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Verkehrsunfall – Mitverschulden Fußgänger bei Schreckreaktion und tritt auf die Fahrbahn

Schreckreaktion führt zu Verkehrsunfall: Fußgängerin erhält Schadensersatz und Schmerzensgeld

Das Landgericht Karlsruhe hat in seinem Urteil (Az.: 9 U 9/14) entschieden, dass die Beklagten (Fahrer und Haftpflichtversicherung) dem Opfer eines Verkehrsunfalls Schadensersatz und Schmerzensgeld zahlen müssen. Die Klägerin, eine Fußgängerin, hatte unerwartet einen Schritt auf die Fahrbahn gemacht, nachdem sie durch das Bellen eines Hundes erschrocken war, und wurde dabei vom Auto des Beklagten erfasst. Das Gericht sah hierin keine fahrlässige Handlung der Klägerin, sondern eine unvermeidbare Schreckreaktion.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 9 U 9/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Verkehrsunfall mit Beteiligung einer Fußgängerin und eines Pkw-Fahrers.
  2. Unfallursache war eine Schreckreaktion der Fußgängerin durch das Bellen eines Hundes.
  3. Die Klägerin machte daraufhin einen Schritt auf die Fahrbahn und kollidierte mit dem Fahrzeug.
  4. Das Gericht sah kein Mitverschulden der Klägerin in ihrer Reaktion.
  5. Die Haftung der Beklagten basiert auf der Betriebsgefahr des Fahrzeugs.
  6. Die Klägerin hat Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.
  7. Die Beweislast für ein Mitverschulden lag bei den Beklagten.
  8. Die Betriebsgefahr des Fahrzeugs wurde höher bewertet als das mögliche Mitverschulden der Klägerin.

Fußgänger und Schreckreaktionen im Straßenverkehr

Verkehrsunfalll mit Fußgänger
(Symbolfoto: RossHelen /Shutterstock.com)

Ein Verkehrsunfall, bei dem ein Fußgänger aufgrund einer Schreckreaktion auf die Fahrbahn tritt und dabei mit einem Fahrzeug kollidiert, wirft die Frage nach einem möglichen Mitverschulden des Fußgängers auf. Laut dem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe kann bei einer reinen Schreckreaktion, die zu einem Unfall führt, dem Fußgänger kein Mitverschulden zugesprochen werden. Fußgänger, die die Fahrbahn überqueren, tragen regelmäßig ein Mitverschulden an einem Unfall, wenn sie nicht die erforderliche erhöhte Sorgfalt walten lassen. Insbesondere bei älteren Personen, die bei Rotlicht die Straße betreten, kann ein überwiegendes Mitverschulden angenommen werden. Fußgänger müssen beim Überqueren der Fahrbahn besondere Vorsicht walten lassen, da der Fahrzeugverkehr grundsätzlich Vorrang hat.

Bei grober Fahrlässigkeit des Fußgängers kann jedoch eine Haftung entstehen. In Fällen, in denen ein Fußgänger rückwärts auf die Fahrbahn tritt und es zu einem Unfall kommt, ist Schadensteilung angemessen, wenn der Fußgänger nicht die erforderliche erhöhte Sorgfalt walten lässt. Es ist wichtig, dass Fußgänger im Straßenverkehr besondere Vorsicht walten lassen und die Verkehrsregeln einhalten, um das Risiko von Unfällen und Mitverschulden zu minimieren.

Verkehrsunfall: Fußgängerin bei Schreckreaktion auf Fahrbahn getreten – Haftung und Mitverschulden im Fokus

Ein Verkehrsunfall, bei dem eine Fußgängerin aufgrund einer Schreckreaktion auf die Fahrbahn trat und mit einem Fahrzeug kollidierte, wirft die Frage nach der Haftung und dem Mitverschulden auf. Das Landgericht Karlsruhe hat in diesem Fall entschieden, dass die Beklagten, der Fahrer und Halter des beteiligten Fahrzeugs sowie die Haftpflichtversicherung, zum Schadensersatz verpflichtet sind. Die Klägerin, die Fußgängerin, hatte Schadensersatzansprüche geltend gemacht, nachdem sie durch den Unfall eine Unterschenkelfraktur erlitten hatte.

