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Diebstahlsrückläufer verkauft – fehlende Überprüfung der Fahrzeug-Identifizierungsnummer

OLG Rostock – Az.: 4 U 156/19 – Urteil vom 01.06.2021

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 14.11.2019 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 16.000,00 € festgesetzt.

Gründe

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)

I.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

A.

Der Zulässigkeit der Berufung stand weder die Formulierung des (ursprünglichen) Berufungsantrages des Beklagten entgegen noch eine unzureichende Begründung des Rechtsmittels.

1. Der Fassung des Antrages des Beklagten in seiner fristgerecht eingereichten Berufungsbegründung war bei isolierter Betrachtung abweichend von § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO nicht zu entnehmen, dass er das erstinstanzliche Urteil (überhaupt) anfocht und dessen Abänderung beantragte; denn dieser Antrag ging dahin, der Klage antragsgemäß stattzugeben, was ausweislich der Entscheidung des Landgerichts im ersten Rechtszug schon geschehen war (vgl. auch OLG Hamburg, Urteil vom 26.09.1986, Az.: 1 U 2/85, BeckRS 9998, 57575: Unzulässigkeit des Rechtsmittels ohne Sachbitte um eine in der Sache günstigere Entscheidung). Allerdings reicht es aus, wenn sich die Sachbitte zumindest durch Auslegung der Rechtsmittelbegründungsschrift feststellen lässt. Insoweit lag in der Zusammenschau von Antrag und Begründung dem ersteren ein offensichtliches Schreibversehen zugrunde, nachdem der Beklagte über mehrere Seiten dazu argumentierte, warum das landgerichtliche Urteil unrichtig sei, und damit ersichtlich war, dass er in dessen Abänderung mit seinem Rechtsmittel tatsächlich eine Abweisung der Klage erstrebte (vgl. zu einer Auslegung von Berufungsanträgen bei offensichtlichen Schreibfehlern etwa auch OLG Koblenz, Urteil vom 16.09.2019, Az.: 12 U 61/19, Rn. 48; OLG Köln, Beschluss vom 17.07.2017, Az.: 22 U 60/16, Rn. 2; OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.09.2010, Az.: 2 U 24/10, Rn. 3, jeweils zitiert nach juris). Die entsprechend geänderte Antragstellung in der mündlichen Berufungsverhandlung hatte vor diesem Hintergrund lediglich deklaratorische Bedeutung.

2. Ebenso genügt die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

a. Die Berufungsbegründung muss danach erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Die genannten Vorschriften dienen dem Zweck, eine Klarstellung und Konzentration des Streitstoffs für die Berufungsinstanz zu erreichen. Deshalb muss der Berufungsführer mit der Berufungsbegründung klarstellen, in welchen Punkten und mit welcher Begründung er das Berufungsurteil angreift. Im Falle der uneingeschränkten Anfechtung muss die Berufungsbegründung geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen (vgl. Zöller-Heßler, 33. Aufl., 2020, § 520 Rn. 33 m. w. N.).

b. Dem wird die Begründung des Rechtsmittels des Beklagten schon insofern gerecht, als er unter anderem eine Nachbesserungsaufforderung als Voraussetzung eines Rücktritts des Klägers sowie eine ausreichende Rücktrittserklärung vermisst. Zudem hat der Beklagte die von dem Sachverständigen angesetzten Kosten für eine Wiedereinrichtung der richtigen Fahrzeugidentifizierungsnummer (FIN) im Hinblick auf die für eine Rückabwicklung des Kaufvertrages notwendige Überschreitung der Geringfügigkeitsschwelle in Frage gestellt, soweit der Gutachter eine Wiederherstellung des korrodierten Bodenblechs, das jedenfalls für sich genommen dem Gewährleistungsausschluss unterfalle, in diesen Aufwand mit einbezogen hat. Weder die Schlüssigkeit noch auch nur die Vertretbarkeit der Begründung sind darüber hinaus Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels (vgl. BGH, Beschluss vom 21.05.2003, Az.: VIII ZB 133/02, – zitiert nach juris -, Rn. 10 m. w. N.).

B.

