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Verkehrsunfall: Abbremsen vor einer auf Gelb springenden Ampel

LG Heidelberg, Az.: 5 O 106/13

Urteil vom 11.10.2013

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 982,55 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 28.03.2013 sowie aus weiteren EUR 982,55 vom 25.08.2012 bis 27.03.2013 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, an den Klägerin vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 85,68 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 28.03.2013 sowie aus weiteren EUR 175,53 vom 25.08.2012 bis 27.03.2013 zu zahlen.

3. Die Widerklage und Drittwiderklage wird abgewiesen.

4. Der Beklagte zu 3 trägt die Kosten des Rechtsstreits, davon 7% gesamtschuldnerisch mit den Beklagten zu 1 und 2 und 93% allein.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

Verkehrsunfall: Abbremsen vor einer auf Gelb springenden Ampel
Symbolfoto: Dvulikaia/Bigstock

Am 30.07.2012 befuhr die Drittwiderbeklagte mit dem Pkw Fiat Panda, Kennzeichen …, dessen Eigentümer und Halter der Kläger und Widerbeklagte (fortan: Kläger) war, die … Straße in … in stadtauswärtiger Richtung. Beifahrer war der Zeuge…. Als die in Höhe des Sportstudios „Venice Beach“ und des Schnellrestaurants „Burger King“ befindliche Ampelanlage von grün auf gelb umschaltete, bremste die Drittwiderbeklagte den Pkw des Klägers ab und blieb stehen. Der Beklagte zu 3 und Widerkläger (fortan: Beklagter zu 3), der dem Pkw mit dem Motorrad mit dem Kennzeichen…, welches bei der Beklagten zu 1 pflichthaftpflichtversichert war und dessen Halterin die Beklagte zu 2 war, nachfolgte, bremste ebenfalls. Im Anschluss rutschte das Motorrad in Seitenlage im Bereich des Hecks des Pkws unter diesen. Der Beklagte zu 3 selbst stürzte auf die Straße.

Der für die Beseitigung der durch diesen Unfall am Pkw des Klägers entstandenen Schäden erforderliche Reparaturkostenaufwand beträgt netto EUR 1.364,70, die verbleibende Wertminderung des Pkws EUR 150,-. Zur Ermittlung dieser Beträge holte der Kläger ein Gutachten (Anlage K 1) ein, welches ihn EUR 424,83 kostete (Rechnung Anlage K 2). Die Summe dieser Beträge, zuzüglich einer Unkostenpauschale von EUR 25,56, insgesamt EUR 1.965,09, hat der Kläger zunächst mit Anwaltsschreiben vom 10.08.2012 (Anlage K 3) bei der Beklagten zu 1 geltend und später zum Gegenstand vorliegender Klage gemacht.

Der Beklagte zu 3, nach dessen Auffassung die Drittwiderbeklagte den Unfall schuldhaft verursacht hat, verlangt, widerklagend, von dieser und dem Kläger die Zahlung eines Schmerzensgeldes für die nach seiner Behauptung durch den Unfall erlittenen Verletzungen.

Der Kläger behauptet, die Drittwiderbeklagte sei ca. 40 km/h schnell auf die noch Grünlicht zeigende Ampel zugefahren. Sie habe an dieser anhalten wollen, als diese auf gelb geschaltet habe, da ihr Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt noch zu weit von der Ampel beziehungsweise Kreuzung entfernt gewesen sei, als dass die Drittwiderbeklagte sich hätte sicher sein können, dass sie die Ampel anderenfalls noch bei gelb überfahren werde. Sie habe abgebremst, ohne zuvor etwa noch zu beschleunigen. Der Pkw sei am Haltestreifen der Kreuzung stehen geblieben, wobei dessen Front den Streifen leicht überschritten habe.

Der Kläger meint, das Unfallereignis sei für die Drittwiderbeklagte unabwendbar gewesen.