Unfallhergang und rechtliche Auseinandersetzung

Die Klägerin war zu Fuß auf der H. Straße in A. unterwegs, als sie plötzlich von einem bellenden und gegen den Zaun springenden Hund erschreckt wurde. In ihrer Schreckreaktion trat sie nach rechts in die Fahrbahn und geriet gegen den rechten Außenspiegel des vorbeifahrenden Fahrzeugs des Beklagten Ziffer 1. Der Kontakt mit dem Pkw führte dazu, dass die Klägerin das Gleichgewicht verlor und auf die Fahrbahn stürzte.

Das Landgericht verurteilte die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Haftung der Beklagten beruht auf der Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten Ziffer 1. Ein Mitverschulden der Klägerin wurde nicht berücksichtigt, da die reflexartige Reaktion auf den bellenden Hund keine rechtlichen Konsequenzen für sie nach sich ziehen konnte.

Haftung aus Betriebsgefahr des Fahrzeugs

Die Haftung der Beklagten basiert auf §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG. Der Schaden der Klägerin wurde bei dem Betrieb des Fahrzeugs der Beklagten Ziffer 1 verursacht. Höhere Gewalt, welche gemäß § 7 Abs. 2 StVG eine Ersatzpflicht der Beklagten ausschließen würde, lag nicht vor.

Kein Mitverschulden der Klägerin

Der Anspruch der Klägerin wird nicht durch ein Mitverschulden (§§ 254 BGB, 9 StVG) gemindert. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass ein schuldhafter Verkehrsverstoß der Klägerin nicht festzustellen ist. Die Klägerin hatte das Recht, den linken Rand der Fahrbahn zu benutzen, da es auf der H. Straße in A. weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen gab.

Schreckreaktion als Handlung im Rechtssinne

Die Schreckreaktion der Klägerin stellt eine Handlung im Rechtssinne dar, an welche grundsätzlich zivilrechtliche Folgen geknüpft werden können. Obwohl das Verhalten der Klägerin eine Schreckreaktion war, die umgangssprachlich auch als „Reflex“ bezeichnet werden kann, ändert dies nichts an der Handlungsqualität. Eine unwillkürliche Bewegung, die nicht mehr als Handlung im Rechtssinne bezeichnet werden kann, liegt nur dann vor, wenn das betreffende Verhalten nicht der Bewusstseinskontrolle und Willenslenkung der Person unterliegt.

Keine Fahrlässigkeit der Klägerin

Das Verhalten der Klägerin war jedoch nicht fahrlässig im Sinne von § 276 Abs. 2 BGB. Für einen Fahrlässigkeitsvorwurf ist darauf abzustellen, welche Anforderungen an menschliches Verhalten in einer bestimmten Situation gestellt werden können. In Fällen von „Schreckreaktionen“ ist kein Verschulden vorhanden, wenn jemand in einer plötzlichen, für ihn nicht vorhersehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um einen Unfall zu verhüten.

In diesem Verkehrsunfallfall wurde die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt, da die Haftung auf der Betriebsgefahr des Fahrzeugs beruhte. Ein Mitverschulden der Klägerin wurde nicht festgestellt, da ihre Schreckreaktion keine Fahrlässigkeit darstellte. Die Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe zeigt, dass im Falle von Schreckreaktionen im Straßenverkehr die Haftung und das Mitverschulden sorgfältig abgewogen werden müssen, um eine gerechte Entscheidung zu treffen.

✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt

Was ist unter dem Begriff „Schreckreaktion“ im Kontext eines Verkehrsunfalls zu verstehen?

Der Begriff „Schreckreaktion“ im Kontext eines Verkehrsunfalls bezieht sich auf eine plötzliche und oft unkontrollierte Reaktion eines Fahrers auf eine unerwartete Situation oder Gefahr. Diese Reaktion kann zu einer Fehlentscheidung führen, die einen Unfall verursacht oder verschlimmert. Beispiele für solche Reaktionen sind abruptes Bremsen, unkontrolliertes Lenken oder Ausweichen, oft in Kombination mit einer erhöhten Herzfrequenz und schneller Atmung.