Die Berufung ist auch begründet, weil die zulässige Klage ihrerseits unbegründet ist.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 13.698,35 €. Abweichend von der Bezifferung der Hauptforderung in dem Klageantrag zu 1) demgegenüber mit 13.698,26 € ist von dem eingangs genannten, um 0,09 € höheren Betrag auszugehen, weil nunmehr umgekehrt der Angabe des Klägers bei seiner Antragsformulierung ein offensichtliches Schreib- bzw. Rechenversehen zugrunde liegt; so ist ihm hinsichtlich des Ergebnisses der Multiplikation der Kilometer für die Fahrtstrecke mit der betreffenden Pauschale in den Dezimalstellen ein Zahlendreher – 170,01 € statt (richtig) 170,10 € – unterlaufen.

a. Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 13.400,00 € ergibt sich für den Kläger weder aus §§ 433 Abs. 1 Satz 2, 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 und 2, 326 Abs. 5, 346 Abs. 1, 349 BGB noch aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. (Leistungskondiktion), 123 Abs. 1, 1. Alt., 142 Abs. 1 BGB.

aa. Der unstreitig zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag ist nicht aufgrund eines von dem Kläger erklärten und von dem Landgericht ausschließlich geprüften Rücktritts rückabzuwickeln.

(1) Die in dem Schriftsatz vom 16.05.2014 wegen der geänderten FIN (ausdrücklich) erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung enthält zugleich einen Rücktritt zumindest im Wege der Umdeutung nach § 140 BGB; der Kläger hat unmissverständlich erkennen lassen, dass er ungeachtet des verwendeten Begriffs der Anfechtung den mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrag auf jeden Fall und damit unter jedem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt rückabgewickelt wissen wollte, wobei zur wirksamen Erklärung eines Rücktritts ein Gebrauch dieses Wortes nicht erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.03.2010, Az.: VIII ZR 182/08, – zitiert nach juris -, Rn. 15 f. m. w. N.).

(2) Der Kläger kann aber zum einen keine Gewährleistungsrechte aufgrund der unrichtig angezeigten Laufleistung geltend machen, auch wenn diese als Mangel des streitgegenständlichen Fahrzeuges unabhängig davon einzuordnen ist, ob es sich bei ihr um eine vereinbarte Beschaffenheit handelt (vgl. dazu OLG Köln, Urteil vom 13.03.2007, Az.: 22 U 170/06, – zitiert nach juris -, Rn. 6 f. m. w. N.); es ist nämlich ein Verlust diesbezüglicher Gewährleistungsrechte des Klägers aufgrund einer Versäumung seiner Rügeobliegenheiten gemäß § 377 Abs. 1 bis 3 HGB eingetreten.

(a) Der streitgegenständliche Kaufvertrag war für beide Parteien ein Handelsgeschäft im Sinne von §§ 1 Abs. 1, 343 Abs. 1 HGB, weil es sich bei ihnen jeweils um gewerbliche Fahrzeughändler handelt und der Erwerb bzw. die Veräußerung von Kraftfahrzeugen zu dem Betrieb ihres Handelsgewerbes gehörte; das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob eine ordnungsgemäß Mängelrüge vorliegt (vgl. Röhricht/Graf von Westphalen/Haas-Steimle/Dornieden, HGB, 5. Aufl., 2019, § 377 Rn. 85 m. w. N.).

(b) Eine Rüge, welche den Anforderungen des § 377 Abs. 1 bis 3 HGB entspräche, ist hinsichtlich des unrichtig angezeigten Kilometerstandes nicht ersichtlich.

