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Verkehrsunfall: Rechtsanwaltskostenersatz für die Einholung einer Kostendeckungszusage beim Rechtsschutzversicherer

AG Oberkirch, Az.: 1 C 230/11

Urteil vom 13.06.2013

1. Die Beklagte zu 1 und die Beklagte zu 2 werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin u. Widerbeklagte 50,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2011 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Von den Gerichtskosten trägt die Klägerin u. Widerbeklagte 3/4 und der Widerkläger 1/4.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2 trägt die Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten trägt der Widerkläger. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin u. Widerbeklagten trägt der Widerkläger 1/4. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Verkehrsunfall: Rechtsanwaltskostenersatz für die Einholung einer Kostendeckungszusage beim Rechtsschutzversicherer
Symbolfoto: Burdun/Bigstock

Die Beklagten zu 1 und zu 2 können eine Vollstreckung der Klägerin u. Widerbeklagte jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin u. Widerbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Klägerin u. Widerbeklagte kann eine Vollstreckung der Beklagten zu 1 sowie eine Vollstreckung der Beklagten zu 2 durch jeweilige Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1 oder die Beklagte zu 2 vor der jeweiligen Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Der Widerkläger kann eine Vollstreckung der Klägerin u. Widerbeklagte sowie eine Vollstreckung der Drittwiderbeklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin u. Widerbeklagte oder die Drittwiderbeklagte vor der jeweiligen Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.379,61 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin u. Widerbeklagte begehrt von den Beklagten Ziff.1 und Ziff.2 Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall. Der Widerkläger begeht von der Klägerin u. Widerbeklagten sowie der Drittwiderbeklagten Schadensersatz aus demselben Verkehrsunfall

Am 06.05.2011 gegen 10:45 Uhr befuhr die Klägerin u. Widerbeklagte mit ihrem Pkw Marke Opel Zafira, amtl. Kennzeichen … den Schleifweg in 77871 Renchen in Richtung Süd-Westen. Die Klägerin bog sodann nach rechts in Richtung Renchbrücke ein und fuhr auf diese zu. Die von der Klägerin dabei befahrene Rechtskurve ist von einer etwa 1,5m hohen Hecke gesäumt, die die Sicht auf die Renchbrücke verdeckt. Während die Klägerin die Rechtskurse durchfuhr, überquerte die Beklagte Ziff.1 mit dem im Eigentum des Widerklägers stehenden Pkw Marke Suzuki, amtl. Kennzeichen … die Renchbrücke. Bei der Renchbrücke handelt es sich um eine 3,80 Meter breite Holzbrücke. Unmittelbar nachdem die Beklagte Ziff.1 die Brücke überquert hatte, kam es vor der Brücke zu einer Kollision der beiden Fahrzeuge. Die Kollision erfolgte dergestalt, dass sich die Fahrzeuge jeweils mit der linken Vorderseite berührten.

Der Klägerin u. Widerbeklagten ist durch den Unfall ein Schaden entstanden. Die zur Instandsetzung ihres Fahrzeugs notwendigen Reparaturkosten belaufen sich auf 3.883,46 Euro. Zur Schadensermittlung war die Einholung eines Sachverständigengutachtens notwendig, das 511,01 Euro gekostet hat. Der Klägerin u. Widerbeklagten ist weiterhin ein Nutzungsausfallschaden in Höhe von 215,00 Euro entstanden. Am Fahrzeug der Klägerin u. Widerbeklagten ist eine merkantile Wertminderung von mindestens 250,00 Euro entstanden. Die durch den Unfall entstandenen Unkosten beziffert die Klägerin pauschal mit 30,00 Euro. Mit Schreiben vom 06.06.2011 forderte die Klägerin u. Widerbeklagte die Beklagte zu 2 unter Fristsetzung zum 16.06.2011 zur Zahlung von 4.989,47 Euro auf. Unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 50%, zahlte die Beklagte Ziff.2 unter dem 16.06.2011 an die Klägerin einen Betrag von 2.444,74 Euro zur Schadensregulierung sowie 272,87 Euro an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Dem Widerkläger ist durch den Unfall ebenfalls ein Schaden entstanden. Der Wiederbeschaffungswert seines Fahrzeugs beläuft sich auf 1.200,00 Euro; der Restwert mindestens auf 100,00 Euro. Weiterhin war zur Schadensermittlung die Einholung eines Sachverständigengutachtens notwendig, das 450,77 Euro gekostet hat. Die durch den Unfall entstandenen Unkosten beziffert der Widerkläger pauschal mit 25,00 Euro. Unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 50%, hat die Drittwiderbeklagte an den Widerkläger zur Schadensregulierung einen Betrag von 742,89 Euro bezahlt. Mit Schreiben vom 22.06.2011 unterbreitete die Beklagte Ziff.2 dem Widerkläger ein verbindliches, bis zum 12.07.2011 befristetes, Kaufangebot für das Fahrzeug des Widerklägers zu einem Preis von 250,00 Euro, verbunden mit der Zusage das Fahrzeug kostenfrei abzuholen.

