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Corona-bedingte Schließung einer Gaststätte ein Mietmangel?

AG Pinneberg – Az.: 81 C 18/20 – Urteil vom 17.11.2020

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Pinneberg am 17.11.2020 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22.09.2020 für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1169,95 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.06.2020 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, für das von ihr genutzte Gewerbeobjekt in ### in ### für den Monat April 2020, die Miete zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Die Parteien verbindet ein Mietverhältnis über die im ### in ### belegenen Gewerberäume. Die Klägerin betreibt einen Gastronomiebetrieb. Die vertraglich vereinbarte Nettomiete beläuft sich gemäß § 1 des Mietvertrages auf 2339,90 Euro. Gemäß § 1 Ziffer 5 des Mietvertrages wurde das Mietobjekt ausschließlich zur Nutzung als Gastronomiebetrieb vermietet (Mietzweck). Gemäß § 1 Ziffer 6 des Mietvertrages sind behördliche Genehmigungen, Anordnungen und/oder Auflagen, die ausschließlich auf der allgemeinen Beschaffenheit und/oder Lage des Mietobjektes sowie der allgemeinen Nutzung entsprechend dem vereinbarten Mietzweck beruhen vom Vermieter zu erfüllen. Gemäß § 1 Ziffer 7 des Mietvertrages sind behördliche Genehmigungen, Anordnungen und/oder Auflagen, die auf den persönlichen oder besonderen betrieblichen Verhältnissen des Mieters oder seines Gewerbebetriebes beruhen Vermieter auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko zu beantragen bzw. zu erfüllen. Dies gilt auch dann, wenn diese an den Vermieter gerichtet sind. In diesem Fall hat der Mieter den Vermieter im Innenverhältnis freizustellen. Der Vermieter übernimmt insoweit keine Haftung dafür, dass diese behördlichen Genehmigungen, Anordnungen und/oder Auflagen erteilt werden bzw. während der Dauer des Mietverhältnisses fortbestehen.

Aufgrund des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 erließ die Landesregierung am 15.3.2020 per Erlass, dass der Zugang zu Restaurants und Hotels nur unter Auflagen (Besucherregistrierung mit Kontaktdaten, bestimmte Besuchergröße, Vorgaben für Mindestabstände Zwischentischen von 2 m) zu gestatten sei. Mit Beschluss vom 17. März mussten alle Restaurants vollständig geschlossen werden. Essen durfte nur noch außer Haus verkauft werden. Hotels und Gastronomie durften nach Erlass der Landesregierung vom 18. Mai 2020 unter der Voraussetzung, dass ein bestimmtes Hygienekonzept erstellt und erfüllt wurde, wiedereröffnet werden.

Der Kläger behauptet:

Die Nutzungsuntersagung habe dazu geführt, dass er seinen Betrieb für die Dauer der Untersagung nicht hätte öffnen können. Das eingetretene Risiko der behördlichen Untersagung des Betriebes als Gaststätte habe die Beklagte als Vermieterin zu tragen. Aus diesem Grund stehe ihm die bereits gezahlte Miete zu. Die Nutzungsuntersagung stelle einen Mangel dar. Das eingetretene Gebrauchshindernis falle in die Risikosphäre der Beklagten. Aus diesem Grund sei die Miete auf 0 gemindert. Wenn denn kein Mangel vorliege, so wird sei jedenfalls die Geschäftsgrundlage entfallen und bedürfe es der Anpassung des Vertrages wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage. Das Auftreten der Covid-19-Pandemie sei jedenfalls ein klassischer Fall der Störung der Geschäftsgrundlage. Geschäftsgrundlage sei der übereinstimmende Wille der Parteien zur Nutzung des Mietobjektes als Gastronomiebetrieb. Behördliche Anordnungen seien nach dem Mietvertrag dem Risikobereich der Beklagten zuzuordnen. Der Gesetzgeber habe infolge der Corona Pandemie den Kündigungsgrund wegen Zahlungsverzug zeitlich außer Kraft gesetzt. Dies zeige, dass der Gesetzgeber auch die Zahlungsverpflichtung bedingt durch die behördlichen Auflagen habe entfallen lassen wollen. Dies sei nur nicht vom Gesetzgeber geregelt worden.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1169,95 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, für das von ihr genutzte Gewerbeobjekt im ### in ### für den Monat April 2020 Miete zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet: Eine Mietminderung oder Anpassung des Mietvertrages sei nicht akzeptiert worden und sei auch nicht erfolgt. Ein Recht dafür bestehe auch nicht. Die Corona Pandemie sei ein unvorhersehbares, nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten fallendes Ereignis. Gleiches gelte für die hierauf erfolgte behördliche Schließung. Ein Mietminderungsrecht bestünde daher nicht. Anderes ergebe sich auch nicht aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen. Mietvertrag sei ausdrücklich geregelt, dass behördliche Genehmigungen, Anordnungen und Querstrich oder Auflagen Vermieter auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko beantragt und erfüllt werden müssten. Es liege auch keine Störung der Geschäftsgrundlage vor. Das Verwendungsrisiko voller grundsätzlich alleine die Risikosphäre des Mieters. Die Corona Pandemie ändere an dieser Risikoverteilung nichts. Es falle in den Verantwortungsbereich des Mieters von Gewerberaum, als Unternehmer die Erfolgsaussichten eines Geschäftes in der von ihm gewählten Lage selbst einzuschätzen.

