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Verkehrsunfall zwischen Motorradfahrer und einbiegendem PKW vor Ampelanlage


LG Tübingen

Az.: 5 O 80/13

Urteil vom 10.12.2013


Leitsätze: Ein Motorradfahrer, der eine vor einer Ampel wartende Fahrzeugkolonne überholt, ohne dass hierfür eine weitere Fahrtrichtungsspur zur Verfügung steht, verstößt gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot. Unter Berücksichtigung dieses Verschuldens und der Betriebsgefahr trifft ihn bei der Kollision mit einem unter Verstoß gegen § 10 StVO durch eine für ihn eröffnete Lücke in der Kolonne einbiegenden PKW eine Mithaftung von einem Drittel.

Der Stundensatz bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens kann gem. § 287 ZPO der entsprechenden Regelung des JVEG entnommen werden (§ 21 JVEG: 12 EUR bzw. jetzt 14 EUR).

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin weitere 2.616,03 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.07.2012 zu bezahlen. (Materieller Schaden)

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin weitere 6.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.6.2012 zu bezahlen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 214,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.5.2013 zu bezahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen zu 2/3 und – unter Berücksichtigung der in den Entscheidungsgründen dargestellten Mitverschuldensbeiträgen der Klägerin – immaterielle Schäden, welche aus dem Verkehrsunfall vom 25.6.2010 auf der W-straße in T künftig entstehen, zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind.

5. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 2/3, im Übrigen tragen die Beklagten die Kosten als Gesamtschuldner.

6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Streitwert:

Antrag 1: 8.082,99 EUR

Antrag 2: 14.000,00 EUR

Feststellungsantrag: 3.000,00 EUR

Tatbestand

Die Klägerin begehrt weiteren Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Unfalls vom 25.6.2010 gegen 12.40 Uhr auf der W-straße in T.

Im Bereich der Unfallstelle wies die W-Straße zum Unfallzeitpunkt eine stadteinwärts führende Spur und eine Gegenverkehrsspur auf. Vor und hinter der Unfallstelle befinden sich Ampelanlagen (Fußgänger, Einmündung). Auf der aus Sicht der Klägerin entgegenkommenden Richtung folgt kurz nach der Unfallstelle eine Tankstelle mit Ein- und Ausfahrt. Auf Höhe der Unfallstelle steht stadteinwärts gesehen rechter Hand die H-Halle; vor der Halle ist der Bordstein abgesenkt. Die Fläche davor kann durch ein- und aussteckbare Metallpfosten für parkende Fahrzeuge freigegeben oder gesperrt werden. Am Unfalltag war die Ausfahrt von der Fläche vor der Halle in die W-Straße möglich. Am Unfalltag galt dort noch die ortsübliche Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h.

Die Klägerin befuhr mit dem Motorrad BMW R26, …, die W-Straße stadteinwärts. Der Verkehr in diese Fahrtrichtung stockte. Die Klägerin fuhr an der bereits stehenden Kolonne links vorbei.

Zur selben Zeit wollte die Beklagte mit ihrem PKW VW Polo, …, von der Fläche vor der H-Halle nach links stadtauswärts in die W-Straße einbiegen. Hierzu wollte sie eine deswegen von der stadteinwärts stehenden PKW-Fahrerin O offen gelassene Lücke in der stehenden Kolonne nutzen.

Nachdem der Polo durch die Lücke etwas über die Mittellinie hinausgefahren war, kam es zu einem Kontakt der rechten vorderen Ecke (Stoßfänger) des VW Polo und der rechten Vorderradnabe sowie der rechten Fußraste des Motorrads der Klägerin. Die Klägerin stürzte. Die Polizei hat zwischen der Fahrzeugfront des VW Polo und der Endlage des Motorrades Kratzspuren von insgesamt 3,80 m gemessen.

Die Klägerin trug einen Helm und eine Lederjacke. Weitere Schutzkleidung trug sie nicht. Im Übrigen trug sie eine kurze Hose und Schuhe.