(aa) Notwendig ist eine Rüge jedes einzelnen Mangels; die Rüge des einen wirkt nicht in Bezug auf einen anderen (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.1997, Az.: VIII ZR 231/96, – zitiert nach juris -, Rn. 26 m. w. N.). Neben der hinreichend konkreten Bezeichnung der Mängel muss die Rüge erkennen lassen, dass der Käufer von den aus dem Mangel für ihn hervorgehenden Rechten Gebrauch machen will; Erklärungen oder Anzeigen eines Dritten zu einem Mangel sind deshalb nicht ausreichend (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 04.01.2012, Az.: 5 U 980/11, – zitiert nach juris -, Rn. 10 m. w. N.). Für einen entdeckten Mangel beträgt die Rügefrist ein bis zwei Tage (vgl. Baumbach/Hopt-Leyens, HGB, 40. Aufl., 2021, § 377 Rn. 35 m. w. N.), wobei gemäß § 377 Abs. 4 HGB die rechtzeitige Absendung der Anzeige genügt. Erfüllt der Käufer seine Rügeobliegenheit nicht oder verspätet, gilt die Ware gemäß § 377 Abs. 2 und Abs. 3, 2. Halbsatz HGB als genehmigt und der Käufer verliert sämtliche Ansprüche, welche sich aufgrund der vertraglichen Beziehungen wegen des (konkreten) Mangels ergeben (vgl. Röhricht/Graf von Westphalen/Haas-Steimle/Dornieden, a. a. O., § 377 Rn. 68 f. m. w. N.).

(bb) Der von dem Kläger zu einem höheren als dem angezeigten Kilometerstand vorgelegte Auszug aus der Datenbank des Herstellers des Wagens, aus dem er eine unrichtige Anzeige der Laufleistung erkannte, datiert vom 23.04.2014; eine diesbezügliche Rüge geht dagegen erst aus dem über drei Wochen später gefertigten Schriftsatz der jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.05.2014 hervor, der eine Rücktrittserklärung wegen dieses Umstandes enthielt. Es lag damit keine im Sinne von § 377 Abs. 1 bis 3 HGB rechtzeitige Mängelrüge vor.

(c) Der Annahme des Rechtsverlustes des Klägers bezogen auf seine Gewährleistungsansprüche steht schließlich nicht gemäß § 377 Abs. 5 HGB entgegen, dass der Beklagte arglistig gehandelt hätte.

(aa) Im Hinblick auf ein dafür notwendiges vorsätzliches Handeln des Beklagten verweist der Kläger schon lediglich auf für jenen bestehende Untersuchungspflichten sowie darauf, dass der Beklagte wegen der Eigenschaft des hier betroffenen Fahrzeugs als Diebstahlsrückläufer eine höhere Laufleistung „für möglich gehalten haben müsste.“ Diesen Formulierungen lässt sich höchstens eine Fahrlässigkeit des Beklagten entnehmen abgesehen davon, dass bei dem Alter des Wagens von fünfeinhalb Jahren eine Laufleistung von 67.900 km keine Zweifel begründen mussten, dass ein nach üblichen Maßstäben zu geringer Kilometerstand ausgewiesen werde (vgl. so zu einer durchschnittlichen Laufleistung eines „normalen“ Gebrauchtfahrzeuges von 13.000 km/Jahr auch OLG Köln, Urteil vom 13.03.2007, Az.: 22 U 170/06, – zitiert nach juris -, Rn. 7 m. w. N.).

(bb) Eine arglistige Täuschung durch die Zusicherung des Vorliegens oder Fehlens bestimmter Umstände ohne gesicherte Erkenntnisgrundlage „ins Blaue hinein“ ist wiederum nur anzunehmen, wenn ein Verkäufer eine den Kaufgegenstand betreffende Behauptung ohne Hinweis auf seinen begrenzten Kenntnisstand in einer Weise aufstellt, dass beim Käufer der Eindruck vermittelt wird, dies geschehe auf der Basis verlässlicher Erkenntnisse (vgl. BGH, Urteil vom 07.06.2006, Az.: VIII ZR 209/05, – zitiert nach juris -, Rn. 15). Derartige Umstände liegen hier deshalb nicht vor, weil die Erklärung des Beklagten in dem schriftlichen Kaufvertrag zu dem ausgewiesenen Kilometerstand mit dem einschränkenden Zusatz: „soweit ihm bekannt“ versehen ist.

