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Beweiswert Bar-Pachtzahlungsbetrag in Handelsbuch ausgewiesen

Zahlung erfolgt?

LG Bonn – Az.: 1 O 194/19 – Urteil vom 11.12.2020

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Pachtzinsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte betreffend den Cafébetrieb „A“ am Standort D.

Der „A“ wurde im Oktober 2011 durch eine zwischen der Klägerin und Frau Z bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts eröffnet. Nachdem der Klägerin durch Ordnungsverfügung der Stadt D vom 12.05.2014 wegen Steuerrückständen der Betrieb eines Gaststättengewerbes untersagt worden war, meldete diese den Gaststättenbetrieb am 15.05.2014 zum 22.05.2014 ab (Anlage B6 zur Klageerwiderung). Am 23.05.2014 meldete Herr X das Einzelunternehmen „A“ zum 23.05.2014 als Gewerbe an, die Klägerin zum selben Datum rückwirkend in denselben Geschäftsräumen einen Einzelhandel mit Tee (Anlage B7 zur Klageerwiderung). Mit Vertrag vom 23.07.2014 (Anlage K8 = Bl.44 – 47 d.A.) übertrug Frau Z ihren Anteil an der „A GbR“ auf die Klägerin und schied aus der Gesellschaft aus. Aufgrund von Steuerrückständen wurde gegen Herrn X die Gaststättenausübung wegen Unzuverlässigkeit untersagt und ein Gewerbeuntersagungsverfahren gegen ihn durchgeführt. Daraufhin meldete Herr X das Gewerbe rückwirkend zum 23.04.2015 ab.

Am 24.04.2015 meldete die Beklagte, die seinerzeit in dem „A“ gearbeitet hatte, diesen als Einzelunternehmen an. Ebenfalls unter dem 24.04.2015 unterzeichneten die Klägerin als Verpächterin und die Beklagte als Pächterin einen schriftlichen Pachtvertrag über den Cafébetrieb „A“ am Standort D (Anlage K1 = Bl.5 – 6 d.A. sowie Bl.62 – 63 d.A.). Der zu zahlende Pachtzins betrug ausweislich Ziffer 4. dieses Vertrages monatlich 20.000,00 Euro inklusive aller Nebenkosten zuzüglich Umsatzsteuer.

Im Rahmen eines von der Stadt D gegen die Beklagte eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahrens – 33-13/30 GU … – beantragte die Stadt Bonn unter dem 17.11.2015 mit dem zusammenfassenden Betreff „Unerlaubt ausgeübte Tätigkeit: Führen einer Gaststätte im „Strohmann-Verhältnis“ für Frau Y / Verschleierung der tatsächlichen Geschäftsführerschaft“ (Anlage B12 zur Klageerwiderung; Auszug als Anlage B2 = Bl.23 d.A.) eine Durchsuchungsanordnung. Diesem Antrag gab das Amtsgericht Bonn mit Beschluss vom 01.12.2015 – 50 Gs 1838/15 – (Anlage B13 zur Klageerwiderung; Anlage B2 = Bl.24 – 26 d.A.) statt. Mit Ordnungsverfügung vom 02.12.2015 (Anlage B2 = Bl.22 d.A.) wurde die Gaststättenerlaubnis der Beklagten widerrufen und ihr der Gaststättenbetrieb „A“ untersagt.

Aus diesem Grunde hoben die Parteien den Pachtvertrag zum 15.12.2015 auf. Die Klägerin sorgte dafür, dass die Beklagte aus dem Mietvertrag mit den Eigentümern der Räumlichkeiten des „A“ (vgl. E-Mail vom 14./16.12.2015, Anlage B14 zur Klageerwiderung) entlassen wird. Unter dem 15.12.2015 unterzeichneten die Vermieter und die Parteien einen Aufhebungsvertrag bezüglich der Aufnahme der Beklagten zum 24.04.2015 in den Mietvertrag für gewerbliche Räume des Ladenlokals Standort D, wonach die Beklagte zum 15.12.2015 aus dem Mietvertrag ausschied (Anlage K6 = Bl.70 d.A.).

Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16.10.2015 pfändete das Finanzamt D sämtliche Forderungen der Klägerin aus der Verpachtung des Betriebes „A“ und schränkte die Pfändung am 07.12.2015 auf 52.202,47 Euro ein (Anlagen B36 und B37 zur Klageerwiderung; Anlage K11 = Bl.131 – 132 d.A.). Die Klägerin gab am 23.08.2018 gegenüber dem Finanzamt Bonn-Innenstadt eine Vermögensauskunft ab (Anlage B3 = Bl.27 – 33 d.A.).

Mit Schreiben vom 11.10.2018 (Anlage K2 = Bl.7 – 8 sowie Bl.64 – 65 d.A.), erklärte die Klägerin der Beklagten gegenüber eine Abrechnung des Pachtvertrages vom 24.04.2015 und forderte diese zur Zahlung der dort mit 69.861,10 Euro ausgewiesenen Gesamtforderung bis zum 13.11.2018 auf ihr Konto auf.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte sei bewusst und gewollt eine Pächterstellung eingegangen. Dies habe die Beklagte auch gegenüber den Vermietern des Betriebslokals bekräftigt. Im Rahmen ihrer Pächterstellung (23.04. bis 15.12.2015) habe die Beklagte Gewinne in Höhe von circa 135.800,00 Euro als Unternehmerin erzielt.

Die Klägerin behauptet, in dem Schreiben vom 11.10.2018 seien die Pachtrückstände der Beklagten bis zum 15.12.2015 zutreffend mit 64.861,10 Euro ausgewiesen.

Nach zuvor antragsgemäß gewährter Prozesskostenhilfe hat die Klägerin mit Klageschrift vom 30.08.2019 angekündigt zu beantragen, die Beklagte kostenfällig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, an sie 64.861,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16.12.2015 zu zahlen.

Unter dem 12.11.2019 ermächtigte das Finanzamt D die Klägerin, den Prozess nach Änderung des Klageantrages auf Zahlung in Höhe von 52.202,47 Euro an das Finanzamt im eigenen Namen fortzuführen (Anlage K11 = Bl.131 – 132 d.A.).

Die Klägerin beantragt, die Beklagte kostenfällig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, 64.861,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16.12.2015 zu zahlen, davon vorab 52.202,47 Euro an das Finanzamt D zur Steuernummer/Aktenzeichen … SG # und den Restbetrag von 12.658,63 Euro nebst der gesamten Zinsen an sie.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe sie im April 2015 gebeten, den Cafébetrieb „A“ formal als Betriebsinhaberin zu übernehmen und den Pachtvertrag zu unterzeichnen, um diesen vor der alten Geschäftspartnerin, Frau Z, zu retten. Dabei sei von einer Dauer von maximal 4 Wochen die Rede gewesen, da die Klägerin beabsichtigt habe, im Mai/Juni 2015 eine GmbH zu gründen. Die Klägerin habe ihr von Anfang an versichert, dass ihr keinerlei finanzielle Probleme oder Verpflichtungen durch die Übernahme entstehen würden. Ferner habe ihr die Klägerin versichert, dass sie – die Beklagte – von allen Verbindlichkeiten, welche mit dem Betrieb in Verbindung stehen, freigestellt würde. Nur vor diesem Hintergrund habe sie – die Beklagte – den Pachtvertrag unterzeichnet, der von den Parteien ausdrücklich als „Fake“ bezeichnet und angesehen worden sei, sowie die Gaststättenerlaubnis beantragt und das Gewerbe angemeldet.

Die Beklagte vertritt deshalb die Rechtsansicht, es läge eine „Strohfrauabrede“ der Parteien vor. Sie behauptet, die Klägerin habe im Jahr 2015 das operative Geschäft des Cafébetriebes geführt und sich um die Buchhaltung, die Kasse, den Zahlungsverkehr und die Steuern des Gaststättenbetriebes gekümmert. Die Klägerin habe lediglich formal einen „450,00 Euro-Job“ erhalten, um ihre Anwesenheit vor Ort zu rechtfertigen. Sie – die Beklagte – habe sich im Jahr 2015 nur um die Buchhaltung des Cafébetriebes gekümmert und hierfür als Entnahmen 2.500,00 Euro im Monat erhalten. Demgegenüber habe die Klägerin aus den Einnahmen des Geschäftsbetriebes fast 42.000,00 Euro zum Bezahlen von Schulden des Herrn X entnommen (Anlagenkonvolut B30 zur Klageerwiderung). Ferner habe die Klägerin rund 150.000,00 Euro aus der Kasse entnommen (Anlagenkonvolut B31 ebenda) und diese auf ihre Konten eingezahlt, um damit im Wesentlichen eigene Schulden zu bezahlen (Anlagenkonvolut B32 und Anlage B33 ebenda).

Schließlich behauptet die Beklagte, sämtliche Pachtzinsforderungen seien, so sie denn bestanden hätten, ausgeglichen. Entsprechende Buchungen ausweislich des Abschlusskontos des Cafébetriebes zum 31.12.2015 (Anlage B35 zur Klageerwiderung) seien auf Anweisung der Klägerin auf Pachtforderungen für April bis Dezember 2015 erfolgt. Vielmehr stünden ihr – der Beklagten – nach der von der Klägerin betreuten Buchhaltung vom 15.10.2015 sogar noch 152.042,67 Euro zu (Anlage B34 zur Klageerwiderung).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, das Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 07.02.2020 (Sitzungsprotokoll Bl.156 – 162 d.A.) sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung. Wegen des Inhaltes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.09.2020 (Bl. 278 – 284 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Weder die Klägerin noch das Finanzamt D haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 52.202,47 Euro sowie eines weiteren Betrages von 12.658,63 Euro aus Ziffer 4. des von den Parteien unterzeichneten Pachtvertrages beziehungsweise den §§ 535 Abs. 2, 581 Abs. 2 BGB. Denn etwaige Pachtrückstände der Beklagten in Höhe von insgesamt 64.861,10 Euro für den Zeitraum 01.05.2015 bis 15.12.2015 waren bereits bei Klageerhebung durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).

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1. Das Abschlusskonto … des „A“ zum 31.12.2015 (Anlage B35 zur Klageerwiderung) weist auf die dort als solche bezeichneten Buchungen „Pacht Mai“, „Pacht Juni“, „Pacht Juli“, „Pacht August“, „Pacht Sept.“, „Pacht Okt.“, „Pacht Nov. 2016“ und „Pacht Dez. 2016“ jeweils „Haben“-Umsätze von 23.800,00 Euro aus. Dabei beziehen sich die beiden letztgenannten Positionen schon ausweislich des Abschlussdatums dieses Kontos auf die Monate November und Dezember 2015. Der Steuerberater der Parteien und Zeuge U hat dies im Rahmen seiner Vernehmung vom 18.09.2020 deshalb auch zutreffend als „Schreibfehler“ angesehen (S.11 des Sitzungsprotokolls).

Dieses Abschlusskonto fällt als Teil der Handelsbücher des kaufmännischen Betriebes des „A“ (vgl. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 HGB) unter die Regelungen der §§ 238 ff. HGB. Damit gelten für die in dieses Abschlusskonto eingetragenen Buchungen die Grundsätze von § 239 Abs. 2 HGB, wonach die Eintragungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden müssen. Der hierin enthaltene Grundsatz der Richtigkeit der Eintragungen besagt nichts anderes, als dass diese mit den tatsächlichen Geschäftsvorfällen des Gewerbebetriebes und den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmen müssen (vgl. Störk/Lewe, Beck´scher Bilanzkommentar, 12.Aufl. 2020, § 239 HGB Rd.11). Ergänzend erfordert das § 239 Abs. 2 HGB zu entnehmende Belegprinzip, dass sämtliche Belege zu den Geschäftsvorfällen erfasst und durch entsprechende Eintragungen in die Handelsbücher dokumentiert werden müssen (vgl. Traut in Dicken/Fehrenbacher/Hennrichs/Kleindiek/Watrin, beck-online.Großkommentar, HGB, 01.10.2020, § 239 Rd.12 und 12.1). Diese Dokumentation der Geschäftsvorfälle in den Handelsbüchern hat beweissichernde Bedeutung (MüKo/Ballwieser, BGB, 4.Aufl. 2020, § 238 Rd.1; Traut, aaO., § 238 Rd.2). Wenngleich hieraus zivilprozessual nach wohl überwiegender Ansicht kein Anscheinsbeweis für die inhaltliche Richtigkeit der Handelsbücher als Privaturkunde (§ 416 ZPO) folgt (so OLG Hamm NJW 1987, 964, 965 für Sparbuch-Kontoblätter unter Bezugnahme auf BGH MDR 1955, 92, 93 m.w.N.), so spricht doch zunächst eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der dort vorgenommenen Einträge (vgl. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 39.Aufl. 2020, § 238 Rd.3 m.w.N.).