Die Klägerin wurde erheblich verletzt. Während eines stationären Aufenthalts in der BG-Klinik in T wurde eine hintere Schulterluxation sowie eine 2.gradig offene distale Unterschenkelfraktur rechts mit ausgeprägtem Weichteilschaden behandelt. Es wurde eine offene Reposition und Schraubenosteosynthese des Gelenkblockes der Tibia und anschließende Plattenosteosynthese der Schaftfraktur-Anteile mit winkelstabiler Platte vorgenommen.

Ein Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wurde gemäß § 170 StPO eingestellt; sie habe zwar bei unklarer Verkehrslage überholt, die Hauptschuld liege jedoch bei der unvorsichtig einfahrenden Beklagten Zf. 1. Das Strafverfahren gegen die Beklagte Zf. 1 wurde in der Verhandlung des Amtsgerichts Tübingen gemäß § 153 a StPO gegen Zahlung von 300 EUR an die Kreisverkehrswacht eingestellt.

Der Klägerin sind umfangreiche Einzelschäden in Form von Behandlungskosten, Verdienstausfall, Reparatur- und Bergungskosten etc. entstanden, die im Wesentlichen der Höhe nach unstreitig sind (7.083,41 EUR, davon streitig lediglich 219,84 EUR, verteilt auf sieben Positionen zwischen 5,50 EUR und 158,50 EUR).

Die Klägerin lebt mit ihrem Mann in einem 2-Personen-Haushalt (140 qm Wohnfläche, 5 ar Garten). Sie arbeitet halbtags (Kindertagesstätte, Praxis), ihr Mann ganztags als … Arzt.

Auf materielle Schäden hat die Beklagte Zf. 2 vorgerichtlich 3.813,66 EUR und 484,06 EUR bezahlt. Auf Schmerzensgeldforderungen der Klägerin hat die Beklagte Zf. 2 vorgerichtlich 6.000,- EUR bezahlt. Die Klägerin wurde in folgenden Zeiträumen stationär behandelt: 25.6.2010 – 16.7.2010; 2.1.2012 – 5.1.2012. Die Klägerin wurde viermal operiert. Die Klägerin ist immer noch bei längerer täglicher Arbeitsbelastung und bei Freizeitaktivitäten eingeschränkt; längeres Joggen führt zu Unterschenkelanschwellungen mit Schmerzen. Am Unterschenkel bleiben im Bereich der Weichteilverletzung Narben. Beim rechten Arm wird eine dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung von 10 %, beim rechten Bein von 20 % erwartet.

Die Klägerin trägt weiter vor, dass sie Schrittgeschwindigkeit gefahren wäre, im Bereich der Mitte der beiden Fahrbahnen.

Die Klägerin trägt weiter vor, dass ihr ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von 5.341,20 EUR entstanden wäre (Basis: unstreitig 23 h während Klinikaufenthalt, streitig 34 h/Woche in übriger Zeit, 12 EUR/h, anteilig zwischen 100 und 25 %).

Den bisherigen materiellen Gesamtschaden – ohne Abzug der beiden oben angegebenen Zahlungen der Beklagten Zf. 2 – beziffert sie mit 12.380,71 EUR, weshalb sie in dieser Klage noch verbleibende 8.082,99 EUR geltend macht.

Als angemessenes Schmerzensgeld stellt sich die Klägerin einen Betrag von insgesamt – ohne Berücksichtigung der oben angegebenen Zahlung – 20.000,- EUR vor.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagten zu 100 % haften.

Die Klägerin stellt folgende Anträge:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 8.029,99 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.07.2012 zu bezahlen. (Materieller Schaden)

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 14.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.6.2012 zu bezahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 671,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.5.2013 zu bezahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, welche aus dem Verkehrsunfall vom 25.6.2010 auf der W-Straße in T künftig entstehen, zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten anerkennen bezüglich des Feststellungsantrags eine Haftung von 2/3 und beantragen im Übrigen Klagabweisung.

Die Beklagten bestreiten, dass die Klägerin nur Schrittgeschwindigkeit fuhr. Sie bestreiten den Haushaltsführungsschaden, insbesondere hinsichtlich des erforderlichen Umfangs, der Anteile der Klägerin und des Stundensatzes. Sie gehen von 30 % Mitarbeit des Ehemanns aus. Sie gehen für die Nicht-Klinik-Zeit von 31 statt 34 h aus, bei einem Stundensatz von 6,73 EUR.