(3) Zum anderen mag auch die Veränderung der FIN einen Sachmangel ausmachen, weil ihrer Authentizität im deutschen Fahrzeughandel eine maßgebliche Bedeutung insofern zukommt, als diese Kennzeichnung in Verbindung mit den Fahrzeugpapieren dem Nachweis der Eigentumsverhältnisse dient; umgekehrt deutet die Veränderung der ursprünglich eingeprägten FIN regelmäßig darauf hin, dass das Fahrzeug gestohlen wurde (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 09.04.2015, Az.: 28 U 207/13, – zitiert nach juris -, Rn. 73 m. w. N.). Gewährleistungsrechte des Klägers sind in diesem Zusammenhang allerdings gemäß § 442 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.

(a) Zwar finden sich kein Angebot eines unmittelbaren Beweises oder auch nur eine direkte Behauptung des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 80. Aufl., 2021, § 442 Rn. 6 m. w. N.) dahingehend, dass der von dem Kläger zur Abholung des Fahrzeuges entsandte Mitarbeiter die Verfälschung der FIN vor dem Abschluss des Kaufvertrages im Sinne von § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB erkannt hätte. Zwischen den Parteien ist allein die von dem Beklagten mehrfach in Bezug genommene Dauer der Untersuchung des Autos durch den betreffenden Mitarbeiter streitig. Unabhängig davon, ob diese nun lediglich eine Viertelstunde oder doch zwei Stunden gedauert hat, lässt sich daraus in keinem Fall auch nur im Wege eines Indizes mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Schluss darauf ziehen, dass die veränderte FIN dabei entdeckt worden ist und der Kläger den Mangel in der Folge bei Vertragsschluss positiv gekannt hätte.

(b) Die Verfälschung der FIN ist dem Kläger dann jedoch nach § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, ohne dass der Beklagte den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit des PKWs abgegeben hätte.

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(aa) Grob fahrlässig handelt der Käufer, wenn er die verkehrserforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maß verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.

[1] Der Käufer ist dabei prinzipiell nicht zu einer Untersuchung der Kaufsache oder gar der Zuziehung eines Sachverständigen verpflichtet; das gilt auch bei einem Handelskauf, weil § 377 HGB eine Untersuchung erst unverzüglich nach der Ablieferung vorsieht. In der Ausnahme von diesem Grundsatz muss der Käufer jedoch Erkundigungen einziehen, wenn die Umstände des Falls ihn zu besonderer Vorsicht mahnen oder wenn er über eine besondere Sachkunde verfügt. Wird der Käufer darüber hinaus durch den Verkäufer oder einen Dritten auf einen Mangel hingewiesen, begründet dies in der Regel bereits Kenntnis des Mangels im Sinne von § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB. Jedenfalls ist es aber als grob fahrlässig anzusehen, wenn der Käufer dem Hinweis dann nicht durch eine eigene Untersuchung des Kaufgegenstands oder anderweitige Informationsbeschaffung nachgeht; denn ein ausdrücklicher Hinweis auf eine Mangelhaftigkeit ist als besonderer Umstand anzusehen, der dem Käufer Anlass zu einer eigenständigen Überprüfung gibt und damit eine entsprechende Sorgfaltspflicht auslöst, deren Verletzung den Vorwurf grober Fahrlässigkeit rechtfertigt (vgl. Hau/Poseck-Faust, BeckOK BGB, Stand: 01.02.2021, § 442 Rn. 22 f.; Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann-Stöber, BeckOGK, Stand: 01.08.2018, § 442 BGB Rn. 29, jeweils m. w. N.).

