LG Leipzig – Az.: 8 O 2548/16 – Urteil vom 16.11.2018
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss: Der Streitwert wird auf 11.599,83 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von den Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz, den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten wegen künftiger materieller und immaterieller Schäden aufgrund eines Verkehrsunfalls am 29.03.2016 gegen 16:50 Uhr in Leipzig an der Kreuzung Leipziger Straße Ecke Pestalozzistraße.
Der Kläger fuhr mit dem Motorrad Honda CBR 900 Fireblade mit dem amtlichen Kennzeichen … die Leipziger Straße in stadteinwärtiger Richtung. Vor ihm fuhren noch andere Fahrzeuge und auf der Pestalozzistraße hielt der Pkw der Zeugin …, die auf die Leipziger Straße in stadtauswärtiger Richtung abbiegen wollte und darauf wartete, bis der Kläger und weitere Verkehrsteilnehmer den Kreuzungsbereich passiert hatten. Der Beklagte zu 1) befuhr mit seinem Pkw VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen … ebenfalls die Leipziger Straße, jedoch in Richtung Böhlitz-Ehrenberg (stadtauswärts) und kam mithin dem Kläger entgegen. Der Beklagte zu 1) wollte nach links in die Pestalozzistraße abbiegen, ordnete sich zu diesem Zweck auf der Leipziger Straße ein und blinkte links. Weiterer Gegenverkehr fuhr rechts am Fahrzeug des Beklagten zu 1) vorbei, der an der Kreuzung zur Pestalozzistraße zunächst wartete, um die entgegenkommenden Fahrzeuge passieren zu lassen. Der Beklagte zu 1) bog dann in die Pestalozzistraße ab. Mit seinem Motorrad leitete der Kläger eine Gefahrenvollbremsung ein und es kam zu einem sog. Stoppie, d. h. das Motorrad überschlug sich infolge der Gefahrenvollbremsung. Der Kläger stürzte und zog sich die auf Seite 6 und 7 der Klageschrift dargestellten Verletzungen zu. Die ärztliche Behandlung erfolgte am 29.03.2016 zunächst in der Notaufnahme des Evangelischen Diakonissenkrankenhauses in Leipzig und im Zeitraum vom 30.03.2016 bis 08.08.2016 ambulant in der Thonbergklinik in Leipzig. Der Kläger nahm in der Folgezeit Schmerzmedikamente zur Schmerzlinderung und entzündungshemmende Antibiotika ein. Zudem entstanden ihm für Heilpraktikerbehandlungen, physiotherapeutische Behandlungen sowie Zuzahlungen für verordnete Medikamente Kosten in Höhe von insgesamt 498,16 €. Der Fahrzeugschaden am klägerischen Motorrad belief sich auf 2.200,- €. Zur Feststellung des Fahrzeugschadens entstanden dem Kläger Gutachterkosten in Höhe von 545,20 €. Zudem entstand dem Kläger ein Verdienstausfallschaden für die Monate Mai und Juni 2016. Durch den Sturz wurden auch die Motorradkleidung und der Motorradhelm des Klägers beschädigt.
Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 1) sei mit seinem Pkw – unmittelbar bevor der Kläger mit seinem Motorrad den Kreuzungsbereich erreicht habe – plötzlich und vollkommen unerwartet nach links gezogen und habe versucht, von der Leipziger Straße nach links in die Pestalozzistraße abzubiegen. Der Beklagte zu 1) habe das Motorrad des Klägers dabei völlig übersehen. Der Beklagte zu 1) habe die Leipziger Straße noch nicht vollständig verlassen und sich noch nicht in der Pestalozzistraße befunden. Der Kläger habe unverzüglich die Gefahrenvollbremsung eingeleitet und versucht, nach links auszuweichen. Er habe jedoch eine Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) nicht vermeiden können und mit seiner Schulter die hintere rechte C-Säule des Pkw VW Golf berührt, wodurch eine Delle im Bereich der C-Säule des Pkw VW Golf entstanden sei. Dass eine Kollision stattgefunden habe, folge auch aus dem Umstand, dass das Motorrad sich nach dem Unfall um 180 Grad gedreht habe und entgegen der ursprünglichen Fahrtrichtung liegen geblieben sei. Der Kläger sei auch nicht mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren, da das Motorrad andernfalls weiter entfernt hätte liegen müssen. Auch wenn keine Kollision stattgefunden habe, habe der Beklagte zu 1) dem Kläger jedenfalls die Vorfahrt nicht gewährt. Hätte der Beklagte zu 1) dies getan, wäre der Kläger nicht zu einer Gefahrenvollbremsung veranlasst gewesen und nicht gestürzt. Sein Verdienstausfall belaufe sich einschließlich Feiertagszuschläge und Prämienzahlungen auf 498,16 €. Der Zeitwert für die beschädigte Motorradkleidung und den Motorradhelm betrage insgesamt 890 €.
