AG Hamburg – Az.: 277 F 10/19 – Beschluss vom 30.08.2019
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin 175.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.08.2018 zu zahlen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
3. Der Verfahrenswert wird auf 175.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch.
Die Beteiligten gingen am 22.10.2010 die Ehe miteinander ein. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Die Beteiligten lebten seit dem 08.07.2016 voneinander getrennt und wurden mit Beschluss des angerufenen Gerichts vom 17.10.2018 (Aktenzeichen 280 F 159/17), der am selben Tag durch beiderseitigen Rechtsmittelverzicht im Scheidungsausspruch rechtskräftig geworden ist, voneinander geschieden.
Die Antragstellerin lebt in einer neuen Beziehung, aus der ein am … 2017 geborenes Kind hervorgegangen ist (Aktenzeichen 280 F 286/17).
Die Antragstellerin ist nach Abschluss ihres Studiums im Fachbereich Physik seit 2012 als Unternehmensberaterin tätig. Der Antragsgegner ist in Physik promoviert und war nach einer Anstellung in einer Forschungseinrichtung seit dem Jahr 2010 für lange Zeit arbeitslos. Die Beteiligten zogen im Frühjahr 2012 im Hinblick auf den beruflichen Einstieg der Antragstellerin gemeinsam nach Coburg. Im Herbst 2014 zogen die Beteiligten nach Hamburg und bewohnten dort die Ehewohnung mit der Belegenheit B. Sch. …, in der der Antragsgegner nach Auszug der Antragstellerin weiterhin wohnt (Schriftsatz des Antragsgegners vom 28.01.2019, Blatt 79 der Akte).
Aufgrund des am 12.10.2015 zu Urkundenrollen-Nummer …/2015 des Hamburgischen Notars Dr. E. beurkundeten Kaufvertrages (Anlage AST 1, Blatt 6 der Akte) erwarben die Beteiligten eine Eigentumswohnung mit der Belegenheit B. Straße … in Hamburg als Miteigentümer zu je ½ ideellem Miteigentumsanteil zu einem Kaufpreis von 320.000 € zuzüglich Nebenerwerbskosten von 30.000 €. Den Kaufpreis und die Nebenerwerbskosten zahlte die Antragstellerin allein.
Am 10.04.2016 unterzeichneten die Beteiligten den als Anlage AST 2 (Blatt 19 der Akte) vorgelegten privatschriftlichen Darlehensvertrag zwischen der Antragstellerin als Darlehensgläubiger und dem Antragsgegner als Darlehensschuldner
„über die Summe von 175.000 € zum Zwecke des Erwerbs des hälftigen Eigentumsanteil an der Wohnung …, B. Straße … in Hamburg.
Es wird vereinbart, dass das Darlehen zinsfrei gewährt wird und nach Möglichkeit des Schuldners getätigt wird.
Fällig wird die Gesamtsumme jedoch sofort mit Ehescheidung.“
Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.05.2017 (Anlage AST 4, Blatt 23 der Akte) ließ der Antragsgegner gegenüber den damaligen Bevollmächtigten der Antragstellerin und vorsorglich auch gegenüber der Antragstellerin persönlich die Anfechtung dieses Darlehensvertrages wegen arglistiger Täuschung erklären.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.02.2018, zugestellt am 27.02.2018 (Anlage AST 3, Blatt 20 der Akte), ließ die Antragstellerin gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners den Darlehensvertrag außerordentlich, hilfsweise ordentlich kündigen, wies die Anfechtungserklärung zurück und forderte den Antragsgegner zur Rückführung des Darlehens an die Antragstellerin auf.
Der Antragsgegner hat diesem Zahlungsverlangen nicht entsprochen.
Die Antragstellerin behauptet, bereits anlässlich der Beurkundung des Kaufvertrages vom 12.10.2015 habe zwischen den Beteiligten Einigkeit darüber bestanden, dass die Kosten entsprechend der Eigentumsverhältnisse jeweils hälftig von ihnen getragen werden sollen. Dies sei dem beurkundenden Notar, der für diese Behauptung als Zeuge benannt wird, im Rahmen der Beurkundung positiv bekannt geworden.