Es ist jedoch zu beachten, dass eine Schreckreaktion nicht unbedingt als Verschulden angesehen wird, wenn sie zu einem Unfall führt. In vielen Fällen wird anerkannt, dass eine solche Reaktion eine natürliche menschliche Reaktion auf eine plötzliche und unerwartete Gefahr ist. Daher trifft den Verursacher eines Unfalls aufgrund einer Schreckreaktion oft keine Schuld.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass Schreckreaktionen nicht nur bei Fahrern auftreten können, sondern auch bei Fußgängern und anderen Verkehrsteilnehmern. In solchen Fällen kann eine plötzliche Bewegung oder Handlung aufgrund einer Schreckreaktion ebenfalls zu einem Unfall führen.

Schreckreaktionen können auch psychologische Auswirkungen haben, insbesondere wenn sie zu einem schweren Unfall führen. Sie können zu posttraumatischen Belastungsreaktionen und anderen psychischen Problemen führen.

Was sind die Kriterien für die Feststellung von „Fahrlässigkeit“ im Straßenverkehr?

Die Kriterien für die Feststellung von „Fahrlässigkeit“ im Straßenverkehr sind in den §§ 315 – 316 des Strafgesetzbuches (StGB) festgelegt. Fahrlässigkeit bezieht sich auf das Verhalten eines Fahrers, das eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellt und oft durch Leichtsinn, Eigensucht, Gleichgültigkeit oder unverständliche Nachlässigkeit gekennzeichnet ist.

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Einige Beispiele für fahrlässiges Verhalten im Straßenverkehr sind:

  • Falsches Überholen, das Leib oder Leben eines anderen gefährdet.
  • Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit trotz schlechter Sichtverhältnisse.
  • Fahren trotz deutlicher Anzeichen von Übermüdung.
  • Überholen bei Nebel und unübersichtlicher Straßenführung.

Es ist zu beachten, dass die Feststellung von Fahrlässigkeit eine subjektive Beurteilung erfordert, die auf den spezifischen Umständen des jeweiligen Falls basiert. Dazu gehören die Persönlichkeit des Täters, dessen psychische Verfassung, seine Tatmotivation und die Verkehrsverhältnisse zum Zeitpunkt des Vorfalls.

In einigen Fällen kann ein strengerer Maßstab für die Feststellung von Fahrlässigkeit angewendet werden, wie zum Beispiel bei professionellen Kraftfahrern.

Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass Fahrlässigkeit im Straßenverkehr eine erhebliche Rolle bei Straftaten spielt und oft zu schweren Konsequenzen wie Körperverletzung oder Tötung führen kann.


Das vorliegende Urteil

LG Karlsruhe – Az.: 9 U 9/14 – Beschluss vom 07.01.2015

Der Senat erwägt eine Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 17.12.2013 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO. Die Parteien erhalten vor einer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

Gründe

I.

Die am … 2000 geborene Klägerin macht Schadensersatzansprüche geltend aus einem Verkehrsunfall, der sich am 12.01.2012 gegen 07:05 Uhr in A. ereignet hat. Die Klägerin war an dem Unfall als Fußgängerin beteiligt, der Beklagte Ziffer 1 als Fahrer und Halter eines Pkw Opel. Die Beklagte Ziffer 2 ist die für das Fahrzeug des Beklagten Ziffer 1 zuständige Haftpflichtversicherung.

