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Arzttermin unentschuldigt nicht wahrgenommen – Schadensersatzpflicht?

Amtsgericht Tettnang

Az.: 7 C 719/98

Urteil vom 22.05.1999


In Sachen wegen Forderung hat das Amtsgericht Tettnang durch Richter am Amtsgericht im schriftlichen Verfahren gem. § 495 a ZPO am 22.05.1999 für Recht erkannt:

1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart vom 15.05.1998 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, daß die Beklagte dem Kläger 160,00 DM nebst 10 % Zinsen hieraus seit dem 16.02.1998 zu zahlen hat.

2. Im übrigen wird der Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen.

3. Kläger und Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 310 DM.

Tatbestand :

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung wegen eines nicht eingehaltenen Arzttermins in Anspruch.

Bei dem Kläger handelt es sich um einen Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Die Beklagte hatte mit dem Kläger einen Operationstermin zur Entfernung eines Weisheitszahns für den 05.02.1998 vereinbart. Bereits längere Zeit vorher – zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt – hatte die Mutter der Beklagten anläßlich einer anderen Zahnarztbehandlung der seinerzeit noch minderjährigen Beklagten eine Erklärung unterzeichnet, die u. a. folgenden Passus enthielt: „Deshalb müssen Sie die Unkosten mittragen, wenn Sie reservierte Behandlungszeit nicht in Anspruch nehmen ohne rechtzeitig abzusagen (möglichst 48 Stunden vorher).“

Dem vereinbarten Operationstermin blieb die Beklagte ohne ausreichende Entschuldigung fern. Mit Schreiben vom 05.02.1998 stellte der Kläger der Beklagten für die nicht durchgeführte Zahnarztbehandlung Kosten in Höhe von 319,62 DM abzüglich 3 % für nicht angefallene Auslagen in Höhe von 9,59 DM, also 310,03 DM in Rechnung, zahlbar bis zum 15.02.1998.

Nachdem die Beklagte hierauf nicht reagierte, leitete der Kläger das gerichtliche Mahnverfahren ein. Gegen den am 15.05.1998 erlassenen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart hat sie fristgerecht Einspruch erhoben und diesen begründet.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei ihm zur Zahlung des ärztlichen Honorars für die nicht in Anspruch genommene ärztliche Behandlung aus Gründen des Schadensersatzes verpflichtet. Der vereinbarte Termin habe nicht mehr anderweitig vergeben werden können. Operationen fänden in seiner Praxis immer donnerstags statt. Die Patienten würden zu den vorgesehenen OP-Terminen zeitgenau einbestellt werden. Für die geplante Behandlung der Beklagten sei der OP-Saal extra frei gehalten worden. Der Kläger und sein Team hätte erst bei dem nachfolgenden Patienten ihre Arbeit wieder fortsetzen können. Der Beklagten sei auch aufgrund des von ihrer Mutter unterzeichneten Merkblattes bekannt gewesen, daß sie bei unentschuldigtem Fernbleiben die Kosten der nicht ausgeführten
ärztlichen Behandlung zu tragen habe. Daß die Erklärung nicht von der Beklagten persönlich, sondern von zu einem früheren Zeitpunkt von ihrer Erziehungsberechtigten unterzeichnet worden wäre, ändere hieran nichts.

Der Kläger beantragt, den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart vom 15.05.1998 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt, den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, in diesem Verfahren nicht passiv legitimiert zu sein. Da die Beklagte gesetzlich krankenversichert sei, müsse der Kläger seine Ansprüche gegenüber der Krankenkasse geltend machen. Auch eine Schadensersatzverpflichtung bestünde nicht. Das Nichterscheinen zum Operationstermin stelle eine konkludente Kündigung des Behandlungsvertrags dar. Der Patient sei jederzeit berechtigt, den Arztvertrag sanktionslos zu kündigen. Die Erklärung, die die Mutter der Beklagten unterzeichnet habe, stehe mit der streitgegenständlichen Behandlung in keinem Zusammenhang. Hiervon abgesehen, seien die Darlegungen des Klägers zur Höhe des Ausfallhonorars unsubstantiiert. Jedenfalls wäre der Kläger durchaus in der Lage gewesen, trotz der ausgefallenen Operation andere Tätigkeiten – etwa Verwaltungsaufgaben – wahrzunehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte lediglich ein Anspruch in Höhe von 160,00 DM zu, so daß der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart im übrigen aufzuheben und die Klage abzuweisen ist.

In rechtlicher Hinsicht kann der geltend gemachte Klageanspruch nach Auffassung des Gerichts nicht auf § 615 BGB gestützt werden. Nach dieser Vorschrift kann der aus einem Dienstvertrag Verpflichtete – hierzu gehören auch ärztliche Behandlungsverträge – für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. In der Rechtsprechung wird – soweit ersichtlich – die Vergütungsverpflichtung des Patienten für nicht in Anspruch genommene ärztliche Leistungen unterschiedlich beurteilt (für Vergütungsanspruch etwa LG Konstanz NJW 1994, 3015; AG Osnabrück NJW 1987, 2935 AG Bad-Homburg MDR 94, 888; ablehnend Amtsgericht München NJW 1994, 3014; AG Calw NJW 1994, 3015; LG München NJW 1984, 671). Die von den Parteivertretern in diesem Zusammenhang aufgeworfenen abgesagt und im übrigen auch nachträglich keine ausreichende Entschuldigung für dieses Verhalten vorgebracht. Dies hat zur, Folge, daß sie dem Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der ihm aufgrund der nicht durchgeführten Operation entstanden ist. Zum Schadensersatz aber gehört auch der entgangene Gewinn gemäß § 252 BGB. Bei Störung des Betriebsablaufs besteht der Schaden in den entgangenen Roherlösen abzüglich ersparter Betriebskosten (Palandt-Heinrichs § 252 Anm. 16; OLG München NJW 1987, 1484).

Soweit der Kläger hier eine konkrete Schadensberechnung vorgenommen hat, ist diese für das Gericht anhand der von ihm vorgelegten Rechnung nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Das Gericht nimmt daher eine abstrakte Schadensberechnung vor, da es § 252 S. 2 BGB gestattet, auf „den gewöhnlichen Lauf der Dinge“ abzustellen. Bei seiner Schätzung .gemäß § 287 ZPO geht das Gericht daher von einem „Durchschnittspatienten“ aus, der in der Praxis des Klägers behandelt wird. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte schätzt das Gericht seinen Verdienstausfall auf 150,00 DM. Dies entspricht etwa 50 % der Hauptforderung. Die Kosten der Mahnschreiben hat die Beklagte als Verzugsschaden zu ersetzen. Der – nicht bestrittene – Zinsanspruch folgt ebenfalls aus §§ 284, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. l ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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