[2] Nach diesen Maßstäben kann hier nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beklagte dem Kläger jedenfalls offen gelegt hat, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Auto um einen Diebstahlsrückläufer handele, und es sich bei letzterem um einen gewerblichen Kraftfahrzeughändler handelt, der über erhöhte Fachkenntnisse hinsichtlich damit verbundener Risiken verfügt. Dies musste für ihn eine Überprüfung der FIN unabhängig davon nahelegen, mit welcher (streitigen) Häufigkeit solche Verfälschungen bei gestohlenen Fahrzeugen auftreten; bereits allgemein lässt sich sagen, dass bei Sachen, die besonders dem Risiko des Diebstahls ausgesetzt sind oder – wie hier – bekanntermaßen schon Objekt eines solchen waren, eine Pflicht zu bejahen ist, jedenfalls unmittelbar vor einem Vertragsschluss Erkundigungen einzuziehen (vgl. so zu Prüfungspflichten des Verkäufers auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.09.2004, Az.: 8 U 97/04, – zitiert nach juris -, Rn. 63 ff.: Wird ein Gebrauchtfahrzeug außerhalb der „offiziellen“ Vertriebswege [dort: auf Grund eines Angebots im Internet] erworben, ist es einem gewerblichen Kraftfahrzeughändler wegen des hohen Diebstahlsrisikos zumutbar, Erkundigungen über die Herkunft des Fahrzeugs einzuholen; im Rahmen dieser Prüfung ist die im Kraftfahrzeugbrief vermerkte Fahrzeugidentifikationsnummer mit der im Fahrzeug eingeschlagenen Nummer zu vergleichen.). Hat der Kläger derartige Untersuchungsschritte unterlassen, rechtfertigt dies den Vorwurf grober Fahrlässigkeit.

(bb) Während eine von dem Beklagten abgegebene Beschaffenheitsgarantie von vornherein nicht im Raume steht, fehlt es ebenso an den Voraussetzungen eines arglistigen Handelns des Beklagten, welches einem zu seinen Gunsten eingreifenden Haftungsausschluss entgegenstünde.

[1] Eine Täuschung durch arglistiges Verschweigen bedingt das Bestehen einer Aufklärungs- bzw. Offenbarungspflicht hinsichtlich der fraglichen Tatsache. Entscheidend dafür ist, ob der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung im Einzelfall redlicherweise eine Aufklärung über den verschwiegenen Umstand erwarten durfte; insbesondere ist über solche Umstände aufzuklären, die nur der eine Vertragsteil kennt und von denen er weiß oder wissen muss, dass sie für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung sind, etwa, weil sie den Vertragszweck vereiteln können. Eine solche Offenbarungspflicht setzt mithin ein erkennbares Informationsgefälle zwischen den Vertragsparteien voraus, welches bei einem in Geschäften der in Rede stehenden Art erfahrenen, sach- und geschäftskundigen Vertragspartner in Ansehung geschäftstypischer Risiken fehlen kann. Zudem ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich derjenige, der einen Vertrag schließt, seine Interessen selbst wahrzunehmen und sich darüber zu vergewissern hat, ob das Geschäft für ihn von Vorteil ist oder nicht (vgl. Hau/Poseck-Wendtland, a. a. O., § 123 Rn. 11 m. w. N.); der Käufer kann danach beispielsweise keine Aufklärung über Mängel erwarten, die einer Besichtigung zugänglich und damit erkennbar sind, weil er solche Mängel bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.1996, Az.: V ZR 239/94, – zitiert nach juris -, Rn. 17 m. w. N.). Zusammengefasst erstrecken sich die Aufklärungspflichten einer Vertragspartei folglich nicht auch noch auf die letzte Einzelheit oder Konsequenz aus den mitgeteilten Informationen, welche für die Entscheidung der anderen zum Vertragsschluss relevant werden kann und auf die grundsätzlich ebenfalls noch (ergänzend) hätte hingewiesen werden können; sie gehen vielmehr nur soweit, dass dem Vertragsgegner aufgrund der erteilten Auskünfte eine ausreichende Wahrung seiner Interessen zumindest möglich ist. Anders gesagt dient der Arglistvorwurf nicht als Sanktion im Hinblick auf die Einhaltung schon einer vielleicht so verstandenen geschäftlichen Etikette, sondern vielmehr erst der Verhinderung einer von dem Geschäftspartner ansonsten nicht abwendbaren Beeinträchtigung seiner Interessen.

