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Verkehrsunfall auf öffentlichem Parkplatz

Kollision des rückwärts aus einer Parklücke Ausparkenden

AG Vaihingen – Az.: 1 C 112/19 – Urteil vom 16.07.2019

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.194,28 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.04.2019 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 147,32 € zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen weiteren materiellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 5.10.2018 auf dem Parkplatz … Ring … in … S. unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 100 % zu ersetzen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.530,32 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall auf einem Supermarktparkplatz geltend.

Die Ehefrau des Klägers befuhr am 05.10.2018 mit dem PKW L…, den … Parkplatz Am … Ring … in … S.. Der Kläger ist Eigentümer des PKW. In der Fahrgasse kam es zum Zusammenstoß mit dem bei dem Beklagten haftpflichtversicherten PKW L….

Das klägerische Fahrzeug befand sich zum Zeitpunkt der Kollision in der Fahrgasse zwischen den Parkplätzen. Die Parkplätze sind links und rechts der Fahrgasse im 90°-Winkel angeordnet. Die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs, die Zeugin W., beabsichtigte, in eine aus ihrer Sicht rechts gelegene Parklücke zu fahren. Das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug parkte rückwärts aus einer – aus Sicht des klägerischen Fahrzeugs – links gelegenen Parklücke rückwärts aus. Das klägerische Fahrzeug wurde am hinteren Eck- und Seitenbereich beschädigt. Am Beklagtenfahrzeug wurden keine Beschädigungen festgestellt. Ein am 22.10.2018 vorgelegtes Sachverständigengutachten schätzte die Reparaturkosten auf 1.810,81 € netto bzw. 2154,86 brutto. Für die Reparatur seien zwei Arbeitstage erforderlich, die Nutzungsausfallentschädigung gemäß Gruppe D betrage 38 € pro Tag. Für das Gutachten bezahlte der Kläger 552,76 €. Der Beklagte regulierte nur 50 % des Schadens.

Der Kläger behauptet, dass von seiner Frau gelenkte Fahrzeug, sei zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes im Stillstand gewesen. Seine Frau habe die Fahrgasse zunächst vorwärts befahren und habe das Fahrzeug vollständig zum Stehen gebracht, weil sie auf der rechten Seite eine Parklücke entdeckt habe, in die sie vorwärts einparken wollte.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 1.194,28 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.11.2018 zu bezahlen; den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger sämtlichen weiteren materiellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 05.10.2018 auf dem Parkplatz … Ring … in … S. unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 100 % zu ersetzen; den Beklagten zu verurteilen, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,32 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.11.2018 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet, dass das klägerische Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision im Stillstand war. Das klägerische Fahrzeug sei auch rückwärtsgefahren.

Das Gericht hat das Unfallaufnahmeblatt des Polizeireviers V. angefordert, die dort niedergelegte Unfallskizze beschreibt die Kollision von rückwärtsfahrenden Fahrzeugen, die aus gegenüberliegenden Parktaschen rückwärts ausparken. Das Gericht hat im Rahmen der Beweisaufnahme die Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen und ein mündliches Sachverständigengutachten des Diplom-Ingenieurs R. K., P., eingeholt – wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.7.2019 verwiesen.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Verkehrsunfall auf öffentlichem Parkplatz
(Symbolfoto: Von Skoles/Shutterstock.com)

Die Klage ist zulässig und im Wesentlichen auch begründet.

I.

1. Das Amtsgericht Vaihingen an der Enz ist sachlich und örtlich zuständig, § 1 ZPO i.V.m. § 23 Nr. 1 GVG, § 20 StVG.

2. Die Feststellungsklage ist statthaft. Ein Feststellungsurteil ist geeignet, die Unsicherheit über die Verpflichtung zum Ersatz zukünftiger Schäden zu beseitigen. Die Schadensersatzpflicht des Beklagten gegenüber dem Kläger ist ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 256 ZPO, Rn. 4). Eine gegenwärtige Gefahr aus der Unsicherheit über das Bestehen des Rechtsverhältnisses droht dem Kläger, da die Beklagte den vollen Ersatzanspruch des Klägers bestreitet. Der vom Kläger erstrebte Feststellungsausspruch ist geeignet, diese Unklarheit über die Höhe der Haftungsquote zu beseitigen.

II.

Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.194,28 € gegen den Beklagte gem. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2, 1 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG .

a) Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch gegen den Halter des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs, § 7 I StVG.

aa) Der Unfall der beiden Fahrzeuge ereignete sich beim Betrieb des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs. Hierbei wurde der im Eigentum des Klägers stehende PKW beschädigt. Der Unfall wurde nicht durch höhere Gewalt verursacht, § 7 StVG.

bb) Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs tritt gänzlich hinter die konkrete Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs zurück. Es ergibt sich eine Haftungsquote von 100 % gem. § 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG.

(1) Der Unfall wurde aus Beklagten Sicht nicht durch ein unabwendbares Ereignis iSd § 17 Abs. 3 StVG verursacht. Die Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs hat nicht jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet. Das Gericht folgt insoweit dem Gutachten des Sachverständigen aufgrund eigener Überzeugungsbildung. Das Beklagtenfahrzeug befand sich zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes in Rückwärtsbewegung. Der Unfall war für die Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs nicht unvermeidbar. Es wäre ihr ohne weiteres möglich gewesen, das Fahrzeug vor dem Kontakt mit dem klägerischen Fahrzeug zum Stillstand zu bringen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen war das klägerische Fahrzeug für die Lenkerin des beklagten Fahrzeuges erkennbar, und die Kollision bei der gebotenen Reaktion auch vermeidbar.