Er beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 1.965,09 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 25.08.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 261,21 Anwaltsgebühren nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 25.08.2012 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt der Beklagte zu 3:

Der Widerbeklagte und die Drittwiderbeklagten [sic] werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Widerkläger Schmerzensgeld in vorläufiger Höhe von EUR 25.000 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 3 sei mit ausreichendem Abstand dem fahrenden Pkw nachgefolgt. Als die Ampel auf gelb geschaltet habe, habe das zu diesem Zeitpunkt ca. 50 km/h schnell fahrende Klägerfahrzeug deutlich beschleunigt, um noch über die Kreuzung zu fahren. Der Beklagte zu 3 hingegen sei mit gleichbleibender Geschwindigkeit gefahren und habe an der Ampel anhalten wollen. Plötzlich und überraschend habe das vor dem Beklagten zu 3 fahrende Klägerfahrzeug mit quietschenden Reifen sehr stark abgebremst, wobei es erst deutlich nach der Haltelinie der Ampel zum Stehen gekommen sei. Der Beklagte zu 3, wiewohl ein erfahrener und bis dahin völlig unfallfreier Motorradfahrer, sei von dem ungewöhnlichen Fahrverhalten der Drittwiderbeklagten vollständig überrascht worden. Auf Grund des Bremsvorganges und der Reifengeräusche des Klägerfahrzeuges sei er erschrocken und habe im Sinne eines heftigen Bremsmanövers stark abgebremst. Sodann sei er noch in der Entfernung des gebotenen Sicherheitsabstandes vom Motorrad gestürzt, welches noch einige Meter auf dem Asphalt und sodann in den Pkw hineingerutscht sei.

Der Beklagte zu 3 habe in der überraschenden Situation keine Chance gehabt, noch rechtzeitig und ordnungsgemäß sein Motorrad abbremsen zu können. Die Drittwiderbeklagte habe dies noch vor Ort eingeräumt, als sie nach dem Aussteigen mit Tränen in den Augen geäußert habe, dass sie sich doch nicht getraut habe, über die Ampel zu fahren. Dies sowie den Unfall selbst habe auch der unbeteiligte Zeuge … mitbekommen, der zuvor auf der Fahrspur rechts neben den beiden unfallbeteiligten Fahrzeugen, etwa drei oder vier Pkw-Längen nach hinten versetzt, gefahren sei.

Durch den Unfall sei der Beklagte zu 3 schwer verletzt worden. Er habe eine komplizierte Fraktur des rechten Armes erlitten, eine sogenannte Essex-Lopresti-Verletzung. Er sei seit dem Unfallzeitpunkt arbeitsunfähig und werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dauerhaft geschädigt bleiben. Trotz mehrerer Operationen habe er seit dem Unfall ununterbrochen heftige Schmerzen im rechten Arm. Er sei auch psychisch beeinträchtigt und habe massiv an Lebensqualität und -freude verloren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Verfahrensakte Bezug genommen. Die Klage wurde zunächst am 28.03.2013 vor dem Amtsgericht … verhandelt. In diesem Termin haben die Parteien unstreitig gestellt, dass die Beklagten nach Klageeinreichung „unter Vorbehalt“ 50% des vom Kläger geltend gemachten Schadens bezahlt haben. Nach Erhebung der (Dritt-) Widerklage hat sich das Amtsgericht für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit mit Beschluss vom 02.05.2013 (AS 151 f.) an das Landgericht Heidelberg verwiesen. Das erkennende Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und … im Termin am 26.07.2013. Ferner wurden die Drittwiderbeklagte und der Beklagte zu 3 in diesem Termin persönlich angehört. Schließlich haben die Parteien in diesem Termin den Klageantrag zu 1 in Höhe von EUR 982,55 und den Klageantrag zu 2 in Höhe von EUR 175,53 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet (I.). Die Widerklage beziehungsweise Drittwiderklage ist ebenfalls zulässig. Sie ist aber nicht begründet (II.).

I.

Die Klage war bis zum Eintritt der Teilerledigung voll und ist danach in fortan noch rechtshängigem Umfang begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Ersatz der Schäden, die ihm aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis erwachsen sind, in Höhe einer 100%-Quote. Dieser Anspruch folgt aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, 249 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, 421 BGB. Auf der Grundlage der nach der durchgeführten Beweisaufnahme feststehenden Tatsachen ist den Beklagten nicht gelungen, den gegen sie sprechenden Beweis des ersten Anscheins, dass der Beklagte zu 3 den Unfall verschuldet hat, zu erschüttern.