Der Antragsgegner habe ursprünglich vorgehabt, seine Zahlungsverpflichtung über einen Fremdkredit zu finanzieren, was allerdings in Ermangelung von Einkünften und Sicherheiten nicht möglich gewesen sei (Antragsschrift vom 13.08.2018, Blatt 3 der Akte).
Der schriftliche Darlehensvertrag vom 10.04.2016 sei nachträglich und angesichts auftretender Spannungen in der Ehe nur deklaratorisch aufgesetzt worden, um die bereits bei Beurkundung des Kaufvertrages bestehende Abrede zu fixieren. Dafür habe zunächst kein Bedürfnis bestanden, weil der Antragsgegner ursprünglich deutlich gemacht habe, dass eine Rückzahlung über eine Fremdfinanzierung durch eine Bank, jedenfalls aber durch seine Mutter zeitnah gewährleistet sei (Schriftsatz vom 27.11.2018, Blatt 54 ff. der Akte).
Der Unterzeichnung des Darlehensvertrages vom 10.04.2016 sei eine vorübergehend vollzogene Trennung der Beteiligten im Februar und März 2016 vorausgegangen. Der Vertrag sei das Produkt der sich abzeichnenden Beendigung der Beziehung gewesen (Schriftsatz vom 27.11.2018, Blatt 57, 59 der Akte).
Die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, an die Antragstellerin 175.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz per annum seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsgegner wendet ein, zwischen den Beteiligten habe bei Abschluss des Kaufvertrages Einigkeit darüber bestanden, dass die Antragstellerin den Kaufpreis und die Nebenerwerbskosten allein trägt und er den Miteigentumsanteil im Wege einer ehebedingten Zuwendung erhält. Eine mündliche Darlehensabrede habe es zwischen den Beteiligten niemals gegeben. Eine Fremdfinanzierung seines Miteigentumsanteils sei angesichts seiner damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse völlig abwegig gewesen; ebenso wenig habe eine Finanzierung durch seine Mutter jemals in Rede gestanden. Den Beteiligten sei klar gewesen, dass der Antragsgegner aufgrund seiner beruflichen Situation wirtschaftlich nicht in der Lage wäre, sich an den Kosten der Immobilie zu beteiligen. Zwischen den Beteiligten sei vereinbart gewesen, dass der Antragsgegner zunächst zu Hause bleibt und die erworbene Immobilie in Eigenleistung renoviert (Schriftsatz vom 28.01.2019, Blatt 77 der Akte, und Schriftsatz vom 12.08.2019, Blatt 110 der Akte).
Anlass für den Abschluss des Darlehensvertrages vom 10.04.2016 seien nicht etwa gehäufte Streitigkeiten in der Ehe gewesen. Vielmehr habe die Antragstellerin sich bereits während des ehelichen Zusammenlebens der Beteiligten, spätestens seit März 2016, ihrem jetzigen Lebensgefährten zugewandt und habe sich deshalb vom Antragsgegner trennen wollen. Das sei der Grund, weshalb sie den Darlehensvertrag habe abschließen wollen. Sie habe dem Antragsgegner erklärt, der Darlehensvertrag diene nur zu ihrer Beruhigung und er brauche sich keine Sorgen zu machen, dass sie jemals das Geld von ihm fordern werde. Der Antragsgegner habe darauf vertraut und sei davon ausgegangen, der Darlehensvertrag werde nur pro forma abgeschlossen, da die Ehe ohnehin Bestand haben werde.
Der Darlehensvertrag sei nichtig, weil die Antragstellerin ihn durch arglistige Täuschung zum Abschluss dieses Vertrages bestimmt habe. Sie habe ihm verschwiegen, dass sie bei Abschluss des Darlehensvertrages bereits eine intime Beziehung zu ihrem jetzigen Lebensgefährten unterhalten habe. Sie habe ihn gezielt in dem Glauben gelassen, dass ihre Ehe Bestand haben werde, wobei ihr bewusst gewesen sei, dass er den Darlehensvertrag im Angesicht einer unmittelbar bevorstehenden Trennung der Beteiligten niemals unterschrieben hätte (Antragserwiderung vom 23.10.2018, Blatt 45 ff. der Akte, und Schriftsatz vom 12.08.2019, Blatt 112 der Akte).