[2] Nach diesen Vorgaben stellt die Veränderung der FIN an einem PKW, der Gegenstand eines Diebstahls war, wegen der eingangs unter Ziffer (3) erläuterten Bedeutsamkeit für den Nachweis der Eigentumsverhältnisse einerseits einen für die Entscheidung des Kaufinteressenten zum Vertragsabschluss durchaus maßgeblichen Umstand dar. Andererseits kann bei der Beurteilung eines Informationsgefälles zwischen den hier beteiligten Parteien erneut nicht außer Acht gelassen werden, dass der Kläger (ebenfalls) als gewerblicher Fahrzeughändler tätig ist. Als solcher war er aufgrund seiner Fachkenntnisse auf Angaben des Beklagten als Verkäufer nicht in dem Umfang angewiesen, wie dies bei dem privaten Kunden eines Gebrauchtwagenhändlers der Fall gewesen wäre. Der Kraftfahrzeughändler muss zwar nicht von vornherein mit einem unredlichen Verhalten seines Vertragspartners rechnen; er kann aber dessen Informationen etwa durch seine sachverständige Kontrolle und gezielte Rückfrage auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 13.06.2000, Az.: 4 U 733/99, – zitiert nach juris -, Rn. 7 m. w. N., zu dem Umfang der Aufklärungspflichten hinsichtlich des Ausmaßes eines unfallbedingten Vorschadens sowie der zur Instandsetzung erforderlichen Arbeiten). In dem vorliegenden Fall hat der Beklagte seiner gegenüber dem Kläger bestehenden Aufklärungspflicht unter diesem Blickwinkel daher bereits dadurch genügt, dass er ihm jedenfalls mitteilte, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Wagen um einen Diebstahlsrückläufer handelt, und ihm vor einer Besichtigung des Autos und dem Abschluss des Kaufvertrages die zutreffende FIN übermittelte. Letzteres ist zumindest insofern zwischen den Parteien unstreitig, als der Kläger sich die Angabe auf seinem Ausdruck der Internetanzeige des Beklagten notierte; darauf, ob nach den gegenläufigen Behauptungen die Fahrzeugunterlagen selbst schon vorab übersandt oder erst nach der Vertragsunterzeichnung übergeben wurden, kommt es damit nicht an. Dem Kläger war damit die Möglichkeit eröffnet, bei dem Beklagten konkret zu (allen) Umständen nachzufragen, die mit der in der Vergangenheit erfolgten Entwendung des PKWs im Zusammenhang stehen konnten, und das Fahrzeug einer darauf gerichteten Untersuchung zu unterziehen.

[a] Von der ersteren Möglichkeit hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht, was nicht zu Lasten des Beklagten gehen kann, sondern dem Kläger im Hinblick auf die ihm obliegende Wahrnehmung eigener Interessen zuzurechnen ist.

[b] Statt dessen hat er seinen zu dem Beklagten entsandten Mitarbeiter nach dessen Zeugenaussage etwa zu einer Prüfung angewiesen, ob an dem Auto das Schloss gestochen sei oder sonstige Beschädigungen sichtbar seien; der Kläger hat sich bereits zu dahingehenden Untersuchungen veranlasst gesehen, obwohl nach seiner Auffassung wegen der Mitteilung eines (bloßen) vorangegangenen Diebstahls des Wagens und der rechtlichen Abgrenzung zu dem davon unabhängigen Tatbestand einer Sachbeschädigung kein zwingendes Indiz (auch) für eine solche anzunehmen gewesen sei. In gleicher Weise musste danach bei dem Kläger als gewerblichem Autohändler darüber hinaus eine Prüfung dazu naheliegen, ob es zu einer Veränderung der FIN gekommen war; denn unabhängig davon, ob derartiges bei gestohlenen Autos eine Ausnahme darstellt, in den Kreisen des Klägers an seinem Geschäftssitz nicht üblich ist oder bei der Hälfte der betroffenen Fahrzeuge vorkommt, musste dem Kläger aufgrund seiner Fachkenntnisse zumindest eine solche Möglichkeit gewärtig sein. Hat er bzw. sein Mitarbeiter dennoch eine Prüfung in dieser Hinsicht vor dem Vertragsschluss unterlassen, geht dies ebenfalls zu seinem Nachteil (anders im Ergebnis auch nicht OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.07.1999, Az.: 22 U 21/99, – zitiert nach juris -, Rn. 14, nachdem dort offenbar keine Aufklärung dazu erfolgt war, dass das Fahrzeug in der Vergangenheit überhaupt einmal Gegenstand eines Diebstahls war).