Für die entsprechend § 286 Abs. 1 ZPO zu würdigende Aussagekraft der hier zitierten Buchungen in dem Abschlusskonto zum 31.12.2015 ist die Handhabung des Buchungswesens in dem Geschäftsbetrieb des „A“ in dem fraglichen Zeitraum von nicht unerheblicher Bedeutung. Die vor diesem Hintergrund im Anschluss an den entsprechenden Sachvortrag der Parteien formulierte Beweisfrage I.5. des am 06.03.2020 verkündeten Auflagen- und Beweisbeschlusses (Bl.186 – 188 d.A.) wurde von dem Zeugen U lebensnah und glaubhaft dahingehend beantwortet, dass diese Pachtforderungen auf Anweisung und allein auf der Grundlage der entsprechenden Informationen der Klägerin wie geschehen gebucht worden sind (S.8 des Sitzungsprotokolls vom 18.09.2020). Es habe sich danach um Barzahlungen an die Klägerin gehandelt. Da im Büro des Zeugen auch die Voranmeldungen für die dem Pachtvertrag entsprechende Umsatzsteuer gemacht worden ist, war für den Zeugen „ganz klar, dass das Pachtzahlungen waren“. Diese Aussage des in der ordnungsgemäßen Buchung und Versteuerung von Geschäftsvorfällen unzweifelhaft berufserfahrenen Zeugen verstärkt ausgesprochen deutlich die sich aus den Eintragungen in das Abschlusskonto ergebende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit, dass die zitierten Pachtforderungen im Wege entsprechender Barzahlungen getilgt worden sind (§ 362 Abs. 1 BGB).

Begründete Anhaltspunkte, die eine abweichende Würdigung rechtfertigen könnten, trägt die Klägerin nicht vor.

Der von der Klägerin formulierte Einwand einer „kreativen Buchhaltung“ der Beklagten (S.7 des Schriftsatzes vom 25.11.2019) ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme klar widerlegt. Allein der Hinweis mit nachgelassenem Schriftsatz vom 23.11.2020 auf eine Schätzung der Umsatzsteuer der Klägerin mit Bescheid vom 02.02.2017 (Schreiben des Finanzamtes vom 28.09.2020 = Bl.310 d.A.) und darauf, dass die Klägerin keiner Ist-Besteuerung, sondern allein der Soll-Besteuerung unterlegen habe, entkräftet die überzeugende Aussage des Zeugen U nicht. Denn entscheidend ist insoweit, dass die Angaben der Klägerin gegenüber diesem Zeugen dem Inhalt der Anlage K35 entsprechen und damit die hier im Raum stehende deutlich höhere Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit dieses Dokumentes als deren Unrichtigkeit bestätigen.

2. Darüber hinaus sprechen auch folgende Umstände für die Richtigkeit des Beklagtenvortrages, dass eine persönliche Haftung der Beklagten für etwaige Pachtverbindlichkeiten letztendlich nicht gewollt war. Wenngleich diese Umstände allein noch keinen Beweis für die rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Parteien einer lediglich formalen Übernahme des „A“ für einen maximalen Zeitraum von 4 Wochen (vgl. den Auflagen- und Beweisbeschluss vom 06.03.2020) erbracht haben, so unterstreichen sie die Plausibilität und damit die Richtigkeit der Würdigung unter 1.:

a) Das Ordnungswidrigkeitenverfahren der Stadt D gegen die Beklagte beruht auf aussagekräftigen Anknüpfungstatsachen, die für eine tatsächliche Geschäftsführung des „A“ durch die Klägerin sprechen. Dies gilt insbesondere für die im Tatbestand dieses Urteils aufgezeigten zeitlichen Zusammenhänge, die ein klares Motiv für die Anmeldung des „A“ durch die Beklagte als Einzelunternehmen bei gleichzeitigem Abschluss des streitgegenständlichen Pachtvertrages nahelegen: Den Wunsch dieses Unternehmen fortzusetzen, nachdem nach Herrn X kein weiterer zur Übernahme bereiter Mitarbeiter der Klägerin hierfür zur Verfügung stand. Die Beklagte hat dies im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung am 07.02.2020 deshalb einleuchtend bestätigt (S.1 des Sitzungsprotokolls = Bl.156 d.A.).