Es habe zwischen den Beteiligten auch keine erheblichen Spannungen gegeben, die zu einer zeitweisen Trennung im Februar/März 2016 geführt hätten. Vielmehr sei der Antragsgegner bei Unterzeichnung des Darlehensvertrages vom Fortbestehen der nach seinem Empfinden glücklichen und weitgehend konfliktfreien Ehe ausgegangen (Schriftsatz vom 28.01.2019, Blatt 80 der Akte).
Der Antrag ist dem Antragsgegner am 27.08.2018 zugestellt worden (Blatt 30 der Akte). Nach mündlicher Verhandlung vom 01.11.2018 (Blatt 52 der Akte) haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt und dieses Einverständnis zuletzt mit Schriftsätzen vom 06.08.2019 (Antragstellerin) und vom 12.08.2019 (Antragsgegner)wiederholt.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
1.
Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Rückzahlung von 175.000,00 € gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB.
a)
Die Beteiligten haben wirksam einen Vertrag über die Gewährung eines Darlehens über 175.000,00 € an den Antragsgegner geschlossen.
Dabei kann dahinstehen, ob die Beteiligten bereits anlässlich der Beurkundung des Kaufvertrages am 12.10.2015 einen mündlichen Darlehensvertrag abgeschlossen haben. Spätestens durch beiderseitige Unterzeichnung des ausdrücklich so bezeichneten Darlehensvertrages vom 10.04.2016 ist ein entsprechender Vertrag zustande gekommen. Zweifel am Rechtsbindungswillen der Beteiligten bestehen nicht. Für ein Scheingeschäft gemäß § 117 BGB finden sich keine Anhaltspunkte. Soweit der Antragsgegner meint, der Darlehensvertrag sei nur pro forma abgeschlossen worden, wäre ein dahingehender etwaiger innerer Vorbehalt des jeweils vertragschließenden Teils gemäß § 116 BGB unbeachtlich.
Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner das Darlehen auch vereinbarungsgemäß zur Verfügung gestellt, indem sie die Kosten für den Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils des Antragsgegners an der gemeinsamen Eigentumswohnung dem Verkäufer gegenüber bzw. dem jeweiligen Gläubiger der Nebenerwerbskosten beglichen hat (§ 267 Abs. 1 BGB).
b)
Der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens ist auch nicht erloschen.
(1)
Der Rückzahlungsanspruch ist nicht durch Anfechtung des Darlehensvertrages gemäß § 142 Abs. 1 BGB erloschen.
Der Antragsgegner hat zwar mit Zugang des anwaltlichen Schreibens vom 12.05.2017 eine der Antragstellerin unstreitig zugegangene Anfechtungserklärung gemäß § 143 Abs. 1 BGB abgegeben. Diese Erklärung geht jedoch ins Leere, weil kein Anfechtungsgrund besteht. Die auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung des Antragsgegners ist nicht gemäß § 123 Abs. 1 BGB anfechtbar, weil der Antragsgegner nicht durch arglistige Täuschung zur Abgabe dieser Erklärung bestimmt worden ist.
(aa)
Unter einer Täuschung im Sinne des § 123 BGB versteht man die vorsätzliche Erregung, Bestärkung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums, sei es durch das Vorspiegeln falscher oder das Verschweigen wahrer Tatsachen, um den Willensentschluss des Getäuschten zu beeinflussen (BGH NJW 1957, 988; Wolf/Neuner § 41 Rn 100; MünchKomm/Armbrüster § 123 BGB Rn 13; Palandt/Ellenberger Rn 2 Staudinger/Singer/Finckenstein (2017) BGB § 123, Rn. 6 – zitiert nach juris).
