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Befunderhebungsfehler – Umkehr der Beweislast

OLG München

Az: 1 U 343/12

Beschluss vom 07.05.2012


I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 09.12.2011, Az. 9 O 23600/08, wird durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das in Ziffer I genannte Urteil des Landgerichts ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Voraussetzungen für die Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO sind gegeben, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

1. Der Senat geht vom wirksamen Erlass eines klageabweisenden Endurteils aus, gegen das zulässigerweise Berufung eingelegt wurde (vgl. BGH vom 31.05.2007, Az. X ZR 172/05, Rn. 13 zitiert nach juris), wenngleich in erster Instanz verabsäumt wurde, in das Protokoll vom 09.12.2011 den verkündeten Tenor aufzunehmen.

2. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die in erster Instanz durchgeführte Beweisaufnahme hat den klägerischen Vorwurf eines Behandlungsfehlers nicht bestätigt. Für eine weitere Beweisaufnahme, insbesondere für eine weitere sachverständige Begutachtung besteht keine Veranlassung.

In der Berufung thematisiert die Klägerin lediglich verschiedene medizinische Aspekte, ihre Überlegungen sind jedoch nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des Landgerichts zu wecken. Die Fragen der Klägerin in der Berufung sind teils bereits im Rahmen der erstinstanzlichen Beweisaufnahme beantwortet worden, vor allem aber legt sie nicht dar, wie sie dadurch den Nachweis eines Behandlungsfehlers des Beklagten führen könnte. Die Aufklärungsrüge verfolgt die Klägerin in der Berufung nicht weiter.

Auf den Senatsbeschluss vom 04.04.2012 wird ergänzend zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

In ihrem Schriftsatz vom 04.05.2012 wiederholt die Klägerin lediglich ihre Standpunkte, die der Senat aus den im Beschluss vom 04.04.2012 genannten Gründen nicht teilt.

Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin vom 04.05.2012 folgendes festzuhalten:

Dem Senat ist die Rechtsprechung des BGH zur unterlassenen Befunderhebung und daran anknüpfende Beweiserleichterungen im Falle eines groben Behandlungsfehlers aufgrund seiner jahrelangen Spezialisierung im Arzthaftungsrecht wohlbekannt. Er folgt ihr in ständiger Rechtsprechung und weicht auch vorliegend nicht davon ab. Die Klägerin verkennt, dass im streitgegenständlichen Fall die vom BGH geforderten Voraussetzungen, unter denen dem Patienten Beweiserleichterungen bzw. eine Beweislastumkehr zugute kommt, nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, der die Klägerin keine substantiellen Einwände entgegen zu setzen vermag, nicht vorliegen.

a) Es fehlt bereits an einer unterlassenen Befunderhebung, nachdem der Sachverständige letztlich die Notwendigkeit einer weiteren Befunderhebung verneint hat. Der Gutachter hat seine ursprüngliche Aussage zur Frage der weiteren Diagnostik am 17.01.2006 revidiert und dies fachlich nachvollziehbar und überzeugend begründet, was der Senat im Beschluss vom 04.04.2012 ausführlich dargestellt hat. Entgegen der Meinung der Klägerin ist weder die Begutachtung noch das darauf basierende Urteil widersprüchlich.

b) Desweiteren übergeht die Klägerin eine entscheidungserhebliche Anforderung, die die Rechtsprechung an eine Beweislastumkehr bei unterlassener Befunderhebung stellt. Selbst wenn die Klägerin einen einfachen Behandlungsfehler in Form einer unterlassenen Diagnostik am 17.01.2006 nachweisen könnte, würde eine Beweislastumkehr zu ihren Gunsten nur dann eingreifen, wenn sich bei Durchführung dieser Diagnostik mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein positiver Befund ergeben hätte. Nur wenn ein positiver Befund hinreichend wahrscheinlich ist – was die Klägerin zu beweisen hat – und das Verkennen des Befundes bzw. die Nichtreaktion auf diesen Befund grob fehlerhaft gewesen wäre – auch dies hat die Klägerin zu beweisen -, würden ihr nach der Rechtsprechung des BGH Beweiserleichterungen zu gute kommen.

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme fehlt es bereits an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für einen positiven reaktionspflichtigen Befund am 17.01.2006. Es ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass eine Untersuchung am 17.01.2006 einen Anhalt für einen Infekt erbracht hätte. Gegenteiliges behauptet die Klägerin nicht einmal in der Berufung. Die mangelnde Wahrscheinlichkeit der Feststellung eines Infekts bei Durchführung einer weitergehenden Diagnostik am 17.01.2006 geht beweisrechtlich zweifelsfrei nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zu Lasten der Klägerin.

c) Die Behauptung der Klägerin, der Gutachter (und das Gericht) hätten „als Folge der fehlenden Befunderhebung Anhaltspunkte für einen Infekt verneint“, trifft nicht zu. Vielmehr sind umgekehrt die mangelnden Infektzeichen der Grund dafür, dass im Januar 2006 keine Veranlassung für eine weitere Befunderhebung bestand.

d) Auch der Hinweis der Klägerin auf die Rechtsprechung zur ärztlichen Dokumentation und deren beweisrechtliche Bedeutung führt nicht weiter. Es liegen keine Anhaltspunkte für eine unvollständige oder fehlerhafte Dokumentation vor. Die dokumentierten Befunde gaben – wie ausgeführt – gerade keine Veranlassung für eine weitergehende Diagnostik oder eine andere Vorgehensweise.

e) Soweit die Klägerin auf Ekzeme verweist, die sie zeitweise hatte (und wohl bis heute hat), hält der Senat daran fest, dass es einer ergänzenden Begutachtung nicht bedarf. Anhaltspunkte dafür, dass aufgetretene Ekzeme Folge eines Behandlungsfehlers des Beklagten sind oder dass der Beklagte präoperativ bereits Anlass gehabt hätte, allergische Reaktionen der Klägerin zu befürchten oder dass Ekzeme unzureichend behandelt wurden, sind nicht ersichtlich. Behauptungen in dieser Richtung stellt die Klägerin nicht einmal im Ansatz auf. Auch unter Berücksichtigung der im Arzthaftungsrecht reduzierten Anforderungen an den Sachvortrag der Parteien fehlt damit jeder konkrete Anhalt für einen möglichen Behandlungsfehler sowie dessen Kausalität für die geltend gemachte Klageforderung. Die Voraussetzungen für die Erholung eines weiteren Gutachtens liegen damit nicht vor.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 i.V.m. §§ 711, 713 ZPO.

Der Streitwert der Berufung entspricht demjenigen der ersten Instanz, § 3 ZPO.

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