1. Der Tatbestand der §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG ist erfüllt. Bei dem Betrieb des bei der Beklagten zu 1 pflichthaftpflichtversicherten, vom Beklagten zu 3 geführten Motorrades, dessen Halterin die Beklagte zu 2 ist, ist der dem Kläger gehörende Pkw beschädigt worden.

2. Die Ersatzpflicht ist nicht nach §§ 17 Abs. 3, 18 Abs. 3 StVG ausgeschlossen, da die Beklagten den ihnen obliegenden Unabwendbarkeitsbeweis nicht geführt haben. Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es auch durch äußerste Sorgfalt nicht abgewendet werden kann (BGHZ 117, 337). Gefordert wird nicht absolute Unvermeidbarkeit, sondern ein an durchschnittlichen Verhaltensanforderungen gemessenes ideales, also überdurchschnittliches Verhalten. Bei Anwendung eines solchen Maßes an Sorgfalt hätte der Beklagte zu 3 unter Aufrechterhaltung der Kontrolle über sein Motorrad dieses abgebremst und ohne schadensstiftende Berührung mit dem Klägerfahrzeug angehalten.

3. Allerdings hängt nach §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 3 StVG der Umfang der Schadensersatzpflicht von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung im Rahmen des § 17 StVG hat der andere Teil dem Halter beziehungsweise Fahrer einen als Verschulden anzurechnenden Umstand oder andere dessen Betriebsgefahr erhöhende Tatsachen zu beweisen. Nur unstreitige, zugestandene oder erwiesene Tatsachen zählen (Hentschel/König/Dauer/König, StVR, 42. Aufl. 2013, § 17 StVG Rz. 31 m.w.N.).

Vorliegend führt die Abwägung zu einer Alleinhaftung der Beklagten, da der Beklagte zu 3 den Unfall allein oder jedenfalls so weit überwiegend verschuldet hat, dass, nachdem ein Verschulden der Drittwiderbeklagten nicht feststeht, eine verbleibende Betriebsgefahr des Klägerfahrzeuges dahinter zurücktritt. Der Beklagte zu 3 hat nachweislich gegen § 1 Abs. 1 StVO, wonach die Teilnahme am Straßenverkehr ständige Vorsicht erfordert, und/oder gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO verstoßen, wonach der Abstand von einem vorausfahrenden Fahrzeug in der Regel so groß sein muss, dass auch dann hinter ihm gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird. Denn gegen den Beklagten zu 3 spricht insoweit der Beweis des ersten Anscheins. Diesen Anschein zu erschüttern ist den Beklagten nicht gelungen.

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Wer im Straßenverkehr auf den Vorausfahrenden auffährt, war in der Regel unaufmerksam oder zu dicht hinter ihm. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins. Dieser wird nach allgemeinen Grundsätzen nur dadurch erschüttert, dass ein atypischer Verlauf, der die Verschuldensfrage in einem anderen Lichte erscheinen lässt, von dem Auffahrenden dargelegt und bewiesen wird (BGH, NJW-RR 2007, 680 f. – juris Rz. 5). An einer solchen Darlegung seitens der Beklagten fehlt es vorliegend, jedenfalls aber am Beweis:

a) Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Vortrag der Beklagten, das Klägerfahrzeug habe vor der Gelblicht zeigenden Ampel zunächst deutlich beschleunigt, bevor es dann abgebremst habe, im Falle seiner Erweislichkeit geeignet wäre, den gegen die Beklagten sprechenden Anscheinsbeweis zu erschüttern. Denn der Beweis dieser bestrittenen Behauptung ist den Beklagten nicht gelungen.