Die Täuschungshandlung kann in einem Unterlassen (Verschweigen) liegen, wenn gegenüber dem Vertragspartner – trotz der gegensätzlichen Interessen, die sich bei Vertragsverhandlungen gegenüberstehen – eine Offenbarungspflicht hinsichtlich des verschwiegenen Umstandes besteht. Eine solche Offenbarungspflicht ergibt sich abgesehen von den Fällen gezielter Nachfrage zum Beispiel aus einem besonderen Vertrauensverhältnis oder der besonderen Stellung des Erklärenden. Eine Aufklärungspflicht kann aber auch für solche Umstände bejaht werden, die nach der Interessenlage der Parteien und den Verkehrserfordernissen eine herausragende Bedeutung für den Vertrag haben. Das sind die für die Entschließung des anderen Teils offensichtlich bedeutsamen Umstände, insbesondere solche, die den Vertragszweck vereiteln oder gefährden können (BGH NJW 1979, 2243; NJW-RR 1998, 1406; Arnold in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 123 BGB, Rn. 17 – zitiert nach juris). Umstände, die für den anderen Teil offensichtlich von erheblicher Bedeutung sind, weil sie den Vertragszweck vereiteln oder gefährden können oder auf deren Mitteilung erkennbar Wert gelegt wird, sind ungefragt zu offenbaren (BGH, NJW 1979, 2243; NJW-RR 1998, 1406 HK-BGB/Heinrich Dörner, 10. Aufl. 2019, BGB § 123 Rn. 2).
Der hervorgerufene Irrtum muss das angefochtene Rechtsgeschäft betreffen (Moritz in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 123 BGB, Rn. 63). Eine zur Anfechtung berechtigende Täuschung liegt deshalb nicht vor, wenn sich der hervorgerufene Irrtum nur auf Umstände bezieht, die mit dem Rechtsgeschäft in keinem inneren Zusammenhang stehen.
(bb)
Nach diesen Grundsätzen ist der Antragsgegner nicht zur Anfechtung seiner auf den Abschluss eines Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung berechtigt, weil eine etwa von der Antragstellerin verübte Täuschung durch Verschweigen der Aufnahme einer neuen Beziehung in keinem inneren Zusammenhang mit dem Abschluss eines Darlehensvertrages steht.
Ohnehin bestreitet die Antragstellerin, bereits bei Unterzeichnung des schriftlichen Darlehensvertrages vom 10.04.2016 eine außereheliche Beziehung unterhalten zu haben (Schriftsatz vom 18.02.2019, Blatt 95 der Akte). Ob die Behauptung der Antragstellerin zutrifft, ist aber letztlich unerheblich, weil auch für den Fall, dass am 10.04.2016 bereits eine außereheliche Beziehung bestanden haben sollte, im Hinblick auf den Abschluss des Darlehensvertrages keine zum Durchgreifen der Arglistanfechtung führende Offenbarungspflicht bestanden hat. Diese Frage hatte zwar für den Antragsgegner persönlich ganz erhebliche Bedeutung; sie war aber objektiv nicht geeignet, den Vertragszweck des Darlehensvertrages zu vereiteln oder zu gefährden.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof bei einer schenkweisen Zuwendung im Zusammenhang mit der Trennung eine Offenbarungspflicht der Ehefrau über Zweifel an der leiblichen Abstammung eines Kindes vom Ehemann angenommen und dazu ausgeführt, eine solche Offenbarungspflicht ergebe sich bei wesentlich von der familiären Verbundenheit der Beteiligten geprägten Zuwendungen (BGH, Urteil vom 27.06.2012 – XII ZR 47/09 –, NJW 12, 2728 – juris Tz. 29). Dieser Gesichtspunkt trifft aber für den vorliegenden Sachverhalt ebenso wenig zu wie die vom Amtsgericht Hamburg-Barmbek in der vom Antragsgegner angeführten Entscheidung vom 21.05.2010 (Aktenzeichen 895 F 172/09 – Anlage AG 2, Blatt 82 der Akte) angenommene Offenbarungspflicht hinsichtlich einer außerehelichen Beziehung angesichts des bevorstehenden Abschlusses eines Ehevertrages bzw. einer Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung. Denn während es sowohl in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes als auch der des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek jeweils um erhebliche finanzielle Dispositionen angesichts von Trennung und Scheidung ging und diese Dispositionen also maßgeblich von der besonders engen familiären Verbundenheit der Vertragspartner geprägt waren, stehen sich im Hinblick auf den vorliegenden Darlehensvertrag vom 10.04.2016 die Beteiligten als Gläubiger und Schuldner gegenüber wie andere Vertragsparteien ohne jede persönliche Verbindung auch.
