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Anlageberatung (fehlerhafte) – Übereignung der Kapitalanlage

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: III ZR 28/08

Urteil vom 15.01.2009


In dem Rechtsstreit hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2009 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 23. Oktober 2007 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 17. August 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger schlossen auf Vermittlung und nach Beratung durch die Beklagte, die gewerbsmäßig hauptsächlich den An- und Verkauf von Immobilien betreibt, am 2. Februar 1999 einen notariellen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung in Emden, Wilhelm-Leuschner-Straße 35, mit der vormaligen Eigentümerin dieses Objektes, P. .

Mit ihrer Klage verlangen die Kläger, nachdem sich die Kapitalanlage als unrentabel erwiesen hatte, von der Beklagten die Erstattung der von ihnen für den Kauf der Eigentumswohnung aufgewandten Beträge Zug-um-Zug gegen Abgabe verschiedener Erklärungen zur Übereignung der Immobilie auf die Beklagte sowie die Feststellung eines weitergehenden Schadensersatzanspruches. Zur Begründung ihrer Forderungen stützen sie sich auf die Verletzung eines aus ihrer Sicht mit der Beklagten zustande gekommenen Beratungsvertrages im Zusammenhang mit dem Erwerb, der Finanzierung und der Unterhaltung der fraglichen Eigentumswohnung.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Kläger zu Händen eines von diesen zu beauftragenden Notars 53.648,33 € nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Abgabe der im Tenor der angefochtenen Entscheidung näher bezeichneten Erklärungen vor dem beauftragten Notar zur Übereignung der Immobilie auf die Beklagte zu zahlen. Darüber hinaus hat es ihre Verpflichtung zum Ersatz möglicher weiterer Vermögensschäden im Zusammenhang mit dem Ankauf der Eigentumswohnung festgestellt, soweit der Schaden mit dem Erwerb der Immobilie, ihren laufenden Unterhaltskosten und einer eventuell zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung zusammenhängt. Auf die Berufung der Beklagten ist dieses Urteil teilweise abgeändert worden; das Berufungsgericht hat auf den von ihm angeregten Hilfsantrag der Kläger lediglich festgestellt, die Beklagte sei zum Ausgleich des Vermögensschadens verpflichtet, der den Klägern aus der dem Ankauf der Eigentumswohnung zugrunde liegenden Falschberatung entstanden sei.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Antrag auf Zurückweisung der gegen das erstinstanzliche Urteil gerichteten Berufung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung.

I.

Das Berufungsgericht hat dem Grunde nach eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Schlechterfüllung eines selbständigen Beratungsvertrages mit den Klägern nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung festgestellt. Als Rechtsfolge hat es angenommen, die Kläger seien so zu stellen, als wären sie von der Beklagten richtig und umfassend beraten worden. In diesem Fall hätten die Kläger den Kaufvertrag mit der ehemaligen Eigentümerin P. nicht geschlossen. Zur Rückabwicklung dieses Kaufvertrages sei die Beklagte aber nicht in der Lage, weil sie weder über die tatsächlichen noch die rechtlichen Möglichkeiten verfüge, eine Rückübertragung der Eigentumswohnung auf die damalige Verkäuferin zu bewirken. Rückabgewickelt werden könne der notarielle Kaufvertrag lediglich im Verhältnis der Eigentümerin und Verkäuferin P. den Klägern als Käufern. Der von den Klägern in erster Linie verfolgte Schadensausgleich sei nur dann möglich, wenn die Übertragung des Eigentums an der Wohnung Gegenstand des Leistungsaustauschs zwischen den Parteien des Beratungsvertrages gewesen wäre. Da der Haftungsgrund vorliegend nicht im Abschluss des Kaufvertrages über die Eigentumswohnung, sondern in der Falschberatung durch die Beklagte liege, und zwischen den streitenden Parteien Schadenersatz im Wege der Naturalrestitution deshalb nicht in Betracht komme, sei die Klage lediglich im Umfang des in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellten Feststellungsantrages begründet.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1.