Die Klägerin u. Widerbeklagte behauptet, die Beklagte Ziff.1 sei nach dem Passieren der Renchtalbrücke mittig auf dem Schleifweg weitergefahren und habe das Rechtsfahrgebot nicht eingehalten. Sie selbst habe sich dagegen mit einer Geschwindigkeit von deutlich unter 30 km/h der Brücke genähert. Die Klägerin u. Widerbeklagte behauptet weiterhin, dass die an ihrem Fahrzeug eingetretene merkantile Wertminderung um 100,00 Euro höher, bei 350,00 Euro, liegen würde.

Die Klägerin u. Widerbeklagte beantragt zuletzt

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin (u. Widerbeklagte) 2.544,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2011 zu zahlen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin (u. Widerbeklagte) von den Kosten der Einholung einer Deckungsschutzanfrage für die vorliegende Klage bei der Rechtsschutzversicherung der Klägerin in Höhe von 261,21 Euro freizustellen.

3. Die Beklagten werden verurteilt, die Klägerin (u. Widerbeklagte) von den Kosten der außergerichtlichen Inanspruchnahme des Unterzeichners in Höhe von 216,58 Euro freizustellen.

Die Beklagten zu 1 und die Beklagte zu 2 beantragen: Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagten zu 1 und zu 2 behaupten, die Klägerin u. Widerbeklagte habe sich der Brücke mit einer den Verkehrsverhältnissen nicht angepassten Geschwindigkeit genähert. Die Beklagte Ziff.1 habe ihr Fahrzeug unmittelbar vor der Kollision noch zum Stillstand bringen können. Die Klägerin u. Widerbeklagte habe dagegen die Bremse mit dem Gaspedal verwechselt und sei deshalb gegen die Beklagte Ziff.1 gefahren.

Der Widerkläger beantragt: Die Beklagten (Klägerin u. Widerbeklagte und Drittwiderbeklagte) sind als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 835,38 Euro nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2011 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 108,88 Euro nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Widerkläger behauptet, die Klägerin u. Widerbeklagte habe sich der Brücke, mit einer den Verkehrsverhältnissen nicht angepassten Geschwindigkeit genähert. Die Beklagte Ziff.1 habe ihr Fahrzeug unmittelbar vor der Kollision noch zum Stillstand gebracht, während die Klägerin u. Widerbeklagte die Bremse mit dem Gaspedal verwechselt habe und deshalb gegen die Beklagte Ziff.1 gefahren sei. Der Widerkläger behauptet weiterhin, er habe sein Fahrzeug reparieren lassen und nutze es weiterhin.

Die Klägerin u. Widerbeklagte sowie die Drittwiderbeklagte beantragen

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Klägerin u. Widerbeklagte sowie die Drittwiderbeklagte behaupten, der Restwert des Fahrzeugs des Widerklägers würde nur 250,00 Euro betragen. Zumindest aber müsse sich der Widerkläger das Kaufangebot der Drittwiderbeklagten über 250,00 Euro entgegenhalten lassen. Die Klägerin u. Widerbeklagte sowie die Drittwiderbeklagte behaupten, der Widerkläger habe sein Fahrzeug verkauft (was sich aus den geltend gemachten An- und Abmeldekosten ergebe) und nutze es daher nicht mehr.

