OLG Koblenz – Az.: 2 U 496/17 – Beschluss vom 13.12.2017
1. Der Senat beabsichtigt nach vorläufiger Beratung, die Berufung gegen das Urteil des Einzelrichters des Landgerichts Koblenz vom 12.04.2017, Az. 16 O 286/14, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Antrag des Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem in Zif. 1 genannten Urteil wird zurückgewiesen.
3. Hinsichtlich Ziff. 1 des Beschlusses besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 17.01.2018.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen gebrauchten Pkw in Anspruch.
Mit schriftlichem, auf einem Musterformular von mobile.de basierenden Kaufvertrag von 29.03.2014 verkaufte der Beklagte dem Kläger einen Pkw der Marke BMW, Baujahr 2007, zu einem Kaufpreis von 16.000 Euro. Etwa ein halbes Jahr zuvor wiederum hatte der Beklagte das Fahrzeug erworben.
Unter „II. Gewährleistung“ im zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag hieß es unter anderem: „Das Fahrzeug wird wie besichtigt und unter Ausschluss der Sachmängelhaftung verkauft, soweit nicht unter Ziffer III. eine bestimmte Zusicherung erfolgt.“
Unter „III. (…) Der Verkäufer sichert Folgendes zu (nicht Zutreffendes bitte streichen):“ war unter anderem angekreuzt: „Das Fahrzeug weist folgende Gesamtfahrleistung auf: 138.000 km.“
Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage zur Klageschrift (vgl. Bl. 7 f. GA) eingereichte Ablichtung des Kaufvertrags Bezug genommen.
Nachdem der Kläger eine außergewöhnliche Geräuschbildung festgestellt hatte, suchte er am 20.07.2014 eine Kfz-Werkstatt auf, in der er auf erhebliche Lackiererarbeiten am Fahrzeug hingewiesen wurde, was eine Lackiererei bestätigte. Als er daraufhin die Fahrzeughistorie in Erfahrung brachte, wurde ihm nicht nur mitgeteilt, dass das Fahrzeug in ein Unfallgeschehen verwickelt gewesen sei, sondern auch, dass das Fahrzeug anlässlich einer Inspektion im Jahre 2012 bereits einen Kilometerstand von 197.000 km aufgewiesen habe.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.08.2014 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten auf, die geleistete Kaufpreiszahlung Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs bis zum 08.09.2014 zu erstatten. Der Beklagte rügte daraufhin mit anwaltlichem Schreiben vom 03.09.2014 die mangelnde Bevollmächtigung, woraufhin durch anwaltliches Schreiben vom 08.09.2014 unter Beifügung einer Originalvollmacht nochmals der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und der Beklagte aufgefordert wurde, bis spätestens 18.09.14 den Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs zu erstatten.
Mit dem Fahrzeug legte der Kläger 44.963 km zurück; bei einem Tachostand von 182.963 km erlitt es einen Motorschaden.
Der Kläger hat vorgetragen, der Beklagte habe im Rahmen der Vertragsverhandlungen und des Vertragsschlusses zugesichert, dass das Fahrzeug sich in einem einwandfreien Zustand befinde und die vom Tachometer ausgewiesene Laufleistung von 138.000 km der Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs entspreche. Auch sei von ihm zugesichert worden, dass das Fahrzeug unfallfrei und insbesondere auch nicht nachlackiert worden sei.
Bei der Berechnung des im Rahmen der Rückabwicklung zu erstattenden Nutzungsvorteils sei ein Manipulationsabschlag vorzunehmen.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 16.000 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB hieraus seit dem 09.09.2014 Zug um Zug gegen Rückübereignung des Gebraucht-Pkw, BMW 535D, E61, Bj. 2007, Fahrzeugidentifikationsnummer …25, zu bezahlen;
2. festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Gebraucht-Pkw BMW 535D, Fahrzeugidentifikationsnummer …25, im Annahmeverzug befindet;
3. den Beklagten zu verurteilen, außergerichtliche anwaltliche Mahnkosten zu erstatten in Freistellung des Klägers, durch Zahlung an dessen Prozessbevollmächtigten unmittelbar in Höhe eines Betrages von 1.029,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat bestritten, dass das Fahrzeug einen Kilometerstand von 197.000 km aufgewiesen habe und in einen Unfall verwickelt gewesen sei. Ihm seien diese Umstände gänzlich unbekannt. Er habe den Kilometerstand auch nicht zugesichert, sondern lediglich seinen Wissensstand wiedergegeben. Außerdem handele es sich um ein vorformuliertes Vertragsformular, so dass von einer Eigenschaftszusicherung gerade nicht auszugehen sei.
Im Rahmen einer Rückabwicklung stünden ihm – ausgehend von einer Laufleistung von 197.000 km bei Übergabe – 15.094,34 Euro an Nutzungsentschädigung zu, womit hilfsweise aufgerechnet werde.