Die Klägerin war zur Unfallzeit auf der H. Straße in A. zu Fuß unterwegs, um zu einer Bushaltestelle zu laufen. Bei der H. Straße handelt es sich um eine Sackgasse mit einer Fahrbahnbreite von etwa 3,50 m. Es gibt in der H. Straße keine Gehwege. Die Klägerin lief auf der Fahrbahn und zwar – aus ihrer Sicht – am linken Fahrbahnrand. Der Beklagte Ziffer 1 kam mit seinem Pkw – mit geringer oder sehr geringer Geschwindigkeit – entgegen und wollte an der am Fahrbahnrand gehenden Klägerin vorbeifahren. Als sich der Beklagte Ziffer 1 auf der Höhe der Klägerin befand, lief diese gerade am Anwesen der Familie K. entlang. Zwischen dem Garten des Anwesens und der Straße befindet sich ein Maschendrahtzaun. Im Garten des Anwesens befand sich der Hund der Familie K.. Der Hund hatte sich, als die Klägerin am Zaun entlangging, angeschlichen und bellte plötzlich laut los, als er am Zaun war, und sprang gegen den Zaun. Die Klägerin hatte den Hund vorher nicht bemerkt und machte in diesem Moment vor Schreck einen Schritt nach rechts in die Fahrbahn. Dabei geriet sie gegen den rechten Außenspiegel des gerade vorbeifahrenden Fahrzeugs des Beklagten Ziffer 1. Der Kontakt mit dem Pkw führte dazu, dass die Klägerin das Gleichgewicht verlor und auf die Fahrbahn stürzte. Der Beklagte Ziffer 1 bremste sein Fahrzeug ab, kam jedoch mit einem Rad des Pkw auf dem rechten Sprunggelenk der Klägerin zum Stehen. Die Klägerin erlitt eine Unterschenkelfraktur. Es steht noch nicht fest, ob dauerhafte körperliche Beeinträchtigungen zurückbleiben.

Das Landgericht hat die Beklagten wie folgt verurteilt:

1. Die Beklagten Ziff. 1 und 2 werden verurteilt als Gesamtschuldner, an die Klägerin 95,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 15.11.2012 zu bezahlen.

2. Die Beklagten Ziff. 1 und 2 werden als Gesamtschuldner ferner verurteilt, an die Klägerin 3.000,00 € Schmerzensgeld zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 15.05.2012.

Klägerin sämtlichen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfallereignis vom 12.01.2012, A., H. Straße zu erstatten.

4. Die Beklagten Ziff. 1 und 2 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 256,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 15.11.2012 zu bezahlen.

Das Landgericht hat ausgeführt, die Beklagten seien in vollem Umfang zum Schadensersatz verpflichtet. Die Haftung beruhe auf der Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten Ziffer 1. Ein Mitverschulden der Klägerin sei nicht zu berücksichtigen. Zwar habe sie den Unfall mitverursacht durch einen Schritt in die Fahrbahn. Der reflexartigen Reaktion fehle es jedoch an der Qualität einer Handlung, an welche rechtliche Konsequenzen zu ihrem Nachteil geknüpft werden könnten. Zudem könne sich aus der Schreckreaktion kein Fahrlässigkeitsvorwurf ergeben. Bei der Höhe des zuerkannten Schmerzensgeldes ist das Landgericht hinter dem von der Klägerin angegebenen Betrag von 6.000 € zurückgeblieben, da die immateriellen Beeinträchtigungen der Klägerin – soweit es nicht um mögliche Zukunftsschäden gehe – durch einen Betrag von 3.000 € ausreichend abgegolten seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie sind der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Haftung aus dem Unfallgeschehen vom 12.01.2012 seien entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht gegeben. Die Klägerin habe den Unfall durch einen schuldhaften Verkehrsverstoß selbst verursacht. Hinter dem Mitverschulden trete die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten Ziffer 1 vollständig zurück. Der Klägerin sei vorzuwerfen, dass sie einen Schritt in die Fahrbahn gemacht habe, als bereits der Pkw des Beklagten Ziffer 1 neben ihr war. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hätte sie ihr Verhalten so beherrschen müssen, dass es nicht zu einem direkten Kontakt mit dem Fahrzeug des Beklagten Ziffer 1 gekommen wäre. Die Klägerin hätte als Fußgängerin den gegenüberliegenden Fahrbahnrand benutzen können; dann wäre es zu einer Schreckreaktion wegen des gegen den Zaun springenden und bellenden Hundes nicht gekommen. Ungeachtet ihres Alters hätte die Klägerin grundsätzlich damit rechnen müssen, dass sie durch ein Ereignis im Garten des Anwesens K. beim Vorbeigehen erschreckt werden könnte. Auf eine solche Möglichkeit hätte sie sich bei ihrem Verhalten im Straßenverkehr grundsätzlich einstellen müssen.