Zur Ergänzung und Präzisierung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Die Klägerin u. Widerbeklagte reichte am 14.09.2011 Klage ein, die der Beklagten Ziff.1 am 20.09.2011 und der Beklagten Ziff.2 am 21.09.2011 zugestellt wurde. Der Widerkläger reichte am 04.10.2011 Klage ein, die der Klägerin u. Widerbeklagten sowie der Drittwiderbeklagten jeweils am 12.10.2011 zugestellt wurde. Mit Beschluss vom 06.06.2012 wurden die beiden Verfahren gem. § 417 ZPO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Es wurde Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Am 02.05.2013 fand eine mündliche Verhandlung statt in dem der Sachverständige sein Gutachten erläuterte und zudem Lichtbilder der Unfallstelle und der Fahrzeuge in Augenschein genommen wurden.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig aber nur teilweise begründet.

1. Die Klägerin u. Widerbeklagte hat einen Anspruch auf Zahlung weiterer 50,00 Euro gegen die Beklagten zu 1 und zu 2. Bezüglich der Übrigen 2.494,73 Euro besteht hingegen kein Anspruch.

Die Haftung der Beklagten zu 1 folgt aus §§ 7 Abs.1, 17 Abs.1, Abs.2 StVG; die der Beklagten zu 2 aus §§ 7 Abs.1, 17 Abs.1, Abs.2 StVG, § 115 Abs.1 S.1 Nr.1 VVG.

Die Beklagte zu 2 hat den Schaden der Klägerin u. Widerbeklagten mit einer Quote von 50%, unter Annahme eines Gesamtschadens von 4.889,48 Euro reguliert, wobei die Wertminderung des klägerischen Fahrzeugs nur mit 250,00 Euro angesetzt wurde. Die von der Beklagte zu 2 angenommene Haftungsquote von 50% begegnet keinen Bedenken. Die Beklagte zu 2 ist jedoch von einem um 100,00 Euro zu geringen Gesamtschaden ausgegangen.

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a. Der Unfall war für die Beklagte zu 1 nicht unabwendbar i.S.d. § 17 Abs.3 S.1 StVG. Unabwendbar ist ein Unfall, wenn er auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet hätte werden können. Beweisbelastet für diesen Umstand sind die Beklagten bzw. der Widerkläger. Es wurde Beweis angeboten durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Der daraufhin beauftragte Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass der Unfall jedenfalls dann vermieden worden wäre, wenn beide Unfallbeteiligte auf halbe Sicht gefahren wären und sich beim gegenseitigen Erkennen zum Anhalten entschlossen hätte. Bei Einhaltung der äußersten möglichen Sorgfalt wäre der Unfall mithin abgewendet worden.

b. Die Höhe des Anspruchs richtet sich daher nach den jeweiligen Verursachungsbeiträgen. Der Unfall wurde jedoch nicht vorwiegend von der Beklagten zu 1 verursacht. Klägerin u. Widerbeklagte sowie die Beklagte zu 1 trifft jeweils eine gleichwertige Betriebsgefahr. Umstände, die letztlich zu einer erhöhten Betriebsgefahr der Beklagten zu 1 führen würden, lagen nicht vor.

aa. Klägerseits wurde insoweit allein vorgetragen, die Beklagte zu 1 sei mit ihrem Fahrzeug teilweise über der Fahrbahnmitte gefahren. Diese wurde durch das eingeholte Sachverständigengutachten in nachvollziehbarer Weise bestätigt. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass das (ohne Außenspiegel) 1,575m breite Fahrzeug der Beklagten zu 1 mit der rechten hinteren Ecke einen Meter vom Fahrbahnrand entfernt stand, und damit mit der linken hinteren Fahrzeugseite (links) über die gedachte Mittellinie gestanden hat. Die vordere linke Fahrzeugseite stand nach dem Unfall nicht (links) über der gedachten Mittellinie. Der Sachverständige hat insoweit plausibel dargelegt, dass es durch den Zusammenstoß ggf. zu einer Verschiebung der Fahrzeugfront um bis zu 20 Zentimeter gekommen sein könnte; aufgrund der relativ geringen Geschwindigkeiten aber nicht zu einer Verschiebung des Fahrzeughecks. Aus der Endstellung der Fahrzeuge sei daher erkennbar, dass die Beklagten Ziff.1 nicht so weit wie möglich rechts gefahren ist. Die Beklagte zu 1 hat die Brücke somit überquert ohne so weit wie möglich auf der rechten Fahrbahnseite zu fahren.