Das Landgericht hat nach Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten der Klage überwiegend stattgegeben und den Beklagten – unter Anrechnung von zurückzuerstattendem Nutzungsersatz – zur Rückgabe und Rückübereignung des BMW verurteilt und den Annahmeverzug festgestellt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die im Kaufvertrag angegebene Fahrleistung eine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB darstelle. Entgegen der Auffassung des Beklagten gehe der Begriff der „Zusicherung“ auch aus Laiensicht über eine bloße Wissenserklärung hinaus. Diese Zusicherungen seien auch nicht vom vereinbarten Gewährleistungsausschluss erfasst. Aufgrund des eindeutigen Ergebnisses des Sachverständigengutachtens und der Auskunft von BMW stehe auch fest, dass der Pkw die vereinbarte Laufleistung von 138.000 km nicht gehabt habe, sondern die tatsächliche Laufleistung deutlich höher gewesen sei. Nutzungsersatz habe der Kläger lediglich in Höhe von 4.440,79 Euro zu zahlen.
Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung vom 05.05.2017 begehrt der Beklagte die Abweisung der Klage.
Zur Begründung führt er an, das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Beklagte selbst den Pkw mit dem zugesicherten Tachostand gekauft habe. Die tatsächliche Laufleistung und der damit einhergehende tatsächliche höhere Kilometerstand seien ihm selbst nicht bekannt gewesen. Die rechtliche Bedeutung der abgegebenen „Zusicherung“ habe er als juristischer Laie nicht erkannt.
Davon unabhängig habe es sich bei der Information über dem Kilometerstand lediglich um eine Wissensmitteilung gehandelt, auf die Gewährleistungsrechte nicht gestützt werden könnten. Dies ergebe sich auch aus der Auslegung des Kaufvertrags.
Zudem habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass dem Beklagten ein höherer als der im Kaufvertrag angegebene Kilometerstand bekannt gewesen sei. Auch habe er nicht zu erkennen gegeben, dass es ihm erkennbar auf die Laufleistung des Fahrzeugs angekommen sei.
Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 12.04.2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Koblenz (Az. 16 O 286/14) die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das landgerichtliche Urteil.
Wegen der Einzelheiten seines zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die Berufungserwiderung (Bl. 299 f. GA) verwiesen.
II.
Der Senat beabsichtigt nach vorläufiger Beratung, die Berufung gemäß 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Diese Voraussetzungen sind nicht dargelegt.
1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung des geschlossenen Kaufvertrags nach §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 326 Abs. 5 BGB bejaht, da der gekaufte BMW einen erheblichen Mangel aufweist und dessen Geltendmachung vom vereinbarten Gewährleistungsausschluss nicht erfasst ist.
a) Vorliegend wich nämlich – was die Berufung als solches nicht angreift – die tatsächliche Laufleistung (197.000 km bei Übergabe) vom vereinbarten Kilometerstand (138.000 km) ab, was einen Mangel darstellt (vgl. nur BGH NJW 2007, 1347, 1348).
aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten lag diesbezüglich auch eine Beschaffenheitsvereinbarung vor, auf die sich der getroffene Gewährleistungsausschluss nicht erstreckt (vgl. BGH Urteil vom 19.12.2012 – VIII ZR 117/12 – juris Rn. 15).
Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Vertrages, in dem es unmissverständlich unter Zif. II heißt: „Das Fahrzeug wird […] unter Ausschluss der Sachmängelhaftung verkauft, soweit nicht unter Ziffer III. eine bestimmte Zusicherung erfolgt.“
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kann dieser Klausel dem objektiven Empfängerhorizont nach nur der Sinn entnommen werden, dass der Verkäufer für die dort angekreuzten Punkte unabhängig von dem ansonsten geltenden Haftungsausschluss einstehen wollte. Dass es sich dabei nur um eine Wissenserklärung handeln sollte, ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus den sonstigen Umständen.
(1) Diese liegen auch nicht, wie der Beklagte meint, darin, dass es sich um ein vorformuliertes Vertragsformular handelte. Ohne dass es hier entscheidungserheblich darauf ankäme, spricht bereits vieles dafür, dass es der Beklagte selbst war, der sich dieses Formulars bediente. Aber auch wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, so sind die streitgegenständlichen Passagen so eindeutig abgefasst, dass sich auch für einen juristischen Laien aufdrängen musste, dass mit der Abgabe einer von III. erfassten Zusicherung eine Berufung auf den Gewährleistungsausschluss ausscheiden dürfte. Dem steht auch nicht entgegen, dass ein vorformuliertes Vertragsmuster, wie dem Beklagten zuzugeben ist, zumindest vordergründig eine gewisse Determinierung in dem Sinne bedeutet, dass es nahe liegt, die Vereinbarungen in der Regel zunächst in die entsprechend vorgedruckten Kategorien einzuordnen. Dennoch ist der (vorformulierte, aber auch nicht geänderte) Wortlaut von Ziffer II. so deutlich, dass der Beklagte, wenn er für die Laufleistung nicht einstehen wollte, die entsprechende Angabe hätte streichen oder an anderer Stelle – ggf. mit einschränkendem Inhalt – aufnehmen können.