Zwar hat der Beklagte zu 3 im Rahmen seiner persönlichen Anhörung angegeben, die Drittwiderbeklagte habe das vor ihm her fahrende Klägerfahrzeug auf einmal so stark beschleunigt, dass es ruckartig von ihm weg gefahren sei, weswegen er davon ausgegangen sei, dass die Drittwiderbeklagte noch über die Kreuzung habe drüberfahren wollen (Prot. v. 26.07.2013, S. 4 vorletzter Absatz – AS 235). Es habe ein Motorengeräusch der Beschleunigung gegeben; es habe so „wumm“ gemacht (Prot. S. 7 vierter Absatz – AS 241). Die Drittwiderbeklagte hat dem jedoch bei ihrer Anhörung mit ihrer Darstellung widersprochen, nach der sie, als es gelb geworden sei, zunächst mit gleichbleibender Geschwindigkeit weitergefahren sei und dann gebremst habe. Beschleunigt habe sie auf keinen Fall. Vielleicht habe sie das Gelblicht spät gesehen. Sie habe aber von Anfang an anhalten wollen (Prot. v. 26.07.2013, S. 2 vorletzter Absatz – AS 231).

Allerdings hat der von den Beklagten angebotene Unfallzeuge …, der auf gleicher Strecke wie die streitbeteiligten Fahrzeuge ein Stück hinter diesen mit seinem Pkw unterwegs war, auf Frage des Gerichts, ob das Klägerfahrzeug vor seiner Bremsung noch beschleunigt habe, erklärt, es komme ihm so vor. Die anderen Fahrzeuge, die vor ihm gewesen seien, hätten dies auch getan. Dies sei seiner Meinung nach auch die normale Reaktion, wenn man sich in einem beschleunigten Verkehrsfluss befinde und die Ampel von grün auf gelb wechsle (Prot. v. 26.07.2013, S. 19 erster Absatz – AS 265).

Der von der Klägerin angebotene Zeuge …, ihr Beifahrer, hat hingegen bekundet, er könne sich daran erinnern, dass die Drittwiderbeklagte, als es gelb geworden sei, vom Gas gegangen sei und nicht beschleunigt habe. Dies habe er daran gehört, dass der Motor des Kleinwagens leiser geworden sei (Prot. v. 26.07.2013, S. 13 dritter u. vierter Absatz – AS 253).

Auf Grund dieser Wahrnehmungen der Parteien und Zeugen vermag sich das Gericht nicht die Überzeugung zu verschaffen (§ 286 Abs. 1 ZPO), dass der von den Beklagten behauptete Beschleunigungsvorgang stattgefunden habe. Die – konträren – Darstellung der Klägerseite stützenden Zeugen … ist zwar zu berücksichtigen, dass es sich bei ihm um den Beifahrer und Verlobten der Drittwiderbeklagten handelt, der ein zumindest mittelbares Eigeninteresse am Prozessausgang haben mag. Auch erschien es dem Gericht nicht restlos überzeugend, dass sich der Zeuge noch an das – unauffällige – Motorgeräusch des Klägerfahrzeuges vor dem Unfall erinnern können wollte. Auf der anderen Seite waren die Bekundungen des Beklagtenzeugen … keinesfalls überzeugender. Der Zeuge war zwar, anders als der Zeuge …, nicht in den Unfall involviert. Jedoch konnte er nicht etwa die unmittelbare Wahrnehmung eines Beschleunigungsvorganges des Klägerfahrzeuges wiedergeben, sondern hat vielmehr nur erklärt, es komme ihm so vor, als ob dieses beschleunigt habe. Er hat dies ersichtlich lediglich rückgeschlossen daraus, dass andere Fahrzeuge beschleunigt haben und es – nach Auffassung des Zeugen – normal ist, zu beschleunigen, wenn die Ampel von grün auf gelb wechselt und man sich in einem „beschleunigten Verkehrsfluss“ befindet. Diese lediglich auf Rückschlüssen und Wertungen beruhende Wahrnehmung ist schon für sich wenig aussagekräftig. Hinzu kommt, dass der von den Beklagten gewonnene Zeuge zwar nicht unfallbeteiligt war, jedoch im Verlauf seiner Vernehmung mehrfach keinen Zweifel an seinem Unverständnis dem Fahrverhalten der Drittwiderbeklagten gegenüber gelassen hat. Eine richterliche Überzeugung, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, lässt sich hierauf nicht stützen.