Wesentliche Motive für den Abschluss eines Darlehensvertrages sind auf Seiten des Darlehensnehmers neben den Konditionen für die Darlehensgewährung selbst die Frage, ob das Darlehen überhaupt benötigt wird, ob Gewissheit besteht, das Darlehen auch ausgezahlt zu bekommen und vor allem wie das Darlehen zurückzuführen ist. Darüber hinausgehende Umstände, die in der Person des Darlehensgebers liegen, sind für die Entscheidung über den Abschluss eines Darlehensvertrages auf Seiten des Darlehensnehmers regelmäßig nicht entscheidend. Wenn – wie hier – der Darlehensbetrag bereits zur Auszahlung gekommen ist und mit Unterzeichnung des Darlehensvertrages also zugleich der Empfang der Darlehenssumme quittiert wird, kommt es unter dem Gesichtspunkt der Irrtums- oder Arglistanfechtung allein darauf an, ob die in der Vertragsurkunde verkörperte Erklärung inhaltlich richtig ist oder nicht.
Demnach konnte es hier aus Sicht des Antragsgegners für die Unterzeichnung der Vertragsurkunde nicht darauf ankommen, ob die Antragstellerin eine außereheliche Beziehung führte oder nicht, weil dieser Umstand den Vertragszweck nicht tangierte. Denn entweder war – wie von der Antragstellerin behauptet – bereits im Oktober 2015 zwischen den Beteiligten mündlich ein Darlehensvertrag zustande gekommen; in diesem Fall fixierte der Darlehensvertrag vom 10.04.2016 lediglich eine bestehende Abrede, wofür gleichgültig ist, ob die Antragstellerin eine außereheliche Beziehung führt und ob mit dem Fortbestand der Ehe zu rechnen ist. Oder es gab – wie der Antragsgegner behauptet – zuvor keinerlei Darlehensabrede, und zwischen den Beteiligten war vereinbart, dass die Antragstellerin dem Antragsgegner den hälftigen Miteigentumsanteil ohne Gegenleistung im Wege einer ehebedingten Zuwendung überträgt; in diesem Fall hätte der Antragsgegner durch Unterzeichnung des Darlehensvertrages vom 10.04.2016 bewusst und in Kenntnis, dass keine Darlehensabrede existiert, den Empfang eines Darlehens quittiert, nach eigenem Bekunden jedoch in der Erwartung, die vertragsimmanente Rückzahlungspflicht existiere nur auf dem Papier (pro forma) und werde niemals geltend gemacht. Sofern aber der Antragsgegner von letzterem ausgegangen sein will, war seine etwaige Fehlvorstellung über die eheliche Treue der Antragstellerin nicht geeignet, einen im Hinblick auf den Darlehensvertrag relevanten Irrtum hervorzurufen; vielmehr hätte der Antragsgegner dann bewusst eine von der wirklichen Sachlage abweichende Erklärung abgegeben; es fehlte dann also an der für einen Irrtum maßgeblichen Diskrepanz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, bezogen auf die abgegebene Willenserklärung.
Abgesehen davon konnte bei objektiver Betrachtung die Erwartung des Antragsgegners, die Darlehensverbindlichkeit werde von der Antragstellerin nicht geltend gemacht werden, weder mit der Frage des Bestehens einer außerehelichen Beziehung noch mit der Erwartung des Fortbestandes der Ehe verknüpft sein, denn wenn aus Sicht des Antragsgegners der Fortbestand der Ehe bedeutete, dass die Darlehensverbindlichkeit nicht geltend gemacht wird, und wenn er weiter erwartete, die Ehe werde fortbestehen, dann war aus Sicht des Antragsgegners unter keinem Gesichtspunkt plausibel, weshalb die Antragstellerin überhaupt die Unterzeichnung eines Darlehensvertrages wünschte.
(2)
Der Rückzahlungsanspruch ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß §§ 313 f. BGB entfallen.
Dabei kann dahinstehen, ob die Anfechtungserklärung gemäß anwaltlichem Schreiben vom 12.05.2017 entsprechend § 140 BGB in ein Anpassungsverlangen im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB umgedeutet werden kann. Denn das Vertrauen auf den Fortbestand der Ehe der Beteiligten war nicht Geschäftsgrundlage für den Abschluss des Darlehensvertrages vom 10.04.2016.
Geschäftsgrundlage sind nach ständiger Rechtsprechung die bei Abschluss des Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (BGH, NJW 2012, 1718; NJW 2016, 3100). Einseitige Erwartungen einer Partei, die für ihre Willensbildung maßgeblich waren, gehören nur dann zu Geschäftsgrundlage, wenn sie in den dem Vertrag zugrunde liegenden gemeinschaftlichen Geschäftswillen beider Parteien aufgenommen worden sind (BGH, NJW 2012, 2728; NJW 2014, 3362. Dazu genügt nicht, dass die Partei ihre Erwartungen bei den Vertragsverhandlungen der anderen Partei mitgeteilt hat (BGH, NJW-RR 1993, 774). Entscheidend ist vielmehr, ob das Verhalten des anderen Teils als bloße Kenntnisnahme oder nach Treu und Glauben als Einverständnis und Aufnahme der Erwartung in die gemeinsame Grundlage des Geschäftswillens zu werten ist, wobei eine Aufnahme in die Geschäftsgrundlage im Zweifel zu verneinen ist (Palandt-Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, Rn. 9).
Nach diesen Grundsätzen mag das Vertrauen in den Fortbestand der Ehe zwar ein entscheidendes Motiv für den Abschluss des Darlehensvertrages auf Seiten des Antragsgegners gewesen sein; dieses Motiv ist aber nicht Geschäftsgrundlage geworden, weil es die Beteiligten nicht in ihren gemeinsamen Geschäftswillen aufgenommen haben. Nach dem Vortrag des Antragsgegners, auch soweit man ihn hypothetisch vollständig als wahr unterstellt, lässt sich bereits nicht feststellen, dass der Antragsgegner bei Vertragsschluss der Antragstellerin gegenüber deutlich gemacht habe, dass er den Vertrag im Vertrauen auf den Fortbestand der Ehe unterzeichne. Es lässt sich dementsprechend auch nicht feststellen, dass der Abschluss des Darlehensvertrages auf der gemeinsamen Vorstellung vom Fortbestand der Ehe aufbaute.
Die Auslegung des Vertragstextes spricht im Gegenteil sogar ausdrücklich dagegen, dass der Fortbestand der Ehe nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten Grundlage des Darlehensvertrages sein sollte. Denn die Beteiligten haben mit der Vereinbarung „Fällig wird die Gesamtsumme jedoch sofort mit Ehescheidung.“ eine besondere Fälligkeitsabrede im Sinne von § 488 Abs. 3 BGB getroffen, die für einen Darlehensvertrag auch unter Ehegatten keineswegs generell üblich ist, sondern vielmehr zum Ausdruck bringt, dass die Scheidung der Ehe von den Beteiligten zumindest als eine nicht völlig fernliegende Möglichkeit mitbedacht worden ist.
c)
Der Rückzahlungsanspruch ist gemäß § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB drei Monate nach Zugang der Kündigungserklärung gemäß anwaltlichem Schreiben vom 22.02.2018, mithin am 27.05.2018 fällig geworden.
d)
Besondere Gründe, die die Durchsetzbarkeit des Anspruchs hindern, liegen nicht vor. Für die Annahme des Zustandekommens eines pactum de non petendo fehlt es am substantiiertem Vortrag. Die bloße (bestrittene) Behauptung des Antragsgegners, die Antragstellerin habe anlässlich des Abschlusses des Darlehensvertrages ihm gegenüber erklärt, er müsse sich keine Sorgen machen, dass sie die Darlehenssumme jemals von ihm fordern werde, genügt dafür nicht.
2.
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 BGB.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 FamFG, 91 ZPO.
4.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 35 FamGKG.