(2) Auch der Umstand, dass der streitgegenständliche BMW zwei Vorbesitzer hatte, führt zu keiner anderen Bewertung. Der Schluss des Beklagten, bereits daraus müsse gefolgert werden, dass es sich bei der angegebenen Gesamtfahrleistung nur um eine Wissenserklärung handeln könne, findet keine Stütze in den getroffenen Vereinbarungen. Über Erkenntnismöglichkeiten des Verkäufers aus der Zeit vor seiner Besitzzeit, die Aufschluss über die Reichweite der abgegebenen Zusicherung geben könnten, muss sich der Käufer bei dieser Sachlage keine Gedanken machen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Parteien – wie der Kläger behauptet hat – explizit über die Laufleistung gesprochen haben oder – wie der Beklagte vorträgt – lediglich der Tachostand abgelesen wurde, denn es ist für den durchschnittlichen Verkäufer ohne weiteres ersichtlich, dass es dem Käufer auch ohne ausdrückliche Thematisierung auf die tatsächliche Laufleistung als einer der entscheidenden wertbildenden Faktoren ankommt.
(3) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von Beklagtenseite angeführten Entscheidungen. Die dort zu Grunde liegenden Sachverhalte unterscheiden sich von der vorliegend zu beurteilenden Konstellation nämlich entscheidend darin, dass sich entweder die jeweils vereinbarte Eigenschaft der Kaufsache ausdrücklich auf die Kenntnis des Verkäufers beschränkte (vgl. BGH NJW 2010, 1131; OLG Hamm MDR 2001, 87) oder ohne besondere Hervorhebung schlicht angekreuzt wurde (LG Münster BeckRS 2012, 03972).
Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Zum einen hat der Beklagte die Zusicherung nicht dergestalt eingeschränkt, dass sie sich nur auf seinen Kenntnisstand beschränke, zum anderen hebt der Kaufvertrag die Fahrleistung explizit als Zusicherung hervor, vgl. die obigen Ausführungen. Von einer solchen Zusicherung bei Nennung des Standes des Kilometerzählers geht im Übrigen auch die vom Beklagten ins Felde geführte Entscheidung des OLG München (NJW-RR 1986, 1181, 1182) aus.
(4) Soweit der Beklagte ausdrücklich die Nichtbeachtung der Entscheidung des OLG Nürnberg vom 03.03.1997 (nicht wie angegeben vom 13.11.2000), NJW-RR 1997, 1212, rügt, liegt wiederum der dortige Sachverhalt entscheidend anders, da im dortigen Fall die Laufleistung lediglich im Vertrag angegeben und nicht, wie hier, ausdrücklich „zugesichert“, mithin vereinbart wurde. Auf die in der Rechtsprechung durchaus nicht einheitlich beurteilte Frage, ob in der (bloßen) Angabe der Fahrleistung eine Beschaffenheitsvereinbarung (bzw. nach altem Recht eine Zusicherung) liegt, kommt es also nicht an.
(5) Dieses Ergebnis widerspricht schließlich auch nicht der Interessenlage des Beklagten als privatem – und nicht gewerblich agierendem – Verkäufer. Denn auch bei einem Privatverkauf kommt es dem Käufer maßgeblich auf die Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs an, so dass er an einer entsprechenden Vereinbarung jenseits eines Gewährleistungsausschlusses interessiert sein dürfte.
bb) Soweit der Beklagte wiederholt darauf abstellt, dass er keine Kenntnis von der vom Tachostand abweichenden Fahrleistung gehabt habe, so kann ihm dies zugestanden werden, ohne dass es am getroffenen Ergebnis etwas ändert. Die Rücktrittsvoraussetzungen setzen lediglich die Existenz eines Mangels voraus, auf ein Vertretenmüssen, hier im Sinne einer Kenntnis vom Mangel, kommt es dagegen nicht an.
b) Die weiteren Voraussetzungen des Rücktritts liegen vor, einer – gleichwohl erfolgten – Fristsetzung zur Mangelbeseitigung bedurfte es hier wegen § 326 Abs. 5 BGB nicht.
c) Von der Berufung nicht beanstandet hat das Landgericht eine vom Kläger im Wege der Aufrechnung zurück zu gewährende Nutzungsentschädigung von 4.440,79 Euro, ausgehend von einer klägerischen Fahrleistung von 44.693 km und – offensichtlich – einer Restlaufleistung von 168.000 km (vgl. hierzu OLG Koblenz NJW 2004, 1670, 1671), ermittelt. Die Feststellung des Annahmeverzugs sowie der Verzugszinsanspruch begegnen ebenfalls keinen Bedenken.
2. Nachdem die Berufung mithin ohne Aussicht auf Erfolg erscheint, erhält der Beklagte Gelegenheit zur Prüfung einer eventuellen Berufungsrücknahme. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gerichtsgebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).
III.
Der Antrag des Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung war gemäß § 719 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 707 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen, da, wie unter II. ausgeführt, die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat.