LG Itzehoe, Az.: 7 O 319/11
Urteil vom 23.01.2014
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 30.784,04 € nebst 5 Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszins aus 26.842,82 € seit dem 30. Juni 2011 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der Kommanditanteile an der Kommanditgesellschaft xxx aus der Beitrittserklärung vom 6. August 1999 in Höhe von 26.842,82 €.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte hinsichtlich der Übertragung der vorgenannten Kommanditanteile Im Annahmeverzug befindet.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte die Klägerin von sämtlichen etwaigen Forderungen der xxx GmbH & Co. KG sowie xxx Treuhand GmbH freizuhalten hat.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.376,83 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszins seit dem 24. Januar 2012 zu zahlen.
5. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
6. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht Ansprüche auf Schadensersatz wegen Falschberatung hinsichtlich eines im Jahre 1999 unter Mitwirkung der Beklagten erworbenen Fondsanteils geltend.
Die Klägerin war Kundin der xxx Sparkasse, die mit der Beklagten fusioniert hat.
Die Klägerin hatte mit dem zuständigen Anlageberater der Beklagten, dem Zeugen Xxx in der ersten Hälfte des Jahres 1999 Gespräche über Kapitalanlagen geführt. Im Verlaufe der Gespräche diente der Zeuge Xxx der Klägerin den Erwerb des im Tenor genannten streitgegenständlichen Fonds an, der Inhalt des diesbezüglichen Beratungsgespräches am 6.8.1999 ist streitig. Nach Zeichnung der Beitrittserklärung wurde der Klägerin der diesbezügliche Prospekt (Anlage K 1) übergeben.
Mit der Klage macht die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages und Zahlung der Einlage nebst Agio und Anlagezinsen geltend.
Sie behauptet, der Anlageberater der Xxx Sparkasse, der Zeuge Xxx, habe sie in mehrfacher Hinsicht unzureichend bzw. falsch beraten. Im Hinblick auf das Alter der Klägerin zum Zeitpunkt der Anlage von 77 Jahren sei diese von vornherein ungeeignet gewesen.
Der Mitarbeiter der Xxx Sparkasse habe nicht auf das Risiko des Totalverlustes hingewiesen, er habe verschwiegen, dass diese für die Vermittlung der Anlage Provisionen vom Fondsbetreiber erhalte. Er habe darüber hinaus die Klägerin auch nicht über das Risiko, Ausschüttungen wieder zurückerstatten zu müssen, hingewiesen. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte die Klägerin von der Anlage Abstand genommen und eine andere gewählt, hierbei hätte sie einen Zinsertrag von durchschnittlich 4 % erzielt.
Die Klägerin beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 30.784,04 € nebst 5 Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszins aus 26.842,82 € seit dem 30. Juni 2011 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der Kommanditanteile an der Kommanditgesellschaft xxx X GmbH & Ko KG aus der Beitrittserklärung vom 6. August 1999 in Höhe von 26.842,82 €.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte hinsichtlich der Übertragung der vorgenannten Kommanditanteile Im Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von sämtlichen etwaigen Forderungen der xxx X GmbH & Co. KG sowie der xxx Treuhand GmbH freizuhalten.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1647,44 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszins seit dem 24. Januar 2012 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, der zuständige Sachbearbeiter der Xxx Sparkasse, der Zeuge Xxx, habe die Klägerin in jeder Hinsicht zutreffend beraten. Insbesondere habe er sie auf die Tatsache hingewiesen, dass die Xxx Sparkasse aus dem Agio Rückvergütungen erhalte. Im Übrigen habe die Klägerin aus dem Anlageprospekt alle notwendigen Kenntnisse erlangt.
Die Beklagte hat den Einwand der Verjährung erhoben. Sie ist der Ansicht, sämtliche Ansprüche seien verjährt. Die Klägerin habe jedenfalls aus dem Prospekt sowie aus der weiteren Entwicklung der Kapitalanlage Kenntnis von den wesentlichen Tatsachen erlangt, die einen etwaigen Anspruch aus Falschberatung begründen könnten.
Das Gericht hat Beweis erhoben über den Inhalt des Beratungsgespräches zwischen dem Zeugen Xxx und der Klägerin durch Vernehmung des Zeugen Xxx. Die Klägerin wurde persönlich angehört. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme und zum weiteren Vorbringen wird Bezug genommen auf die Sitzungsprotokolle vom 16.08.2012 und 29.08.2013. Zum weiteren Vorbringen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorgenannten Protokolle sowie den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist weitgehend begründet. Der Klägerin steht aus § 280 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Falschberatung bezüglich des streitgegenständlichen Geschäfts zu, Zug um Zug gegen Übertragung der erworbenen Kommanditanteile.
Allerdings kann dahinstehen, ob der Zeuge Xxx die Klägerin insoweit falsch und unzureichend beraten hat hinsichtlich der Tatsache, dass die Anlage für sie persönlich generell ungeeignet war, weil es sich um eine Anlage mit Totalverlustrisiko handelt und nicht um eine normale Kapitalanlage, sondern um eine mit besonderen Risiken, die insbesondere hinsichtlich der langen Laufzeit und angesichts des hohen Alters der Klägerin sowie die mangelnde Handelbarkeit falsch beraten hat. Denn insoweit sind die Ansprüche der Klägerin verjährt. Denn die Klägerin konnte aus dem Prospekt sowie aus der weiteren Entwicklung der Kapitalanlage entnehmen, dass die nach ihrer Behauptung verschwiegenen Risiken vorlagen. Insbesondere hat schon ab 2006 der Fonds keine Ausschüttungen mehr geleistet. Ferner ist durch Mitteilungen der HCI die Klägerin auf die Probleme des Fonds hingewiesen worden. Die Klägerin hatte damit mehr als drei Jahre vor Klagerhebung Kenntnis oder doch jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis von den wesentlichen Tatsachen, die insoweit eine Haftung der Beklagten begründen könnten.
Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass nach ihrer Behauptung über das von der Beklagten im Wege des Kick-Back vereinnahmten Agio nicht ordnungsgemäß aufgeklärt wurde. Zwar ist aufgrund der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass der Zeuge Xxx die Klägerin nicht ordnungsgemäß über die Rückflüsse aufgeklärt hat. Das Gericht hält aber für erwiesen, dass im Beratungsgespräch über das Agio jedenfalls gesprochen worden ist und darüber, dass die Xxx Sparkasse Rückflüsse erhält. Etwaige diesbezügliche Ansprüche sind daher ebenfalls verjährt.
Der Klägerin steht aber ein Anspruch auf Schadensersatz zu, weil der Zeuge Xxx die Klägerin im Verlauf des Beratungsgespräches nicht darüber aufgeklärt hat, dass sie verpflichtet ist, gegebenenfalls im Krisenfall Ausschüttungen, die höher als die erzielten Gewinne sind, wieder zurückzuerstatten. Der Anlageberatungskunde hat einen Anspruch auf eine vollständige und richtige anleger- und anlagegerechte Beratung. Diese darf sich nicht nur auf die Unterlagen beschränken, die von der Fondsgesellschaft oder der Vertriebsgesellschaft zur Verfügung gestellt werden. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Entscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (BGH, Urteil vom 06. Dezember 2012 – III ZR 307/11 -, juris).
Die beratende Bank hat daher einen Anleger, dem sie eine Kapitalbeteiligung in Form einer Kommanditeinlage andient, ungefragt darüber aufzuklären, dass über das Risiko des Totalverlustes des angelegten Kapitals hinaus im Krisenfall die geleisteten Ausschüttungen, soweit sie die tatsächlich erzielten Gewinne übersteigen, zurückzuerstatten sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich, wie hier, nicht um einen besonders erfahrenen Anleger handelt, der auch mit derartigen Geschäften Erfahrung hat. Der Umstand, dass bereits an den Anleger geflossene Erträge oder Vorabausschüttungen vom Anlieger im Krisenfall wieder zurückzuerstatten und somit das Kapitalkonto wieder aufzufüllen ist, stellt eine Tatsache dar, die jedenfalls für den nicht besonders erfahrenen Anleger überraschend ist und mit der er im Allgemeinen nicht rechnet. Sie für den Anleger jedoch über die Gefahr des Totalverlustrisikos hinaus insbesondere deshalb von besonderer Bedeutung, weil er solche Erträge im Zweifel verbraucht oder bereits anderweitig angelegt hat. Dies gilt in besonderer Weise dann, wenn es sich um eine Kapitalanlage zur Alterssicherung handelt, wie hier. Denn in diesem Fall will der Anleger gerade die laufenden Erträge für seinen Lebensunterhalt verwenden und ist im Zweifel daher nicht darauf eingerichtet, diese nachträglich wieder zurückzahlen zu müssen, so dass er durch eine solche Konstellation im Alter in besondere finanzielle Bedrängnis geraten kann. Dem Hinweis auf dieses Risiko kommt daher bei einer solchen Beratung besondere Bedeutung zu, denn der Anleger, der mit der Kapitalanlage laufende Beiträge zur Altersversorgung erzielen will, wird im Zweifel von einer derartigen Kapitalanlage vernünftigerweise Abstand nehmen.
Die Klägerin hat auch nicht in anderer Weise Kenntnis von diesem Umstand erlangt. Denn der Prospekt ist ihr, abgesehen davon, dass der Hinweis auf dessen Inhalt nicht ausgereicht hätte, erst nach Vertragsschluss übergeben worden.
Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der das Gericht folgt, kommt es für die Verjährung und die Kenntnis der die Verjährung begründenden Umstände auf jede einzelne Pflichtverletzung an. Dem Anlageberater obliegt es danach, hinsichtlich jeder einzelnen Pflichtverletzung darzutun und ggfs. zu beweisen, dass der Geschädigte Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von den die Verjährung begründenden Tatsachen in verjährter Zeit erlangt hat. Die erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es grundsätzlich nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an. Vielmehr genügt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit im Grundsatz die Kenntnis der den Ersatzanspruch begründenden tatsächlichen Umstände (st. Rspr., BGH, Urteile vom 11. Januar 2007 – III ZR 302/05, BGHZ 170, 260 Rn. 28 und vom 19. März 2008 – III ZR 22/07, WM 2008, 1077 Rn. 7; Urteil vom 3. Juni 2008 – XI ZR 319/06, WM 2008, 1346 Rn. 27- juris-). Es kommt auch nicht darauf an, dass der Geschädigte die Rechtswidrigkeit des Geschehens, das Verschulden des Schädigers und den in Betracht kommenden Kausalverlauf richtig einschätzt (BGH, Urteile vom 25. Februar 1999 – IX ZR 30/98, WM 1999, 974, 975 und vom 3. März 2005 – III ZR 353/04, WM 2005, 1328, 1331).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Kenntnis von einer etwaigen Rückzahlungspflicht hat die Klägerin erstmals mit dem Schreiben der HCI Kapital vom 5.11.2011 erlangt, mit dem diese von den Anlegern verlangte, sich zu verpflichten, 100 % der bislang erhaltenen aber rückforderbaren Beträge zurückzuzahlen. Soweit sich die Beklagte sich auf den Inhalt des der Klägerin nach Vertragsschluss überlassenen Prospekts beruft, hat sie hiermit keinen Erfolg. Dass die Klägerin tatsächliche Kenntnis durch den Prospekt erhalten hat, ist nicht dargetan. Es ist auch wenig wahrscheinlich, denn der mehr als 40seitige Prospekt enthält ohne jeglichen gesonderten Hinweis, lediglich sozusagen in einem Nebensatz, eine Erwähnung dieser Tatsache.