Der Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot führt aufgrund der besonderen Verkehrssituation aber nicht zu einer erhöhte Betriebsgefahr der Beklagten zu 1. Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass aufgrund der Breite der Brücke von 3,80m ein aneinander Vorbeifahren der beiden (ohne Außenspiegel 1,575m und 1,801m breiten) Fahrzeuge zwar rechnerisch möglich ist, wenn beide Fahrzeuge äußerst rechts fahren. Rein rechnerisch wäre der Unfall daher vermieden worden, wenn die Beklagte zu 1 äußerst rechts gefahren wäre. Effektiv wäre ein aneinander Vorbeifahren der beiden Fahrzeuge auf der Brücke aber nur durch vorsichtiges aneinander Vorbeitasten (ggf. sogar nur bei eingeklappten Außenspiegeln) möglich gewesen. Grundsätzlich hat in einer Engstelle, die nur einspurigen Verkehr ermöglicht, derjenige Verkehrsteilnehmer Vorfahrt hat, der die Engstelle zuerst erreicht und darf auf die Beachtung dieses Vorrechts vertrauen (BayObLG, Urteil vom 2. 11. 1960, RReg. 1 St 329/60). Aufgrund der theoretischen Möglichkeit die Brücke mit zwei Fahrzeugen gleichzeitig zu befahren, gilt dieser Grundsatz vorliegend nur eingeschränkt. Die Klägerin u. Widerbeklagte hätte der bereits auf der Brücke befindlichen Beklagten zu 1 daher nicht zwingend eine Überquerung ermöglichen und vor der Brücke anhalten müssen; sie hätte aber nur unter Anwendung besonderer Sorgfalt auf die Brücke fahren bzw. sich ihr nähern dürfen. Die bereits auf der Brücke befindliche Beklagte zu 1 durfte sich hingegen zumindest darauf verlassen, dass etwaige entgegenkommende Fahrzeuge sich der Brücke nur so langsam nähern, dass für sie selbst noch die Möglichkeit bestand anzuhalten bzw. an den äußert rechten Fahrbahnrand auszuweichen. Den Nachweis, dass die Klägerin u. Widerbeklagte sich der Brücke unter Beachtung einer derart erhöhten Sorgfalt genähert hat, hat diese nicht geführt. Der Unfall wäre, nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, selbst bei Einhaltung des Rechtsfahrgebots durch die Beklagte zu 1, nur vermieden worden, wenn auch die Klägerin u. Widerbeklagten äußerst langsam gefahren wäre. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es bei normaler Fahrt der Klägerin u. Widerbeklagten, trotz Einhaltung des Rechtsfahrgebots durch die Beklagte zu 1, trotzdem zu einer Kollision gekommen wäre. Mangels Nachweis eines besonders sorgfältigen Fahrverhaltens wirkt sich der Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot aber nicht in einer Weise gefahrerhöhend aus, die eine Verschiebung der Verursachungsbeiträge rechtfertigen würde. Eine andere Beurteilung ist auch nicht angezeigt, weil sich der Unfall bereits nach (bzw. vor) der Brücke ereignet hat. Wie auf den in Augenschein genommenen polizeilichen Lichtbildern erkennbar, hatte die Beklagte zu 1 zum Zeitpunkt der Kollision die Brücke gerade erst verlassen. Die Pflicht zu einem langsamen und besonders aufmerksamen Fahrverhalten gilt bereits für die Annäherung an eine Engstelle. Das Vorfahrtsrecht, bzw. zumindest das gesteigerte Vertrauen in ein äußerst sorgfältiges Verhalten entgegenkommender Verkehrsteilnehmer, gilt daher auch nach Verlassen einer Engstelle zumindest solange fort, bis dem die Engstelle durchfahrenden Fahrzeugführer ein vollständiges Einordnen in den normalen Straßenverlauf ermöglicht wurde. Die Beweislast dafür, dass die Beklagte zu 1 sich nicht wieder auf die rechte Fahrbahnseite einordnen, sondern weiter unter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot auf dem Schleifweg weiterfahren wollte, trägt die Klägerin u. Widerbeklagte. Diesen Nachweis hat die Klägerin u. Widerbeklagte aber nicht geführt. Vielmehr kann aufgrund der Schrägstellung des Fahrzeugs der Beklagten zu 1 nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte zu 1 gerade im Begriff war, nach dem Verlassen der Brücke wieder weiter auf die rechte Fahrbahnseite zu fahren.

bb. Auch die Klägerin u. Widerbeklagte trifft kein überwiegendes Verschulden. Soweit die Beklagten vorgetragen haben, dass die Klägerin u. Widerbeklagte mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren ist oder die Bremse mit dem Gaspedal verwechselt hat, trifft sie die Beweislast.