Der Kläger beantragt daher:
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 4.599,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.05.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.05.2016 zu zahlen.
3. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.135,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise: Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.135,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen zukünftigen Schäden zu ersetzen, welche aus dem Verkehrsunfallereignis vom 29.03.2016 resultieren, soweit sie nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Die Beklagten beantragen: Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 1) habe die Leipziger Straße bereits vollständig verlassen und sich auf der Pestalozzistraße befunden, als er beim Blick in den Rückspiegel den Sturz des Klägers wahrgenommen habe. Der Beklagte zu 1) habe den Sturz in keiner Weise mit dem Abbiegevorgang in Zusammenhang gebracht, insbesondere keine Kollision zwischen den Fahrzeugen wahrgenommen. Bei einem Zusammenstoß mit dem Motorrad wären ganz andere und deutlich mehr korrespondierende Spuren zu erwarten. Die Delle in der C-Säule des Fahrzeuges des Beklagten zu 1) sei bereits bei Übernahme des Fahrzeuges durch ihn vorhanden gewesen. Der Kläger sei zu schnell gefahren. Bei Rücksichtnahme und Einhaltung der ortsüblichen Höchstgeschwindigkeit sei das Bremsmanöver, das nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Abbiegevorgang des Beklagten zu 1) stehe, nicht erforderlich gewesen. Hinsichtlich der Motorradkleidung und des Motorradhelmes sei ein höherer Abschlag vom Neuwert vorzunehmen, der Motorradhelm sei bereits 9 Jahre alt. Die Heilpraktikerkosten seien nicht erstattungsfähig, da die gesetzliche Krankenversicherung diese ebenfalls nicht trage. Bei dem Verdienstausfallschaden seien auch ersparte Eigenaufwendungen in Abzug zu bringen. Dass der Kläger regelmäßig Feiertagszuschläge und Prämienzahlungen erhalte, werde mit Nichtwissen bestritten.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin … (Bl. 43 ff. d. A.). Aufgrund des Beschlusses vom 02.05.2017 (Bl. 48 f. d. A) hat das Gericht ein schriftliches unfallanalytisches Gutachten des Kfz-Sachverständigen Dipl.-Ing. … eingeholt und ihn zur Erläuterung des Gutachtens in der mündlichen Verhandlung am 23.10.2018 angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 24.01.2018 (Bl. 60 d. A.) sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 02.05.2017 (Bl. 37 ff. d. A) und vom 23.10.2018 (Bl. 90 ff. d. A) Bezug genommen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 02.05.2017 und 23.10.2018 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den Beklagten zu 1) gemäß § 7 Abs. 1 StVG zu.
§ 7 Abs. 1 StVG setzt voraus, dass es bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs zu einem Personen- und/ oder Sachschaden gekommen ist. Das schädigende Ereignis muss sich auf die betriebsspezifischen Gefahren bei der Verwendung eines Kraftfahrzeugs zurückführen lassen (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 7 StVG Rn. 4 m. w. N.). Erforderlich ist, dass das Kraftfahrzeug in typischer Weise auf den öffentlichen Verkehrsraum eingewirkt hat (König a. a. O.). Die Darlegungs- und Beweislast für diese anspruchsbegründende Tatbestandsvoraussetzung trägt der Anspruchsteller, hier mithin der Kläger.
a) Dem Kläger ist der Beweis der Tatsache, es sei zu einer Kollision zwischen ihm und dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) gekommen, wodurch er (der Kläger) gestürzt sei, nicht gelungen.
Gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. Ein unumstößliche Gewissheit, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist, ist dabei nicht erforderlich. Vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad einer Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet. Entscheidend ist, ob der Richter die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann (BGHZ 53, 245; BGH, NJW 2000, 953, 954).
Zur Überzeugung des Gerichts steht nicht fest, dass es – wie der Kläger behauptet – zu einer Kollision zwischen ihm und dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) gekommen ist. Der Sachverständige Dipl.-Ing. …, an dessen Sachkunde und Sorgfalt bei der Begutachtung keine Zweifel bestehen, hat in seinem unfallanalytischen Gutachten ausgeführt, ein Kontakt sei bei einem fahrstabilen Zustand des Motorrades mit dem abbiegenden Beklagtenfahrzeug technisch nicht zu erklären. Als Möglichkeit verbleibe ein Kontakt zwischen dem Kläger und dem Fahrzeug des Beklagten zu 1), wenn sich der Kläger infolge des Stoppie, welcher hier sicher nachzuweisen sei, vom Motorrad gelöst habe. Insoweit seien vielfältige Bewegungen des Motorradfahrers denkbar. Aus den feststellbaren Beschädigungen am Motorrad folge, dass sich das Motorrad infolge der Abwehrbremsung überschlagen habe. Im weiteren Verlauf sei ein separater Kontakt zwischen dem sich unkontrolliert weiterbewegenden Motorradfahrer und dem abbiegenden Pkw unter Berücksichtigung sämtlicher Unwägbarkeiten möglich. Im Rahmen seiner mündlichen Anhörung hat der Sachverständige weiter ausgeführt, die Entstehung der Delle an der C-Säule des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) sei aufgrund eines Schulter- oder Armkontaktes möglich. Diese bloße Möglichkeit reicht für den vom Kläger zu führenden Vollbeweis im Hinblick auf eine Kollision der beiden Fahrzeuge nicht aus. Der Sachverständige konnte nicht ausschließen, dass eine Fehlreaktion des Klägers vorgelegen hat. Auch die Behauptung des Klägers, es sei deshalb von einer Kollision auszugehen, da das Motorrad nach dem Sturz entgegengesetzt zur Fahrtrichtung zum Stillstand gekommen bzw. liegen geblieben sei, konnte der Sachverständige nicht bestätigen. Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass es sich vorliegend nicht um einen Fall einer klassischen Kollision handele und eine Kollision technisch nicht sicher nachweisbar sei. Eindeutige Nachweise für eine Kollision fehlten.
Hinsichtlich der im Gutachten genannten frischen Wischspuren auf der C-Säule des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) hat der Sachverständige auf Nachfrage klar und deutlich angegeben, er könne nicht ausschließen, dass diese durch Dritte im Nachhinein entstanden seien. Es ergeben sich vor diesem Hintergrund aus Sicht des Gerichts erhebliche Zweifel, dass die behauptete Kollision zwischen den beteiligten Fahrzeugen stattgefunden hat.
b) Der Kläger konnte überdies nicht zur Überzeugung des Gerichts beweisen (§ 286 ZPO), dass er aufgrund des Fahrverhaltens des Beklagten zu 1) zu einem Ausweichmanöver gezwungen gewesen und in dessen Folge gestürzt und zu Schaden gekommen sei. Aus der bloßen Anwesenheit des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) an der Unfallkreuzung und dem Abbiegevorgang kann nicht abgeleitet werden, dass der Beklagte zu 1) auch für den Sturz des Klägers, der zu seinem Schaden und zu den erheblichen Verletzungen führte, verantwortlich ist.