Sie halten ein deutlich niedrigeres Schmerzensgeld für angemessen.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass sie höchstens zu ⅔ haften.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den Vortrag in der mündlichen Verhandlung vom 5.11.2013 Bezug genommen.

Die Akte der Staatsanwaltschaft T 15 Js 1…/2010 wurde beigezogen (einschließlich des Sitzungsprotokolls des Amtsgerichts T vom 29.11.2010, 4 Cs 15 Js 1…/2010).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Die Beklagten haften dem Grunde nach für ⅔ der der Klägerin entstandenen Schäden.

Aus den Unfallbildern und der Ermittlungsakte ergibt sich, dass das Motorrad bei der Kollision nicht gestanden hat, sondern in Vorwärtsbewegung war. Nur so lässt sich die Kratzspur von 3,8 m ab Kollisionspunkt bis Endlage erklären. Der auf den Lichtbildern ersichtliche Umfang der beiderseitigen Fahrzeugschäden beweist schon für sich, zusätzlich bestätigt durch die amtsrichterlich protokollierte Aussage des Zeugen Y und die polizeilich protokollierte Aussage der Zeugin O, dass die Beklagte Zf. 1 langsam, höchstens im Schritttempo, wenn auch nicht zentimeterweise, sich durch die Lücke in die Gegenfahrbahn bewegte. Die Fahrzeuge weisen keine nennenswerten Deformationen auf.

Die Beklagte Zf. 1 hat schuldhaft gegen § 10 StVO verstoßen, der höchste Sorgfaltspflichten begründet. Sie bog aus einem Parkplatzgrundstück über einen abgesenkten Bordstein nach links in die Straße ein, durch eine Lücke in einer Kolonne hindurch, die ihr die erforderliche Sicht nach links genommen hat. Sie hat sich auch nicht etwa einweisen lassen. Zugleich hat sie gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot verstoßen. Wer durch eine Kolonnenlücke einbiegt, muss mit überholendem Verkehr, auch regelwidrig Kolonnen auf der Gegenfahrbahn überholenden Verkehr rechnen (KG Berlin, 12 U 1032/95, Urteil v. 4.3.1996). Korrekt wäre allenfalls ein zentimeterweises Hineintasten gewesen, durch das Kollisionen vermieden werden können (KG Berlin a.a.O.)

Die Klägerin hat gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot verstoßen. Dieses setzt als Mindestmaß die Beachtung der Verkehrsvorschriften der StVO voraus. Hier hat die Klägerin gegen § 5 StVO verstoßen; sie hat bei unklarer Verkehrslage eine stehende Kolonne überholt, trotz Einmündungen in diesem Streckenbereich, trotz einer Tankstellenausfahrt auf der Gegenspur, trotz nicht erkennbarer Lücke zum Wiedereinscheren. Ob die Klägerin knapp links oder rechts der Mittellinie oder deutlich links der Mittellinie fuhr, ist danach schon nicht mehr entscheidend. Wer jedoch so regelwidrig an einer Kolonne vorbeifährt, es gelten insoweit für Motorräder dieselben Vorschriften wie für PKW (- eine Ausnahme gibt es nur für Fahrräder unter engen Voraussetzungen -) nimmt nicht Rücksicht, sondern setzt sich um des eigenen schnelleren Vorankommens über Verbote hinweg. Zwar schützt das Überholverbot nicht regelwidrig einbiegende Fahrzeuge, so dass kein primärer Überholverstoß dem schuldhaften Handeln der Beklagten gegenüberzustellen ist, jedoch der Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot.

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Die Beklagten haften auch unter dem Gesichtspunkt der Betriebsgefahr. Der Unfall wäre bei größtmöglicher Sorgfalt, z. B. zentimeterweisem Hineintasten, vermeidbar gewesen.

Aber auch für die Klägerin war der Unfall nicht unvermeidbar. Hätte sie sich gemäß der Straßenverkehrsordnung verhalten, d.h. wäre sie ordnungsgemäß in der Kolonne gefahren bzw. gestanden, wäre der Unfall vermieden worden.