Die Klägerin tritt der Berufung entgegen. Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts, soweit es um die Haftung der Beklagten dem Grunde nach geht. Im Übrigen ist sie der Auffassung, das zuerkannte Schmerzensgeld von 3.000 € sei zu gering. Im Wege der Anschlussberufung macht sie ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 6.000 € nebst Zinsen geltend.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten dürfte voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben. Eine Entscheidung des Senats nach mündlicher Verhandlung erscheint auch im Hinblick auf die Gesichtspunkte gemäß § 522 Abs. 2 Ziffer 2, 3, 4 ZPO nicht erforderlich. Nach vorläufiger Auffassung des Senats hat das Landgericht die Beklagten zu Recht zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt.

1. Die Haftung der Beklagten beruht auf §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG. Der Schaden der Klägerin wurde bei dem Betrieb des Fahrzeugs der Beklagten Ziffer 1 verursacht. „Höhere Gewalt“, welche gemäß § 7 Abs. 2 StVG eine Ersatzpflicht der Beklagten ausschließen würde, lag nicht vor. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Unfall unmittelbar mit dem Betrieb des Fahrzeugs des Beklagten Ziffer 1 zusammenhängt, nämlich einer Vorbeifahrt des Pkw an der auf der Fahrbahn befindlichen Klägerin, und dass es sich nicht etwa um ein von „außen“ einwirkendes Naturereignis handelt (vgl. dazu Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 22. Auflage 2012, § 7 StVG, RdNr. 17 ff.). Zum anderen haben die Beklagten nicht den Nachweis erbracht, dass ein schuldhafter Verkehrsverstoß des Beklagten Ziffer 1 ausgeschlossen ist: Unabhängig von der geringen Fahrgeschwindigkeit ist dem Beklagten Ziffer 1 möglicherweise vorzuwerfen, dass er mit zu geringem Seitenabstand an der Fußgängerin vorbeifahren wollte. Nach den Feststellungen des erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachtens betrug der Seitenabstand zwischen dem Fahrzeug und der Klägerin (vor dem Schritt in die Fahrbahn) möglicherweise nicht mehr als 0,5 m. Wenn man davon ausgeht, dass der Seitenabstand bei einer Vorbeifahrt an einem Fußgänger in der Regel mindestens 1 m betragen sollte (vgl. beispielsweise OLG Düsseldorf, NZV 1992, 232; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.07.1998 – 1 O 189/97 -, RdNr. 45, zitiert nach Juris), wäre es für den Beklagten Ziffer 1 möglicherweise geboten gewesen, sein Fahrzeug anzuhalten, bis die Klägerin – mit geringem Seitenabstand – den Pkw passiert hatte.

2. Der Anspruch der Klägerin wird nicht durch ein Mitverschulden (§§ 254 BGB, 9 StVG) gemindert. Die Beweislast für ein Mitverschulden, welches zur Anspruchsminderung führen könnte, obliegt den Beklagten. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass ein schuldhafter Verkehrsverstoß der Klägerin nicht festzustellen ist.

a) Es ist nicht zu beanstanden, dass die Klägerin für ihren Fußweg den linken Rand der Fahrbahn gewählt hat. Zur Benutzung des linken Fahrbahnrandes war sie gemäß § 25 Abs. 1 StVO berechtigt, da es auf der H. Straße in A. weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen gibt. Nach der Regelung in § 25 Abs. 1 StVO gibt es keine rechtlichen Gesichtspunkte, welche die Klägerin hätten zwingen müssen, auf der anderen Seite der Fahrbahn zu gehen. Es spielt insbesondere keine Rolle, dass zur selben Zeit auf der anderen Seite der Fahrbahn zwei Jungen am Rand der Straße liefen.