Den Nachweis einer überhöhten Geschwindigkeit der Klägerin u. Widerbeklagten, konnten die Beklagten nicht führen. Der Sachverständige hat insoweit nachvollziehbar dargelegt, dass aus den Unfallspuren oder der Unfallendstellung keinerlei Rückschlüsse auf die jeweils gefahrenen Geschwindigkeiten möglich seien oder nachvollzogen werden könne, welches Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt gestanden hat.

Den Nachweis, dass die Klägerin u. Widerbeklagte unmittelbar vor der Kollision die Bremse mit dem Gaspedal verwechselt hat, konnten die Beklagten ebenfalls nicht führen. Der Vortrag beruht allein auf einer Äußerung der Klägerin u. Widerbeklagten unmittelbar nach dem Unfall, bei dem sie angegeben hat, dass eine solche Verwechslung möglich sei. In Anbetracht der Tatsache, dass sich der Unfall in Sekundenbruchteilen abgespielt hat, reicht eine solche geäußerte Mutmaßung aber nicht zum Nachweis einer Verwechslung aus. Die Drittwiderbeklagte hat zudem bestritten, dass die Kollision durch eine Bremsung bei Sichtkontakt vermieden worden wäre, da sich die Fahrzeuge zu diesem Zeitpunkt bereits zu sehr aneinander angenähert hatten. Angesichts der in der Rechtskurve befindlichen Hecke, aufgrund der erst wenige Meter vor der Brücke eine Sicht auf diese möglich ist, erscheint es zumindest plausibel, dass es auch bei einer Bremsung zu einer Kollision gekommen wäre. Das Bestreiten ist daher ausreichend substantiiert. Ein Beweisangebot der insoweit beweisbelasteten Beklagten dafür, dass die (nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesene) Verwechslung ursächlich oder zumindest mitursächlich für die Kollision geworden ist, erfolgte nicht.

cc. Nachdem ein Fehlverhalten der Klägerin u. Widerbeklagten beklagtenseits nicht nachgewiesen wurde und der Verstoß der Beklagten zu 1 gegen das Rechtsfahrgebot unbeachtlich ist, ist bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge allein die beiderseitige Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Es verbleibt daher bei einer Haftungsquote von 50%.

c. Ein Zahlungsanspruch der Klägerin u. Widerbeklagten ergibt sich, unter Berücksichtigung der Haftungsquote von 50%, allein aufgrund der zu niedrig angesetzten Wertminderung. Das eine Wertminderung eingetreten und entsprechend der Haftungsquote auszugleichen ist, ist unstreitig. Die Klägerin u. Widerbeklagte hat durch Vorlage eines schriftliches Sachverständigengutachten, aus dem sich die Höhe der Wertminderung nachvollziehbar ergibt, substantiiert vorgetragen, dass es durch den Unfall zu einer merkantilen Wertminderung an ihrem Fahrzeug in Höhe von 350.00 Euro gekommen ist. Die Beklagten haben eine Wertminderung in Höhe von 350,00 Euro bestritten und, unter Verweis auf ein DEKRA Gutachten, vorgetragen die Wertminderung würde nur 250,00 Euro betragen. Es kann dahinstehen, ob der bloße Verweis auf das DEKRA-Gutachten, ohne Ausführungen zum konkreten Inhalt desselben, den Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten genügt. Die Klägerin u. Widerbeklagte hat jedenfalls den Nachweis einer höheren Wertminderung geführt. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat dargelegt, dass trotz des Fahrzeugalters von viereinhalb Jahren, angesichts der geringen Laufleistung von nur etwas über 2.000 km, eine Wertminderung von 350,00 Euro plausibel ist bzw. ggf. sogar von einer höheren Wertminderung auszugehen ist. Im Hinblick auf die extrem geringe Laufleistung erscheint diese Einschätzung des Sachverständigen absolut nachvollziehbar, weshalb sich das Gericht dem Ergebnis des Gutachtens in diesem Punkt vollumfänglich anschließt. Die merkantile Wertminderung ist als kausaler Schaden von den Beklagten mit einer Quote von 50% zu regulieren, mithin mit 175,00 Euro. 125,00 Euro wurden bereits auf diese Schadensposition bezahlt, so dass noch ein Restanspruch von 50,00 Euro verbleibt.

2. Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf §§ 288 Abs.1, 286 Abs.1 BGB. Verzug trat aufgrund des Mahnschreibens vom 06.06.2011 am 16.06.2011 ein.

3. Die Klägerin und Widerbeklagte hat keinen Anspruch auf eine weitergehende Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte Ziff.2 hat bereits vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 272,87 Euro ausgeglichen. Dies entspricht einer 1,3 Verfahrensgebühr aus einem Gegenstandswert von 2.444,74 Euro nebst 20,00 Euro Post- und Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 W RVG) und 19% Mehrwertsteuer. Der tatsächlich begründete Anspruch der Klägerin u. Widerbeklagten beläuft sich auf 2.494,74 Euro (Zahlbetrag von 2.444,74 Euro zzgl. begründeter Klageantrag von 50,00 Euro). Ein Gebührensprung ist damit nicht verbunden, da es bei einem Streitwert bis 2.500,00 Euro verbleibt. Die aus dem Gegenstandswert angefallenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wurden somit Beklagtenseits bereits vollständig ausgeglichen.

4. Die Klägerin und Widerbeklagten hat keinen Anspruch auf Freistellung von den zur Einholung der Deckungszusage notwendigen Kosten.

Unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens sind Rechtsverfolgungskosten nur dann zu erstatten, wenn die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zur Wahrung und Durchsetzung der Rechte unter den Umständen des Falls erforderlich und zweckmäßig ist. Dass die Klägerin und Widerbeklagte die, von der Rechtsschutzversicherung offensichtlich umstandslos erteilte, Deckungszusage nicht selbst hätte einholen können, und insoweit die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe erforderlich gewesen wäre, wurde nicht vorgetragen. Bei den Kosten für die Einholung der Deckungszusage handelt es sich zudem um keine zur Rechtsdurchsetzung notwendigen Kosten. Die unterlegene Partei trägt die Kosten eines Rechtsstreits ohnehin von Gesetzes wegen, § 91 Abs.1 S.1 ZPO. Die Einreichung einer zulässigen und vollumfänglich begründeten Klage birgt mithin keinerlei Kostenrisiko für den Kläger. Die Hinzuziehung einer Rechtsschutzversicherung ist daher in diesem Fall nicht notwendig. Zweck der Hinzuziehung einer Rechtsschutzversicherung ist regelmäßig die Absicherung gegen das Risiko des Unterliegens beziehungsweise das Risiko, dass die eingereichte Klage doch an einem Zulässigkeitsmangel leidet oder nicht (vollumfänglich) begründet ist. Kosten, die durch die Absicherung gegen dieses Risiko entstehen, können dann aber im Falle des Obsiegens nicht der Gegenseite auferlegt werden, da gerade das Obsiegen im Rechtsstreits zeigt, dass keine Notwendigkeit zur Hinzuziehung einer Rechtsschutzversicherung bestand. Die insoweit angefallenen Kosten fallen mithin vollständig in die Risikosphäre des jeweiligen Rechtsschutzversicherten.

II. Die durch die Verfahrensverbindung zur Widerklage gewordene Klage ist zulässig aber unbegründet

1. Der Widerkläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von restlichen 835,38 Euro

Die Haftung der Drittwiderbeklagten dem Grunde nach folgt aus §§ 7 Abs.1, 17 Abs.1, Abs.2 StVG, § 115 Abs.1 S.1 Nr.1 VVG.

Die Drittwiderbeklagte hat den Schaden des Widerklägers mit einer Quote von 50%, unter Annahme eines Gesamtschadens von 1.480,78 Euro, reguliert, wobei der Restwert des Fahrzeugs des Widerklägers mit von 250,00 Euro angesetzt wurde. Weder die von der Drittwiderbeklagten angenommene Haftungsquote von 50%, noch der von der Drittwiderbeklagten angesetzte Gesamtschaden, begegnet Bedenken. Über die bereits bezahlten 740,39 Euro hinaus, hat der Widerkläger daher keine weiteren Ansprüche mehr gegen die Drittwiderbeklagte.