Eine Abwägung der beiderseitigen Verschuldensbeiträge und der Betriebsgefahren lässt eine Haftungsverteilung von ⅓ zu ⅔ zu Lasten der Beklagten als angemessen erscheinen, da der Verstoß gegen § 10 StVO (mit der Pflicht zum Gefährdungsausschluss) den Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot und die Betriebsgefahr deutlich überwiegt (vgl. KG Berlin, 12 U 1032/95, Urteil v. 4.3.1996; OLG Hamm 9 U 191/13 und OLG Hamm, 9 U 12/13, Urteil vom 23.4.2013).

Auch das Oberlandesgericht Rostock hat, obwohl es den Verstoß gegen § 10 StVO absolut gesetzt und die These aufstellt hat, der die Kolonne regelwidrig überholende müsse nicht mit Querverkehr durch eine Lücke rechnen, ausdrücklich eine Einschränkung für Fälle des verbotenen Linksüberholens einer Kolonne angenommen (OLG Rostock, 5 U 124/09, Urteil vom 19.2.2010). Vorliegend hat die Klägerin ohne Rücksichtnahme regelwidrig die Kolonne überholt. Die Unzulässigkeit des Überholens stehender Kolonnen ergibt sich stets bereits aus dieser Situation heraus, da die Verkehrslage insoweit unklar ist, als überhaupt nicht vorhersehbar oder abschätzbar ist, wann und wo ein Wiedereinscheren in die Kolonne möglich ist. Ein etwaiges Weiterfahren auf der Mittellinie zwischen Gegenverkehr und Kolonne wäre im Übrigen ebenso regelwidrig, da entweder – links von der Linie – der Gegenverkehr gefährdet würde oder – knapp rechts von der Linie – der gebotene Seitenabstand auf der einen Richtungsspur nicht eingehalten werden kann (vgl. auch KG Berlin, 12 U 1032/95, Urteil vom 4.3.1996, das ausdrücklich klarstellt, dass auch Motorradfahrer zum Überholen einen ganzen freien Fahrstreifen benötigen).

Die Haftungsquote von 2/3 zu 1/3 ist auf folgende materielle Schadenspositionen (§ 287 ZPO) anzuwenden:

a) 7.257,56 EUR (Unstreitiger Betrag, zuzüglich Narbensalbe 5,50 EUR und Phys.ther.belege über 10,15 EUR und 158,50 EUR; die Behandlung dauerte unstreitig insgesamt bis in 2012 an; die bestrittenen Positionen 13 und 15 wurden von der Klägerin nach dem Bestreiten nicht mehr weiterverfolgt, eine Unfallkausalität ist auch nicht ersichtlich; die Positionen 38 und 39 – jeweils nur strittige Restbeträge von 5 EUR und 18,82 EUR wurden von der Klägerin nicht ausreichend substantiiert mit dem Unfall verknüpft).

b) Haushaltsführungsschaden 3.113,07 EUR

Der Aufwand zur Führung eines Haushalts in verschiedenen Größenordnungen, auch in Form eines Zwei-Personen-Haushalts ist gerichtsbekannt und kann daher ohne Sachverständigengutachten durch das Gericht festgestellt werden (§ 287 ZPO).

31 h pro Woche sind danach in der Zeit ohne Klinikaufenthalt angemessen (der Haushaltsführungsaufwand, auch in Zwei-Personen-Haushalten, ist gerichtsbekannt; er beläuft sich auf mindestens Mo – Fr je 3 h, einmal 2 weitere Stunden für Reinigung, Sa 8 h incl. Garten, So 6 h). Im Hinblick auf die Halbtagsbeschäftigung der Klägerin und die Vollzeitbeschäftigung des Ehemanns wird von einer Verteilung der Stunden von 20,25 h zu 10,75 h ausgegangen (Ehemann Mo – Fr je 0,75 h, Sa/So hälftig). Während der Klinikzeiten beträgt der Wochenaufwand unstreitig 23 h (Klägerin fiktiv 12,25 h). Unter Anwendung von § 287 ZPO erscheint die jeweilige Quote aufgrund der in den ärztlichen Unterlagen beschriebenen Behandlungen und Beeinträchtigungen in der klägerischen Aufstellung angemessen; es ergeben sich bei 12 EUR/h und Wochenzeiten der Klägerin von 12,25 h bzw. 20,25 h folgende Teilbeträge für die einzelnen Zeiträume: 441 EUR, 1822,50 EUR, 583,32 EUR, 84 EUR, 121,50 EUR, 60,75 EUR, insgesamt somit 3.113,07 EUR.