b) Die Klägerin hat den Unfall mitverursacht dadurch, dass sie – erschreckt durch den bellenden und gegen den Zaun springenden Hund – einen Schritt vom Rand in die Fahrbahn gemacht hat, möglicherweise über eine Distanz von ca. 50 cm. Zwar ergibt sich aus § 1 Abs. 2 StVO (allgemeine Verhaltenspflichten im Straßenverkehr) für einen Fußgänger die Pflicht, beim Herannahen eines Fahrzeugs grundsätzlich keinen Schritt zur Seite in die Richtung des Pkw zu machen. Denn dadurch entsteht die Gefahr eines Unfalls. Im vorliegenden Fall liegen jedoch Umstände vor, die einen Fahrlässigkeitsvorwurf gegenüber der Klägerin ausschließen.

aa) Allerdings stellt der Schritt in die Fahrbahn – entgegen der Auffassung des Landgerichts – eine Handlung im Rechtssinne dar, an welche grundsätzlich zivilrechtliche Folgen geknüpft werden können. Der Umstand, dass das Verhalten der Klägerin eine Schreckreaktion war, die umgangssprachlich auch als „Reflex“ bezeichnet werden kann, ändert daran nichts. Eine unwillkürliche Bewegung, die nicht mehr als Handlung im Rechtssinne bezeichnet werden kann, liegt nur dann vor, wenn das betreffende Verhalten nicht der Bewusstseinskontrolle und Willenslenkung der Person unterliegt (vgl. BGH, NJW 1963, 953; OLG Hamm, NJW 1975, 657; Palandt/Sprau, BGB, 73. Auflage 2014, § 823 BGB, RdNr. 2). Auch bei einem „automatisierten“ Verhalten liegt hingegen eine Handlung grundsätzlich vor, wenn das Verhalten dem regulierenden Zugriff des steuernden Bewusstseins offenbleibt (vgl. dazu Spiegel, die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Kraftfahrers für Fehlreaktionen, DAR 1968, 283, 285). Dies gilt insbesondere bei sogenannten Schreckreaktionen, bei denen erst die innere psychische Verarbeitung eines äußeren Reizes zu einer bestimmten Handlung führt. Entscheidend ist dabei – unabhängig von der Frage eines Fahrlässigkeitsvorwurfs (dazu siehe unten) -, dass nicht jeder Mensch in gleicher Weise reagiert. Im vorliegenden Fall erscheint es nicht völlig ausgeschlossen, dass ein anderer Mensch als die Klägerin sich so auf das herannahende Fahrzeug des Beklagten Ziffer 1 hätte konzentrieren können, dass der plötzlich bellende Hund keine Schreckreaktion (Schritt zur Seite in die Fahrbahn) verursacht hätte (vgl. zur Handlungsqualität derartiger „Schreckreaktionen“ Spiegel a.a.O., S. 290).

bb) Das Verhalten der Klägerin war jedoch, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, nicht fahrlässig im Sinne von § 276 Abs. 2 BGB. Für den Fahrlässigkeitsvorwurf ist darauf abzustellen, welche Anforderungen an menschliches Verhalten in einer bestimmten Situation gestellt werden können. Für „Schreckreaktionen“ ist anerkannt, dass kein Verschulden vorliegt, wenn jemand in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht vorhersehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat, und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um einen Unfall zu verhüten, sondern aus verständlicher Bestürzung objektiv falsch reagiert (vgl. BGH, NJW 1976, 1504; BGH, Urteil vom 04.11.2008 – VI ZR 171/07 -, RdNr. 10, zitiert nach Juris; Palandt/Grüneberg a.a.O., § 276 BGB, RdNr. 17; Spiegel a.a.O., S. 291).