Da mithin der von Beklagtenseite behauptete Beschleunigungsvorgang nicht bewiesen ist, kann er schon mangels Feststehens dieser Tatsache den Anscheinsbeweis nicht erschüttern.

b) Soweit die Beklagten geltend machen, das vor dem Beklagten zu 3 fahrende Klägerfahrzeug habe plötzlich und überraschend mit quietschenden Reifen sehr stark abgebremst, erschüttert auch dies den Anscheinsbeweis im Ergebnis nicht.

Die Drittwiderbeklagte hat eingeräumt, sie habe schon „gut gebremst“ (Prot. S. 2 erster Absatz – AS 231), nachdem sie schon recht zügig, allerdings auf jeden Fall unter 50 km/h schnell gefahren sei (a.a.O., zweiter Absatz) und das Gelblicht vielleicht auch spät gesehen habe (vgl. a.a.O., vorletzter Absatz). Der Beklagte zu 3 hat darüber hinaus ein Bremsen mit quietschenden Reifen bekundet (Prot. S. 4 vorletzter Absatz – AS 235, S. 7 dritt- u. vorletzter Absatz – AS 241), Der Beklagtenzeuge … konnte sich an ein Reifenquietschen nicht mehr erinnern und hat lediglich erklärt, nach seiner Meinung und Erfahrung verursache eine „derartige“ Bremsung, nämlich ein abruptes, unvermitteltes Bremsmanöver, das er als Vollbremsung beschreiben würde (Prot. S. 17 f. – AS 261 f.), immer Geräusche, insbesondere Quietschen (Prot. S. 18 letzter Absatz – AS 263). Die Behauptung einer quietschenden Bremsung steht auf Grund des Bestreitens der Behauptung der Beklagten und des auch hier bloßen Dafürhaltens des Zeugen … wiederum bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht fest.

Soweit dessen ungeachtet eine starke, gar abrupte Bremsung feststeht, stellt dies gleichwohl das Verschulden des Beklagten zu 3 nicht in Frage. Denn der gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis kann zwar auch dann erschüttert werden, wenn der Vorausfahrende unvorhersehbar und ohne Ausschöpfung des Anhalteweges „ruckartig“ – etwa infolge einer Kollision – zum Stehen gekommen und der Nachfolgende deshalb aufgefahren ist. Daran fehlt es aber, wenn das vorausfahrende Fahrzeug durch eine Vollbremsung oder Notbremsung zum Stillstand kommt, denn ein plötzliches scharfes Bremsen des Vorausfahrenden muss ein Kraftfahrer grundsätzlich einkalkulieren (BGH, NJW-RR 2007, 680 f. – juris Rz. 6).

Dass andere Fahrzeugführer sich, wie der Zeuge …. betont hat (Prot. S. 19 – AS 265) gegen ein Bremsmanöver und für ein, gegebenenfalls beschleunigtes, Passieren der Gelblicht zeigenden Ampel entschieden haben mögen, steht dem vorliegend nicht entgegen. Denn die Drittwiderbeklagte bremste weder grundlos noch unvorhersehbar. Vielmehr war ihre Entscheidung, vor der Gelblicht zeigenden Ampel abzubremsen, verkehrsrichtig:

Nach § 37 Abs. 2 Satz 5 StVO ordnet ein gelbes Wechsellichtzeichen an: „Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen warten“. Der Wechsel der Lichtzeichen von grün auf gelb stellt damit einen hinreichenden Grund auch für starkes Bremsen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO dar, wenn dadurch noch vor der Signalanlage angehalten werden kann. Dem einer Fahrzeugschlange voranfahrenden Kraftfahrer kann nicht zugemutet werden, bei gelb in die Kreuzung einzufahren und dort möglicherweise einen Unfall zu verursachen, nur um auf die mögliche Unaufmerksamkeit nachfolgender Kraftfahrer Rücksicht zu nehmen. Dazu besteht schon deshalb keine Veranlassung, weil der Lichtwechsel einer Signalanlage regelmäßig auch den nachfolgenden Kraftfahrern erkennbar ist und diesen, die noch weiter davon entfernt sind, noch eher Veranlassung zum Bremsen geben muss (OLG Karlsruhe, VRS 72 [1987], Nr. 56, S. 168; ebenso OLG Hamburg, MDR 1964, 595; AG Hildesheim, NJW 2008, 3365 f.).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall steht auch nicht etwa dadurch in Frage, dass sich die Unfallendstellung des Klägerfahrzeuges – insoweit unstreitig – nicht vollständig vor der Haltelinie der Ampel befand. Zwar hat die Beweisaufnahme durch Inaugenscheinnahme der von der Polizei gefertigten Lichtbilder (Anlage B 2) sowie des mit dem Mobiltelefon des Zeugen … gefertigten Fotos (vgl. Prot. v. 26.07.2013, S. 14 – AS 255) ergeben, dass sich die Haltelinie kurz hinter dem rechten Vorderrad des Kleinwagens befindet. Ein weiteres Überschreiten haben die Beklagten nicht bewiesen. Weiter zu berücksichtigen ist die Frage, ob der Pkw bereits vor dem Aufprall des Motorrades mit den Vorderrädern über der Haltelinie stand oder ob er möglicherweise erst durch den Aufprall über diese geschoben wurde. Diese Frage, für die die Beklagten gleichfalls die Beweislast tragen, konnte durch die Beweisaufnahme nicht geklärt werden (vgl. Anhörung d. Drittwiderbekl., Prot. S. 3 zweiter Absatz – AS 233; Zeugenvernehmung …, Prot. S. 14 letzter/15 erster Absatz – AS 255 f.; Zeugenvernehmung …, Prot. S. 18 zweiter Absatz – AS 263, S. 20 erster Absatz – AS 267; Zeugenvernehmung …, Prot. S. 21 letzter Absatz – AS 269; Zeugenvernehmung …, Prot. S. 24 Mitte – AS 275). Zu Gunsten der Klägerseite ist daher anzunehmen, dass das Klägerfahrzeug zunächst vor der Haltelinie zum Stehen kam.

Lediglich ergänzend ist daher anzumerken, dass der sich einer Straßenkreuzung nähernde Kraftfahrer bei Gelblicht auch dann noch anhalten muss, wenn er sein Fahrzeug ohne Gefahrenbremsung zwar nicht mehr vor der Haltelinie der Ampel, aber noch innerhalb der Strecke vor der eigentlichen Kreuzung zum Stehen bringen kann (OLG Stuttgart, NJW 1965, 1093). Ein atypisches, pflichtwidriges Verkehrsverhalten der Drittwiderbeklagten könnte damit selbst dann nicht angenommen werden, wenn das Klägerfahrzeug bereits vor dem Aufprall des Motorrades in der dokumentierten Endstellung, also mit den Vorderrädern über der Haltelinie gewesen sein sollte, denn diese befindet sich immer noch deutlich vor dem eigentlichen Kreuzungsbereich, wie etwa an Hand der auf dem polizeilichen Lichtbild Nr. 1 (Anlage B 2) am linken Bildrand zu sehenden Verkehrsinsel, auf der der Ampelmast steht, klar erkennbar ist.

c) Soweit die Beklagten geltend machen, der Unfall sei nicht etwa auf Grund dessen geschehen, dass der hinter dem Klägerfahrzeug fahrende Beklagte zu 3 nicht mehr rechtzeitig habe bremsen können, sondern dadurch, dass er durch das überraschende Fahrverhalten der Drittwiderbeklagten, die Motorgeräusche und das Reifenquietschen sich so stark erschrocken habe, dass er zu stark gebremst habe, weggerutscht und auf die Straße gefallen sei (vgl. insbesondere die persönliche Anhörung des Beklagten zu 3, Prot. S. 4 vorletzter Absatz a.E. – AS 235), rechtfertigt auch dies keine Erschütterung des Anscheinsbeweises. Denn, den überwiegend bestrittenen und nicht bewiesenen Beklagtenvortrag als wahr unterstellt, bedeutet dieser nichts anderes, als dass ein, wie dargestellt, völlig verkehrsgemäßes Verhalten der Drittwiderbeklagten den Beklagten so sehr überraschte, dass er sein Motorrad nicht mehr beherrschte. Eine derartige Überreaktion auf ein nicht nur verkehrsgemäßes, sondern im Straßenverkehr auch keineswegs völlig unübliches Verhalten der Drittwiderbeklagten vermag diese nicht zu belasten.