Die Beklagte hat auch nicht bewiesen, dass die Klägerin grob fahrlässig Unkenntnis von der Rückzahlungsverpflichtung hatte. Den Verjährungsbeginn auslösende grobfahrlässige Unkenntnis eines Anlegers von aufklärungspflichtigen Risiken, liegt nämlich dann nicht vor, wenn solche zwar im Prospekt erwähnt sind, der Anleger aber keinen besonderen Anlass hat, nach derartigen Risikohinweisen im Prospekt zu suchen.
So liegt es hier. Denn die Klägerin ist weder im Beratungsgespräch darauf hingewiesen worden, noch wird dieses Risiko im Prospekt gesondert hervorgehoben als besonderes Risiko. Es gab auch bis zum Jahre 2011 für die Klägerin keinen Anlass, im Prospekt hiernach zu suchen. Tatsächlich findet sich im Prospekt unter der Überschrift „Chancen und Risiken“ im Text lediglich der Hinweis: Aufgrund der Rechtsstellung des Anlegers als Kommanditist ist eine über die normale Einlage hinaus gehende Haftung des Anleger, soweit die Ausschüttungen nicht höher sind als die erzielten Gewinne, ausgeschlossen. Unter der Überschrift „Hinweise“ findet sich diesbezüglich nichts. Bezüglich der rechtlichen Grundlagen wird unter der Überschrift Haftung darauf hingewiesen, dass der Anleger nur beschränkt mit dem Betrag seiner Anlage haftet. Im zweiten Absatz heißt es sodann: Der guten Ordnung halber soll darauf hingewiesen werden, dass Ausschüttungen an die Anleger zu einem Wiederauflegen der Haftung in Höhe des ausgeschütteten Betrages führen, wenn das Kapitalkonto durch Ausschüttungen den Nominalbetrag der Einlage unterschreitet. Rechtlich nicht bewanderten Anlegern dieses ist allenfalls dann verständlich, wenn sie gezielt nach derartigen Hinweisen suchen. Dass die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses xxx-jährige Klägerin aus den vorgenannten Formulierungen die Erkenntnis hätte erlangen müssen, dass ein derartiges Risiko besteht, ist auszuschließen.
Der Anspruch ist auch der Höhe nach weitgehend begründet. Die Beklagte hat Zug um Zug gegen Übertragung des Anteils die geleisteten Zahlungen zurück zu gewähren.
Sie hat daneben den angelegten Betrag im Hinblick auf entgangenen Zins zu verzinsen. Der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Beratungsvertrages umfasst nach § 252 Satz 1 BGB auch den entgangenen Gewinn. Der Anleger kann sich hierbei gemäß § 252 Satz 2 BGB auf die allgemeine Lebenserfahrung berufen, dass Eigenkapital ab einer gewissen Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt liegen bleibt, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt wird (BGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – XI ZR 345/10 -, juris). Zum Zeitpunkt der hier streitigen Kapitalanlage hält das Gericht gem. § 287 ZPO für erwiesen, dass die Klägerin den Betrag mit dem geltend gemachten Zinssatz anderweitig hätte anlegen können und angelegt hätte.
Es war danach weiterhin festzustellen, dass die Klägerin von Nachforderungen seitens des Fonds freizuhalten ist. Diesbezüglich besteht allerdings nur ein Feststellungsanspruch. Denn der Freihalteanspruch kann als Leistungsklage nicht im Wege der unbestimmten Klage geltend gemacht werden. Vielmehr ist der der Betrag zu beziffern. Die zugesprochene Feststellung bewegt sich als geringfügiges Weniger im Rahmen des geltend gemachten Antrags.
Es war weiterhin festzustellen, dass die Beklagte hinsichtlich der Rücknahme des Produkts im Verzuge der Annahme ist.
Antragsgemäß war die Beklagte auch zur Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu verurteilen, allerdings nur in Höhe einer Gebühr von 1,5.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 286, 288 BGB, 92 Abs. 1, 709 ZPO.