Eine solche Situation, die einen Verschuldensvorwurf ausschließt, war für die Klägerin gegeben. Das plötzliche und für die Klägerin unerwartete Bellen und Gegen-den-Zaun-Springen des Hundes war für die Klägerin eine plötzliche, im ersten Moment nicht vollständig beherrschbare Gefahrensituation. Plötzliches Bellen und Gegen-den-Zaun-Springen in wenigen Zentimetern Entfernung werden von einem Menschen – auch von einem Erwachsenen – üblicherweise als Angriffssignal des Hundes wahrgenommen. Wenn das Ereignis – wie vorliegend – unvorbereitet eintritt, stellen sich bei einem Menschen in der Regel Automatismen ein, die jedenfalls im ersten Moment nicht mehr kontrollierbar sind, bzw. zu einer Fehlreaktion führen können. Eine solche Reaktion war die „Fluchtbewegung“, bei welcher die Klägerin einen Schritt von ca. 50 cm zur Seite – in die Fahrbahn – machte. Es gehört zum Wesen einer solchen Schreckreaktion, dass ein Mensch im ersten Moment nicht ohne Weiteres unterscheiden kann, ob der bellende und springende Hund vom Zaun zurückgehalten wird, oder ob es zu einem echten Angriff mit Bissverletzungen kommt. Die Reaktion der Klägerin beruhte mithin nicht auf einer fehlerhaften Wahrnehmung einer objektiv nicht vorhandenen Gefahrenlage. Vielmehr hatte die Klägerin bei ihrer automatisierten Reaktion – Schritt zur Seite – keine ausreichende Zeit, um noch vor diesem Schritt erkennen und entscheiden zu können, ob der Schritt zum Ausweichen gegenüber dem Hund notwendig und sinnvoll war. Für die Reaktion der Klägerin war dabei keineswegs eine besondere Ängstlichkeit oder Empfindlichkeit maßgeblich. Vielmehr hätten in dieser Situation – angesichts der Plötzlichkeit des Ereignisses – viele Erwachsene ähnlich reagiert. Wer in dieser Situation bei einer nachträglichen Betrachtung objektiv falsch reagiert, weil der Zaun den Hund zurückgehalten hat, handelt nicht schuldhaft (vgl. für entsprechende Fälle BGH, Urteil vom 04.11.2008 – VI ZR 171/07 -, RdNr. 10, zitiert nach Juris). Der vorliegende Fall ist vergleichbar mit den Fällen, in denen ein Kraftfahrer bei einem plötzlichen Hindernis auf der Fahrbahn erschreckt, und mit einer objektiv fehlerhaften Ausweichbewegung reagiert. In derartigen Fällen kommt ein Schuldvorwurf sowohl im Bereich des Strafrechts als auch im Bereich des Zivilrechts grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. Spiegel a.a.O., S. 291; OLG Naumburg, NJW-RR 2003, 676).

c) Ein Fahrlässigkeitsvorwurf käme allerdings dann in Betracht, wenn der Eintritt der gefährlichen Situation für die Klägerin vorhersehbar gewesen wäre. Davon wäre etwa dann auszugehen, wenn die Klägerin beim Vorbeilaufen am Grundstück der Familie K. mit dem Verhalten des Hundes hätte rechnen müssen. Dann wäre es möglicherweise zweckmäßig gewesen, am Fahrbahnrand auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu gehen. Für eine solche vorausschauende Vorsichtsmaßnahme bestand aus der Sicht der Klägerin jedoch kein Anlass. Denn es gab für sie aus der Vergangenheit keine Erfahrungen, wonach sie beim Vorbeigehen am Grundstück der Familie K. mit einem „Schreckerlebnis“ durch den Hund hätte rechnen müssen. Die Klägerin hatte keinen Anlass zu besonderer Vorsicht beim Vorbeigehen am Grundstück der Familie K..

3. Auf der Grundlage der vollen Haftung sind die Beklagten zur Zahlung der vom Landgericht zuerkannten Schmerzensgeld- und Schadensersatzbeträge nebst Zinsen verpflichtet. Mit dem Schmerzensgeld sind lediglich diejenigen Beeinträchtigungen der Klägerin abgegolten, die bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 05.11.2013 bestanden. Denn zu diesem Zeitpunkt stand noch nicht fest, ob auch in der Zeit danach ein Taubheitsgefühl im Bereich der Verletzung bestehen würde. Wegen dieser Möglichkeiten ist der Feststellungsantrag – sowohl wegen in Betracht kommender materieller Schäden als auch wegen möglicher immaterieller Beeinträchtigungen – gerechtfertigt.

4. Bei einer Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO verliert die Anschlussberufung ihre Wirkung (§ 524 Abs. 4 ZPO). Eine Sachentscheidung über die Anschlussberufung kommt dann nicht mehr in Betracht.

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