[aa] Ist der Offenbarungs- und Aufklärungspflicht des Verkäufers im Hinblick auf den Ausschluss eines arglistigen Vorgehens genügt, wenn aufgrund der erteilten Informationen Mängel „einer Besichtigung zugänglich bzw. ohne weiteres erkennbar“ oder „bei genauer Besichtigung ohne weiteres erkennbar“ sind (vgl. so die von dem Kläger selbst angeführten Entscheidungen BGH, Urteil vom 08.04.1994, Az.: V ZR 178/92, Rn. 13, und Urteil vom 16.06.1989, Az.: V ZR 74/88, Rn. 17, jeweils zitiert nach juris mit Hervorhebungen durch den Senat), bedingt dies im Übrigen eben nicht, dass es sich bereits um solche Fehler handelt, welche sich schon ohne nähere Nachschau als völlig offensichtlich aufdrängen (vgl. hierzu insbesondere auch BGH, Urteil vom 02.02.1996, Az.: V ZR 239/94, – zitiert nach juris -, Rn. 17 m. w. N., wonach eine Arglist nicht von vornherein deshalb bejaht wurde, soweit angesichts auf einem zu verkaufenden Grundstück noch vorhandener und besichtigter Anlagen sowie der Bezeichnung des Verkaufsobjektes als Säge- und Imprägnierwerk im Notarangebot ein Hinweis auf die vorhandenen Altlasten unterblieben war).

[bb] Dass die Verfälschung der FIN der Besichtigung zugänglich und erkennbar sowie das Erfordernis einer dahingehenden Kontrolle nicht gänzlich abwegig war, ergibt sich nicht zuletzt aus der praktisch unmittelbaren Reklamation durch den Mitarbeiter des Klägers aufgrund eines Abgleiches mit den Fahrzeugunterlagen noch vor dem Verlassen des Betriebsgeländes des Beklagten.

bb. Ebenso wenig greift nach den Ausführungen zuvor unter lit. aa (2c) und (3b bb) die von dem Kläger (ausdrücklich) erklärte Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB durch.

b. Mangels einer Gewährleistungshaftung des Beklagten ist ein Anspruch des Klägers auf Ersatz nutzloser Aufwendungen für Fahrt- und Personalkosten im Zusammenhang mit der Abholung des von dem Beklagten erworbenen Autos in (unstreitiger) Höhe von (170,10 € + 128,25 € =) 298,35 € gemäß §§ §§ 433 Abs. 1 Satz 2, 434 Abs. 1, 437 Nr. 3, 284 BGB nicht gegeben.

2. Mit der Hauptforderung entfallen zudem Ansprüche des Klägers auf die von ihm geltend gemachten Nebenforderungen, weil letztere von dem Bestehen ersterer abhängig sind.

3. Ohne die Voraussetzungen einer Rückabwicklung des streitgegenständlichen Vertrags ist abschließend kein Annahmeverzug des Beklagten bezogen auf die Rücknahme des von ihm an den Kläger veräußerten Wagens festzustellen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor.

V.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 43 Abs. 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO.

1. Maßgeblich war der Hauptforderungsbetrag des bezifferten Zahlungsantrages des Klägers, dessen Abweisung der Beklagte mit seinem Rechtsmittel erstrebte; damit ergab sich die hier angenommene Gebührenstufe.

2. Der mit dem Rechtsmittel ebenfalls angefochtenen Feststellung des Annahmeverzuges kommt neben der Zug-um-Zug-Verurteilung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung nicht zu. Die Frage des Annahmeverzuges ist nur ein rechtlich unselbständiges Element der umstrittenen Leistungsverpflichtung und deshalb mit dieser wirtschaftlich identisch. Eine mit dem Feststellungsausspruch verbundene etwaige Kostenersparnis des Gläubigers in der Zwangsvollstreckung kann für die Ermittlung des Streitwerts oder des Werts der Beschwer im Erkenntnisverfahren nicht maßgeblich sein (vgl. BGH, Beschluss vom 06.07.2010, Az.: XI ZB 40/09, – zitiert nach juris -, Rn. 16 m. w. N.).

 

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