Im vorliegenden Revisionsverfahren geht es nur noch um die Frage der Höhe und Berechnung des geltend gemachten Schadenersatzanspruches. Ausweislich der Begründung zur Zulassung der Revision am Ende der Entscheidungsgründe ist lediglich die dort formulierte Frage, ob der durch eine Falschberatung Geschädigte gegen den Schädiger einen Ersatzanspruch auf Erstattung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Übereignung des von einem Dritten erworbenen Kaufgegenstandes durchsetzen könne, als klärungsbedürftig angesehen worden. Damit sollte erkennbar nur diese, die Höhe und Berechnung der Schadenersatzforderung betreffende, rechtliche Beurteilung einer höchstrichterlichen Entscheidung zugänglich gemacht werden (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 4. September 2008 – III ZR 331/07 – WuM 2008, 681, 682 Rn. 8). Entsprechend haben die Kläger mit ihrer Revision nur geltend gemacht, ihr Schadenersatzbegehren sei im Umfang des in erster Instanz gestellten Hauptantrages mit dem darin enthaltenen Zug-um-Zug-Vorbehalt – jedenfalls in Form der vom Landgericht vorgenommenen Verurteilung – begründet gewesen.

2.

Das erstinstanzliche Gericht hat mit Recht einen Anspruch der Kläger auf Zahlung des in erster Instanz ausgeurteilten Betrages Zug-um-Zug gegen Abgabe der aus seiner Sicht notwendigen und ausreichenden, von der Beklagten in zweiter Instanz nicht beanstandeten, Erklärungen zur Übereignung der von der Verkäufern P. erworbenen Eigentumswohnung auf die Beklagte angenommen. Auf der Grundlage des rechtskräftig festgestellten Haftungsgrundes haben die Kläger gemäß § 249 Satz 1 BGB a.F. (nach Art. 229 § 5 EGBGB ist im Streitfall noch das BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Fassung anwendbar) einen Anspruch auf Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution, so dass der Zustand wiederherzustellen ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde (vgl. z.B. Oetker, in: MünchKommBGB, 5. Aufl. 2007, § 249, Rn. 308); die Kläger sind danach vermögensmäßig so zu stellen, wie sie ohne die Verletzung der Pflichten der Beklagten aus dem zustande gekommenen Beratungsvertrag stehen würden. Bei ordnungsgemäßer Beratung hätten sie aber den Kaufvertrag zum Erwerb der Eigentumswohnung mit der ehemaligen Eigentümerin P. nicht abgeschlossen.

a) Bei schuldhafter Verletzung eines Beratungsvertrages und Vorliegen eines dadurch verursachten Schadens, der – wie im Streitfall – im Abschluss eines bereits vollzogenen Kaufvertrages mit einem Dritten besteht, kann der Geschädigte wählen, ob er an dem Geschäft festhalten, hier die Eigentumswohnung also behalten, und darüber hinaus zusätzliche Vermögenseinbußen ersetzt verlangen, oder ob er den „großen“ Schadensersatz unter Übereignung der Kaufsache geltend machen will (vgl. BGH, Urteile vom 4. April 2001 – VIII ZR 32/00 – NJW 2001, 2163, 2165 und vom 13. Januar 2004 – XI ZR 355/02 – NJW 2004, 1868, 1869, 1870).

b) Nach diesen Grundsätzen können die Kläger, die den „großen“ Schadenersatz gewählt haben, die Erstattung der zum Erwerb der fraglichen Immobilie aufgewandten Beträge – unter Berücksichtigung der vom Landgericht vorgenommenen Abzüge – von der Beklagten fordern.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts trägt die vorgenommene Differenzierung, der Haftungsgrund liege nicht im Abschluss des Kaufvertrages, mit dem den Klägern erst der Gegenwert in Form der Wohnung zugeflossen sei, sondern in der Falschberatung durch die Beklagte, eine andere Be-urteilung nicht. Denn maßgeblich in den Blick zu nehmen sind die unmittelbare Schadensfolge der unzureichenden und unzutreffenden Beratung durch die Beklagte, die in dem die Vermögensschädigung herbeiführenden Abschluss des Kaufvertrages über die Eigentumswohnung, den sie vermittelt hat, besteht, sowie die von den Klägern getroffene Wahl, in welcher Form sie Ersatz des erlittenen Schadens geltend machen wollen.