Als Stundensatz wurden unter Anwendung von § 287 ZPO – wie von der Klägerin vorgetragen – 12 EUR zugrunde gelegt. Der Gesetzgeber geht in § 21 JVEG von einer Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung von – zu den streitgegenständlichen Zeiten – 12 EUR/h aus. Damit gibt der Gesetzgeber eine eigene, pauschalierende Bewertung für den Wert dieser Tätigkeiten ab; auch unter pauschalierender Anwendung von § 287 ZPO ist kein Grund ersichtlich, bei der Berechnung des Haushaltsführungsschadens hiervon abzuweichen. Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn ein Unfallverletzter für die Zeit, in der er verletzungsbedingt den Haushalt nicht führen kann, eine geringere Entschädigung erhalten würde als in der Zeit, in der er wegen desselben Unfalls Monate später vor Gericht als Zeuge aussagt und deswegen an seiner Haushaltstätigkeit gehindert ist.

Der materielle Gesamtschaden beläuft sich danach auf 10.370,63 EUR. Unter Berücksichtigung der Haftungsquote ergibt sich danach ein zu erstattender Schaden von 6.913,75 EUR. Hierauf wurden 3.813,66 EUR und 484,06 EUR bezahlt, so dass noch 2.616,03 EUR zu titulieren waren.

Der Klägerin steht ein angemessenes Schmerzensgeld zu. Bei dessen Höhe war einerseits die lediglich fahrlässige Handlung der Beklagten zu sehen, andererseits die sehr schwere und langwierig zu behandelnde Verletzung, vor allem die im Vordergrund stehende schwierige Bruchverletzung. Zu sehen war aber auch, dass sich die Klägerin selbst regelwidrig verhalten hat. In Bezug auf die Weichteil- und Hautverletzung, nicht auf den Bruch, liegt Selbstmitverschulden durch Fehlen jeglicher Schutzkleidung an den Beinen vor. Diesem kommt jedoch angesichts der das gesamte Verletzungsbild prägenden Bruchverletzung einerseits und dem bereits oben dargestellten selbst regelwidrigen Fahrens keine relevante zusätzliche Bedeutung mehr zu. Ein Gutachten zur Frage, ob Motorradstiefel den Bruch verhindert oder gemindert hätten, war – ohne vorgreiflich eine Beweiswürdigung vorzunehmen – nicht einzuholen. Insoweit ist bereits nicht zu erwarten, dass ein Gutachten taugliches Beweismittel ist, um den vollen Beweis dafür zu erbringen, dass Stiefel die Bruchverletzung zur vollen Überzeugung des Gerichts vermieden hätten. Für eine solche Aussage eines Gutachters fehlt es bereits an ausreichenden Anknüpfungstatsachen (exakte Geschwindigkeit im niedrigen Tempobereich, exakte Sitzposition, genauer Ablauf des Sturzes). Insoweit fehlt auch entsprechender Sachvortrag der Beklagten.

Insgesamt erscheint somit ein Schmerzensgeld von 12.000,- EUR angemessen (vgl. LG Köln, 18 O 148/08, Urteil vom 15.5.2013, bei Kollision zwischen PKW und Motorrad mit allein vorschriftswidrigem Verhalten des PKW-Fahrers und vergleichbarer Verletzung).

Hierauf wurden bereits 6.000,- EUR bezahlt, so dass weitere 6.000,- EUR zuzusprechen waren.

Der Feststellungsantrag wurde im Umfang einer Quote von 2/3 anerkannt. Das Anerkenntnis entspricht der oben dargestellten Rechtslage. Das Anerkenntnis war – auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt – mangels Verzugs sofortig.

Die Anwaltskosten errechnen sich wie folgt: Titulierte Beträge zuzüglich vorgerichtlicher Zahlungen, insgesamt somit 21.913,69 EUR, hieraus die beantragten Gebührensätze entsprechend der Schwierigkeit der Sache, mit Pauschale und Steuern 1.176,91 EUR, abzüglich bezahlter 962,71 EUR somit noch 214,20 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

 

 

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