesamten Spieleinsatz der einzelnen Beteiligten und ließen Raum für die Registrierung der örtlichen Verhältnisse, auf die das eigene spielerische Verhalten Rücksicht nehmen musste. Insofern brauchte grundsätzlich ebenso wenig befürchtet zu werden, dass Spieler mit dem abgelegten Trainingstor kollidieren würden, wie allgemein anzunehmen war, dass sie sich an Torpfosten oder möglichen in Spielfeldnähe aufgestellten Barrieren verletzen würden (vgl. dazu OLG Nürnberg VersR 1977, 1134). Dass es Präzedenzfälle gegeben hätte, die eine andere Sicht nahe gelegt hätten, ist weder behauptet noch sonst ersichtlich (vgl. dazu auch LG Bonn, Urteil vom 16.02.2000 – 1 O 483/99). Gegen eine relevante Gefahrenlage sprach auch der 4,5 m große Abstand des Trainingstors von der Tor-Aus-Linie, durch den vermieden wurde, dass sich ein Spieler auf geringe Distanz näherte, während er sich noch im Spielgeschehen befand und seine Aufmerksamkeit dort gebunden war.

Vor diesem Hintergrund kann dem Beklagten nicht vorgeworfen werden, das Trainingstor nicht anderswo platziert zu haben. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dessen Lage durch den Schiedsrichter nicht beanstandet wurde. Das indiziert die Konformität der Verhältnisse mit der oben (1.) erwähnten „in dem entsprechenden Bereich herrschenden Verkehrsauffassung“, die der Bundesgerichtshof (BGH VersR 1972, 559; BGH VersR 2006, 223; BGH NJW 2007, 1683) als Beurteilungsmaßstab für ein sachlich angemessenes Verhalten heranzogen hat.

III. Nach alledem sollte der Kläger die Rücknahme seines Rechtsmittels erwägen. Bis zum 18.07.2012 besteht Gelegenheit zur Stellungnahme.

 

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