c) Bei dieser Sachlage besteht auch kein sachlich gerechtfertigter Grund, den Klägern diese Art der Schadensberechnung gegenüber der Beklagten deshalb zu verweigern und sie auf den vom Berufungsgericht nur als begründet angesehenen Anspruch zu verweisen, weil die Beklagte nicht Vertragspartnerin des notariellen Kaufvertrages über die Eigentumswohnung gewesen ist und sie das Eigentum an der Wohnung nicht auf die ehemalige Verkäuferin P. zurückübertragen könne.

In derartigen Fallgestaltungen ist eine solche Schadensberechnung und Fassung des Klageantrags, mit dem die Kläger neben ihrem Zahlungsverlangen gleichzeitig anbieten, Zug-um-Zug gegen Zahlung des geforderten Kaufpreisbetrages den von ihnen erlangten Vorteil in Gestalt des Eigentums an der Wohnung herauszugeben, unabdingbar. Denn Grundlage des damit erklärten Zug-um-Zug-Vorbehalts ist das dem allgemeinen Schadensersatzrecht innewohnende Prinzip der Vorteilsausgleichung, das bewirkt, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten nur gegen Herausgabe der Vorteile erfüllt zu werden braucht, die mit dem schädigenden Ereignis in adäquatem Zusammenhang stehen. Es geht deshalb nicht um die Frage, ob die Beklagte in der Lage ist, die Eigentumswohnung wiederum der ehemaligen Eigentümerin und Verkäuferin P. zurück zu übertragen oder ob die Beklagte im Laufe des Rechtsstreits eine Übereignung auf sich im Wege des Vorteilsausgleichs verlangt hat. Der Anspruch der Kläger ist von vornherein nur mit der Einschränkung begründet, dass gleichzeitig die Vorteile, die ihnen aus dem aufgrund der fehlerhaften Beratung geschlossenen Kaufvertrag erwachsen sind, herausgegeben werden; dazu bedarf es keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schuldners (vgl. BGHZ 27, 241, 248 f; Senatsurteile BGHZ 158, 188, 200 sowie vom 21. Oktober 2004 – III ZR 323/03 – NJW-RR 2005, 170, 171; Schiemann, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 249, Rn. 143). Eben dieser Besonderheit des Schadensersatzanspruchs haben die Kläger mit ihrem Klageantrag (zu 1.) in erster Instanz Rechnung getragen. Die Verpflichtung zur Naturalrestitution kann deshalb auch nicht daran scheitern, dass der Schädiger nicht Partei des den Schaden verursachenden Vertrages gewesen ist.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte insbesondere geltend gemacht, dass etwaige Steuervorteile und Mieteinnahmen der Kläger als weitere auszugleichende Vorteile zu berücksichtigen seien. Hierzu ist festzustellen, dass bereits das Landgericht unter Hinweis auf Rentabilitätsberechnungen der Beklagten ausgeführt hat, der von den Klägern geforderte Zahlungsbetrag sei lediglich als Mindestschaden anzusehen, weil die eine zusätzliche Schadensposition darstellenden jährlichen Zinszahlungen im Ergebnis nicht durch Mieteinnahmen und Steuervorteile ausgeglichen würden. Die Beklagte hat kein maßgebliches Vorbringen in der Berufungsinstanz aufgezeigt, das dieser Feststellung und Beurteilung entgegenstünde.

3.

Danach konnte das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Da das Landgericht die begehrte Verurteilung zur Erstattung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Abgabe verschiedener Erklärungen zum Zwecke der Übereignung der Immobilie zutreffend als begründet und möglich angesehen hat, ist die Berufung der Beklagten insgesamt zurückzuweisen.

 

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