Die Klage wurde am 12.6.2020 zugestellt.

Entscheidungsgründe:

Corona-bedingte Schließung einer Gaststätte ein Mietmangel?
(Symbolfoto: Von columbo.photog/Shutterstock.com)

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Mieten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB zu. Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet (8, 12 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Beklagte hatte sich die Leistung der Klägerin die Mietzahlungen für den streitgegenständlichen Zeitraum ohne rechtlichen Grund erlangt und es daher zur Herausgabe verpflichtet. Die Klägerin hat aufgrund des zwischen den Parteien unstreitig geschlossenen und wirksamen Mietvertrages die Mietzahlungen geleistet. Die Mietzahlungen erfolgten jedoch ohne rechtlichen Grund. Nach § 536 BGB ist der Mieter bei Vorliegen eines Mangels der Mietsache, der die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder nicht nur unerheblich mindert, von der Entrichtung der Miete befreit bzw. zur Entrichtung einer angemessenen herabgesetzten Miete verpflichtet. Die Minderung tritt kraft Gesetzes ein (BGH NJW-RR 1991,779). Ein Mangel der Mietsache ist jede nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes von dem vertraglich vereinbarten Zustand, der ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigt. Die vertraglich vorgesehene Nutzung ergibt sich aus dem Mietvertrag. Es handelt sich um einen Gewerberaummietvertrag zur Nutzung als Gastronomiebetrieb. Da der Gesetzgeber zur Einschränkung der Covid-19-Pandemie im streitgegenständlichen Zeitraum den Betrieb einer Gastronomie untersagt hat, bewirkte die gesetzgeberische Maßnahme eine Gebrauchsbeschränkung, die sich unmittelbar auf den vertraglichen Nutzungszweck ausgewirkt hat. Dort wurde die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufgehoben. Nach dem Wortlaut sowie nach Sinn und Zweck des § 536 Absatz 1 Satz 1 BGB liegt damit ein Mangel vor, der die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt.

Entgegen der Behauptung der Beklagten ist das Risiko der Erfüllung behördliche Genehmigungen bzw. Auflagen gemäß § 1 Ziffer 7 nicht im Risikobereich des Mieters anzusiedeln. Denn die in § 1 Ziffer 7 des Mietvertrages genannten behördlichen Genehmigungen und Anordnungen bzw. Auflagen regeln den Fall, in dem es nicht zu einer vollständigen Betriebsuntersagung durch öffentlichrechtliche Vorschriften kommt. Vielmehr sind die in § 1 Ziffer 6 bzw. 7 des Vertrages genannten behördlichen Anordnungen für solche Fälle bestimmen, in denen es zu Beeinträchtigungen des Gewerbebetriebs kommen kann. Der von der beklagten Partei erhobene Einwand, dass der Mieter für die Einhaltung bzw. Umsetzung der behördlichen Auflagen verantwortlich sei und diese Ihnen nicht von der Zahlung des Mietzinses befreien, greifen nicht. Denn die Erlasse der Landesregierung zur Bekämpfung der CoronaPandemie führten zu einer Betriebsuntersagung für Gaststätten im streitgegenständlichen Zeitraum.

Die Parteien haben sich sicherlich zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrages keine Gedanken um Nutzungseinschränkungen in der Gastronomie wegen solcher rechtlichen Maßnahmen gemacht. Die behördliche Einschränkung betrifft jedoch die vertragsgemäß vorausgesetzte Nutzungsmöglichkeit der Mietsache selbst, da nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien laut Vertrag die angemieteten Räumlichkeiten zum Betrieb einer Gastronomie vermietet werden sollten. An diesem Mietzweck muss sich auch die Beklagte als Vermieterin festhalten lassen. Sie hätte die Räumlichkeiten auch zu einem anderen Vermietungszweck vermieten können.

Da Adressat der Erlasse der Landesregierung Schleswig-Holstein zur Bekämpfung der Corona Pandemie die Betreiber der Gastronomiewirtschaft waren, war es der Klägerin auch nicht möglich – etwa wie bei dem Rauchverbot – durch entsprechende Maßnahmen im Rahmen des Hygienekonzeptes und der Abstandsregelungen dem Betrieb aufrechtzuerhalten. Vielmehr war er durch die Erlasse der Landesregierung dazu verpflichtet, den Betrieb komplett einzustellen. Die Gebrauchsbeschränkung beruhte damit auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache. Der Klägerin was damit nicht möglich. Durch eine entsprechende Umgestaltung der betrieblichen Verhältnisse weiterhin den gastronomischen Betrieb aufrechtzuerhalten.

Da die Mietsache zum vertraglich vereinbarten Zweck überhaupt nicht im streitgegenständlichen Zeitraum genutzt werden konnte, war die Zahlung zur Miete auf 0 durch das Minderungsrecht reduziert. Bei gewerblichen Räumen ist primär auf die Störung der Betriebsausübung abzustellen, wobei bei einer periodischen Störung die Minderung nur mit dem Zeitraum der Störung eintritt (Palandt, BGB, 2020, Paragraf 536 Rn. 33).

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