Bei einem berührungslosen Unfall ist Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs eines Kraftfahrzeugs zu einem schädigenden Ereignis, dass es über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat (BGH, Urteil vom 22.11.2016 – VI ZR 533/15, juris). Für eine Zurechnung zur Betriebsgefahr kommt es darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (BGH, Urteil vom 26.04.2005 – VI ZR 168/04). Die Halterhaftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG und die Haftung des Fahrers aus vermutetem Verschulden gemäß § 18 StVG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 StVG greift nicht ein, wenn ein in Betrieb befindliches Kraftfahrzeug lediglich an der Unfallstelle anwesend ist, ohne dass es durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat (BGH, Urteil vom 22.11.2016 – VI ZR 533/15, juris; BGH, Urteil vom 26.04.2005 – VI ZR 168/04). Es kommt für die sog. Gefährdungshaftung nach dem StVG nicht darauf an, ob sich der Führer des im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs verkehrswidrig verhalten hat, und auch nicht darauf, ob es zu einer Kollision der Fahrzeuge gekommen ist, es müssen sich die von einem Kraftfahrzeug ausgehenden Schäden ausgewirkt haben (OLG Bamberg, Urteil vom 10.01.2017 – 5 U 176/15, juris Rn. 17).
Dies ist hier nicht der Fall. Es kann nach der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden, dass der Unfall durch die Fahrweise des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) verursacht worden ist bzw. die Fahrweise des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) zu der Schadensentstehung beigetragen hat. Die bloße Anwesenheit des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) im Kreuzungsbereich Leipziger Straße/Pestalozzistraße reicht hierfür nicht aus. Der Sachverständige hat auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung am 23.10.2018 plausibel ausgeführt, dass es aus seiner Sicht keine Anknüpfungstatsachen für eine entsprechende unfallursächliche Fahrweise des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) gebe. Der Sachverständige konnte nicht ausschließen, dass der Abbiegevorgang des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) bereits abgeschlossen gewesen sei, als es zum Sturz des Klägers kam. Es sei bei fehlendem Kontakt zwischen den Fahrzeugen nicht möglich, den Weg-Zeit-Zusammenhang zu rekonstruieren. Aus diesem Grund sind die vom Kläger angeführten Entscheidungen des OLG Düsseldorf vom 16.02.2004 (Az. 1 U 151/03) und vom 20.02.2006 (Az. 1 U 137/05) nicht mit dem hier zu beurteilenden Fall vergleichbar. In den zitierten Entscheidungen stand fest, dass der Linksabbiegevorgang des betreffenden Fahrzeugs nicht abgeschlossen war. Dies steht hier zur Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung der Angaben des Beklagten zu 1) und den Ausführungen des Sachverständigen nicht fest. Der Beklagte zu 1) hat in der mündlichen Verhandlung am 02.05.2017 angegeben, bereits in die Pestalozzistraße abgebogen zu sein, als der Kläger mit seinem Motorrad gestürzt sei. Der Sachverständige konnte den genauen Standpunkt des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) im Zeitpunkt des Sturzes des Klägers bei fehlender Kollision nicht ermitteln. Im Übrigen konnte der Sachverständige – wie bereits dargestellt – eine Fehlreaktion des Klägers – beispielsweise aufgrund der Straßenbahnschienen oder des Gegenverkehrs – nicht ausschließen. Allein die zeitliche und örtliche Nähe des Bremsvorgangs und Sturzes des Klägers zum – möglicherweise bereits abgeschlossenen – Abbiegevorgang des Beklagten zu 1) reicht nicht aus für die Annahme, dass sich die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) ausgewirkt hat.
c) Eine erneute Vernehmung der Zeugin … gemäß § 398 Abs. 1 ZPO war nicht erforderlich, da sie nach ihrem eigenen Bekunden nicht das Unfallgeschehen selbst, sondern „lediglich“ das vorbeischlitternde Motorrad des Klägers wahrgenommen habe. Hinsichtlich der maßgeblichen Frage, ob es eine Kollision zwischen den beteiligten Fahrzeugen gegeben hat oder ob der Beklagte zu 1) durch sein Fahrverhalten in sonst irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Klägers beeinflusst hat, ist die Zeugenaussage unergiebig.
2. Aus diesem Grund besteht auch kein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 1) aus § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 StVG. Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 9 Abs. 3 Hs. 1 StVO fehlt es aus den vorgenannten Gründen ebenfalls an einem Nachweis eines schadensursächlichen schuldhaften Fahrverhaltens des Beklagten zu 1.
3. Mangels Haftung des Beklagten zu 1) ergibt sich auch kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2) aus § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG in Verbindung mit § 1 PflVG.
II.
Die Kostentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
III.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
IV.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 3 bis 5 ZPO in Verbindung mit § 48 Abs. 1 GKG.