(2) Die konkreten Betriebsgefahren der Unfallbeteiligten Fahrzeuge sind gegeneinander abzuwägen. Jeder Halter hat die Umstände zu beweisen, die die konkrete Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs erhöhen, insbesondere also diejenigen die dem Anderen zum Verschulden gereichen (Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 17 StVG, Rn. 58).

(3) Die Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs verstieß gegen die Verhaltenspflicht aus §§ 1 Abs. 2 iVm 9 Abs. 5 StVO. Die Regeln der StVO sind auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz grundsätzlich anwendbar (BGH, Urteil vom 4. März 2004 – 4 StR 377/03, BGSt 49, 128). Die Verhaltenspflicht aus § 9 Abs. 5 StVO findet auf Parkplätzen zumindest mittelbar über das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme gem. § 1 Abs. 2 StVO Anwendung. Kraftfahrer müssen demnach beim Ausparken auf Parkplätzen so vorsichtig fahren, dass sie jederzeit anhalten können (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 – VI ZR 6/15 –, Rn. 11).

Die Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs verhielt sich nicht so, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Das Gericht folgt aufgrund eigener Überzeugungsbildung dem Gutachten des Sachverständigen. Der Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs wäre es bei einer angemessenen Reaktion möglich gewesen, das Fahrzeug des Klägers zu erkennen und das eigene Fahrzeug rechtzeitig zum Stillstand zu bringen. Insbesondere durch die Antragungen am klägerischen Fahrzeug konnte festgestellt werden, dass sich das Beklagtenfahrzeug noch in einer Rückwärtsbewegung befand. Die Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs führte ihr Fahrzeug nicht so, dass sie es jederzeit zum Anhalten bringen konnte. Ihre Pflichtverletzung steht damit fest. Dem auch auf einem Parkplatz möglichen Rückgriff auf einen Anscheinsbeweis bedarf es nicht (Müther in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 1 StVO, Rn. 72).

(4) Der Kläger muss sich allenfalls die einfache Betriebsgefahr seines Fahrzeugs zurechnen lassen. Ob das klägerische Fahrzeug in Rückwärtsbewegung war, konnte durch den Sachverständigen nicht festgestellt werden. Die Zeugin W. gab glaubhaft an, sie habe ihr Fahrzeug aus einer Vorwärtsbewegung zum Stillstand gebracht, weil sie rechter Hand eine Parklücke entdeckt hatte. Für die Behauptung des Beklagten, auch das klägerische Fahrzeug sei rückwärtsgefahren, gibt es keinen Beweis. Ein Pflichtverstoß der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs konnte nicht bewiesen werden. Es kann aus technischer Sicht – so der Sachverständige – nicht festgestellt werden, ob sich das klägerische Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision in Bewegung befand. (5) Die Pflichtverletzung der Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs lässt die einfache Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs gänzlich zurücktreten. Die Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs führte ihr Fahrzeug nicht so vorsichtig, dass es ihr möglich war, ihr Fahrzeug trotz ausreichender Reaktionszeit zum Stillstand zu bringen.

b) Der zu ersetzende Schaden setzt sich aus den Nettoreparaturkosten i.H.v. 1.810,81 €, den Sachverständigenkosten i.H.v. 552,76 € und der Unkostenpauschale i.H.v. 25 € zusammen – insgesamt 2.388,57 €, § 249 ff. BGB. Die Beklagte hat an den Kläger bereits 50 % (1.194,29 €) gezahlt. Es verbleibt ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.194,28 €.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gem. § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 249 BGB in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert bis 3.000 € (Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 249 BGB, Rn. 234 ff.). Bereits die Nettoreparaturkosten in Höhe von 1.810,81 € zuzüglich der Kosten für das Gutachten in Höhe von 552,76 € liegen über einem Gegenstandswert von 2.000 €. Von den Rechtsanwaltskosten in Höhe von 349,03 wurden durch die Beklagte bereits 201,71 € beglichen. Es verbleibt ein Anspruch in Höhe von 147,32 €.

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3. Der Feststellungsantrag ist begründet. Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch nach § 7 Abs. 1 StVG für die weiteren aus dem Verkehrsunfallgeschehen vom 05.10.2018 auf dem Parkplatz … Ring … in … S. entstehenden Schäden. Dass dem Kläger weitere Schäden durch die Reparatur seines Fahrzeugs in Form von Umsatzsteuer und Nutzungsausfall entstehen, ist hinreichend wahrscheinlich.

4. Der Beklagte hat dem Kläger lediglich Rechtshängigkeitszinsen gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB zu ersetzen. Der Kläger hat keine verzugsbegründenden Tatsachen vorgetragen.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

3. Der Streitwert des Feststellungsantrags wird mit 336,04 € bewertet. Er verdient mangels Vollstreckbarkeit einen Abschlag und wird auf 80% der durch die Reparatur voraussichtlich entstehenden Mehrwertsteuer und des Nutzungsausfalls festgesetzt, § 3 ZPO.

 

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