b) Ein wirtschaftlich nachvollziehbares Motiv für die gewählte Verfahrensweise unter 2.a) hatte die Beklagte nicht. Die Beklagte war nach ihrem unwidersprochenen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 07.02.2020 in dem Cafébetrieb zunächst als Aushilfe und dann auf der Grundlage eines Monatsgehaltes von 2.500,00 Euro in Vollzeit tätig. Für eine dieses Anstellungsverhältnis zum 24.04.2015 ersetzende unternehmerische Selbständigkeit der Beklagten mit der gleichzeitigen Verpflichtung, ab dem 01.05.2015 monatlich 20.000,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer an Pachtzahlungen an die Klägerin zu erbringen, bestand in dieser Situation überhaupt keine Veranlassung.

Ein für einen verständigen Dritten nachvollziehbares Motiv der Beklagten für die Eingehung eines derartigen wirtschaftlichen und haftungsrechtlichen Risikos trägt die Klägerin auch nicht vor. Insoweit wird ergänzend auf die Ausführungen der Klägerin in ihrer informatorischen Anhörung vom 07.02.2020 (S.3 f. des Sitzungsprotokolls) Bezug genommen. Es verbleibt damit zunächst allein das persönliche Motiv der Beklagten, ihrer Arbeitgeberin und Inhaberin des Betriebes helfen zu wollen (vgl. S.3 des Sitzungsprotokolls vom 07.02.2020), das in Anbetracht des in der mündlichen Verhandlung von den Parteien gewonnenen persönlichen Eindrucks des Unterzeichners dort durchaus glaubhaft dargelegt worden ist.

c) Anschließend an die Erwägungen zu 2.a) und 2.b) bestand demgegenüber ein auf der Hand liegendes wirtschaftliches Interesse der Klägerin daran, dass die Beklagte zum 24.04.2015 formell den Geschäftsbetrieb des „A“ übernehmen und zugleich den Pachtvertrag unterzeichnen würde. Denn hiermit wäre die Fortsetzung des Geschäftsbetriebes in gaststätten- und gewerberechtlicher Hinsicht gesichert. Zugleich könnten Entnahmen aus den erzielten Einnahmen als „Pachtzahlungen“ gebucht und damit nach außen – auch gegenüber den Finanzbehörden – das Etikett eines entsprechenden Rechtsgrundes erhalten.

Die glaubhafte Aussage des Zeugen U zu den Entnahmen und zu der Kassenbuchführung des „A“, auf die insoweit vollinhaltlich Bezug genommen wird, unterstreicht diese Überlegungen. Die im Tatbestand dieses Urteils dargestellten Steuerrückstände der Klägerin nebst den zuletzt ausgebrachten Pfändungs- und Einziehungsmaßnahmen des Finanzamtes D dokumentieren zudem die wirtschaftliche Situation der Klägerin, die durch die eingangs aufgezeigte Verfahrensweise hätte abgemildert werden können.

d) Schließlich kann die erst unter dem 11.10.2018 erfolgte Abrechnung des Pachtvertrages nur mit der unter 2.c) angedeuteten wirtschaftlichen Situation der Klägerin plausibel erklärt werden. Zugleich spricht der seit dem 15.12.2015 verstrichene abrechnungslose Zeitraum für die Richtigkeit des Beklagtenvortrages, dass eine persönliche Haftung der Beklagten für etwaige Pachtverbindlichkeiten letztendlich von den Parteien nicht gewollt war.

Der Umstand, dass die Klägerin wegen der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen auch nicht mehr Zahlung an sich beanspruchen durfte (arg. § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO; vgl. auch Anlage B36 zur Klageerwiderung), unterstreicht diese Würdigung. Zugleich erschüttert dieses Verhalten die Glaubwürdigkeit der Klägerin. Dies gilt erst Recht in Anbetracht der Tatsache, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen in Bezug auf die Klageforderung weder im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren noch in der nach Gewährung von Prozesskostenhilfe eingereichten Klageschrift von der Klägerin erwähnt worden sind (§ 124 Abs. 1 Ziffer 1. ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Streitwert: 64.861,10 Euro.

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