d) Soweit die Beklagten schließlich meinen, die Drittwiderbeklagte habe Ihre Schuld eingestanden, indem sie – was diese bestreitet – nach dem Aussteigen Tränen in den Augen gehabt und geäußert habe, sie habe sich doch nicht getraut, über die Ampel zu fahren, vermag das Gericht selbst im Falle des Zutreffens dieser Äußerung hierin nichts Belastendes zu erkennen. Das gleiche gilt für die Abgabe einer Genesungskarte für den Beklagten zu 3 durch die Drittwiderbeklagte in dem Krankenhaus, in dem er stationär behandelt wurde. Den von den Beklagten gewünschten Schluss von einer (nach Auffassung des Gerichts hierin zum Ausdruck kommenden) menschlichen Anteilnahme auf die angeblich hiermit verbundene Aufgabe von Rechtsstandpunkten seitens der Drittwiderbeklagten möchte das Gericht nicht ziehen.

Nach alledem haften die Beklagten dem Kläger dem Grunde nach gesamtschuldnerisch in voller Höhe.

4. Den vom Kläger in Höhe von insgesamt EUR 1.965,09 schlüssig vorgetragenen materiellen Schaden haben die Beklagten als solchen nicht bestritten. Nach Abzug der nach Rechtshängigkeit erfolgten Teilzahlung in hälftiger Höhe von EUR 982,55, hinsichtlich welcher übereinstimmend Erledigung erklärt wurde, ist die Klage in Höhe der verbleibenden Hälfte begründet.

5. Verzugszinsen kann der Kläger in geltend gemachter Höhe verlangen (§§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB).

Das Gleiche gilt von den zutreffend berechneten, nicht anrechenbaren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (§ 249 Abs. 1 BGB). Gegen die Angemessenheit der Gebühr in Höhe des 1,5-Fachen haben sich die Beklagten nicht gewandt. Sie liegt vorliegend jedenfalls noch im Rahmen des dem Rechtsanwalt bei seiner Gebührenbemessung eröffneten Ermessens.

II.

Die zulässige Widerklage beziehungsweise Drittwiderklage ist unbegründet. Der Beklagte zu 3 hat keinen Schmerzensgeldanspruch gegen den Kläger und die Drittwiderbeklagte.

Zwar ist auch im Verhältnis des Beklagten zu 3 zum Kläger und der Drittwiderbeklagten der Tatbestand der §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG erfüllt. Ein Anspruch besteht aber, wenn er nicht schon durch Unabwendbarkeit des Unfalles für die Drittwiderbeklagte im Sinne der §§ 17 Abs. 3,18 Abs. 3 StVG ausgeschlossen ist (vgl. BGH, VersR 1969, 859; OLG Karlsruhe, VRS 72 [1987], Nr. 56, Nr. 56, S. 168, 169; OLG Hamburg, MDR 1964, 595), jedenfalls deswegen nicht, weil der Unfall vom Beklagten zu 3 schuldhaft verursacht wurde und dahinter die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeuges im Rahmen der Abwägung nach §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 3 StVG zurücktritt (siehe oben I. 3.).

Es mag durchaus sein, dass der Beklagte zu 3 schwere Beeinträchtigungen seiner körperlichen und seelischen Gesundheit in Folge des Unfalles zu gewärtigen hatte und hat. Es handelt sich hierbei aber um eine schicksalhafte, jedenfalls nicht von der Klägerseite zu vertretende Entwicklung, für die diese aus den dargelegten Rechtsgründen keine Haftung zu übernehmen hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 91a Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

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