a. Die von der Drittwiderbeklagten angenommene Haftungsquote von 50% begegnet keinen Bedenken. Der Unfall war auch für die Klägerin u. Widerbeklagte nicht unabwendbar i.S.d. § 17 Abs.3 S.1 StVG (s.o. I. 1. a.). Die Höhe des Anspruchs richtet sich daher nach den jeweiligen Verursachungsbeiträgen. Der Unfall wurde jedoch nicht vorwiegend von der Klägerin u. Widerbeklagten verursacht. Klägerin u. Widerbeklagte sowie die Beklagte zu 1 trifft jeweils eine gleichwertige Betriebsgefahr. Umstände, die zu einer erhöhten Betriebsgefahr der Klägerin und Widerbeklagten führen würden, lagen nicht vor. Insoweit wurde seitens des Widerklägers allein vorgetragen, dass die Klägerin u. Widerbeklagte mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren ist und die Bremse mit dem Gaspedal verwechselt hat. Den Nachweis, dass die Klägerin u. Widerbeklagte mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren ist oder die Bremse mit dem Gaspedal verwechselt hat bzw. diese Verwechslung kausal für die Kollision geworden ist, hat auch der Widerkläger, aus den bereits genannten Erwägungen (I.1. b. bb.), nicht geführt.

Bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge verbleibt es damit bei der beiderseitigen Betriebsgefahr und damit einer Haftungsquote von 50%.

b. Ein Zahlungsanspruch des Widerklägers ergibt sich auch nicht aufgrund eines von der Drittwiderbeklagten zu niedrig angesetzten Gesamtschadens. Der Widerbeklagte macht den Wiederbeschaffungsaufwand geltend. Die Drittwiderbeklagte hat den insoweit vom Widerkläger behaupteten Restwert von 100,00 Euro unter Vorlage eines Kaufangebots über 250,00 Euro, und damit in substantiierter Weise, bestritten.

Der vom Widerkläger behauptete Restwert von 100,00 Euro begegnet schon deshalb Bedenken, weil er auf einer Erhebung basiert, der nur zwei Gebote zugrunde liegen. Als geeignete Schätzgrundlage für den Restwert sind jedoch i.d.R. drei Angebote auf dem maßgeblichen regionalen Markt einzuholen (BGH NJW 2010, 2722). Ein Gutachten, das diese Voraussetzung nicht erfüllt, ist für die Schadensregulierung regelmäßig unzureichend. Es kann jedoch dahinstehen, ob diese Angebote den tatsächlichen Marktgegebenheiten entsprochen haben, da der Widerkläger jedenfalls ein konkretes Kaufangebot über 250,00 Euro hatte. Ein Unfallgeschädigter der sein Unfallfahrzeug veräußern will, muss ein höheres Restwertangebot, das ihm der Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers unterbreitet, annehmen, wenn ihm rechtzeitig vor der Verwertung ein rechtlich verbindliches, sicheres und nicht mit weiteren eigenen Bemühungen und Kosten verbundenes Angebot vorgelegt wird (BGH Urteil vom 30.11.1999 – VI ZR 219/98). Ein Interesse des Unfallgeschädigter, ein solches verbindliches Angebot auszuschlagen ist regelmäßig nicht erkennbar. Unbeachtlich ist auch, dass der Widerkläger durch Vorlage einer Bestätigung des Landratsamts Ortenaukreis, zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass das verunfallte Fahrzeug nicht verkauft sondern repariert wurde und weiter von ihm genutzt wird. Zur Höhe der Reparaturkosten wurde nicht vorgetragen und diese auch nicht geltend gemacht. Soweit der Widerkläger seinen Schaden auf Grundlage des Widerbeschaffungsaufwands geltend macht, muss er auch einen höheren Restwert gegen sich gelten lassen. Der Widerkläger muss sich daher das Angebot der Beklagten zu 2 über 250,00 Euro entgegenhalten lassen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs.1 S.1, 92 Abs.1, Abs.2 Nr.1, 100 ZPO unter Anwendung der Baumbach’schen Formel. Das Unterliegen der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2 gegenüber der Klägerin u. Widerbeklagten ist dabei im Verhältnis zum Klageantrag so gering, dass die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und zu 2 gem. § 92 Abs.2 Nr.1 ZPO zulasten der Klägerin u. Widerbeklagten zu treffen war.

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

V. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 45 Abs.1 S.1 GKG. Der Streitwert der Klage belief sich auf 2.544,23 Euro; der Streitwert der Widerklage auf 835,38 Euro.

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